Der „Bädeker“ des siebenzehnten Jahrhunderts

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der „Bädeker“ des siebenzehnten Jahrhunderts
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 588–591
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[588]
Der „Bädeker“ des siebenzehnten Jahrhunderts.


Jetzt, wo die jährlich wiederkehrende Zeit der Reiselust und der Lustreisen in voller Blüthe steht, wo so Mancher, seinen Bädeker oder Berlepsch in der Hand, alle Sorgen und Arbeit hinter sich lassend, in die weite blühende Welt hineinzieht, jetzt ist ein Wort vom Reisen und Wandern wohl am Platze.

Allen Respect vor Bädeker, vor seiner Brauchbarkeit und Unentbehrlichkeit! Aber etwas so ganz Neues, eine specifisch moderne Erscheinung ist der „Bädeker“ keineswegs. Der Name ist neu; das Wesen ist alt, Jahrhunderte alt. Es existirte schon im siebenzehnten Säculum. Freilich nicht in der freundlichen rothleinenen Gestalt und der gefälligen Ausstattung, die es im Zeitalter des Dampfes angenommen, sondern in ungelenkem Schweinsleder mit ungefügen Buchstaben auf vergilbtem Handpapiere. Nicht in dem „geliebten Deutsch“ des Doctor Martin Luther, sondern in steifem Lateinisch. Ein gewisser Herr „Rantzovius“, ein gewisser „Julius Bellus“, ein gewisser „David Frolichius“ – Anderer zu geschweigen –, das waren die Bädeker, Berlepsch und Meyer ihrer Zeit.

Da kam nun der Martin Zeiller, ein Mann, wohlbekannt den Geographen und Historikern, der sagte: „Wenn der Deutsche auf Reisen geht, so soll er auch ein deutsches Buch zum Reiseberather und Reisegefährten haben.“ Und so schrieb er im Jahre 1650 seinen „Fidus Achates oder getreuer Reisgefert“. Das Buch kam 1651 „In Verlag Georg Wildeisens zu Ulm“ heraus. Wie Alles uns anzieht, was uns unmittelbar in die Zeit unserer Voreltern versetzt, so hat es auch seinen großen Reiz, das Büchlein zu durchblättern.

Vornan eine Karte von Deutschland, sechs Zoll breit, drei Zoll hoch. Da läßt sich denn freilich nicht viel Detail anbringen. So hat der Rhein alle seine Nebenflüsse bis auf vier eingebüßt; am Main sind nur vier Städte verzeichnet (unter ihnen Nürnberg!); der Thüringer Wald ist durch eine Pappelallee dargestellt etc. Die Karte führt die Umschrift: „Ich will dir den Weg zeigen, den du wandeln solt; Ich will dich mit meinen Augen leiten. Psalm 31.“

Die Angaben sind nichts weniger als eingehend und genau. Von Berlin weiß Zeiller nichts weiter zu sagen, als: „Dies ist die churfürstlich Brandenburgische Hofstadt und das Haupt der Mark Brandenburg, an der Spree gelegen; und ist doppelt, deren einer Theil eigentlich Berlin, der eine aber Cöln an der Spree genannt wird, in welchem auch der Dom oder Stiftskirchen, und das churfürstliche Schloß sammt den zugehörigen Gebäuden, der Schloßkirchen, Canzley, Apotheken, Marstall, Rüstkammer und dergleichen zu besichtigen.“

Aber außer diesen „unterschiedlichen Reisen nach dem ABC“ enthält der fidus Achates eine Einleitung, und die ist das eigentlich Anziehende an dem Buche; sie giebt des Verfassers „unvorgreifliches Bedenken (das heißt: Gedanken), wie die Reisen insgemein wol und nützlichen angeordnet und verrichtet werden mögen“.

Zu näherem Verständnisse ein kurzes Wort über das Reisen in jenen Zeiten. Man reiste meistens mit eigenem Gefährte, auch wohl mit einer Miethskutsche. Der Kostenersparniß wegen schlossen sich wohl Mehrere zusammen. Auch Postvorspann wurde benutzt; doch, wie es scheint, seltener. Auch zu Pferde unternahm man große Reisen in’s Ausland; freilich in jener Gemächlichkeit, wie sie die Epoche des noch schlummernden Dampfes kennzeichnet. Und daß man, unverwöhnter als heutiges Tages, sehr häufig große Reisen zu Fuß antrat: wer, der von fahrenden Schülern und wandernden Handwerksburschen gelesen, wüßte das nicht!

Paßscherereien existirten schon früher, und die Visitationen und Controlirungen an den Stadtthoren gehörten „trotz Regen, Sturm und Schnee“ zur Tagesordnung.

Eine genaue Charakteristik des damaligen Wirthshauslebens würde hier zu weit führen. Die „Herberge“ sollte des Reisenden Heimath in der Fremde sein. Er sollte sich in ihr wohl fühlen. Von all jenen Prellereien und Uebervortheilungen – von den siebenundeinhalb Silbergroschen für Beleuchtung bis zu den hundert oder mehr Procent Profit des Wirths am Wein, von [589] dem ganzen Raubbau der trinkgeldfordernden Kellner, Hausknechke, Portiers, Kutscher etc. – keine Spur dazumal. Das verhinderten schon die ausdrücklichen Erlasse der Landesherren über die „Herbergen, Gasthöfe und Garküchen“, deren uns aus dem siebenzehnten Jahrhunderte eine ganze Anzahl vorliegen. Statt aller weiteren Bemerkungen über diese für jeden Reisenden aller Zeiten so brennende Gasthausfrage mögen die kursächsischen Bestimmungen von 1623 hier ihre Stelle finden.

„In Wirthshäusern und Gasthöfen soll von denen von Adel und anderen vornehmen Leuten für eine Mahlzeit von 4 oder 5 guten Essen, nebst Butter und Käse und einheimischem Bier, so lange das Tischtuch liegt, 4 bis 6 Groschen bezahlt werden. Was außer dem Bier getrunken wird, soll besonders bezahlt werden.

Das Gesinde, Kärrner und Fuhrleute zahlen nur 3 bis 4 Groschen. Und sollen die Wirthe dem Gesinde unter der Mahlzeit ohne Vorbewusst ihres Herrn von Getränk nichts verabfolgen, bei Verlust der Bezahlung.

Wenn sich der Gast mit mehrern Gerichten, Confect und Anderem besser tractiren lassen will, so hat er sich mit dem Wirth besonders zu vergleichen. Ebenso wegen der Stube, wegen Holz und Licht. Und soll der Wirth dem Gast die Sachen jedesmal specificiren ‚und nit überhaupt rechnen‘.“

Auch was der Wirth für „Hafer und Rauchfutter“ anrechnen darf, ist genau bestimmt, und jedem Reisenden erlaubt, in den Wirthshäusern die Fütterung seiner Pferde selbst zu übernehmen. Was die „Garküchen“ betrifft, so sollen sie „für die durchreisenden Fußgänger jederzeit etwas in Vorrath haben und denselben auf Begehren folgen lassen:

     eine Suppe mit ½ Pfund Rindfleisch pro 1 Gr.
     eine Bratwurst ½ Elle lang um 1 Gr. etc.“

Und nun die Gedanken Zeiller’s. Ich theile sie in einer Auswahl mit, ohne viel Zuthaten. Es hat seinen eigenen Reiz, die Vergangenheit durch sich selber reden zu lassen.

In einem ersten Abschnitte handelt Zeiller von den Vorbereitungen zur Reise.

Wer reisen will, lesen wir da, muß „eines guten, starken Leibes, auch nicht zu alt, noch zu jung sein“, wenn anders er alle Strapazen aushalten und von der Reise den gehörigen Nutzen haben will. Er erhole sich zuvor guten Raths bei Anverwandten und verständigen und gelehrten Leuten, besonders aber bei denen, welche die gleiche Reise schon früher gemacht haben. Auch suche er sich aus Reisebüchern und anderen Schriften zu unterrichten, lese fleißig die Geschichte des Volks, zu dem er sich begeben will, und studire die Landkarte! Ferner übe er sich durch tägliche Spaziergänge in die Nachbarschaft, damit er, wenn er aus Armuth oder Mangel an Reit- oder Fahrgelegenheit zu Fuß wandern muß, „nicht auf dem Wege erliege, oder Blasen an den Füßen bekomme“. Auch ist es gut zuvor das Schwimmen und etwas Kochen zu lernen. (Wenigstens „etliche geringe Speisen anzufertigen, als eine Suppe zu machen, Eier, Fisch, Fleisch zu sieden, auf daß, wenn er in eine schlechte Herberge kommt und des Kochens unerfahrene Leute antrifft, er sich durch übel zugerichtete Speisen nicht eine Krankheit an den Hals esse, sondern selbst zur Küche sehen möge“.) Und nützlich ist es, wenn er „was Wissenschaft vom Regiment und Zustand seines Vaterlandes und den vortrefflichsten Leuten in demselben hat“, damit er in der Fremde die darauf bezüglichen Fragen beantworten kann. Zu dem Ende empfiehlt es sich, sich ein „geschmeidiges Standbüchlein“ (Stammbuch) anzulegen, in das man die auch in der Fremde bekannten Landsleute sich einschreiben läßt. Das weist man dann in der Fremde bei seinen Besuchen vor. Man hat deshalb darauf zu sehen, daß nicht ärgerliche und widerliche Sachen in das Stammbuch geschrieben oder gemalt werden.

Von Gepäck („Fahrniß“ heißt es dazumal) nehme man, in einem „wohl verschlossenen Reistrühlein, Rantzen, Felleisen oder Vellis“ (vellis) nur das Nöthigste mit, denn die Menge des Gepäcks ist einem hinderlich und lockt nur die Räuber an. Nun aber höre man und staune, was als derartiges Unentbehrlichstes gilt: Von Büchern nur ein Gebet- und Gesangbuch, das erwähnte Standbüchlein, ein Schreibtäflein, ein Reise- und kleines Tagebüchlein (für die täglichen Aufzeichnungen), einen Kalender und etwa „ein historisches lustiges, oder anderes zu seinem Vorhaben nützliches Tractätlein“. Ferner: Etliche Bogen weißes Papier, ein paar Federn, Tintenfaß und Streusand, ein kleines Feuerzeug, Nadel, Faden, „Klöblein und Schlößlein, etwa an einer übelverwahrten Thür eines Zimmers anzumachen“.

Die Kleider, die man mitnimmt, sollen weder zu stattlich sein, damit man nicht durch sie in Gefahr komme, noch gar zu schlecht, damit einem nicht vornehmer Leute Haus und Gespräch verschlossen bleibe. Es empfiehlt sich, sie nach der Mode des Landes, in das man reist, anfertigen zu lassen. Sehr nützlich ist ein „Regenmantel“ und ein breiter Hut; gegen die Kälte auch „neue Kappen, Nasenfutter und Ueberstrümpfe mit Knöpfen“ (Gamaschen). Sonst nehme man mit: drei oder vier „saubere Leib- oder Unterhemden“, ebenso viele „Ueberschläg oder Krägen“, ein „Oberhemd“, etliche „Schnäutz- und Handtüchlein“, auch zwei „Haupttücher“, etliche Paar Ober- und Unterstrümpfe, Socken, Schlafhosen, Schlafhauben, Handschuhe, ein übriges Paar Schuhe und ein Paar Pantoffeln. Die Schuhe muß man etliche Tage vor der Abreise tragen, auch ihnen, damit man sanfter gehe, zartes Tuch oder Filz unterlegen. Beyfuß in den Schuhen getragen, soll vorzügliche Dienste gegen die Müdigkeit thun.

Wer zu Wagen oder zu Schiff reist, thut wohl, einen Bettsack und einen Schlafpelz mitzunehmen. Kein Reisender soll ohne Waffen sein, Keiner, der zu Fuß reist, ohne einen guten Stecken wider die Hunde und zum Bergsteigen und Grabenüberspringen. Aber einen Hund mitzunehmen, ist nicht rathsam. Von sonstigen Sachen nehme man mit: „ein Perspectiv oder Fernglas, item Augenbrillen wider den Staub, einen Spiegel, Kreide, Räucher- und Wachskerze oder -Stöcklein, ein Petschaft (so aber wohl zu verwahren), ein Messer sammt einem Gäbelein, einen Kamm oder Strehl, einen Eßlöffel, Ohrlöfflein, Zahnstörer, Compaß, Sonnenweiser, Zeig- (aber kein Schlag-) und Sandührlein, so in Möß (Messing) eingefaßt, auch einen Quadranten etc. Item etwas von Gewürz, eingemachte Sachen, Oel, Hirschenunschlitt, Wachs, gemeinen Zucker, Rosenzucker, Pillen und etliche andere Arzneien wider das Schweißen aus der Nasen, Durchfluß und Stopfung des Leibes, Harnwinden, den Sod, den Wolf vom Reiten, Blasen an den Füßen, Erbrechung auf dem Meere, die Pest, Gift, böse Lüfte, Kopfweh, Bräune, Schlangen und Skorpionen und wüthenden Hundsbiß, die Läuse, Schrunden an den Lefzen und andere Umstände mehr.“ Das alles führt man am besten in einer kleinen „Feldapotheke“ bei sich.

Wer zu Wagen oder zu Schiff reist, verproviantire sich mit etwas an Speise und Trank, „als gebratenes Fleisch, Schinken, Brod, Käse, Butter, Knoblauch und etwas weniges gebrannten Wein“. Denn man findet nicht aller Orten etwas zu essen und trinken; auch kommt man manchmal des Tages viel weiter, wenn man nirgends „abstehet“ (absteigt), sondern seine „kalte Küche“ bei sich hat. Wohlhabende nehmen wohl ihre „Hof- und Lehrmeister“, auch einen oder zwei Diener mit. Aber sind die Diener nicht treu, wachsam, nüchtern, verschwiegen und unverdrossen, so läßt man sie lieber zu Haus. Denn sie kosten unterwegs fast so viel als der Herr. Man findet übrigens häufig, zumal in den „Kosthäusern“, Leute, die Einem die nöthigen Dienste verrichten. Ohnedem darf man sich in der Fremde nicht schämen, selber Hände und Füße zu brauchen: seine Kleider zu reinigen, die nöthigen Einkäufe zu machen. Man lernt so desto eher die Sprache und sich in die Leute schicken. Anders ist’s mit den Hof- und Lehrmeistern. Die sind für junge, vornehme Personen unentbehrlich. Namentlich in Kriegszeiten ist auch ein „Paßport“, Geleitsbrief und bisweilen sogar persönliche Begleitung (Geleite) von nöthen; in Sterbensläuften ein beglaubigtes Zeugniß, daß man von gesunden Orten herkommt.

Wenn nun Alles so weit wohl bestellt ist, so bleibt nur noch übrig, auf den „Zehrpfennig“ bedacht zu sein. Die Hauptsumme muß womöglich in Gold bestehen, und zwar in solchen Sorten, wie sie in dem Lande, wohin die Reise geht, gäng und gäbe sind; von kleinem Gelde soll man nur etwa den täglichen Bedarf bei sich haben. Man verwahre das große Geld sorgfältig „in dem Vellis oder Trühelein, im Beutel, Büchlein, Wachs, Stück Brodts, ausgehöhltem Stecken, in den Schuhen, Hosen, Wamms oder sonst, auch wohl an unsauberen Orten“.

Vor Allem aber soll man sich, bevor man abreist, mit Gott versöhnen, und den himmlischen Zehrpfennig (also das Abendmahl) zu sich nehmen, seine Schulden bezahlen, wenn man mündig ist, sein Testament machen und sonst all seine Sachen wohl bestellen, „weil man wohl ausreiset, aber nicht wieder

[590] heimkommet“. Darum soll man auch „von allen Verwandten, Wohlthätern, Freunden und Bekannten Urlaub nehmen, sich ihnen befehlen und sie bittlich ersuchen, ihn in ihrem Gebete zu haben und in guter Gedächtniß zu erhalten“.

Ist Geld genug vorhanden, so macht sich’s gut, wenn man (oder bei Unmündigen die Eltern oder Vormünder) ein oder zwei Tage vor der Abreise ein „Valet- oder Abschiedsgastunglein“ anstellt, zu welchem man die Freunde und etliche der Reisegefährten einladet. –

Der zweite Abschnitt behandelt das Verhalten auf der Reise.

Naht der Moment der Abreise, so rufe man Gott demüthig um seinen Schutz und Segen an! Zu empfehlen und dafür besonders der 91., 126., 127. und 139. Psalm und die zu diesem Zwecke besonders verfertigten schönen Gebete und Gesänge in den Gesangbüchern. Auch auf der Reise soll man zum Oefteren beten, besonders alle Morgen, Mittags, Abends und zur Nacht. Die Nachtreisen soll man meiden „wegen allerhand Ungelegenheiten, auch der Irrwisch oder Nachtlichtlein wegen, die Manchen verführet“. In den Wäldern soll man „wegen der wilden Thiere, Räuber und Gespenster“ nicht über Nacht bleiben.

Bei eintretender Kälte legen Einige etliche Hemden an, waschen die Füße mit gebranntem Weine, der auch, mit Gewürz getrunken, den ganzen Leib erwärmt. Doch muß man damit behutsam sein. Einige thun Sauborsten, item warme Kleie in die Schuhe und Stiefel. Muscatnuß, Ingver, Calmus, Knoblauch, Nuß (namentlich die beiden letzteren in einer Fleischbrühe zerstoßen) werden als Mittel gegen die Kälte gelobt. Ebenso behütet „ein Sälblein von Nessel und Oel mit ein wenig Salz“ vor Kälte und dient gegen Frostbeulen. Wer aber von der Kälte bereits erstarrte Glieder bekommen, der bringe sie nicht durch Feuer oder warmes Wasser, sondern durch kaltes zurecht! Einige streuen die Asche von einem verbrannten Hasenbalge, Andere legen eine gebratene Rübe oder Apfel darauf; Einige schmieren sie mit Schweinsgalle; Andere brauchen andere Mittel. Auch spreche man nicht viel, wenn man heiß ist, denn das verursacht Durst, und man trinkt dann kaltes oder schmutziges Wasser. Einige thun einen Knoblauch oder ein wenig Theriak in’s Wasser, ehe sie es trinken. Leimicht Wasser wird durch ein wenig Salz gereinigt, trübes durch Alaun geläutert; kaltes wird auf ein wenig Zucker und Brosam geschüttet und so allgemach getrunken. Einige nehmen einen Krystall, Korall, Silber, weißen Zucker, einen Kieselstein, der eine Zeitlang in kaltem Brunnenwasser gelegen, Pfefferkörner (so viel Feuchtigkeit herzuziehen) oder ein wenig grob Salz unter die Zunge. Andere machen sich einen „Julep“ von Rosen- und Veilchensaft mit Wasser, Andere eine kalte Schaale (wie man’s nennt). Andere essen Süßholzwurz und Saft, oder frische Feigen, Erdbeeren, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Quittenkerne u. A. dgl., so wider den Durst ist. Auch lobt man dafür Brod, in kaltem Wasser geweicht, mit etwas Wein genommen.

Was das Essen betrifft, so lebe man auf Reisen mäßig und gewöhne sich allgemach an die fremden Speisen und Getränke! Die Hauptmahlzeit aber fällt auf den Abend. Kommt man an Gärten oder Weinbergen vorüber, so soll man keine Kirschen, Aepfel, Trauben oder dergleichen Früchte abbrechen. Man hüte sich, unterwegs zu erkranken! „So aber einem dergleichen, auch Schiffbruch und anderes Widerwärtiges begegnet, soll man’s herzhaft ertragen.“

An Sonn- und vornehmen Feiertagen soll man still liegen. Verlangt aber die Noth oder die Reisegesellschaft, daß man die Reise fortsetzt, so „soll man bei sich der göttlichen Sachen eingedenk sein, mit seiner Gesellschaft davon reden, auch, sofern es die Gelegenheit zuläßt, andächtig singen, wiewohl es nicht allwegen sein kann.“

In der Wahl seiner Reisegefährten sei man vorsichtig! Reisegefährten sollen nicht um geringer Ursache willen miteinander zanken, sondern getreulich zusammenhalten, und wenn einer von ihnen des Morgens früher erwacht, soll er die Andern wecken und nicht heimlich davon ziehen. Für gute Reisegesellschaft empfiehlt es sich, etwas Geld zusammenzuschießen und einen zum Verwalter dieser gemeinsamen Casse zu wählen, der dann den Andern Rechnung abzulegen hat.

Auch Verhaltungsmaßregeln gegen verfolgende Bären und Wölfe werden gegeben. „In Gegenwart eines Bären lege man sich auf die Erde und halte den Athem stark an sich, als ob man todt wäre.“ In fremden Ländern will es sich schicken, daß man andern, besonders vornehmen Leuten ausweicht, oder wohl gar vom Pferde und aus dem Wagen steigt und „ihnen die Ehr’ anthut“. Insgemein aber gebührt es sich, jeden Begegnenden freundlich zu grüßen und ihm Glück zu wünschen, daß man vor Jedem den Hut recht abziehe und ihn nicht nur anrühre, als ob man Spatzen oder Anderes darunter hätte. Bettlern soll man sich „gutherzig erzeigen“, vor „starken Bettlern“ aber sich – namentlich wenn man allein reist – wohl in Acht nehmen.

Sehr genau sind die Anweisungen für das Verhalten des Reisenden am Stadtthore. Sie laufen darauf hinaus, daß er, wenn man ihm Schwierigkeiten wegen des Einlasses macht, in die Tasche greifen und der „Wache“ ein Stück Geld in die Hand drücken soll. Unter dem Thore erkundigt man sich sofort nach ehrlichen und guten Wirthshäusern und wählt das seinem Stande und Geldbeutel entsprechende. Man pflegt insgemein den Wirth oder die Wirthin um die Herberge anzusprechen und nach Gewohnheit jedes Landes sich gegen sie, ihre Töchter und Angehörigen bei der Ankunft und der Abreise „gebührend zu erzeigen“. Im Gasthause muß man alle Abende seine Sachen fleißig verwahren, sie beim Ausgehen in seinem Zimmer wohl verschließen, oder sie den Wirthsleuten zum Aufheben geben. Namentlich beim Essen soll man „schamhaft“ sein, wenig reden, vollends nicht von sich, seiner Geschicklichkeit, seinem Geschlechte und desgleichen, nicht von Religionssachen disputiren, dagegen sich bescheiden nach den Sehenswürdigkeiten erkundigen. Vor Allem hat man auf ein sauberes Bett zu sehen. Die Thür der Schlafkammer nehme man wohl in Acht, setze eine Bank oder desgleichen davor! Man vergesse nicht Degen und Feuerzeug neben das Bett zu legen! Vor Allem vergesse man vorm Einschlafen nicht des Gebets!

Der dritte Abschnitt, „was in Besichtigung der Länder und Oerter zu beobachten“, ist viel weniger eingehend, als die beiden ersten. Und so wollen auch wir nur weniges aus ihm erwähnen.

Zeiller räth, sich bei längerem Aufenthalte an einem Orte mit vornehmen Ortsangehörigen bekannt zu machen, „und sie um ihre Handschrift und so es sich füglich schicket, um ihr Wappen in sein Handbüchlein zu ersuchen.“

Man nehme sich einen erfahrenen Führer, besteige mit ihm die höchsten Thürme, gehe um den Ort von innen und außen herum, und nehme Alles wohl in Acht! Man lasse sich berichten in welchem Lande man sei, wie es früher genannt worden, wie es jetzt genannt werde, frage nach Größe, Grenzen, politischer Eintheilung etc. etc.! Man soll ebenso wohl nach der Zahl der im Lande gelegenen Städte, Klöster und dergleichen, wie nach dem verbreitetsten Ungeziefer in ihm, nicht weniger nach der Zahl und Art der Sauerbrunnen und Gesundbrunnen, als nach der geographischen Länge und Breite und nach dem himmlischen Zeichen, unter dem der Ort gelegen fragen. Auch in Bezug auf die Zahl und Art der in dem Lande ansässigen Künstler, Fecht- und Tanzmeister, „Roßbereiter“ und „allerhand Unterweiser auf musikalischen Instrumenten“ soll man seinen Wissensdurst zu befriedigen suchen. Und nicht minder gründlich als die Unterweisung soll die Besichtigung sein. Zeiller zählt im Allgemeinen alles möglicherweise in irgend einem Orte Sehenswerthe auf. Für das an jedem einzelnen Orte Sehenswerte verweist er auf die verschiedenen Reisebücher, die er über die Gegenden Europas verfaßt hat.

„Wenn nun Einer seine Zeit in der Fremde erstrecket, solche wohl angelegt und etwas gelernet hat“, so soll er an die Heimkehr denken. Von ihr handelt der letzte Abschnitt.

Man zeige seine bevorstehende Abreise seinen Landsleuten in der Fremde an, damit sie einem ihre Aufträge mitgeben oder sich ihm anschließen, nehme von den Zurückbleibenden und anderen Bekannten Abschied, kaufe allerhand Dinge ein, die in der Heimath theuer oder selten sind, theils mit sie als Geschenke den Seinigen mitzubringen, theils um sie als Andenken zu behalten; und so reise man dann ab! Womöglich auf einem anderen Wege, als man auf der Hinreise eingeschlagen, um desto mehr zu sehen.

Zu Haus angekommen, soll man seine lieben Eltern, wenn [591] sie noch leben, desgleichen die Geschwister, auch seine gewesenen guten Gönner, Lehrmeister und alte Freunde gebührend grüßen und sie heimsuchen, auch die alte Kund- und Freundschaft erneuern, seiner alten Schulgesellen nicht gar vergessen. Man soll sich „auch wieder in seines Vaterlands ehrliche, löbliche und zulässige Sitten und Gewohnheiten schicken, dagegen die fremden, den Seinigen ungewohnten, lächerlichen Gebehrden, die seltsame fremdländische Kleidung und Haartracht abthun“, sich die Muttersprache wieder „angewöhnen“, von seinen Reisen und Reiseerlebnissen nicht viele und große Worte machen. Mit den in der Fremde gefundenen Freunden und Bekannten soll man in Briefverkehr bleiben. Und was man draußen erlebt, soll man mit den Erzählungen und Schriften Anderer vergleichen und Alles in eine ordentliche Beschreibung bringen. Ueberhaupt aber soll man in seinem Thun sich so verhalten, daß man bald „zu einem Amte und guten Heirath befördert werde, und soll hernach seinen Stand und Beruf mit aufrichtigem Wandel, Treu, Fleiß, Freundlichkeit, Verstand, Weisheit, Nüchternheit und guten Tugenden wohl verwalten, also daß man die Unkosten, Mühe und Gefahr und anderes, so man an seine Reise gewendet und ausgestanden, Gott zu Ehren, dem Vaterlande, sich und den Seinigen zum Besten wohl anlege“.

So der brave Zeiller – etwas ungelenk im Ausdruck und weit hergeholt, aber gut gemeint. Wenn eine Reise – fügen wir hinzu – diese Folgen hatte, dann paßte auf den glücklich Heimgekehrten nicht der alte Vers:

Eine Gans über Meer,
Eine Gans wieder her;
Eine Gans über’n Rhein,
Eine Gans wieder heim.