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Der Kyffhäuser in Thüringen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
DCLXXXXII. Nauwoo und die Mormonen Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band (1852) von Joseph Meyer
DCLXXXXVIII. Der Kyffhäuser in Thüringen
DCLXXXXIV. Die Ruine Alt-Boimeburg in der Pfalz
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Der KIFFHÄUSER und die ROTHENBURG

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DCLXXXXIII. Der Kyffhäuser in Thüringen.




Dies ist der Erinnerungsbilder eins aus jenen grünen Lenzmonden meines Lebens, auf die ich hinschaue, wie auf den Frieden eines heimlichen thüringer Thalgründchens, über das der blaue Himmel seinen Glanz gebreitet hat. Ein solcher Bilderkreis, froh, rein, unschuldig, ist eine heilige Mitgift für’s ganze Daseyn, und Jeder, der ihn hat, sollte öfters hineinschauen; er sollte der erquickende Morgenthau für jeden neuen Tag seyn.

Ich gedenke meiner ersten Wanderung zur alten Kaiserburg so lebhaft, als wäre sie gestern geschehen. Sie war der erste weitere Ausflug des Knaben, und sie erschien ihm größer, als dem alten Manne jetzt eine Reise auf den Aetna oder zu den Katarakten des Nils erscheinen würde. Das Herz klopfte mir, als ich auf der Höhe hinter Frankenhausen zum ersten Mal den Thurm des Barbarossa deutlich aus dem Grün seines Berggipfels emporragen sah, und seine Riesengestalt sich am blauen Himmel genau abzeichnete. Als ich das Rathfeld hinauf durch den hohen Eichwald trollte, da dünkte mich’s, ich ging’ in einem Bardenhaine, und das ernste feierliche Rauschen des Windes in den Wipfeln goß Schauer der Ehrfurcht in meine junge Seele.

Oben war Seligkeit! Es schwelgten die Gedanken, es waren meiner Phantasie die Flügel gelöst. Alle die alten Mauerbrocken und Reste eingesunkener Gewölbe setzte ich zu den Hallen und Thoren des stolzen Kaiserschlosses zusammen, und Friedrich, inmitten seiner Ritter, stand vor meinen Augen wie der Held eines Hünengeschlechts. Die Geister der Volkssage sah ich um jeden Stein tanzen, den Hauch der Legende jeden Dornstrauch umwehen, und neugierig kroch ich in jede Bergöffnung, welche wandernde Venetianer und Zigeuner, gierig nach vergrabenen Schätzen, gemacht hatten, um den unterirdischen Thronsaal zu erspähen, wo der verzauberte Kaiser sitzen soll, dem Rufe seines Volkes gewärtig, mittlerweile ihm der rothe Bart durch den Steintisch gewachsen ist. In jenen Tagen schleppte Deutschland am Joch des Korsen und die Zeit gab der Sage eine nähere Bedeutung. Das Jahr 13 kam und hat das Volk betrogen; das Jahr 48 ist dagewesen und hat den Zauber nicht gelöst. –

[141] Die erste Erbauung der Kaiserpfalz auf dem Kyffhäuser reicht in die Zeiten, wo Geschichte und Tradition sich vermengen. Wir wissen nur mit Sicherheit, daß sie der große Hohenstaufen, der die Burg lieb hatte, beträchtlich erweiterte. Als die Schlacht am Welferholze die Macht Kaiser Heinrichs V. brach, fiel nach 3jähriger Belagerung die Veste in die Hand der rebellischen Reichsbeamten, und erst nach Wiederherstellung der kaiserlichen Macht und des Landfriedens durch Rudolf, den Habsburger, wurde sie wieder ein Reichslehen und als solches dem Grafen von Beichlingen-Rothenburg zur Obhut gegeben, aus dessen Hand sie später an’s Haus Schwarzburg kam. Dieses erbaute die einst berühmte Gnadenkapelle der Muttergottes, welche die Wallfahrerzüge anlockte, bis die Reformation denselben ein Ziel setzte. Die Burg, welche man nicht mehr der kostspieligen Ausbesserungen für werth achtete, verfiel von dieser Zeit an rasch, und jetzt ist nichts übrig von ihr, als niedriges Mauerwerk und das hohe Viereck des Barbarossathurms, den Epheu und Immergrün umschlungen haben.

Die Zinne des Thurms ist in unsern Tagen zugänglich gemacht worden, und sie lohnt ihrem Besucher durch einen unvergleichlichen Ausblick in das Thüringer Land, dessen Perle, die goldne Aue, mit ihren Klöstern, Flecken und Dörfern, unmittelbar zu seinen Füßen liegt. Köstlich ist der Sonnenuntergang von diesem Punkte an hellen Sommerabenden. So herrlich stirbt kein Held, als ich sie einst in den goldnen, unermeßlichen Fruchtfeldern, ihrer Segnungen Werk, entschlummern sah.