Der Kuhhirt und die Bauern

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Autor: Ulrich Jahn
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Titel: Der Kuhhirt und die Bauern
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aus: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund, S. 125–139
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1890]
Verlag: Mayer & Müller
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Russische Staatsbibliothek = Commons; E-Text nach Digitale Bibliothek, Band 80: Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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Der Kuhhirt und die Bauern.

Es war einmal ein Kuhhirt, der hatte viele Jahre lang die Kühe im Dorf zur Weide getrieben und war darüber alt und grau geworden. Aber wie das so geht! Gar mancher von den Bauern hatte ihn mit der Zeit satt bekommen.

„Er ist zu dicknäsig und dreist,“ sagten sie, „eine Kuh steht ihm nur zu, und er treibt ihrer zwei auf den Dreischlag.“

„Aber er ist ehrlich, und das Vieh hat sein gutes Gedeihen,“ sagten die andern.

So stritten sie hin und stritten her, endlich wurden sie dahin einig, er solle die Stelle behalten, wenn er die eine Kuh abschaffen würde. Das war eine harte Nuß für den Hirten; doch was half’s! Er schlachtete das Rind und legte das Fleisch in Salz, die Haut wickelte er zusammen und machte sich damit auf den Weg, um sie in der Stadt an den Gerber zu verkaufen.

Es war Winterszeit, und der Schnee fiel in dichten Flocken, daß kein Weg und Steg zu sehen war. Das machte die Reise beschwerlich, und der Hirt ermüdete sehr. Indem er nun seine Straße dahin wankte, fiel eine erfrorene Krähe halb tot aus der Luft zu seinen Füßen [126] nieder. Das Tier jammerte ihn, und er wickelte es in die Kuhhaut, daß es wieder auflebe.

Mittlerweile war es dunkel geworden; und weil er vor Nacht die Stadt nicht mehr zu erreichen vermochte, sprach er in einer Wassermühle vor und bat um ein Nachtlager. Der Müller war nicht zu Hause, und die Müllerin sagte:

„Pack dich, für hergelaufenes Gesindel ist kein Raum in der Stube!“

Der Kuhhirt that auch, als ginge er seiner Wege; als aber die Frau in der Küche zu schaffen hatte, huschte er geschwind zur Thüre hinein; und eins fix drei war er hinter den Ofen gekrochen und streckte die Glieder und wärmte sich. Und als die Frau wieder herein kam, verhielt er sich ganz ruhig, daß sie seiner nicht gewahr wurde.

Als es Zeit zum Abendbrot war, kamen Knecht und Magd und der Mahlbursch und setzten sich an den Tisch. Da gab’s viele Kartoffeln und einen großen Topf mit Wasser; aber nur ein einziger Hering lag auf der Schüssel.

„Ist’s die Möglichkeit!“ sprach der Hirt in seinem Innern. „Die große Mühle und die schlechte Mahlzeit! Aber die Gegend mag arm sein, und die Leute können nicht mehr daran wenden.“

Des Müllers Gesinde mußte es auch wirklich nicht besser gewohnt sein; denn sie aßen ohne Murren, was auf dem Tische stand, und gingen hin und legten sich schlafen.

Kaum waren sie fort, so pochte es leise an den Fensterladen, und die Frau ging hinaus; und siehe da, sie führte den Küster bei der Hand zur Stube herein [127] und rückte ihm den Großvaterstuhl an den Ofen und hieß ihn sich setzen. Dann that sie das Wandschaff auf und holte hervor: Braten und Wein und Brot und Käse, und sie aßen und tranken und waren lustig und guter Dinge bis in die tiefe Nacht hinein. Endlich hatten sie der Freude genug genossen, und der Küster sagte der Frau lebewohl und versprach ihr, recht bald wieder zu kommen.

Er war noch nicht lange weg, so polterte der Müller zur Thüre herein. Die Frau lag schon im Bette.

„Mutter,“ sagte er, „wo hast du das Abendbrot?“

„Die Kartoffeln stehen unter dem Bett, das weißt du ja,“ brummte die Müllerin, „und ein Heringsschwanz liegt im Tischkasten.“

Der Mann seufzte über das kärgliche Mahl; da er aber hungrig war, setzte er sich doch nieder und langte wacker zu. Wie er da saß und eine Kartoffel nach der andern hinunter schluckte, kniff der Kuhhirt hinter dem Ofen die Krähe, daß sie schrie: „Ae! Ae!“

„Wer ist denn da?“ rief der Müller. „Frau, hast du fremde Leute ins Haus gelassen?“

„Das bin ich,“ sagte der Kuhhirt und kroch hinter der Hölle hervor und hielt dabei sorgsam die Hand auf die Kuhhaut.

„Warum thust du das?“ fragte der Müller.

„In dem Fell habe ich einen Zauberer,“ antwortete der Kuhhirt, „der hat mir etwas mitgeteilt.“ Und indem er das sagte, kniff er die Krähe zum zweiten Male, daß sie schrie: „Ae! Ae!“

Darüber wurde der Müller neugierig und fragte: „Was sagt dir denn der Zauberer?“

[128] „Was wird er sagen!“ sprach der Kuhhirt. „Er hat mir erzählt, dein Haus sei mit dem Teufel besetzt, und im Wandschrank stünden Braten und Wein und Brot und Käse.“

Der Müller lief hin und sah nach, und richtig, es fand sich alles, wie der Zauberer gewahrsagt hatte.

„Nun hat die Not ein Ende,“ rief er voll Freude, „komm und leist mir Gesellschaft!“ Und sie aßen und tranken und ließen sich die fetten Bissen gut schmecken.

Als sie satt gegessen hatten, stieß der Müller den Kuhhirten in die Seite und sprach:

„Gevatter, du könntest mir den Zauberer verkaufen!“

„Das glaube ich wohl, den möchte jeder haben!“ sagte der Kuhhirt. „Aber weil du’s bist, will ich schon einmal ein Auge zudrücken. Dreihundert Thaler, nicht mehr und nicht minder, dann sollst du ihn haben.“

„Dreihundert Thaler, das ist er auch wert!“ sprach der Müller; und weil er fürchtete, den Kuhhirten möchte der Handel gereuen, lief er geschwind zum Kasten und holte das Geld hervor und zählte es ihm bar hin bei Heller und Pfennig und schenkte ihm einen Sack obendrein, daß er es nach Hause bringen könne. Dann legten sie sich schlafen.

Am andern Morgen nahm der Kuhhirt Abschied von dem Müller; ehe er ging, mußte er ihm aber noch sagen, was denn der Zauberer fräße.

„Alles: Brot, Fleisch, Braten und Käse,“ antwortete der Kuhhirt, „nur Wasser kann er nicht leiden; das bringt ihm den Tod.“ Dann sagte er dem Müller lebewohl und machte, daß er in die Stadt kam.

[129] Der Müller aber setzte die Krähe in eine große Tonne, warf Brot und Fleisch hinein und deckte das Faß mit dem Deckel zu; darauf spannte er die Pferde vor den Wagen, um eine Fuhre Mehl von der Mühle zu fahren. Vorher hatte er aber seiner Frau noch eingeschärft, ja gut acht zu geben auf den Zauberer und ihm kein Wasser zu reichen, daß er nicht sterbe.

Gegen Abend kam der Küster, wie er zu thun pflegte, um bei der Müllerin zu Nacht zu essen.

„Pst! heute geht’s nicht,“ sprach die Frau, „mein Mann hat für dreihundert Thaler einen Wahrsager gekauft, der sitzt in der Tonne! Gestern hat er gesagt, das Haus sei mit dem Teufel besetzt; auch hat er angegeben, wo ich den Braten und den Wein, das Brot und den Käse versteckt habe.“

„Können wir ihn denn nicht über die Seite bringen?“ fragte der Küster, dem es leid that, daß er um das schöne Abendbrot kommen sollte.

„Ei, das ginge wohl,“ antwortete die Müllerin, „wir brauchen dem Zauberer nur ein paar Tropfen Wasser in den Rachen zu gießen, so muß er des Todes sterben.“

„Das ist bald gemacht,“ meinte der Küster; und während die Müllerin den Deckel empor hob und das Licht hielt, nahm er die Wasserkanne und ließ der Krähe ein paar Tropfen in den aufgesperrten Rachen fallen.

Die Krähe war vor Durst schier verschmachtet; und weil sie an den paar Tropfen nicht genug hatte, fuhr sie auf und dem Küster gerade in das Gesicht und [130] biß sich vor Zorn in seiner Nase fest. Darüber begann dieser, gar erbärmlich zu jammern und zu schreien, und die Frau stand ihm getreulich bei; denn sie fürchtete sich, den Zauberer anzugreifen, um nicht bei lebendigem Leibe in die Hölle zu fahren.

Indem trat der Müller zur Thüre herein. Als er den Küster bei seiner Frau erblickte, ward ihm klar, wie die Mahlzeit am vergangenen Abend in den Wandschrank gekommen und von welchem Teufel das Haus behext sei; und – hast du nicht gesehen – hieb er mit dem Peitschenstiel auf den Küster ein, daß die Krähe vor Schreck die Nase los ließ und durch die offene Thür zum Hause hinaus flog.

Der Küster aber jammerte jetzt noch vielmehr, denn vorher, da ihm die Krähe in das Gesicht gefahren war, und schwur dem Müller einen teuren Eid, daß er sich in seinem geborenen Leben nicht wieder auf der Mühle sehen lassen wolle. Darauf ließ der Müller von ihm ab. Doch als er fort war, ging es über die Müllerin her; und der setzte er noch besser zu, bis seine Arme müde geworden waren und er nicht mehr zu schlagen vermochte.

Freilich der Zauberer war fort geflogen, aber dem Müller thaten die dreihundert Thaler nicht leid, denn er war klug geworden; und fortan gab es in der Mühle für den Herrn und das Gesinde das beste Essen, was eine reiche Müllersfrau nur geben kann.

Der Kuhhirt war inzwischen mit dem Sacke voll Geld, das er für den Wahrsager bekommen hatte, in das Dorf zurückgekehrt. Nun hatte er einen Jungen, so im zwölften [131] oder dreizehnten Jahre. Den schickte er zum Schulzen und ließ ihn um eine Metze bitten.

Der Schulze gab sie ihm auch; aber es kam ihm verwunderlich vor, daß der Kuhhirt etwas zu messen hätte, und er schlich dem Jungen nach und guckte durch das Klinkenloch, wo das Klinkenband durchgeht, in die Stube hinein. Da sah er wie der Kuhhirt Geld maß, und er riß die Thüre auf und fragte:

„Woher hast du das viele Geld? Das ist nicht mit rechten Dingen zugegangen!“

„Ei, warum nicht?“ sagte der Kuhhirt. „Du weißt doch, daß ich die eine Kuh geschlachtet habe. Die Haut brachte ich gestern auf den Markt und habe dafür dreihundert Thaler bekommen.“

„Ist’s die Möglichkeit!“ rief der Schulze verwundert und machte, daß er nach Hause kam; dann schickte er den Stock herum, daß er den Bauern die Zeitung überbrächte.

„Gevatter, was giebt’s?“ fragten sie neugierig.

Da erzählte ihnen der Schulze alles, wie er es bei dem Kuhhirten getroffen hatte, und daß demselben für eine einzige Haut in der Stadt dreihundert Thaler gezahlt worden seien.

„Ist’s die Möglichkeit!“ riefen da auch die Bauern. „Das heißt ein Geschäft!“

Dann liefen sie geschwind ein jeder in sein Haus und schlugen alle Kühe tot, zogen sie ab und luden die Häute auf den Wagen und fuhren im langen Zuge in die Stadt hinein.

„Häute, Häute, kauft Häute!“ riefen sie.

[132] Da liefen die Gerber und Juden herbei und fragten:

„Was sollen denn die Felle kosten?“

„Dreihundert Thaler das Stück!“ sagten die Bauern.

Die Gerber und Juden dachten, die Leute machten Spaß und lachten und boten zwei Thaler und am Ende einen halben dazu. Das ärgerte die Bauern, und sie begannen zu schimpfen und zu schelten; und das nahmen die Gerber und Juden wieder krumm, denn sie dachten, die Bauern wollten sie zum Narren halten, und sie trieben die Leute zum Thore hinaus.

Da sahen sie denn ein, daß sie von dem Kuhhirten belogen waren, und wurden so zornig auf ihn, daß sie sogleich zusammentraten, als sie im Dorfe angelangt waren, und den Beschluß faßten, zu Marien (25. März) müsse er ziehen. Dann könne er einen andern Dienst suchen oder sonst sehen, wo er bleibe.

Als der Kuhhirt hörte, was die Bauern beschlossen hatten, sprach er zum Schulzen:

„Aus dem Hause zieh’ ich, aber der Backofen ist mein; den habe ich für mein eigenes Geld aufsetzen lassen.“

„So nimm ihn mit,“ sagte der Schulze; und der Kuhhirt griff nach Hammer und Beil und schlug den Backofen in Stücke und füllte mit dem Ziegelschutt fünf große Säcke voll. Den nächsten Markttag legte er sie auf den Schlitten, spannte sein Pferd davor, das vorne hinkte und hinten lahm war, und fuhr damit in die Stadt.

„Backof, Backof!“ schrie er.

„Was kostet die Metze?“ fragten die Frauen.

[133] „Ach was Metze,“ sagte der Kuhhirt, „ich verkaufe nur im Ganzen!“

Im Ganzen wollte aber niemand nehmen; und so fuhr er vor des reichen Kaufmannes Laden und fragte ihn, ob er vielleicht fünf Säcke Backof für ihn in Aufbewahrung nehmen wolle. Dem Kaufmann war das recht, und der Kuhhirt lud die Säcke ab und fuhr mit dem Schlitten nach Hause.

Es dauerte gar nicht lange, so kam zu dem Kaufmann ein guter Kunde und forderte Backäpfel und Feigen.

„Ei,“ dachte der Kaufmann, „da kannst du von dem Backobst nehmen, das der Kuhhirt bei dir gelassen hat, der wird’s wohl nicht merken.“

Damit nahm er die Schlüssel und stieg auf den Boden und band den einen Sack auf. Siehe, da war lauter Ziegelschutt darin, und ebenso in dem zweiten und in den andern allen.

„Du mein Gott, welche Schande!“ sprach der Kaufmann bei sich. „Mein guter Ruf ist dahin, wenn die Leute erfahren, daß bei mir ein Betrug vorgekommen ist, und niemand wird mehr von mir kaufen.“ Denn er dachte, es sei einer heimlich auf den Boden gegangen und habe die Säcke mit Backobst gestohlen und statt ihrer die Säcke mit Ziegelschutt hingestellt.

Als wieder Markttag war und der Kuhhirt nach den Säcken fragte, nahm er ihn darum besonders und erzählte ihm die Sache und bat ihn, daß er seinen Mund halte, er wolle ihm auch fünfhundert Thaler geben.

„Das nenne ich mir eine saubere Wirtschaft,“ sagte [134] der Kuhhirt; „da müßte man ja eigentlich gleich auf das Gericht schicken!“

Weil aber der Kaufmann gar so sehr bat, gab er sich endlich zufrieden, ließ sich die fünfhundert Thaler in einen Sack schütten und fuhr wieder in das Dorf zurück.

„Junge,“ sagte er zu seinem Sohne, als er zu Hause war, „lauf zum Schulzen und bitt ihn um das halbe Viert; ich muß wieder messen.“

Der Junge that, wie ihm sein Vater geboten hatte, und der Schulze gab ihm auch das Maß. Weil er aber neugierig war, ging er wieder mit und schaute durch das Klinkenloch. – Mein Gott, saß da der Kuhhirt und maß Geld mit dem halben Viert!

„Mensch, wo hast du das Geld her?“ rief der Schulze und trat in die Stube.

„Das habe ich in der Stadt für die fünf Sack Ziegelschutt von meinem Backofen bekommen,“ sagte der Kuhhirt.

Sogleich machte der Schulze kehrt, schickte den Stock herum und erzählte den Bauern, als sie beisammen waren, wie der Kuhhirt für fünf Sack Ziegelschutt ein halbes Viert Geld bekommen habe.

„Das wollen wir auch haben!“ sagten die Bauern, und ein jeder lief nach Hause und schlug seinen Backofen entzwei, steckte den Ziegelschutt in große Säcke, und fort ging’s damit in die Stadt.

„Ziegelschutt! Ziegelschutt!“ riefen sie; aber alle Leute lachten sie aus, und keiner wollte kaufen, weil Ziegelschutt zu nichts nutze ist.

„Ziegelschutt! Ziegelschutt!“ riefen die Bauern immer [135] weiter. „Wer kauft Ziegelschutt! Immer fünf Sack für ein halbes Viert Kurant!“

Eine Zeit lang ertrugen es die Bürger; dann ward ihnen der Thorheit zu viel, und sie jagten die ganze Gesellschaft zum Thore hinaus.

Nun wollten sich die Bauern rächen und beschlossen, den Kuhhirten in der Nacht tot zu schlagen. Doch dieser ahnte ihre böse Absicht und sprach deshalb zu seiner Frau, als er mit ihr zu Bette ging:

„Leg du dich heute vorne hin, ich möchte auch einmal an der Wand schlafen!“

Wie nun in der Nacht die Bauern kamen, schlugen sie die Frau tot; denn sie glaubten, der Mann läge vorne.

Am andern Morgen stand der Kuhhirte auf und nahm seine tote Frau, setzte sie auf den Schlitten und stellte ihr einen Korb Eier auf den Schoß, daß es aussah, als lebe sie noch und wolle die Eier verkaufen. Dann fuhr er mit ihr in die Stadt. Dort trat ein reicher Mann an den Schlitten, der wollte gerne Eier kaufen.

„Was kostet die Mandel?“ fragte er.

Die Frau gab keine Antwort. Er fragte zum zweiten und zum dritten Male; als sie aber immer nicht antworten wollte, ward er ärgerlich und gab ihr einen Backenstreich, daß die Leiche das Gleichgewicht verlor und hintenüber stürzte.

„Aber, lieber Mann,“ kam da der Kuhhirt gelaufen, „was hat er mit meiner Frau angefangen!“ Und als er sie tot hintenüber liegen sah, schrie er ach und weh [136] und rief: „Mörder! Mörder! Der da hat meine Frau vor meinen sichtlichen Augen totgeschlagen!“ daß der Mann ihm nur schnell den Mund zuhalten mußte.

„Verrat mich doch nicht,“ sagte er, „du siehst, ich hab’s nicht mit Willen gethan! Ich werde dir tausend Thaler geben und für ein anständiges Begräbnis sorgen obendrein, wenn du stille bist.“

„Das ist etwas anderes,“ sagte der Kuhhirt, „wenn du das thun willst, so werde ich stille schweigen.“

Da nahm ihn der Mann mit sich in sein Haus und zählte ihm die tausend Thaler auf, und das war ein großer Sack voll Geld. Dann begrub er die tote Frau, als wäre es seine eigene, derweile der Kuhhirt ins Dorf zurückfuhr.

Diesmal mußte der Junge um einen halben Scheffel bitten.

„Geh’ nur, ich bring’s selbst,“ sagte der Schulze, der sich vor Verwunderung gar nicht zu lassen wußte; und als er in des Kuhhirten Haus kam, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen vor dem Gelde, das dort auf dem Fußboden lag.

„Nachbar, wie ist’s möglich! Wie ist’s möglich!“ rief er.

„Das ist gar nicht verwunderlich,“ sagte der Kuhhirt; dann erzählte er dem Schulzen, daß sie gestern Nacht nicht ihn, sondern seine Frau tot geschlagen hätten. Mit der sei er in die Stadt gefahren und habe dort tausend Thaler für die Leiche bekommen. Fünfhundert für den Backofen und dreihundert für das Kuhfell dazu, [137] das müsse schon mit dem halben Scheffel gemessen werden.

„Wie ist’s möglich! Wie ist’s möglich!“ rief der Schulze wiederum und lief hinaus und schickte den Stock herum und konnte gar nicht erwarten, bis die Bauern alle beisammen waren, daß er ihnen die Neuigkeit erzählte.

Die sperrten Nase und Maul auf ob der wundersamen Geschichte; und ehe noch der Schulze ganz fertig geworden war mit seiner Erzählung, waren sie auch schon wieder zur Thüre heraus und liefen nach Hause und schlugen ihre Schwieger- und Großmütter tot und, was sonst von den Frauen zum Spinnen zu alt und schwach war, und luden die Leichen auf die Erntewagen und fuhren in die Stadt und boten sie aus, das Stück für tausend Thaler.

Den Bürgern kam es nicht geheuer vor, daß so viel alte Weiber auf einmal im Dorfe gestorben sein sollten, und sie fragten nach; und als sie von den Bauern erfahren hatten, wie sie es angefangen, nahmen sie dieselben beim Kragen und führten sie vor den Richter. Der sperrte sie ein bei Wasser und Brot eine lange Zeit. Endlich ließ man sie laufen.

Jetzt kannte ihr Zorn gegen den Kuhhirten keine Grenzen mehr; und auf den Rat des Schulzen wurde er in seinem Hause ergriffen und in eine leere Tonne gesteckt. Die trugen sie sodann auf einen Berg, um sie den Abhang hinunter in den See zu kullern.

Indem fiel ihnen ein, daß die Stadtherren sie am Ende wieder einsperren würden, wenn sie den Kuhhirten ohne ihre [138] Erlaubnis zum Tode brächten; sie ließen darum die Tonne stehen und liefen zum Bürgermeister.

„Kinder,“ sagte der, als ihm die Bauern den Handel vorgetragen hatten, „wenn’s so steht, hat er’s nicht besser verdient. Kullert ihn nur in den See!“

Die Bauern freuten sich über die Rede und gingen zum Berge zurück.

Inzwischen saß der Kuhhirt in der Tonne und dachte über sein Schicksal nach. Da kam des Weges der Schäfer mit seiner Herde. Als der Kuhhirt die Schafe blöken hörte, schrie er aus seiner Tonne heraus mit lauter Stimme:

„Ich kann nicht schreiben,
Ich kann nicht lesen
Und soll in der Stadt Bürgermeister werden!“

„Ach,“ gab ihm der Schäfer zur Antwort, „ich kann gut schreiben, und gut lesen kann ich auch und möchte gerne Bürgermeister werden.“

Rief der Kuhhirt aus der Tonne: „Dir kann geholfen werden! Laß mich heraus und kriech statt meiner in die Tonne hinein.“

Das war der Schäfer wohl zufrieden, und es dauerte gar nicht lange, so war der Tausch gemacht; und der Kuhhirt trieb die Schafherde fort, während der Schäfer in der Tonne saß und immerfort schrie:

„Ich kann gut lesen,
Ich kann gut schreiben
Und will in der Stadt Bürgermeister werden!“

„Sieh,“ sagten die Bauern, als sie von der Stadt auf den Berg zurückkamen, „jetzt will er gar Bürgermeister [139] werden!“ Dann gaben sie der Tonne einen Stoß und kullerten sie in den See.

Wie sie in das Dorf zurückgehen wollten, trafen sie den Kuhhirten, der mit seiner Herde Schafe nicht so schnell hatte weiter kommen können.

„Der Tausend!“ sagte der Schulze, „wir haben dich doch vor einer halben Stunde in den See gekullert, wie kommst du nun zu den Schafen?“

Antwortete der Kuhhirt: „Das schöne Vieh habe ich alles aus dem See. Seht nur zu, es läuft noch viel auf dem Grunde herum. Der große Leithammel da wäre so recht etwas für den Schulzen!“ Dabei wies er auf das Spiegelbild seiner Herde im Wasser.

Den Bauern wässerte der Mund nach dem schönen Vieh, und der Schulze sprang zuerst in den See hinein, um den Leithammel zu greifen. Als er nun im Wasser blubberte und nach Luft schnappte, schrien die anderen:

„Jetzt hat er den Glockenhammel!“

Und damit sie nicht leer ausgingen, stürzten sie sich allesamt ihm nach in den See und ertranken.

So war das ganze Dorf ausgestorben, und der Kuhhirt bekam zu dem vielen Geld und der großen Herde das ganze Dorfland obendrein und ward dadurch ein steinreicher Mann. Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er heute noch.