Der Teufel und sein Liebchen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Carl Weisflog
Illustrator:
Titel: Der Teufel und sein Liebchen
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 9, S. 65–68 und Nr. 10, S. 73–76.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[65]
Der Teufel und sein Liebchen.


Am 18. November 1820 war ich auf dem Balle in P. Ehe und bevor die eigentliche Tanzlust oben anging, ergötzte unten in der großen Gaststube ein Grimasseur auf seltsame und unerhörte Weise. Der Mann hatte noch zwei Gehilfen. Alle drei sangen in wunderlichen Melodien unverständliche Worte, oder eigentlich gar keine, aber in der allerrichtigsten Harmonie und mit den sonorsten Organen. Besonders fuhr der eine im gellenden Diskante bis in die höchsten Töne hinauf, indeß er sich mit der Hand an dem Hals hielt. Der andere hingegen brummte in die tiefsten Bässe des Serpents. Aber der eigentliche Meister war der dritte, nämlich der Grimasseur. Der sang in allen Stimmen, und schnitt dazu, so wie zur Musik seiner Gefährten, Gesichter und Kapriolen, daß der schwermüthigste Misantrop sich des unauslöschlichsten Lachens nicht würde haben enthalten können. Dabei hatte sich der Würdige in einen höchst abenteuerlichen Anzug gekleidet. Eine großblumige Damastweste mit langen Schößen und einer Reihe Knöpfe reichte weit über den künstlich ausgestopften Speckwanst herunter, und auf der schiefstehenden Perücke wackelte ein winziges dreieckiges, plattes Hütlein. Aus den Aermeln des kurzen, braunen Rockes, der über die Weste schlotterte, fuhren zu Zeiten ellenlang die klapperdürren Hände heraus, bald wieder waren sie ganz unsichtbar. Den Rücken ganz glatt zu machen, und im nämlichen Augenblicke einen furchtbaren Höcker darauf zu hexen, hatte der Wackere eben so in der Gewalt, als die ganz willkürlichen Bewegungen seiner Nase, Ohren und Kopfhaut. Bald schob sich der Mundspitz eine gute Spanne vor, wie das Gesicht eines Pavians, bald wurde er platt und breit, wie ein Meerengel. Bald zog sich der Mund quer über das Gesicht, wie eine entsetzliche Wunde, von einem Ohre zum andern, bald sah man von Mund und Nase gar nichts, denn Alles war im Kinn verborgen.

Konvulsivisches Lachen bemächtigte sich der ganzen Gesellschaft. Selbst ich, den beim ersten Anblick des Possenreißers ein inneres Grauen erfaßte – ich wußte warum – mußte mitlachen. Man hielt die drei lustigen Gesellen allgemein für Juden, aber – ich wußte es besser – und als nun die Vorstellung geendet war, das Zimmer leerer wurde, und die Tanzlustigen hinaufgingen in den Ballsaal, da zog ich meinen Künstler bei Seite, und frug mit leiser, zagender Stimme: „Haben Euer Hochedeln sich wieder zu einer Promenade zu uns herauf entschlossen? Werden Dieselben sich etwa wieder des Beckens und des Scheersacks bedienen, wie vor zweihundert Jahren in Katzweiler? – oder haben Sie sich ein anderes, unschuldiges Vergnügen vorgenommen?“

Mit sauerer Miene betrachtete mich der Mann, und zögerte lange, was er sagen sollte. Endlich fistulirte er im heisern Diskante: „mein geehrter Herr, ich verstehe Sie nicht und weiß nicht, was Sie wollen.“

„Schon gut“ – entgegnete ich – „ich merke, Sie reisen incognito. Aber wenn ich Ihnen sage, daß ich Sie kenne, und daß ich der alten Vettel, die einst Ihrem liebenden Herzen den häßlichen Streich spielte, eben so gram bin wie Sie selber, so werden Sie meine Dreistigkeit entschuldigen, mit der ich Sie freundlichst bitte, mir eben so ein klein wenig zu helfen. Mein Pedal – Verehrter! – ist nämlich, wie Sie [66] bemerken werden, – zum Tanzen nicht eingerichtet, denn ich hinke etwas, und freue mich, darin eine angenehme Aehnlichkeit mit Ihnen zu haben, da Ihr linkes, liebes Bein auch ein wenig zu kurz ist; also muß ich mir die Zeit, indeß andere sich lustig herum tummeln, auf andere Art zu vertreiben suchen, und zwar für diesmal, da die Lhombre-Partien voll sind – mit den Würfeln, die ja auch eine Passion von Ew. Hochedeln sind. Zwar gings Ihnen ein Mal damit schlecht, als sie mit einem Heiligen – ich weiß nicht gleich mit welchem – um eine arme Seele knöchelten. Ew. Hochedlen warfen achtzehn und lächelten schon recht lieblich über den sichern Gewinn, aber der Heilige warf neunzehn und das ging ganz natürlich zu. Denn durch Gottes wunderbare Schickung war der eine Würfel gesprungen und auf der Tafel lagen nun drei Sechsen und eine Eins. Ihre damaligen Empfindungen ließen sich am besten aus dem Geruche beurtheilen, den Sie zurück zu lassen beliebten, als Sie mit Grimm und leeren Händen zum Fenster hinausfuhren; aber ich schweige von dergleichen ärgerlichen Geschichten, und wenn Sie mir gütigst eben den Segen über den Pasch sprechen wollten, daß ich nicht anders als: gut stehn sie! würfe, so würde ich auch ein Uebriges thun und in einer philosophisch-kritischen Schrift beweisen, daß die ganze Historie, wie es Ihnen in Katzweiler ergangen, nichts weiter sei als eine schnöde Fabel, und daß Sie in Ihrem Leben kein dummer Teufel gewesen, ja daß es eigentlich gar keinen dummen Teufel gibt. Dieß würde unstreitig Ihrem etwas gesunkenem Kredite wieder auf die Beine helfen, und Ihnen besonders jetzt, bei ihrer etwa vorhabenden Ergötzlichkeit, höchst ersprießliche Dienste leisten.“



Der Künstler sah mich mit einem spitzigen Paviangesichte an und wackelte mit den langen empor gestreckten Ohren, dabei fuhr der Diskantist mit einem gellenden Läufer hinauf bis ins d und der Serpent harpeggirte Rohrdommelbässe. „O inkommodiren Sie sich nicht, meine Herren!“ – rief ich – „ich bin sattsam überzeugt. Sie der Sie so angenehm quinkeliren – Sie Loser! Sie sind ja weiland der Herr Stadtschreiber Hinzelmann, eigentlich freilich der alten Barbara Leibkatze, und Sie dort mit dem groben Organe – Hi, hi, hi, hi! kicherte der Fremde, mit dumpfer, inwendiger Bauchstimme – denn Mund und Nase stacken wieder im Kinn, dabei wies sein langer dürrer Zeigefinger auf seine Stirn, als ob es da bei ihm, oder bei mir nicht recht richtig sei. Hoeilu – lu – lu lu! johlten die Andern in hohnlachenden Gurgeltönen, und herum wie ein Kreisel drehte sich der Grimasseur, daß die langen Westenschöße ein weites Rad schlugen, und wirbelnd, pfeifend und gurgelnd walzten die drei Entsetzlichen zum Zimmer hinaus, ich aber floh schaudernd hinauf in die Ballsäle; Trompeten und Pauken schmetterten mir entgegen und die Pickelflöte schnitt in meine Seele. Vom unheimlichen Spuck ergriffen, grauete mir vor dem Würfeltisch, ich vergrub mich in die Tabakwolken der Trinker, und fand erst nach langer Zeit, im heitern Geschwätz meiner Freunde und im perlenden Nektar von Epernay, Zerstreuung und Erholung.



Am Morgen darauf waren die drei Lustigmacher aus dem Städtchen verschwunden, Niemand wußte wo sie eingekehrt, übernachtet und wo sie hingekommen. Daß aber mir die Sache von Haus aus nicht anders als bedenklich und gespenstig, ja daß sie mir sogar als etwas bekanntes erscheinen mußte, davon wirst du – mein neugieriger Leser – dich überzeugen, wenn ich dir das zwanzigste Kapitel aus der Stadtchronik von Katzweiler, die in meinem Bücherschreine unter den Kuriosis steht, zum Besten gebe. Es lautet aber besagtes [67] Kapitel, mit Hinweglassung und Veränderung der veralteten und unverständlichen Ausdrücke und Redensarten, folgendergestalt:

Item begab es sich, daß am Tage Cornelii des Jahres unsers Heils 1627, ein wohledler und wohlweiser Rath zu Katzweiler in Seßione, als eben das Mittagglöcklein geläutet wurde, fast sehr hungerte, und darob sich mit dem Concluso darüber beeilte, wie und auf welche Weise das Pappenheimer Reiterfähnlein, so vor dem Ententhore lagerte, mit einer anständigen Ergötzlichkeit zu honoriren sei. Ward daher beschlossen, daß an selbigem Tage des Abends denen Gästen von gemeiner Stadt ein Banket draußen auf der Ziegenwiese angerichtet werden sollte, wozu männiglich im besten Staate, die Frauen und Dirnen aber in ihren güldenen Spangen, und wie im hochzeitlichen Tanze aufgeschmückt, zu erscheinen gehalten.



Als der Stadtschreiber Hinzelmann sothanes Conclusum registriret, bog sich sein langer dürrer Rücken und er knurrte behaglich in denselben angenehmen Tönen, die er hören ließ, wenn preßhafte Partheien mit einer Hand ihm hinten den Rückgrath kraueten, indeß die andere Hand ihm vorne die Mariengroschen und Batzen vorzählte, und welches Knurren man bei gewissen Hausthieren spinnen nennt. Denn es gab eine Freude aus dem Kommunalsäckel, und dazu war auch einstimmig festgesetzt, daß, da sich Niemand in der ganzen Stadt besser auf allerhand Kurzweil und Anrichtung eines Gelages verstehe, als Nepomuk Schwepperlein, der Bader und Viertelsmeister, diesem der Auftrag ertheilt werden solle, das Ganze zu leiten, so daß solches einem hochedlen Rathe und gemeiner Stadt Ruhm und Ehre bringe.



Es war aber besagter Nepomuk Schwepperlein ein gar lustiger Kumpan und wohl gelitten bei Alt und Jung, wegen seiner guten Schwänke und Possen, mit denen er alle Abende auf dem Keller männiglich ergötzte, und wegen der Novitäten, die, meistens aus eigner Fabrik, den Kunden beim Einseifen und unter dem Scheermesser die Zeit vertrieben. Zwar war darüber die Badestube in die Hände der Kreditoren gewandert, da Schwepperlein nie viel von dem güldenen Sprüchlein gehalten: „Junges Blut, spar dein Gut“ vielmehr als ein lockrer Schlemmer und Prasser in die Welt hineingelebt, besondern seitdem ihn das Schicksal zum Wittwer gemacht hatte. Allein er ließ sich darob nie ein graues Härlein wachsen, da er aus den Trümmern seines Glückes die liebliche Tochter, die schöne und tugendsame Klara gerettet, unter deren wirthlichen Händen und fleißiger Spindel dem Vater doch immer ein Silberling zum Labetrunk hervorwuchs, wenn auch für sie selbst nur spärliche Kost übrig blieb, so daß daher ihre zarte, kindliche Hand, und ihr treues Gemüth billig mit dem Oelkrüglein der frommen Wittwe zu vergleichen war. Dafür hatte aber auch ihr der Vater den reichen Sponsen zugedacht, der oben bei ihm zur Miethe wohnte, der um das süße Töchterlein herumschwenzelte und derselben das süße Opfer seiner alten Junggesellenschaft zu bringen gesonnen, der auch ein Mann bei der Stadt, ein Mitglied des Raths, und kein anderer war, als – eben bemeldeter Stadtschreiber Hinzelmann.


Ob die Goldgülden des präsumtiven Eidams den Thränenblick der holden Klara, die Schäuel und Gräuel der ganzen widerlichen Gestalt, seine gelben Aeuglein, seine schiefgebogne Habichtnase, die wie ein baufälliger Erker über dem weiten Verließe des zuckenden Mundes hing, die falbe Runzelhaut der Wangen, die Warzen am Kinn, von denen langgebogene Haare wie Strahlen ausgingen, zu verdecken im Stande, das kümmerte den lebenslustigen Lungerer gar wenig, maßen doch mit den Thränen der gehorsamen Tochter auch [68] wieder der goldene Strom der Ueppigkeit aus den wohlgefüllten Truhen und Kästen des Stadtschreibers floß, sobald ihn der Hochzeitstag mit Klaren zusammengepfercht. Aber freilich wollte diese Liebschaft dem Töchterlein nimmer munden, das den Anblick und die Gegenwart des storchbeinigen Galans mied, wo sie wußte und konnte. Denn im verborgenem Schrein ihres unschuldigen, jungfräulichen Herzens lebte ein ganz andres Bild – der wackere Konrad. Aber der war arm, und für Vater Schwepperlein ein nackter Buhle und unnützer Knecht, obgleich sonst der frömmste, arbeitsamste und lieblichste Gesell im Städtlein. Nur verstohlen konnte er Abends im Zwielichte mit dem holden, sittigen Mägdlein an ihrem Fenster kosen, und den Pakt ewiger, treuer Liebe erneuern, den sie sich schon lange geschworen, verstohlen nur und in ängstlicher Hast, da ein arger Hausdrache die Arme hütete, nämlich die Base Barbara Murchel, ihres Zeichens eine reine Jungfrau von sechzig Jahren, deren empfindsames Herz jedoch, trotz den Triefaugen, die ihr hinter dem rothen Hexenreif hervor blinzelten, und trotz ihren Runzeln und klappernden Knochenhänden, den süßen Hoffnungen zarter Minne noch nicht entsagt hatte.



Wenn nun sothane Barbara auf der einen Seite die jugendliche Buhlschaft störte und hinderte in boshafter Lust, nach Möglichkeit, so förderte sie auf der andern Seite nach Schwepperleins Willen die Liebe des Stadtschreibers, nicht bloß in süßer Erwartung der Fleischtöpfe Egypti, die auch ihr duften würden, sondern aus absonderlicher eigener Zuneigung. Denn – sollt ihr wissen – des Abends, wenn Klara schon lange in unschuldigen Träumen der Zukunft aus ihrem Lager entschlummert war, stieg herunter aus dem zweiten Stocke des Hauses über das Weingeländer ein schwarzer Kater und schlüpfte durchs geöffnete Fenster herein ins Kämmerlein zur harrenden Barbara. Krauend strich sie ihm den krummgebogenen Rücken, knurrend hob er den Buckel, und drängte sich mit süßen Katzenworten an die Holde. „Hinzelmännlein! Hinzelmännlein!“ kosete dann die Alte – „ach du liebes Herz, du würdiger Junge! Ich hab' dir ein Bratfischlein aufgehoben und du magst's nun auf meine Gesundheit verspeisen. Aber wo bist du denn heute so lange geblieben? Haben etwa der Herr Stadtschreiber sich vorher wieder ein kleines Jagdvergnügen gemacht, wie damals, als Sie in unglücklicher Vergessenheit einst am hellen Tage auf ein Mäuslein lauernd vor einem Kellerloche gesessen, und der regierende Bürgermeister Sie gesehen, die Perücke geschüttelt, und Ihnen zugerufen: ei, ei, Herr Stadtschreiber, was treiben Sie da für Allotria! O Hinzelmann, o Goldjunge! bleib mir treu und speise dein Fischlein! Sollst auch Klaren führen ins Kämmerlein! O sprühe nur knisternde Funken, du Loser! mein Herz knistert noch schmelzender in jungfräulicher Liebe für dich!“ – Wenn dann mit der Mitternachtstunde der herbe Moment der Trennung erschien und Hinzelmann schon wieder hinaufgeklettert war nach seiner Wohnung, tönte manchmal noch lange der Holden süßer Katzengesang herab vom Dache aus allen Tonarten und harmonischen Rückungen, die nur die Rossinis damaliger Zeit zur Welt gefördert. So war nun der Tag Cornelii herbeigekommen, an welchem die löbliche Bürgerschaft die Pappenheimer speisete. Lustiges und fröhliches Getümmel lebte vor dem Ententhore und Nepomuck Schwepperlein hatte ein Mahl eingerichtet, was noch nie in Katzweiler gesehen worden seit Menschengedenken.


[73] An vielen Tafeln speiseten und zechten die kaiserlichen Reiter, an der ersten aber Magistratus mit den Hauptleuten und Honoratioren des Kriegstrosses, und unter diesen machte sich vor Allen der Feldscheer bemerklich, der in scharlachrothem Kleide, glänzenden Steifstiefeln mit Stulpen, und schwarzem, krausem Haupthaar prunkte, und die ganze Tischnachbarschaft dergestalt mit losen Possen und Schwänken ergötzte, so daß er selber beim Tischgebete das Tüchlein vor den Mund halten mußte, und vor Lachen nicht mitbeten konnte. Dabei schien derselbe dem Herrn Stadtschreiber oftmals freundlich zu winken, als sei er mit selbem schon lange Zeit bekannt. Wie nun aber am Abende Alle voll des süßen Weines waren, und nun die geputzten Dirnen und Frauen kamen, unter ihnen Klara wie ein blühendes Röslein; da begann die rasende Tanzlust, und die Pappenheimer tummelten sich beim Scheine der Fackeln hier im sittigen Ehrensprunge, dort im wilden Taumel. Gern wäre Klara des Gelages überhoben gewesen, aber das herbe Kräutlein: Muß! aus Vater Schwepperleins Munde hatte jedes Bedenken beseitiget, und die allgemeine Lust sogar auch den Konrad unter die Tanzenden eingeschwärzt, der nun am Arme der holden Liebsten in vergönnten Gefühlen dahin flog, während dessen der Pappenheimische Feldscheer den Vater als Kunstverwandten in interessantem Gespräche festhielt und ganz und gar für sich gewann, so daß er ihm am Ende selber das reizende Töchterlein zuführte. Gar wunderlich war es anzusehen, wie der Feldscheer plötzlich in Liebe für das schöne Mägdlein entbrannte, ihr auf Tritten und Schritten folgte, ihr das Schweißtüchlein nachtrug, sie zum Tanze zog und mit ihr sich drehte.



Es erregte aber sothanes Drehen nicht geringes Lachen, da der Rothrock auf dem linken Bein hinkte und sich im Tanze allerlei schnöde Geberden und Unziemlichkeiten erlaubte, die zwar den wilden Troß ergötzten, die sittige Jungfrau aber [74] dergestalt erschreckten, daß sie thränend in den Schutz der Matronen floh.

Bei alledem schien sich der Stadtschreiber um Klaren gar nicht mehr zu bekümmern, und hatte dem Feldscheer gänzlich seine Stelle überlassen.

Wie nun das empörte Mägdlein fürder mit dem Feldscheer zu tanzen beharrlich verweigerte, sagte dieser trotzig: warte meine holde Dirne, so ich Dir nicht als Tänzer gefalle, werde ich Dir wohl als Sänger anstehen, worauf er sich entfernte, nach einer kleinen Weile aber ganz verändert wiederkam. Denn ausgezogen hatte er den Scharlachrock und angethan eine großblumige Damastweste mit langen Schößen, die demselben weit über den künstlich ausgestopften Speckwanst herunterging, und über welcher ein kurzes braunes Röcklein schlotterte. Das Haupt aber deckte eine schiefstehende Perücke, auf welcher ein winziges dreieckiges Hütlein wackelte. So angethan trat derselbe in die gedrängte Menge, die schon bei diesem Anblicke in wüstes Lachen ausbrach. Aber nunmehr gesellte sich auch Hinzelmann zu ihm und ein stämmiger Pappenheimer, die fingen an in wunderlichen Tönen zu fingen, der Hinzelmann mit seiner gellenden Stimme, der Pappenheimer aber im groben Basse.

Ei, ei! – strafte Consul Dirigens – Herr Stadtschreiber, wie mag doch eine Magistratsperson so unziemlich quinkuliren! aber sein Strafwort verging in der tobenden Welle des Lachens, als nun der Feldscheer zu sothanem Gesange Possen riß und Kapriolen schnitt, welche zeither in Deutschland noch nie erhört waren. Denn es wußte besagter Feldscheer seine Geberden zu verstellen wie einen Sack, und sein Gesicht in Falten zu legen wie einen Priesterrock, dabei auch Nase und Mund dergestalt in sein Kinn zu verschlucken, daß von sothanen Gliedmassen gar nichts mehr zu sehen, letztlich aber seine Ohren zu verlängern und solche wackelnd zu spitzen wie Eselohren.

Männiglich war von dem lustigen Schwanke höchlich ergötzt, nur Klaren aber das lose Spektakulum wie ein unheimlicher Gespensterspuck durch die Seele gefahren, so daß sie nicht mehr länger weilen konnte, sondern entsetzt und fieberkrank in ihr Kämmerlein gebracht werden mußte. Und als nun vollends den Tag darauf, wie das kaiserliche Fähnlein bereits wieder abmarschirt war, der Vater den Rothrock in's Haus brachte und erklärte, daß der Feldscheer in Katzweiler sich zur Ruhe setzen und die Badstube des Vaters für ein Erkleckliches zu kaufen beschlossen, auch ein gar reicher Kauz sei; da vollends ahnete der Armen nichts Gutes, und es schien ihr, als sei dieses ein Zeichen zur Trennung von dem Geliebten ihres Herzens.

Auch Barbara Murchel, die Base, schien dem Rothrocke gewogen vom ersten Augenblicke an, massen der Schlaue sie in die Wange gekniffen, ihre Knochenhand zärtlich gedrückt, und darin etliche Goldstücklein zurückgelassen und womit er denn klüglich das Arkanum getroffen, sich den Drachen zu gewinnen, der sein goldenes Vlies hütete.

Schon den Tag darauf wurde der Feldscheer Bürger in Katzweiler, vermochte aber als ein Erzspaßvogel den Bürgereid nicht nachzusagen, und hob zum Schwure die Finger verkehrt wie zwei Hörnlein empor. Aber er handirte mit Scheersack und Messer, daß es eine Lust war, warf mit Goldgulden um sich, und ließ wacker einschenken im Keller. Als er nun aber gar um die schöne Klara förmlich warb bei Schwepperlein, und zur Morgengabe tausend Dublonen zu zahlen versprach, da entstand Jubel in des Baders Hause, und selbst Barbaras Kämmerlein blieb dem klagenden Kater verschlossen. Aber Klara verging in liebendem Schmerze. Ach Konrad! – sprach sie zu ihm in der heimlichen Abendstunde: nun ist Alles vorbei, der abscheuliche Hinkefuß führt mich zum hochzeitlichen Altar und wer mag mich retten? O! – entgegnete Konrad – sei getrost, holdes Mägdlein. Bin ich auch arm und habe nicht Geld noch Gut, so habe ich doch einen Freund im Himmel, und einen Vater in seinem Diener, dem ehrwürdigen Pater Florian. Den will ich um Rath und Hilfe flehen, und er wird uns helfen, wenn Hilfe möglich ist.


Am frühen Morgen ging Konrad in die Zelle des frommen Priesters und offenbarte selbigem sein Leid und die ganze Sache. Aufmerksam hörte der Pater die Relation des preßhaften Liebenden, dann aber segnete er sich mit dem heiligen Kreuze und sprach: O mein Sohn, bete und wache, daß du nicht in Versuchung fallest; denn es gehet der Teufel herum wie ein brüllender Löwe, und sucht welchen er verschlinge, und so mich nicht Alles trügt, so mag der Feldscheer Niemand anders seyn, als eben – der Teufel. – Listig wohl [75] spannt der Versucher sein Netz aus, aber es wird ihm nicht glücken. Sei standhaft und ermahne auch Deine Geliebte zu frohem Muthe, bete und arbeite, und folge stets meinem treuen Rathe, laß auch die Sache gehen, wie sie will, wenn es an der Zeit und Stunde seyn wird, soll Euch die Rettung nicht fehlen. Mit sothanen Worten des Trostes gekräftiget ertrugen nun die Liebenden die Unbilden ihres Schicksals und insonderheit Klara das Drängen des unheimlichen Liebhabers, des ungeduldigen Vaters und der sie knöchelnden Base, in deren jungfräulichem Herzen sich eigene böse Liebesbegierde für den viel versprechenden Galan zu regen anfing, welcher das unreine Flämmlein dieser Brust mit dem Oele seiner Zärtlichkeiten und Goldgulden speisete, so daß sie beinahe geschwankt hätte, ob sie den stattlichen Rothrock in's Hochzeitbette der Muhme leiten oder für ihn das eigene Kämmerlein schmücken sollte. Daß der Fremde ein unheimlicher Gesell sei, hatte ihre Hexenwitterung bereits lange schon erspähet. Aber was that das? War denn nicht auch der Stadtschreiber doch nur ein schwarzer Kater, und schien derselbe nicht still und geduldig die Oberherrschaft des Rothrockes anzuerkennen, der übrigens mit Hinzelmann auf vertrautem Fuße lebte.

So verging der Winter und als der Frühling kam, drängte der Fremde ungestümer auf die eheliche Verbindung. – Da war der Plan des ehrwürdigen Paters Florian gereift und er sprach zu der Liebenden: Meine Tochter, es nahet die Walburgisnacht. In sothaner Nacht wird der Böse sein Beilager mit dir halten wollen auf dem Blocksberge nach höllischem Brauche. Höre nun, was Du dabei thun sollst. Wenn er vorher Dein Jawort fordert, so gib ihm solches unbedenklich, denn dem Teufel mag man kecklich keinen Glauben halten, bestelle ihn aber zu Dir auf den folgenden Abend in Dein Kämmerlein zur Verabredung der Hochzeit. Damit Du aber nicht vor Furcht und Entsetzen verderbest und damit der Böse in Nichts an Dir Macht und Gewalt, vielmehr im Nothfalle kräftigen, männlichen Widerpart haben möge, so sollst Du, wenn das Stündlein nahet, unbemerkt von Deiner Base aus dem Fenster Deines Kämmerleins steigen, und mich im Thore unsers Klosters erwarten, wo ich Dich zu einer ehrbaren Matrone bringen werde. Indessen soll Konrad in Dein Gemach steigen, Deine weiblichen Kleider anlegen und mit Deiner Stimme Unterhandlung pflegen im Dunkeln. Du, Konrad, sollst alsdann darauf bestehen, daß der Böse die Morgengabe von tausend Dublonen, wohlgezählt im Sacke, am Abende vor der Hochzeit unbemerkt in das Schlafkämmerlein schaffe. Geschieht solches nun, so bringe flugs das Gold zu mir, daß unser Prior darüber den Segen spreche, und so solches geschieht, möget ihr sicher seyn. daß sich der Mammon nicht in Stank und Unsegen verwandle, sondern Euch verbleibe und Vater Schwepperlein, dem ich das Gewissen rühren will, Eurer ehelichen Verbindung nichts mehr in Weg legen werde. Damit aber auch letztlich der Teufel den Trug und die Verwechselung nicht merke, will ich Dir Konrad hiemit ein heiliges Bildlein verehren, welches die Kraft hat, die Augen des Bösen zu verblenden, daß er Dich halten muß, für wen Du Dich gibst, und daß auch Barbara, die Hexenmutter, und Hinzelmann, der Kater, keine Macht und Gewalt an Dir haben. Darum magst Du auch dem Bösen getrost Alles zusagen und versprechen, was er von Dir wegen der Hochzeit und der Brautfahrt begehret, sintemal solches Alles Gott zum Besten lenken und herrlich hinausführen wird, deß dürft ihr nicht zagen und sorgen. Dankend und fröhlich schieden die Liebenden aus Pater Florians Zelle, und thaten wie ihnen befohlen war.

In den letzten Tagen des Monats April erhielt der Teufel das Jawort aus dem Rosenmunde der schönen Klara, zugleich aber auch die Bestellung in ihr Kämmerlein zur heimlichen Beredung der Hochzeit bei nächtlicher Weile, und des Jubilirens in Nepomuk Schwepperleins Hause war kein Ende. Der Rothrock trieb unaufhörlich lächerliche Possen und Schwänke, und becherte in der Gesellschaft des künftigen Schwiegervaters und des Stadtschreibers, welcher Letztere mit spinnenden Murren um den dämonischen Kollegen schwänzelte, mit welchem er den höllischen Partagekontrakt über Leib und Seele der lieblichen Braut geschlossen. Aber im Herzensschreine der Base Barbara hatte nun die unziemliche Ueppigkeit und die Begierde nach dem Fremden die Oberhand erhalten, und brannte lichterloh in unreiner, diabolischer Flamme.

Als nun der verabredete Abend eingebrochen, Klara bereits unter sicherm Hort des frommen Paters und Konrad im Kämmerlein der Liebsten, angethan mit ihren Kleidern sich befand, hatte Barbara das Hinken des Rothrockes in das Gemach der zarten Muhme erlauscht, und sich auf die Treppe geschlichen, von wo ein kleines Fensterlein oben in Klarens Schlafkammer ging. Solches öffnete sie leise und horchte der süßen Zwiesprache der Liebesleute im Dunkeln.

Schon waren, ehe Barbara das Runzelgesicht durchs Fensterlein gesteckt, die Präliminarien geschlossen, und die Lauscherin zu spät gekommen, um zu hören, wie der Rothrock versprochen, die tausend Dublonen noch am Abend vor der Hochzeit in Klarens Kämmerlein zu spediren, aber was die Präparaturen zur Hochzeit anbelangt, so entging ihr davon nicht ein Wörtlein. Unser Beilager – sprach der höllische Galan zu der vermeinten Braut – soll nach der Sitte meines [76] vornehmen Hauses in der Walburgisnacht vollzogen werden, jedoch nicht allhier, sondern bei meinem Vetter, dem reichen Herrn von Brocken im Gebirge, welcher dazu ein fröhliches Gelage anrichten und mehrere ehrbare und lustige Gäste von meiner Bekanntschaft laden wird. Hiezu hab' ich ein Rößlein bereit, welches um Mitternacht auf uns in Deiner Küche harren wird. Darauf setze Dich ungescheut, so es Dir auch als ein struppiger Besen erscheint, und hinter Dir werden meine starken Arme Dich umfassen, daß Du nicht fällst und Schaden nimmst. Wohlgesprochen Herr Bräutigam – entgegnete Konrad mit zarter Stimme – aber vergönnt der schämigen Jungfrau, daß sie bei dem Ritte nicht vor Euch sondern hinter Euch sitzen und Euch mit ihren zitternden, liebenden Armen umfangen möge. Leichtlich gab der gefällige Sponse dieß zu, und hinkte lustig und guter Dinge zum Kämmerlein hinaus. Barbara Murchel aber, suchte ihre steifen Festkleider hervor und harrete sehnsüchtig der Walburgisnacht, in welcher sie dem Teufel ein X für ein U zu machen, und anstatt Klarens mit dem infernalischen Bräutigam ins hochzeitliche Bette zu fahren gedachte. Vorher lief richtig die stipulirte Morgengabe wohlgezählt und in die Säcke gepackt ein, wurde schnell zu Pater Florian spedirt, und so war nun endlich der von allen Interessenten ersehnte Walburgis-Abend herangedämmert.

Wie Klara sich in ihr Kämmerlein zum Schlafe begeben, schnappte die arglistige Base von außen das Schloß ab und schob den Riegel vor, wusch das Runzelfell mit Kleie und Seife, und legte die starrende Kontusche an. Oben vom Dache herab tönte Hinzelmanns Liebesklage, aber Barbara rief: Inkommodiren sich der Herr Stadtschreiber nur nicht weiter, da eine noblere Passion sich meines Herzens bemeistert! und als nun die Rathsuhr die zwölfte Stunde brummte und Eulenruf sich in Hinzelmanns Brautlied mischte; schlich Barbara heimlich und still in die finstere Küche. Hier wartete der Rothrock schon und frug mit leise krächzender Stimme: Bist Du da feines Liebchen? – Ja war die Antwort leise. Nun wohl, so setz Dich hinter mich – fuhr der Rothrock fort und schwang sich bald von den dürren Armen der Braut hinter ihm umknöchelt und flog im Hui mit ihr zum Fenster hinaus in die sausende Luft.


Aber wer mag sein Entsetzen beschreiben, als er auf dem Blocksberge angekommen, das schmähliche qui pro quo, die scheußliche Braut beim flackernden Hochzeitfeuer erblickte und sie mit langgestreckten Krallen nach ihm griff, und ist es damals gewesen, daß der Teufel über sich selbst vor allen vornehmen Gästen und höllischen Honorationen „pfui Teufel!“ habe gerufen. Ob er aber dem untergeschobenen Gesponse sofort den Hals umgedrehet oder sie als Hexe mit infernalischen Missionsgeschäften beauftraget, durch die Welt wandern lassen, davon ist keine Kunde nach Katzweiler gekommen, vielmehr Barbara Murchel spurlos verschwunden verblieben, und auch der Herr Stadtschreiber, der um dieselbe Zeit auf Reisen gegangen, bis dato noch nicht revertiret.

Aber mit dem freundlichen Frührothe des ersten Maitages, als im Dunkel der blühenden Bäume die Nachtigallen schlugen, wurde das Haus des Baders mit Besemen gefegt, mit geweihtem Weihrauch und Myrthen durchräuchert und Nepomuk Schwepperlein dergestalt zugesetzt, daß er gänzlich zerknirscht sich fürder aller losen Possen und Schlemmerei abthat, den wakern Konrad mit dem liebenden Töchterlein zusammengab und mit den Kindern der gesegneten Dublonen sich freuete in Glück und Ruhe bis an sein Ende.

C. Weißflog.