Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland/Die Rose in der Fremde

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Dreiunddreißigstes Kapitel Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland
von Heinrich Ferdinand Steinmann
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Die Rose in der Fremde.

Mit zücht’gem, keuschem Prangen
Eine Rose gar einsam steht,
Sie denkt an die ferne Heimath,
Aus der sie der Wind fortgeweht.

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Doch duftet sie nicht minder,

Obgleich nicht gestützt, noch gepflegt,
Im Sommer und selbst im Winter
Sie liebliche Knospen trägt.

Sie blickt um sich gar wonnig,

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Nickt jedem gar freundlich zu,

Sie lächelt so mild und so sonnig
In Unschuld, Vertrauen und Ruh.

Und Mancher streckt verwegen
Die Hände nach dem Gebild,

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Da streckt sie ihm Dornen entgegen,

In die sie sich schützend gehüllt.

D’rob sie in Zorn entflammen,
Sie schwören ihr Rach’ und Tod,
Sie geben ihr höhnische Namen,

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Sie schmähen ihr liebliches Roth.


Die Blumen ringsum alle
Sind übel von Neid gequält,
Sie freuen sich ob ihrem Falle,
Von Hasse und Mißgunst beseelt.

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Manch Leid hat sie ertragen,

Manch Wetter zog über ihr hin,
Jetzt sieht man sie Wurzeln schlagen,
Um schöner als je zu erblüh’n.