Der Pyräus, Hafen von Athen
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Welten hat das alte Griechenland geschaffen, Götter-, Helden- und Geisterwelten. Das große Epos seiner Geschichte, der Olymp, die Gesänge Homers, die Werke des Aristoteles und des Plato und der großen Dramatiker sind diese Welten. Aufgethan sind sie den Geistern und Genien des Geschlechts seit Jahrtausenden und werden es erfreuen, bilden, erwärmen und trösten bis an’s Ende seiner Tage. Was geht mich das Griechenland an, wie es heute aussieht, die Raçe mehr slavischen und illyrischen, als hellenischen Ursprungs, welche es heute bewohnt? Was kümmert mich das bayerische Königsschloß neben dem Säulenhaus des Theseus und die geschnürte Adjutantenschaar, welche den Wagen der Majestät aus Oldenburg durch des Hadrian Siegesthor nach der Villa begleitet, auf deren Stätte Sokrates und Plato Weltweisheit lehrten? Was bedeutet es denn, ob an dem Parthenon die Krähe oder die Schwalbe ihr Nest baut, oder ob auf der Ebene von Troja der Esel, oder die Ziege weidet? Auch wenn keine Krähen und keine Schwalben nisteten und kein Esel und keine Ziege graseten, würde ein Parthenon seyn und ein Troja, und Götter und Helden und Homer.
Südwestlich von der Ebene, in welcher das neue Athen im Halbkreise um die Felsen der Akropolis sich gebettet hat, streckt sich eine hügelichte Halbinsel weit in das Meer hinein, deren ausgezackt Küste den Athenern jene sichern und geräumigen Häfen gewährte, welche die Flotten aufnahmen, die der atheniensische Handel erforderte, auf denen unsterbliche Helden ihre Siege gegen die Feinde des Vaterlandes errangen und griechisches Leben und griechische Gesetze durch Kolonisation und Eroberung in das Abendland getragen wurden. Bis zu den Perserkriegen hatte der östlichste und nächste, der Phaleron, genügt. Themistokles gründete den pyräischen Hafen, dessen großer Umfang der erweiterten Seemacht der Athenienser angemessen war. Später wurde auch die nördlichere
[16] Bucht Demos Pyräus als Hafen benutzt und noch später dem dicht daneben liegenden Busen von Munychia die nämliche Bestimmung gegeben. So bekam das alte Athen vier Häfen, welche sämmtlich durch doppelte Mauern mit der Stadt selbst verbunden waren. Gegenwärtig ist nur der Pyräus für größere Schiffe zugänglich; die übrigen Häfen sind versandet und ihre Gebäude sind sammt den Mauern, welche sie mit der Stadt der Minerva verbanden, von der Erde verschwunden. Eine chaussirte Straße führt vom Pyräus nach dem neuen Athen, das 2 Stunden entfernt liegt.
Seitdem Athen der Centralpunkt des neuen Königreichs geworden ist und, als Sitz der obern Civil- und Militärbehörden, einige Entwickelung erhalten hat, hat sich auch der Hafen des Pyräus, der fast verödet war, belebt, und neben den altergrauen Thürmen und Mauern des Mittelalters ist eine kleine, freundliche Stadt entstanden mit Zollamt, Magazinen und Gasthäusern. Zur Sommerzeit, wo die Dampfschiffe die Züge der Touristen aller Nationen nach Hellas führen, wogt hier ein buntes Leben. Außer der Saison aber ist es desto stiller und die reicheren Geschäftsleute verbringen den Winter gewöhnlich in Athen. Eine Eisenbahn wird im nächsten Jahre beide Städte vereinigen.