Der Tag ist wieder hin, und diesen Theil des Lebens
Der Tag ist wieder hin, und diesen Theil des Lebens,
Wie hab ich ihn verbracht? Verstrich er mir vergebens?
Hab ich mit allem Ernst dem Guten nachgestrebt?
Hab ich vielleicht nur mir, nicht meiner Pflicht gelebt?
Mit Dank und mit Gebet, mit eifrigem Verlangen,
Als ein Geschöpf von Gott der Tugend mich zu weihn,
Und züchtig, und gerecht, und Gottes Freund zu seyn?
Hab ich in dem Beruf, den Gott mir angewiesen,
Mir und der Welt genützt, und jeden Dienst gethan,
Weil ihn der Herr gebot, nicht weil mich Menschen sahn?
Wie hab ich diesen Tag mein eigen Herz regieret?
Hat mich im Stillen oft ein Blick auf Gott gerühret?
Und hab ich im Vertraun auf ihn mein Herz gestärkt?
Dacht ich bey dem Genuß der Güter dieser Erden
An den Allmächtigen, durch den sie sind und werden?
Verehrt ich ihn im Staub? Empfand ich seine Huld?
Und wie genoß mein Herz des Umgangs süsse Stunden?
Fühlt ich der Freundschaft Glück, sprach ich, was ich empfunden?
War auch mein Ernst noch sanft, mein Scherz noch unschuldsvoll?
Und hab ich nichts geredt, das ich bereuen soll?
Sie durch mein Beyspiel still zum Guten unterrichtet?
War zu des Mitleids Pflicht mein Herz nicht zu bequem?
Ein Glück, das andre traf, war dieß mir angenehm?
War mir der Fehltritt leid, so bald ich ihn begangen?
Und wenn in dieser Nacht Gott über mich gebeut,
Bin ich, vor ihm zu stehn, auch willig und bereit?
Gott, der du alles weist, was könnt ich dir verheelen?
Ich fühle täglich noch die Schwachheit meiner Seelen.
Vergieb, und gehe du nicht mit mir ins Gericht.
Ja, du verzeihest dem, den seine Sünden kränken;
Du liebst Barmherzigkeit, und wirst auch mir sie schenken.
Auch diese Nacht bist du der Wächter über mir;