Der Teufel zu Neurode

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Textdaten
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Autor: Johann Karl Wilhelm Geisheim
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Titel: Der Teufel zu Neurode
Untertitel:
aus: Gedichte, Zweites Bändchen,
S. 374–379
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: Josef Max und Komp.
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Erscheinungsort: Breslau
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[374]
Der Teufel zu Neurode.


Neurodens Burgherr, üppig, läßt
Sein ganzes Mastvieh schlachten,
Um bei dem nahen Faschingsfest
Die Tafel zu befrachten.

5
Drauf schicket er den Truchseß aus,

Ihm Gäste rings zu laden;
Doch Alle, schon versagt zum Schmaus,
Entschuld’gen sich in Gnaden.

Und als der Herr: „Sie kommen nicht!“

10
Vom Truchseß hat vernommen,

Flucht er mit grimmigem Gesicht:
So mag der Teufel kommen!

Kaum hat das Wort der Wind, der weht,
Vom Mund’ ihm weggenommen,

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Als von dem Thurm’ die Kunde geht:

Der Teufel sei gekommen!

Er zieh’ in’s Schloß mit seinem Heer
Der scheußlichsten Gespenster,
Und zwar, zum Spott der Gegenwehr,

20
Durch Schlüsselloch und Fenster.


[375]
Voll Teufel sei der Speisesaal,

Der Keller und die Küche,
Und emsig schlürfen sie das Mahl
Im Schall der Höllenflüche.

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Es bleicht der Burgherr, starr vor Schreck,

Weiß keinen Rath zu fassen.
Eilt, mahnt der Pfarrer, auf dem Fleck,
Die Hölle zu verlassen.

Es rette sich zur Kirche her

30
Das ganze Hofgesinde,

Daß nicht das wilde Höllenheer
An euch auch Beute finde.

Schon treibt sie eigne Angst und Eil,
Dem Satan zu entlaufen,

35
Und zu der Kirche Schutz und Heil

Flieht der gescheuchte Haufen.

Als nun, da sie versammelt sind,
Der Herr die Seinen zählet,
Sieht er, daß noch sein jüngstes Kind,

40
Sein liebstes Kind ihm fehlet.


Wild fängt er gleich zu toben an,
Verflucht das Hofgesinde,
Und treibt’s und jagt’s zur Burg hinan
Nach dem verlornen Kinde.

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Sie wagen bis zum Hofe sich,

Und hinterdrein der Ritter;
Doch einen Höllenrachen glich
Jedwedes Fenstergitter.

Gesichter funkeln wild heraus,

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Die mit den Larvenflappen,

Die Zähne fletschend groß und graus,
Stets auf und nieder schnappen.

Ein in sich wühlendes Genist
Von Eulen, Affen, Katzen

60
Grinst, wo nur eine Öffnung ist,

Hervor mit Teufelsfratzen.

Mein Kind! mein Kind! schreit außer sich
Der Vater auf. Erbarmen!
Da schwenkt ein Unhold fürchterlich

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Das Kind in seinen Armen.


Und hält’s dem Vater hin, und lacht,
Und scheint sich dran zu laben,
Ein zartes Kind in seiner Macht,
In seinen Klau’n zu haben.

70
Der Vater langt die Hand hinan;

Gern jedes Opfer brächt’ er;
Doch es verschwand der schwarze Mann
Mit gräßlichem Gelächter.

[377]
Und Allen sträubet sich das Haar
75
In Zittern und in Zagen;

Nur Einen schreckt nicht die Gefahr,
Er will’s mit Teufeln wagen.

Der Vater? – Nein! der Vater nicht,
Den lähmt die Schuld der Sünde;

80
Der fromme Knecht Johannes spricht:

Ich geh’ hinauf zum Kinde.

Und in die Kirche noch zuvor
Geht er, empfängt den Segen;
Steigt dann zur Burg, dringt durch das Thor

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Getrost auf Gottes Wegen.


Und als er eintritt, wähnt er, soll
Die Burg vom Lärm zerplatzen;
Vom wilden Tischgelage toll,
Umtummeln sich die Fratzen.

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Mit rasselndem Zusammenlauf

Sieht sich der Mann umklaffen,
Und alle Rachen gähnen auf,
Und alle Krallen gaffen.

Es zischt und sprudelt Gluth umher,

95
Es droht, ihn zu versengen,

Und immer näher rückt das Heer,
Den Fremdling einzuzwängen.

[378]
Doch mitten in dem Höllenheer

Kniet er noch einmal nieder;

100
In frommer Liebe betet er

Sich stark durch Spruch und Lieder.

Es schnaubt und knirscht der Schwarm vor Wuth,
Die scharfen Zähne blecken;
Doch nichts betäubt den kühnen Muth,

105
Nichts kann den Frommen schrecken.


Sie gaukeln, taumeln vor ihm her,
Sein Lied zwingt sie, zu weichen,
Zu Winkel treibt das Höllenheer
Er mit des Kreuzes Zeichen.

110
Doch Einer hat das Kind gefaßt,

Und will damit entlaufen;
Johannes folgt ihm ohne Rast,
Mit ihm sich d’rum zu raufen.

Er eilt, er kämpft, und scheut sich nicht,

115
Den Satan anzufassen;

Kühn ringt er, und es muß der Wicht
Ihm seine Beute lassen.

Es schäumt, es zischt vor Wuth der Schwarm,
Er jagt die Höllenknechte,

120
Und dringt, das Kind auf seinem Arm,

Hinaus durch Himmelsmächte.

[379]
Der Ritter jauchzt entgegen ihm

Und dem geliebten Knaben,
Und will mit frohem Ungestüm

125
Sein Kind nun wieder haben.


Doch hin zur Kirche trägt’s der Knecht,
Giebt’s in des Priesters Hände;
Nur Gott, spricht er, hat Gnad’ und Recht,
Daß er das Kind euch spende.

130
Der Priester segnet’s: Nehmt es hin

Von Gottes Hand auf’s Neue;
Doch bändigt euern wilden Sinn,
Und sühnt den Fluch durch Reue.