Der 1. Glaubensartikel/1. Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
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2. Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und nicht zweifeln an dem, das man nicht siehst. » | |||
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Stärke uns den Glauben! Luk. 17, 5.
Nach den Betrachtungen, die das ganze schwere Jahr hindurch mit Texten aus der Hl. Schrift die Not des Krieges und den Trost Gottes uns nahebringen wollten, erscheint es ratsam zu sein, in den Betrachtungen über den Katechismus, die wir vor länger als Jahresfrist begonnen hatten, fortzufahren. Dabei brauchen wir dem Verdacht nicht zu begegnen, als ob der Mangel an Teilnahme für das Geschick unseres Volkes uns von den Kriegsandachten in die Katechismuswahrheiten zurücktriebe. Wir glauben mitten im Kriege ein Friedenswerk zu treiben, wenn wir für die kommenden Tage uns wieder rüsten, in denen Gott das vom Kriegsungestüm unterbrochene Tagewerk uns wieder gönnt.
Die erste Rede des Katechismus in den zehn Geboten haben wir getan und vernommen. Laßt uns heute mit dem einfachen Worte beginnen, das ein Kind spielend ausspricht und dessen Wirklichkeit den Mann alt werden läßt, ohne daß er sie erschöpft, laßt uns reden
von der Arbeit des Glaubens.
Die erste Tätigkeit in dem erwachenden Menschen, ehe er recht reden und das, was ihn bewegt, nach außen kundgeben kann, ist, daß er fühlt. Das kleinste Kind fühlt, daß die Mutterhände linder sind als jedes andern Menschen noch so weiche und gütige Hand. Das kleinste Kind merkt, daß das Lächeln der Mutter einen ganz andern Sinn hat wie das eines andern ihm noch so freundlich nahenden Menschen. Denn es ist das Lächeln des Wesens, dem es sein Leben dankt; es ist die Freude des Menschen, der nach heißer Angst und schweren Stunden ihrer aller vergißt um der Freude willen, daß ein Mensch zur Welt geboren ward. (Joh. 16 21.) Das Kind merkt den Unwillen der Mutter, wenn es sich gleich noch nicht Rechenschaft darüber geben kann,| wie diese Änderung auf dem Antlitz der Mutter sich abschattet und aus dem Wesen der Mutter redet. Es merkt es; denn es fühlt. Wenn aber das Kind etwas heranwächst und das unmittelbare Fühlen sich zum vermittelnden Bewußtsein hebt, dann ahnt das Kind. Es ahnt im Antlitz der Mutter eine Welt von Seligkeit und Frieden. Es ahnt aus den Tränen der Mutter eine ihm bisher verschlossene Welt des Leides und des Unguten. Es ahnt, wenn die Mutter ihm naht, daß nun Sonne und Segen zu ihm kommen, und wenn die Mutter scheidet, daß eine Freude weniger ihm nahe ist. Es ist das, wenn ich so sagen darf, ein Fühlen, welches ans Denken hingrenzt. Das Kind ahnt ein Glück, ohne zu wissen, was Glück ist. Wenn aber das Kind die Unmittelbarkeit der frühesten Jugend abstreift und sich die Mittelbarkeit des sich Rechenschaft gebenden Menschen aneignet, dann heißt es: das Kind denkt. In diesem Alter des Kindes werden die meisten Erziehungsfehler von unvorsichtigen und schwachen Eltern begangen. Die Reden, die die Eltern unter sich tauschen, die Urteile, die sie miteinander wechseln, prägen sich dem Kinde ein, das Kind beginnt zu denken. Es setzt sich im Unterschied zu andern, es vergleicht sich mit andern. Wird es unmäßig gelobt, so wird es hochmütig; wenn es nie Lob empfängt, wird es kleinmütig. Wenn der Tadel nicht im Verhältnis steht zu der Tat, so wird es trotzig; wenn das Lob nicht dem entspricht, dem es gelten soll,| so wird es stolz und übermütig. Wenn es merkt, daß die Wahrheit ihm schadet, wird es verschlossen; wenn es sich bewußt wird, daß Zärtlichkeit ihm nützt, wird es schmeichlerisch; gewinnt es den Eindruck, daß diese und jene Rede es interessant macht, so wird es eitel. Wie viele Eltern haben, indem sie ihr Kind über Gebühr lobten, aus dem Gottesgedanken eine Karikatur gemacht, die später wie ein trüber, schwerer Nebel auf dem Haus und dem Herzen der Eltern lastete. Das Kind, das frühzeitig angeleitet wurde, seine Gaben zu zeigen, mit seinen Künsten zu prunken, wird im spätem Leben tapfer Rollen spielen und wird nie mehr sein selbst sein. Der Mensch denkt und je mehr er denkt, desto stürmischer pochen an das bisher gewahrte und befestigte Herz die Zweifel. Sobald das Kind denkt, beginnt es zu zerstören. Ihr wißt es alle, die ihr Kinder kennt, wie eine der ersten Tätigkeiten des Selbstbewußtseins der Zerstörungstrieb ist; wie das Kind um hinter die Dinge zu kommen alles vernichtet und so selbständig werden will. Dann kommen die Zweifel. Bisher hat das Kind gebetet, weil die Mutter es lehrte, vielleicht ihm, wenn es eine rechte Mutter war, nie den Abendgruß bot, ehe es gebetet hatte. Bisher hat das Kind gelernt mit jemand reden, den es nie gesehen hatte, von dem es nur sehr viel hörte. Und nun beginnt es auch dieses Gut zu zerstören: Wo ist der, den ich nie gesehen habe? Wer ist der, den mein Auge nie erblickt? Wie ist der, von dem ich so viel hörte? Aus dem scheinbar| geistreichen oder, wie man töricht sagt, unschuldigen Fragen schaut langsam der Zweifel heraus: Sollte Gott gesagt haben? (1. Mos. 3 1.) Wer ist der Gott, des Stimme ich hören soll? (2. Mos. 5 2.) Und wenn das Denken mit dem Zweifel sich verbindet, dann kommt es zu einem der unseligsten Worte, das doch so oft gebraucht wird: ich meine. Und während noch vor wenigen Jahren das Kind ahnte, meint jetzt die heranwachsende Jugend und legt sich das Bild zurecht, woran der Mann sich müde glaubte, um nie fertig zu werden. Wenn das alles überwunden ist, wenn aus dem Zustand des Ahnens und der Willigkeit des Denkens und der Unrast des Meinens eine Umkehr stattgefunden hat, dann taucht allmählich die Kraft auf, die zwar noch nicht die größte, aber der größten eine ist: ich glaube. Ich glaube, daß dies so ist, nicht: ich weiß es; denn das, was ich nicht sehe, kann ich nicht wissen. Aber ich will es glauben.An Menschen glauben ist schwerer als an Gott glauben. Ich glaube an Menschen, nicht: ich glaube den Menschen, ich traue ihnen, weil ich sie treu erfunden habe. Das letztere ist kein Glauben, das ist Fühlen, das ist Wissen, ein innerliches Überzeugtsein auf Grund ganz bestimmter Proben und Erlebnisse. Aber an Menschen glauben, wenn so viel Täuschung erlebt ist, an Menschen glauben, wenn man so viel Schweres in und unter den Menschen erfahren muß, das ist eine Kraft des Willens, die nicht auf Erfahrung gründet, was sie glaubt, sondern es auf Erfahrung erst anlegt. Ich glaube an Menschen, das setzt eine solche Fülle von Willenskraft in Bewegung, daß man sich sagt: und wenn alle Berechnungen, die ich mit diesem Menschen anstelle, fehlschlagen und alle Erfahrungen, die ich mit ihm machen muß, mich täuschen, so will ich doch glauben, daß im tiefsten Grunde er es recht meint. Nicht: ich glaube ihm, sondern: ich glaube an ihn, obwohl ich ihm nicht glaube.
Ich glaube an mich. Die meisten unter uns werden sagen: das ist ein leichtes Ding, an sich zu glauben. Als| ob nicht der Mensch sich selbst das größte Rätsel wäre und das Menschenherz ein trotziges und verzagtes Ding (Jer. 17 9), ein Abgrund, aus dem Gedanken heraufsteigen, die nur Einer wissen muß und keiner wissen darf. Als ob das Menschenherz nicht ein unruhvoll bewegtes Meer wäre, in dessen tiefstem Grund Geheimnisse wohnen, die dem nur kund sind, der das Meer in seinem Wesen beschloß. Je älter ein Mensch wird, desto mehr wundert er sich über sich selbst: das hätte ich nie von mir gedacht und nie von mir erwartet. Die meisten Menschen kommen deshalb so leicht durchs Leben, weil sie nie Zeit haben, sich mit ihrem Innern zu beschäftigen. Sie kennen sich nicht und lernen sich erst kennen, wenn es zu spät ist, nämlich in der Stunde, da alle Schleier zerreißen und die Rollen ausgespielt sind, die Seele allein mit sich ist und an sich denken muß. Die meisten Menschen tändeln durch das Leben, weil das Leben ihnen nur eine Summe von Abwechselungen und nicht eine Summe von Pflichten ist. Wer aber den Mut hat, sich mit sich selbst in rechter Weise zu beschäftigen, der ist gezwungen an sich zu glauben, soll er nicht an sich verzweifeln, so gewiß er geneigt ist, sich mit Geduld zu tragen. Du kannst einen jeden Menschen leichter tragen als dich, wenn du es ernst nimmst. Wenn du freilich in dich verliebt bist, kannst du dich leicht tragen; dann stören dich die Sandkörner im Wesen deines Nächsten ebensosehr, als dich deine Bergeslasten von Unarten unangefochten lassen; dann ärgerst du dich| des Splitters in deines Bruders Auge deswegen, weil du des Balkens in deinem Auge nicht gewahr wirst. (Matth. 7 3.) Je mehr der Mensch sich mit sich selbst in rechter Weise beschäftigt, desto mehr Geduld muß er mit sich tragen: ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? (Röm. 7 24.) Jeden Morgen die gleiche Last und jeden Abend das gleiche Schuldbewußtsein, und Jahr um Jahr nicht mit sich fertig werden und immer wieder unter sich leiden und unter sich dulden! Da müßte der Mensch an sich verzweifeln! Doch – er lernt an sich glauben. Denn hinter dieser schweren Last hat einer Stellung genommen, der der Menschheit ganzen Jammer auf sich gezogen und an sich getragen hat, und spricht: Werde nicht müde; denn ich bin mit dir; fürchte dich nicht; denn ich habe dich erlöst! (Jes. 43 1.)Ja, mein Christ, es müssen alle diese Stadien, in der oder jener Folge, wohl auch in wirrem Durcheinander erlebt sein, bis endlich der Mensch auf dem Einen ruht, was ihm nicht Ruhe, aber Frieden gibt: ich glaube an Gott. So reichst du mir deine Hand in Wort und Sakrament, und ich reiche dir meine Hand im Glauben, dann kann uns niemand scheiden.
| So ist es: dann kann uns niemand scheiden! Denn der Glaube des ärmsten Kindes, das mit Tränen im Auge, wenn es ins Waisenhaus kommt und die Türen des Vaterhauses sich hinter ihm schließen, spricht: Vater und Mutter haben mich verlassen, aber der Herr nimmt mich auf! (Ps. 27 10) ist eine Heldentat, vor der all die kriegerischen Taten, so hoch wir sie auch werten, verblassen. Dies Kind hat den Mut gewonnen, der Wirklichkeit ins Angesicht zu schlagen und zu sprechen: Aber der Herr nimmt mich auf!Und wenn ein armes Weib, vielfach betrogen von dem Manne seiner Jugend und seiner Liebe, noch für ihn betet und für ihn hofft, obgleich all sein Hoffen zuschanden ward, weil es den kennt, der die Herzen der Menschen kennt und wendet, so ist das ein Sieg, vor dem die Siege, die größten Siege jetzt, zerwehen. Ich sage nicht, daß jeder willensstarke Mensch glaubt, aber darauf bestehe ich, daß jeder gläubige Mensch willensstark ist.
Ich glaube! Es kommen Stunden, wo alles entfällt, und wo es uns eine Wohltat wäre, wenn uns jemand beweisen könnte, daß das, was wir glauben, nichts ist. Denn dann hätten wir keine Verantwortung mehr und keine Rechenschaft und mit dem Tod wäre es vorüber. Es kommen Stunden, in denen alle Glaubens- nicht -sätze, nicht -lehren – davon redet der Christ nicht – sondern alle Glaubensgrößen versinken. In diesen Stunden schenkt Gott – und das ist eine besondere| Zartheit von ihm – manchmal auch das Gefühl seiner Nähe, ein Gefühl, auf das man nicht Häuser bauen, aber auf das hin man wieder ein wenig aufatmen kann. Er schenkt manchmal einen Vorschmack künftiger Herrlichkeit, mit dem ich niemand trösten wollte, aber wer ihn erfahren hat, der bewahre ihn als eine Freundlichkeit Gottes und genieße seiner! – Und es kommen andere Stunden, wo man etwas ahnt davon, daß nach dieser Zeit etwas Höheres kommt, so wie es wohl der Dichter beim Anblick der Wolkenberge meint: „Liegt wohl zwischen jenen mein ersehntes Ruhetal?“ Wenn jetzt die Blätter fallen und alles in uns gegen den Herbst protestiert, weil wir merken, daß wir nicht für den Herbst, sondern fürs Leben geschaffen sind, so zeigt das eine Ahnung, die Gott uns gönnt. – Und wenn du aus den Lebensbildern teurer Menschen die Größe des Glaubenslebens ein wenig kennst, so vergleichst du, wie reich jene waren, wie arm du bist, und warum ein Lazarus so froh und der reiche Mann so leidvoll war. Und du machst dir Gedanken. So hat Gott mancherlei Weisen, aber es sind doch alles nur Vorstufen. Das, was er, nicht seinen Lieblingen – denn Gott hat keine Lieblinge – sondern denen schenkt, die ihn lieb haben, obwohl sie ihn nicht schauen, das ist der Glaube.Der Glaube ist die große Freundlichkeit der Gottessonne, mit der sie alles, was zur Sonne will, hervorlockt. Blick empor, damit ich hinabsehe; blick hinan, damit ich dich erblicke! Es geschieht der erste Schritt des Glaubens nie von unten nach oben, sondern immer von oben nach unten: Es bricht mir das Herz über dir, daß ich mich deiner erbarmen muß. (Jes. 31 20.) So weckt Gott im Menschen die wunderbare Gewalt des Verlangens: Herr, daß ich glauben könnte! Und das Gebet: Stärke meinen Glauben! (Lk. 17 5) und das andere: Hilf meinem Unglauben! (Mr. 9 24.) Und auf einmal steht der Mensch in einer ganz andern Welt als der, der er angehört. Er steht in der Welt des Unsichtbaren und bewegt sich in ihr weit sicherer, als er sich je in der Welt der Sichtbarkeit bewegen konnte und wollte. Er findet da, wo andere Grundlosigkeit fürchten, einen Grund, der seinen Anker ewig hält; denn er glaubt.
| Ist jemand unter euch, der bloß darum geglaubt hat, weil es mit zur anständigen Erziehung gehört, weil es von Vater und Mutter uns ererbt ist, weil das Kirchengehen noch nicht direkt unfein ist? Ist jemand unter euch, der sich überhaupt noch gar nicht besonnen hat, was man und wie man glaubt, der werfe den ganzen Wust – aber versteht mich recht! – von Kirchenlehren und Kirchensatzungen und Offenbarung weg und habe den Mut, einmal in den Abgrund hinabzublicken, in den er versinkt, wenn ihm Gott nicht hilft! Der werfe weg, was er erlernt hat, und beginne von vorne, vor allem zu beten: Hilf mir, daß ich glaube!Niemand gibt mir den Glauben als der, der den Weg zu mir gefunden hat, damit ich ihn zu ihm finde, als der, der sich aufmachte, ehe der Sohn zum Vater ging, damit der Sohn des Vaters nicht verfehle.
So ist der Glaube ein freies Geschenk Gottes, das er jedem gibt, der ihn bittet, und das er keinem aufdrängt, der es nicht will. Wer aber weiß, daß der Glaube die freieste Tat des Lebens ist, zu der mich niemand zwingt, mit der Gott mich beglückt, der läßt nicht mehr vom Glauben, spricht nicht mehr: ich glaube, sondern ich weiß. Denn das ist die Probe darauf, ob du wirklich glaubst, daß du sagen kannst: Und wenn die ganze Welt spricht: nein! Dein Wort soll mir gewisser sein und läßt mir gar nicht grauen! – Das ist des Glaubens Kraft, daß er dem Hohn der| Hölle: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? (Hiob 29), dem Spott der Welt: Wo ist nun dein Gott? (Ps. 42 11.), dem Zweifel des Herzens: der Herr hat mich vergessen! (Jes. 49 14) kühn und getrost entgegensetzt: Dennoch bleib ich stets an dir! (Ps. 73 23). Amen.
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