Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 2 Kapitel 16
Ist ein Schiff in Wassersnoth / und der Schiffer begehrte zu werffen / so sol man die Frachtleute fragen / ob es ihr Wille sey / [261] wäre es dann ihr Wille nicht / und dem Schiffer / sampt zweyen oder dreyen von den Schiffmännern deuchte / daß es wäre besser gethan / als gelassen / so mügen sie werffen / und wann der Kauffmann überkömpt / so mügen zwey oder drey / die mit in dem Schiffe gewesen / und gute Leute seyn / schweren / daß es die Noth gewesen sey. Wäre auch kein Kauffmann in dem Schiffe / was dann dem Schiffer / sampt dem meisten theil im Schiffe gut bedeuchte / daß sol man thun.
Wann ein Schiffer in vorstehender Wassersnoth / zu Errettung Schiffs und Guts / einige Güter werffet / den Schaden sol man rechnen über Schiff und Gut / geworffen und ungeworffen / und der Schiffer muß die Güter an sich halten biß zu der Zeit / daß der Schade nach Antheil eines jeden Guts belegt ist. Da aber der Frachtleute jemand unvermügen würde / den Schaden mit zu belegen / da darff der Schiffer nicht vor stehen. Würde auch die Mast / umb Schiff und Gut zu retten / gehauen / oder Takel / Ancker oder Tau gekervet / der Schade gehet über Schif und Gut / wie vorher gemeldet; jedoch ist der Schiffer schüldig den Kaufmann zu fragen / und gebe er nicht Vollbordt darzu / darumb darff der Schiffer das nicht lassen / mag er schweren selb dritte / als er zu Lande kömpt / daß es die hohe Noth erfordert [262] hat; Alle Güter seyn pflichtig den Schaden mit zutragen / außbenommen freye Leute und Proviant / der zu Unterhaltung und Zehrung wird mit geführet / der Güter Werthe sol man rechnen / als das ander geldet in dem Marckte / und das Schiff nach seiner Werthe / als der Schiffer es gesetzet / beneben der Fracht / und haben die Kaufleute die Wahl / ob sie es dafür annehmen oder dem Schiffer lassen wollen; da aber die Mast / Ancker / Takel und Taue / von der Macht des Sturms oder Ungewitters zerbrechen / oder verlohren würden / den Schaden kan man nicht über alle rechnen.
Hat jemand bahr Geld / Perlen / oder Edelgestein bey sich in dem Schiff / und man aus Noth werffen muß; er sage dasselbe von sich oder nicht / so sol er gleichwohl nicht desto weniger / andern / die Güter in dem Schiffe haben / gleich / Haverey geben und bezahlen.
Wären etliche Güter / über der Werffung / verärgert / oder gantz vernichtiget / den Schaden sol man rechnen über Schif / Gut / und die Fracht: wären aber Güter vor oder nach / und nicht in der Werffunge verdorben / den Schaden rechnet man nicht auff Haverey / [263] Es müssen gleichwol dieselben Güter mit gelden / den Schaden der geworffenen Güter / nach dem Taxt als sie zu der Zeit werth seyn / und nicht nach der Werthe / den sie hatten / ehe dann sie verdorben seyn.
Wäre es auch daß man Ungewitters halben Gut würffe / aus einem Schiffe in die See / und die See / in der Werffung in das Schif käme / und nehme dar Gut von der Bord / in der Zeit als man würffe / vor oder nach / und das Gut geräumet wäre von dem andern Gute / dar es mit belegt war / daß die See also außgeworffen hätte / und man daß beweisen möchte mit dem Schiffer / und den jenigen die in dem Schiffe wären: so sol man das Gut / das die See also außgeworffen hat / zu Rechte gelten / gleich andern geworffenen Gütern.
Wann jemand geworffene Güter wieder erlangt / so darf man dieselben nicht gelten / seyn sie aber vergolten / so sol er das Geld erstatten / oder er sol die Güter lassen folgen / denen / die sie haben müssen gelten.
[264]So jemand von dem Schiffs-Volcke etwas mehr / dann seine bescheidene Führung / darinnen er von Haverey gefreyet ist / eingeschiffet hat / davon gibt er Haverey andern gleich.
Wann ein Schiff an Grund siegelt / und es ist zu befahren / das Schif und Gut möchte Schaden leiden / könte man daselbst haben kleine Schiffe / was das kostet / sollen bezahlen Schif / Gut und Fracht / gleich Werfgelde; und wäre dar kein Kaufmann in dem Schiffe / als es an Grund siegelte / so mag der Schiffer mit zween Schifmännern schweren / wil man es ihnen nicht zugläuben / daß Schif und Gut in Noth gewesen ist.
Erfordet es die Noth / daß man ein Schif muß leichten / damit es über Grund kommen / und desto besser in die Hafe müge gebracht werden / da dann ein Theil der Güter in das Both oder Nachen / gelosset / und damit versüncken und umbkämen / den Schaden muß man rechnen über das Schif / Gut und Fracht; bliebe aber hernach das Schif mit den Gütern / den [265] Schaden darff man von den Gütern / die in dem Bothe enthalten / nicht mit gelten.
Wann ein Schiff / vorstehender Noth halben / vor ein Land käme / dar es Haven müste / und daselbst unbekandt wäre / so daß es einen Piloten bedürfte / was das kostet / sol gelten Schif / Gut und Fracht / als in geworffenem Gute verordnet ist.