Der 1. Glaubensartikel/5. Ich glaube an Gott den Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde.
« 4. Herr, lehre mich doch, daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. | Hermann von Bezzel Der 1. Glaubensartikel |
6. Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält. » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Schöpfer Himmels und der Erde.
Wenn Gottes Allmacht nicht auch seine Liebe wäre, so müßte sie mich vernichten. Wie der Sturmwind ein Blatt im Spiel vor sich hertreibt, beiseite wirft und wieder in die Höhe zu wirbelt, bis es in alle Fernen entführt wird, so wäre dann mein Leben. Er würde eine Weile mit ihm spielen, es mit seinen Strahlen erwärmen und mit seinen Schrecken erschüttern, es mit Wohltaten an sich locken und dann mit Gewalttaten von sich schrecken, mit Verheißungen erheben und mit Enttäuschungen beschweren, und das Ende meines Lebens wäre der Tod.
Darum heißt es nicht bloß: Ich glaube an Gott, den Allmächtigen, sondern wie ein Jubel aus der Tiefe aufsteigt, wenn die Lerche wieder zum erstenmal den Frühling grüßt, so steigt aus der Tiefe des Kummers in die Höhen der Allmacht das einzige Wörtlein: Vater. Im Alten Testament erscheint es kaum zehnmal, im Neuen wohl hundertmal: im Alten Testament einmal in 5. Mos. 52. dreimal im Jesajas, zweimal in Maleachi, aber nie in den Psalmen. Vergleiche werden wohl beigezogen: Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr. (Ps. 103 13.) Aber Vater genannt wird der Gott im Alten Testament so selten, wie er es im Neuen häufig geheißen wird.
In diesem Namen schließt sich Allmacht und Liebe zusammen. Denkt an eure eigene Kindheit! Was hat es in dem damals so engen Gesichtskreis eures Lebens gegeben, was ihr nicht eurem Vater zutrautet. Da war nichts so schwer, was er nicht konnte, nichts so bedeutend, daß er es nicht leistete, nichts so groß, was er nicht erreichte. Mein Vater kann alles. – Das war nicht kindlicher Unverstand, sondern weissagende Weisheit, etwas von Ahnung der Seele, daß sie einen Vater hat, der wirklich alles vermag im Himmel und auf Erden. Je älter wir wurden, desto mehr haben wir die| Schranken unseres Vaters und seine Grenzen nicht ohne schwere Traurigkeit wahrgenommen, und um so mehr haben wir nach dem ausgeschaut, dessen Macht keine Grenzen und dessen Hand keine Schranke hat.Und ein anderes! Denkt euch eine Liebe, die euch alles Gute gönnt, und die bei dem ersten Versuch ihre guten Wünsche in Wirklichkeit umzusetzen versagt. Sie verspricht alles, sie errät, was ihr wollt, sie versichert euch viel tausendmal, wie treu sie es mit euch meine, und wenn ihr ein wenig von ihr verlangt und sie beim Worte nehmt, dann muß sie errötend ihre Schwachheit gestehen. Solche Liebe hat für den normal empfindenden Menschen etwas Abstoßendes. Wir verlangen von der Liebe nicht nur, daß sie verspricht, sondern auch, daß sie gibt; nicht nur, daß sie verheißt, sondern auch, daß sie erwirkt. So trifft in dem heiligen Gottesnamen beides zusammen: der da alles vermag, was er will, tut es mir zuliebe.
Betend und bekennend fährt die Kirche fort: Schöpfer Himmels und der Erde.
Schöpfung und Offenbarung gehören zusammen. Mit seiner Schöpfung hat er sich zum erstenmal geoffenbart, und als er sich offenbarte, da schuf er.
So laßt mich heute bei dem ersten Vers des ersten Kapitels der Bibel ein wenig verweilen, bei dem majestätischen Wort, das kein Verstand ersinnen und keine Weisheit begreifen kann: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
| Am Anfang! Ehe war, was jetzt mich umgibt, ehe der Raum war, in dem, und die Zeit, mit der ich lebe; ehe etwas auf diesem Rund sich befand, ja ehe dieses Rund und diese Welt selbst in Erscheinung getreten war, ehe die Welten ihre Bahnen zogen, ehe die Blume erfreute und das Blatt am Baum sich bewegte, ehe ein Denken und Sehnen, ein Werden und Sein statt hatte, schuf er. Ehe auch nur Gedanken in Menschenköpfen sich regten, ehe ein suchendes Gemüt in der Welt fragte: warum und wohin? Ehe das Heimweh die Heimat suchte und die Heimat das Heimweh erweckte, war der Anfang. Man weiß nicht von wannen er kam, aber als Gott anfing, da war der Anfang.Warum hat Gott die Welt, den Menschen, die Menschheit geschaffen? Hat er sich damit etwas Gutes getan, der solche Last sich auferlegte und solchen Jammer sich erweckte, der die Tränen ohne Zahl – wie Luther einmal sagt: Tränlein, die er gar nicht vergessen darf – erregt hat, der jetzt, wie Luther wiederum sagt, eine eigne Abteilung in seines Himmels Höhen hat, worin die Tränen alle sind? Warum hat er das getan? Er hat es gewußt und doch hat er es gewollt. So oft wir darüber nachdenken und das Wort will uns dabei nicht über die Lippen, so müssen wir es doch sagen: Aus Liebe.
Aus Liebe hat er den Anfang gemacht. Vor dem Anfang war er nicht allein. Vor dem Anfang waren um ihn die seligen Geister, die heiligen Engel, die ihn lobten, ehe der Morgenstern ihn pries. Und nun wollte er eine Welt schaffen nicht um seinetwillen, sondern um ihretwillen, damit sie Zeuge wäre der ewigen Freude und teilhaftig der ewigen Sonne. Denn über aller Schöpfung Gottes steht das große Wort: Geben ist seliger als Nehmen. Ob er gleich wußte, wie karg unser Lob, wie arm unser Dienst ihm begegne, hat er sich’s nicht verdrießen lassen zu geben. Wenn du jetzt, ehe der Herbst sein letztes Gewand abstreift, noch einmal| durch die Fluren gehst, rührt es da nicht deine Seele, wie viel Gräslein und Halme, Blätter und letzte Blüten sich rüsten, um zu danken? Kein Menschenauge kennt sie, in tiefer Waldeinsamkeit, wo kein Menschenfuß hinrührt, blüht dort an der Halde ein einsames Pflänzlein. Wer kennt es? Wer achtet sein? Aber es blüht, um zu danken. Weil es Sonnenschein empfing, gibt es Blüten zurück; weil es Liebe erfuhr, dankt es in Liebe. Ich meine, wenn der Mensch fromm werden will, muß er immer wieder in dies wunderbare Leben der Gegengabe hineinsehen draußen in der Natur. Wir Menschen in unsern besten Stunden, in unsern reinsten Gedanken müssen immer die Angst haben, daß in unsern Dank sich selbstsüchtige, eitle, verkehrte Gedanken hineinmengen. Da lernen wir es an der Blume, wie sie dankt nur dafür, daß sie blühen und welken darf.Also darum hat er einen Anfang gemacht, einen Anfang, von dem er nicht mehr zurückkonnte, nicht mehr zurück wollte, damit Myriaden von Geschöpfen sich in ihm freuen, damit seine Seligkeit nicht im Empfang ihres Dankes und Dienstes, sondern in der Gabe seiner Gnade und Kraft sich mehre. Daß er dich schuf, dich, der du ihm tausend Aufgaben stellst, viele Rätsel aufgibst, vielmals ihm entweichst, das ist nicht Allmacht, nicht Weisheit, das ist vor allem nicht Selbstsucht, sondern das ist Liebe.
Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkest? (Ps. 8 5.)| Wenn wir klug sind, räumen wir uns alles Schwere aus dem Weg, suchen es wenigstens nicht. Und er macht einen Anfang mit all den Dingen, die ihm schwer sind. Was liegt in einem einzigen Menschenleben für ein Kapital göttlicher Kraft, für ein Reichtum göttlicher Gnaden begraben, das keine Zinsen trägt! Es ist niemand unter uns, der nicht jetzt in dieser Stunde viel reicher sein könnte, als er ist, wenn er nur Gottes Gaben recht empfangen und benutzt hätte. Ich höre dich reden von deiner pflichtlosen Lebensform, von deiner aufgabenarmen Lebenszeit, während dir der Herr einen Pflichtenkreis schuf, so groß und reich, und Aufgaben stellte, kaum zu übersehen. Aber die Aufgaben, die er dir stellt, die magst du nicht, und die Pflichten, die er dir bereitet, die kennst du nicht. Du suchst dir andere, eigene, die er nicht gab. Was ist ein einzelner Mensch? Eine Summe von Gottesgedanken, die dann verkümmern, eine Summe von Anlagen, deren die wenigsten zur Ausführung kommen. Wir werden einmal erschrecken, was wir hätten sein können, sein sollen, und was wir wirklich geworden sind.Das gilt’s zu erwägen bei der Frage, ob Gott den Anfang in Minuten oder Jahrtausenden zurückgelegt hat. Wenn mir jemand sagt, die Steinkohle brauche Tausende von Jahren, sich zu bilden, und die Erde stehe Millionen von Jahren, so wird das meinen Glauben nicht weiter alterieren. Wem es ein besonders tröstlicher Gedanke ist, daß unsre Erde schon Millionen Jahre alt ist, der mag sich weiterhin daran erquicken. Die Hl. Schrift sagt nur: es ward aus Abend und Morgen der erste Tag. (1. Mos. 1 5.) Wie lange Abend und Morgen währte, sagt die Schrift nicht, die Göttliches in menschlichen Bildern darbietet.
Und nun das zweite Wort des Geheimnisses: Am Anfang schuf. Wir armen Menschen schaffen nicht, sondern wir verfertigen. Wir brauchen ein Vorbild, brauchen einen Stoff, allerlei Werkzeuge, wir erholen uns Rat, wir sehen auf das Vorhergehende und so wird ein mühselig armes Gebilde. Wir atmen unwillkürlich auf, wenn wir einen Menschen mit schöpferischen Ideen sehen. Vom Künstler sprechen wir, daß er schafft, nicht aber vom Handwerker. Es ist uns etwas besonders| Großes, wenn in eines Menschen Sinn und Geist eine Welt sich auftut, er schafft neue Ideen, faßt ursprüngliche Gedanken, er hat schöpferischen Geist und wenn diese Gedanken allmählich Gestalt gewinnen, bewundern wir ihn.Nein, mein Christ, der Mensch ist nur für seine Seele verantwortlich. Er hat nur an seine Seele Anspruch und Anrecht. Er hat nur an seiner Seele Schuld und Kraft, und alles andere ist Träumerei; Träumerei, die es nicht ernst mit dem Worte nimmt: Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat, ein Einzelwesen sonderlicher Art.
Klingt es vermessen, wenn ich sage: ein solcher Mensch, wie du oder ich, kommt nimmer auf die Erde? Klingt es töricht, wenn ich durch die Blödenhäuser gehe, in denen so mächtiges Elend gehäuft ist, und sage: solch ein Mensch kommt nimmer auf die Erde? Nein, das ist nicht hochmütig und nicht vermessen und nicht töricht, sondern ein furchtbar ernster Gedanke: Wenn ich nun, der ich nur einmal über die Erde gehe und nimmer komme, nicht das ausrichte, wozu mich Gott gesandt hat, dann habe ich mein Leben verloren.
Das ist der Ernst des Daseins. Das möchte man all den Leuten sagen, die ihr Leben als Genuß nehmen und, wenn der Genuß aufhört, ihr Leben verfluchen: dein Leben ist nicht eine Summe von Freuden, sondern dein Leben ist eine Kette von Pflichten. Das gibt auch dem Menschen eine ganz andere Kraft. Ich habe mit keinem| Menschen mehr Bedauern als mit dem, der sagt: wenn ich frühe nicht von meinem Lager aufstünde, wäre es ebenso. Nein, es ist nicht ebenso. Wer da weiß, daß er ein ganz besonderes, einzig- und eigenartiges Wesen, ein noch nie dagewesener und nie zweimal geschaffener Gedanke Gottes ist, der weiß auch, daß er eine große Menge von Pflichten hat, die, wenn er sie nicht tut, zwar von andern erfüllt werden, ihm aber zur Last und Strafe werden.Ach, wenn wir diesen einzigen Gedanken mitnehmen wollten, daß Gott mit mir einen Anfang gemacht hat und er darum auch das Recht auf den Ausgang meines Lebens hat. Der Gedanke, daß er dich geschaffen und ganz eigenartig gemacht hat, lasse dich deine Tage zählen und deine Kraft erwägen und deine Pflicht erkennen und mache dich treu!
So glauben wir an den Gott, der keinen unter uns braucht und jeden unter uns will; glauben an den Gott, der durch keinen von uns bereichert wird und durch jeden von uns gepriesen werden will; glauben an den Gott, der jedem Menschen eine bestimmte Aufgabe gestellt hat. Vor jedem steht ein Bild des, das er werden soll. So lang’ er das nicht ist, ist nicht sein Friede voll. O, bitt um Leben noch! Du siehst mit deinen Mängeln, daß du nicht weilen kannst schon unter Gottes Engeln.
Ja, ich glaube, daß du, als du Himmel und Erde schufst, auch mich geschaffen hast, Leib und Seele, Vernunft| und alle Sinne mir gabst. Und ich bitte: Laß mich deine Gaben gebrauchen als ein guter Haushalter der mancherlei Gaben und Gnaden (1. Petr. 4 10) und laß mich hören Freud und Wonne, wenn es Abend wird, weil ich deine Gaben nicht verlor und nicht vergaß! Amen!
« 4. Herr, lehre mich doch, daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. | Hermann von Bezzel Der 1. Glaubensartikel |
6. Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält. » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|