Der König von Chimeniko (Der Nürnberger Trichter Nr. 18)

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Autor: Franz Trautmann
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Titel: Der König von Chimeniko
Untertitel: Schluß
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 18, S. 69–70
Herausgeber: Eduard Kauffer
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Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
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Der König von Chimeniko.

„Sprich!“ sagte der Kazizi. „Sag’, was hast Du an mir auszusetzen seit einem Jahre?“ dabei hob er seine Distelpeitsche sehr in die Höhe.

Da sprach der Oberhokipoki unerschrocken, denn er wußte wohl, daß bisher einem höchsten Beamten nichts geschah: „Mich erfaßt viel Schrecken, denn es könnte scheinen, als hätte ich früher die Unwahrheit gesagt, da ich Dich pries. Damals verdientest Du es aber sicher. Jetzt hingegen scheinst Du Deine Pflichten vergessen zu haben.“

„Da bin ich begierig,“ entgegnete der Kazizi, „laß einmal hören, was ich verbrochen habe. Ich kann mich an nichts Böses erinnern, denn gerade dieses Jahr hab’ ich alles mögliche Gute gethan, um Euch Euer Geschäft recht sauer zu machen. Nehmt Euch also in Acht, denn hier ist meine Distelpeitsche und es sind ganz treffliche scharfe Disteln daran. Was ist mein Fehler?“

„O großer Kazizi,“ sagte der Oberhokipoki, „Du bist zu gut gewesen. Du hast seit einem Jahr keine zwei Dutzend spießen lassen, Du hast nicht die Hälfte dessen verlangt, was Du sonst verlangt hast, Du hast zu viel belohnt, wo Einer was Gutes gethan, und Du hast so viel verschenkt, daß fast keine Armen mehr da sind. Das ist sehr schlimm, o Kazizi. Denn jetzt fürchtet sich kein Mensch mehr vor dem Spieß, jetzt sparen sie Alles zusammen zu Schätzen und die Andern haben keine Sorgen mehr. Wo will das hinaus – wenn die Bösen und Guten da unten keine Faust im Nacken verspüren. Ein Herr muß streng sein und thun, was er will. Wie wird man Deine Macht anerkennen, wenn keine Spießung mehr eintritt, wenn die unten thun können, was sie wollen, wenn sie Erworbenes behalten können, so viel sie vermögen, wenn die, so nichts haben, besser leben und sich daran gewöhnen, Etwas zu haben. Da werden sie nichts mehr geben wollen, da werden sie nicht mehr arbeiten wollen, da werden sie für jede verfluchte Schuldigkeit belohnt werden wollen. In Kurzem werden sie sich Alle so gut dünken wie die Hokipoki – und nicht lange wird es währen, so glauben sie, es sei der Kazizi ein Sterblicher wie sie, der Alles nach Recht, nicht aber nach Laune thun müsse.“

„Und was soll ich thun?“ fragte der Kazizi.

„Bei nächster Gelegenheit wieder ein Beispiel geben,“ versetzte der Hokipoki, „damit das Volk nicht glaubt, Du habest keine Macht mehr und brauchest seine Liebe –“

„Oder ich könnte Euch entbehren und Euren Hochmuth?“ rief der Kazizi. „Wohlan denn, ich will ein kurioses Beispiel geben. Meschmudi selami – d. h. Ihr seid [70] heimtückische Bursche, voll Habgier und Eigennutz – hazari pomerani – d. h. ich hätte das viel früher wissen sollen – Mischi memaschi – d. h. Ihr seid dem Verderben anheimgefallen – hezaro!“ – d. h. ich lasse Euch hängen!

Als der Oberhokipoki die furchtbaren Worte: Meschmudi selami hazari pomerani mischi memaschi hezaro vernommen hatte, gerieth er in große Verzweiflung und rief: „Wie, o großer Kazizi, an den Hokipoki nimmst Du Rache, uns wolltest Du hängen lassen, die wir Dir mit geschichtswürdiger Offenheit kund thun, wie Du allein Deine Herrschaft erhalten kannst und Schrecken einflößen Deinen Unterthanen und Ehrfurcht?“

„Schweigt,“ rief jetzt der Kazizi, „hazzi mozini! – d. h. ich habe genug an Eurer barbarischen verwünschten Theorie! – Ihr wollt ein Schreckgespenst aus mir machen, die Angst, die sklavische Demuth soll mir den Thron sichern, nicht die Liebe meiner Völker. Lili lapati! – d. h. ich hätte gute Lust, Euch nebstdem noch die Zungen herausschneiden zu lassen, weil Ihr mir so Schlechtes rathet, da ich Euch doch erlaube offen zu sprechen, und weil Ihr all’ mein Glück auf die Sklaverei meiner guten Unterthanen gründen wollt, so daß keiner seines Lebens sicher wäre – und ich auch nicht. Nafili torotoro! – d. h. alle Bomben und Kanonen – dazu hab’ ich keine Lust. Es ist gescheidter, Ihr baumelt, als daß mir Gefahr erwächst. Ihr sterbt jetzt, küßt mir die Fußspitze, damit ich Euch noch einige Hiebe gebe, dann geht hin und hängt Euch als besondere Begünstigung coram publico selbst auf.“

„Aber unser Leben gehört uns!“ schrieen die Hokipoki.

„Nein, mir gehört es!“ rief der Kazizi. „Das habt Ihr ja stets gesagt. Habt Ihr es gesagt oder nicht?“

„Ja, das haben wir,“ riefen die Hokipoki; „aber das ging unser Leben nichts an.“ –

„So,“ rief der Kazizi, „Ihr seid von aller Strafe ausgenommen! Das wäre mir eben das Rechte! Nein, so geht das nicht fürderhin! Serezzo trunissa! Ihr habt keinen Vorzug, als daß Ihr höhere Galgen bekommt und größere Spieße. Ich will ein Staatsgrundgesetz machen, das soll heißen: Alle Hokipoki sind verantwortlich und wer am Wohl des Volkes hokipokisch frevelt, der baumelt! Denn wenn er nicht baumelt, so vergeht eines schönen Tages sämmtliche Kazizischaft. Avanti asurini – küßt die Fußspitze – nafili me – da habt Ihr meinen Distelpeitschen-Abschied – damit befehl’ ich Eure Seele dem Asmodi Osmadi – fahrt hin und baumelt, auf daß es mir wohl ergehe und den Nachkommen in Chimeniko.“

Da wurden sogleich große Galgen errichtet und die Hokipoki baumelten. Der Kazizi aber trat selbst auf den Balcon, sah zu und sagte dem Volke warum. Dann sprach er:

„Nicht wir Herrscher sind schlecht, unsere falschen Freunde machen uns erst schlecht. Fürder soll’s anders sein. Das Staatsgrundgesetz ist verändert und künftig soll es heißen: Jedem gehört sein Herz, Allen aber gehört mein Ohr – dafür hoff’ ich aber, daß mir auch alle Herzen schlagen.“

Da war großes Freudengeschrei und die Menschen in Chimeniko durften offener Stirne vor ihren geliebten Kazizi treten, ihm ihre Noth oder Sorge klagen, und da er in späten Jahren starb, weinten sie so sehr, als ob jedwedem sein Vater oder Freund gestorben wäre.

So fiel die Sache in Chimeniko vor. Wir sollen uns ein Beispiel daran nehmen und unsere Kazizi auch, wenn etwa einmal solche Minister kämen, wie die Hokipoki waren.

F. Trautmann.