Der 1. Glaubensartikel/7. Das alles aus lauter väterlicher göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohne alle mein Verdienst und Würdigkeit.
« 6. Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält. | Hermann von Bezzel Der 1. Glaubensartikel |
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Das alles aus lauter väterlicher göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohne alle mein Verdienst und Würdigkeit. Das alles ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewißlich wahr. Amen. |
Nicht, daß er mich gebraucht hätte oder daß er meine Arbeit um ihn hoch hätte anschlagen müssen, nicht, daß er mich vermißt und ohne mich Mangel gehabt hätte. Nein, du hast ihn nicht mit deiner Arbeit erfüllt und erquickt, aber ihm hast du Arbeit gemacht mit deiner Sünde. (Vgl. Jes. 43 24.) Aus lauter Güte – ohne jede Verpflichtung, aber auch ohne jede Spur von Interessiertheit: Er leiht und empfängt nichts; er gibt und verlangt nichts; er schenkt und erwartet nichts. Er ist froh, geben zu können. Das ist die lautere Liebe, die darin groß ist, daß sie gibt, wie die Sonne nicht dadurch ärmer wird, daß sie leuchtet. Das ist die väterliche Liebe, die sich über all die Seinen erbarmt ohne Aufhören und ohne Dank.
| Aus Güte und Barmherzigkeit. In diesen Worten liegt die besondere Herablassung der Güte. Güte dem gegenüber, dessen strahlendes Antlitz mich erfreut, dessen freundliches Dankeswort mich erquickt, dessen Blick meine Seele bis ins Tiefste ergötzt, Güte gegen solche ist Genuß. Aber bei unserem Herrn heißt es Barmherzigkeit! Er sieht das zerrissene Gemüt und gießt Öl in die Wunden; er sieht das zerbrochene Leben und läßt es grünen; er geht durch Ruinen unseres Glückes, unserer Wahrheit, unserer Heiligung, durch ein verkehrtes, verlorenes, verworfenes Leben und unter seinen Fußspuren blüht es und wird Frühling: Das ist Erbarmen. Güte ist es, wenn man genießen will; Erbarmen ist es, wenn man genießen läßt. Güte ist es, wenn man einen anderen Menschen anlächelt, damit sein Dank unser Herz erfreue; Barmherzigkeit aber ist es, wenn das heilige Antlitz unseres Gottes sich in blinden Fensterscheiben widerstrahlt, wenn unseres Gottes große Gnade sich der Armen annimmt.Fange an, mein Christ, und nimm irgend einen Tag aus deinem Leben, den du mit schönen Vorsätzen begannst, die du durch eine gute Zeit des Tages hindurchrettest, bis an den Abend bewahrtest, und dann sage mir aufs Gewissen, was ist aus diesen Vorsätzen geworden? Die Blüten bedecken den Weg und um den Abend sind sie welk geworden und abgefallen und kein Vorsatz reifte zur Tat. Und wenn nur wenigstens alle Vorsätze blieben! So setzt sich ein ganzes Kirchenjahr aus Niederfallen und Aufgerichtetwerden zusammen. Ein Kirchenjahr ist nichts anderes als eine Summe von guten Gedanken, ernsten Meinungen, frommen Entschlüssen und von Niederlagen in dem allen. Als Luther den ersten Psalmkommentar im Jahre 1516 herausgab, schrieb er darunter in lateinischen Worten: unser Leben ist ein Anfang, kaum ein Fortgang, geschweige eine Vollendung. Wer von uns könnte sagen, daß er auch nur einen Psalm erlebt hätte?
Verdient habe ich also im vergangenen Kirchenjahre tausendfache Verwerfung. Der Tod war öfter an meiner Schwelle, als ich es ahnte, und hinter dem| Tode stand der, der des Todes Gewalt hat. (Hebr. 2 14.) Im vergangenen Kirchenjahre standen, ohne daß ich es ahnte, so viele finstere Mächte um mich herum. Die eine sprach: Laß doch den alten Gott, der doch nicht hilft! Und die zweite sprach: Wenn es einen gerechten Gott gäbe, würde er nicht so viel Tausende dahinbluten lassen! Und die dritte sprach: Nichts wissen wollen, ist die größte Weisheit! Und ich habe allen diesen Gestalten gehorcht und habe sie alle zu Geleitern meines Lebens erkoren. Und dann ist er gekommen und hat mich nicht diesen Gewalten gelassen und hat um des Gebetes Christi willen und um der Fürbitte treuer Menschen willen und um der Not willen, in der ich war, noch einmal Erbarmen gehabt. Wir werden einst erschrecken, gebe Gott, freudig erschrecken, wenn wir sehen, wieviel Not Gott, ohne daß wir es wußten und ahnten, an uns vorübergeführt hat. Ohn all mein Verdienst. Es ist heute der 25. November, morgen werden es 10 Jahre, daß der Geistliche, der vor mir durch Jahre hindurch diese Gemeinde mit seinen tiefgründenden Worten erbaute, plötzlich aus der Zeitlichkeit abgerufen wurde. Es war der Oberkonsistorialrat v. Burger. Wie schnell, wie jäh ist dieses brennende und scheinende Licht erloschen! Wie eilig hat der Herr seinen Knecht hingerafft! Wir hoffen, wir glauben, daß er bereitet war. Sind wir es? Wären wir es? Wie oft denkt man daran: Hättest du mich heute abgerufen, so würde ich morgen| in der Hölle erwachen. Ich weiß, daß das die meisten unter euch als eine übertriebene Ängstlichkeit ansehen. Man hat sich an einen nerven- und willensschwachen Gott gewöhnt, den man jederzeit, wenn er fordert, von der Türe weist und nur, wenn er gibt, zur Türe einläßt. Aber dieser Gott kann in eueren Gedanken Bedeutung haben, in der Wirklichkeit hat er sie nicht, sondern wir sprechen dankend: „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über mir Flügel gebreitet!“Wenn man sich fragt: Wie dienten seine Heiligen? Was wirkten seine Gläubigen? Was taten seine Großen? Ihr wißt es: Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeiset. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mich getränket. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherberget. Ich bin nackend gewesen und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen und ihr seid zu mir gekommen. (Matth. 25 35.) Das waren lauter einfache Dinge, aber es war Dienst und – es war Dank. Man kann den Dienst des Dankens und des Lobens nicht einfach genug nehmen und nicht reichlich genug geben. Man kann die Gelegenheit, in der man Gott sich opfert, nicht nüchtern genug erfassen, nicht begeistert genug ausnützen. Es ist alles so kindlich und einfach im Reiche Gottes, nur unsere verkehrte und ungute Art macht es so schwer.
| Darum soll es heute unser Gelübde sein: Ich will ihm dienen, wo er mich dienen heißt und an wem er mich dienen läßt. Ich will am Ausgange eines Kirchenjahres, das seine Treue mir noch gegönnt hat, jedem Menschen, der über meine Schwelle geht, dienen: mit gutem Wort, mit freundlicher Art, mit meinem Kapital von Zeit. Ich will, wenn ich die Zeit nicht habe, sie mir nehmen, und wenn ich sie nicht zu haben glaube, sie mir schenken lassen. Ich will wenigstens einem Menschen die Zeit gönnen, damit er merke, wie gut sich’s in der Nähe eines Menschen leben läßt, der danken kann.Das ganze Christentum ist nur so viel wert, als es in eines Menschen Seele Freude bringt. Alles Christentum, und wenn es noch so bekenntnistreu wäre, daß es alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte (vgl. (1. Kor. 13 2) und alle Lehren in sich schlöße, das nicht eine andere Seele froh macht, ist schlimmer als Irrglaube. Darnach trachtet und das sei euch ein Anliegen, daß ihr im neuen Kirchenjahre niemand unfroh von euch gehen lasset, auch wenn ihr ihm das Schwerste sagen müßt.
Zu danken, zu dienen und gehorsam zu sein bin ich ihm schuldig. Gehorsam auch dann, wenn er mich nicht mehr durch meine Freudigkeit andere erfreuen läßt, sondern in meinem Leben die stille Kraft erweisen will. Es ist doch etwas eigenartig Schweres, daß der Christ, ehe er sich auf die Heimat freuen kann,| noch einmal den ganzen schweren Weg, seine Schmalheit, seine Enge, seine Härte überdenken muß, um sich dann zu fragen: Wer ist hiezu tüchtig?Wir verhehlen es uns nicht: das neue Kirchenjahr bringt eine Summe von Leid: Entbehrungen, Entsagungen, vielleicht auch die Entsagung von der frohen Tätigkeit des Tages. Daß er uns im Leiden froh mache, im Verzichte freudig stimme und, wenn er uns Wege gehen heißt, die uns nicht gefallen, am Gehorsam erkenne, darum bitten wir ihn. So laßt uns, Geliebte, dieses Kirchenjahr schließen. Über seiner Schwelle stand: Barmherzig und gnädig ist der Herr. (Ps. 103 8.) Und das machte uns Mut über die Schwelle in die große, unübersehbare Fülle von Aufgaben und Arbeit einzutreten. Nun wir über die Schwelle hinausgehen, einem neuen Kirchenjahr entgegen, sehen wir, daß über dem Ausgang geschrieben steht: Seine Barmherzigkeit ist alle Morgen neu und seine Treue ist groß. (Klagel. 3, 22.)
Indem wir scheiden, verlassen wir nicht das Bleibende, und indem wir zum Fortgehen uns anschicken, gehen wir nicht von dem weg, der uns zu begleiten verheißen hat. Immer größer und immer heller, immer deutlicher und klarer leuchtet und schallt es ins Herz und ins Gemüt: Hosianna, siehe dein König kommt zu dir. (Matth. 21 5.) Wir kommen ihm wiederum um ein ganzes Jahr näher und er ist uns vielleicht schon um viele Jahre näher gekommen. Und| der Ort und die Stunde, da das gesuchte Kind in die Arme der ewigen Liebe sinkt, ist ihm bekannt und uns verborgen. Wir aber bitten aus tiefstem Herzensgrunde: Wenn der König kommt und anklopft, dann sei unser ganzes Wesen so auf ihn gerichtet, daß seine Stimme und sein Zeichen über alles kenntlich und bemerklich sei.Hosianna nah und fern!
Eile bei uns einzugehen.
Du Gesegneter des Herrn,
Warum willst du draußen stehen?
Hosianna, bist du da?
Ja, du kommst, Halleluja!
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