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Der Kufstein und sein Thal

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
DCLXXIII. Ivrea Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band (1852) von Joseph Meyer
DCLXXIV. Der Kufstein und sein Thal
DCLXXV. Krakau
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VESTE KUFSTEIN in TYROL

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DCLXXIV. Der Kufstein und sein Thal.




Ein Kabinetsfrück aus dem deutschen Tyrol.

Der Inn hat bei Landeck das Urgebirg verlassen. Bei Wörgel tritt er hinaus in die Kalkalpenwelt, nachdem der mächtige Strom den Damm durchbrochen hat, der ihm einst den Ausgang verschlossen hielt. Schroff stürzen an dieser Stelle zu beiden Seiten des Flusses die Bergwände nieder, und brausend und zürnend stürmt die Fluth durch den Paß, ungewohnt des engen Gewandes. Die Straße, welche nach Kufstein führt, verläßt bei den Hüttenwerken von Heydach das Thal und zieht über welliges Waldland. Hinter dem Dorfe Kirchbühel wird die Gegend auffallend wild und einsam. Ununterbrochen führt der Weg durch den dichten, düstern Forst von Krummholzkiefern, bald hinauf, bald hinab, und nur dann und wann spendet eine Höhe einen Lichtblick in die Berge. So geht’s drei Stunden lang beständig fort. Da biegt die Straße unerwartet um eine Felsecke und aufgethan ist eine der lieblichsten Schau der Innenwelt Tyrols. Inmitten eines mit grünen Matten eingefaßten Thalkessels, liegt, wie hingeschleudert von der Hand der Allmacht, ein gewaltiger Felsblock. Von allen Seiten klettert Gemäuer an ihn empor, sein Scheitel trägt Gebäude und Thürme, seinen Fuß umbraust der Inn, den eine schöne Brücke überspannt, und ein Häuflein freundlicher, schimmernder Häuser beschaut sich wohlgefällig im Spiegel der klaren Fluth. Um den Kessel aber steigen die Riesen des Gebirgs auf, über und hinter einander, als mühte sich jeder, einen Blick auf das hübsche Bildchen zu erhaschen. Das ist der Kufstein mit seinem Städtchen und seinem Thale – der Kufstein mit seinen Schrecken; denn Kaifer Maxens alte Veste ist jetzt Staatsgefängniß, und in seinen Kasematten und Thürmen schmachten viele der Männer, welche die Jahre 48 und 49 als Sühnopfer forderten für die Sünden eines verderbten Geschlechts.