Der Viadukt über das Göltzschthal
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Bei diesem Anblick mag man wohl das nil admirari vergessen. Es ist dieses Werk des deutschen Eisenbahnbaues das größte seiner Art auf der Erde und selbst das Alterthum hat nichts Massenhafteres in seinen bewunderten Weg- und Wasserleitungen aufzuweisen. Zu beklagen bleibt es jedoch, daß man den Forderungen der Schönheit nicht mehr Rechnung getragen. Die Form ist plump, die Verhältnisse sind ohne Harmonie: es wäre gewiß zu ermöglichen gewesen, mit den unabweislichen Forderungen an Festigkeit und Dauer auch die des Schönen in Einklang zu bringen. Der Mangel an edler Einfachheit und Ebenmaß beeinträchtigt die Großartigkeit des Eindrucks, welchen man erwartet; und aus der Ferne betrachtet, sieht das Werk fast aus wie eine Kaserne ohne Fenster. – Schönheit hat Berechtigung bei allen Werken der Baukunst, zumal bei öffentlichen Werken monumentalen Charakters, welche bestimmt sind, späten Jahrhunderten Zeugniß zu geben von dem Geschmack, dem Kunstsinn und der Bildung ihrer Zeit.
Der Viadukt ist ein Theil der Leipzig-Hofer Eisenbahn auf der Strecke von Reichenbach nach Plauen. Er überbrückt das Flüßchen Göltzsch, welches, aus den Bergen des Voigtlandes kommend, durch eine tiefe, felsige Schlucht der Elster zufließt.
Der Viadukt hat eine Gesammtlänge von 2026 Fuß und die Breite der Fahrbahn zwischen den Ballustraden ist 28 Fuß. Seine größte Höhe von der Flußsohle bis zur Schienenebene beträgt nicht weniger als 274 Fuß; von der tiefsten Stelle des Fundaments sogar 325 Fuß. Sie wird folglich von den höchsten Thürmen Deutschlands nur in wenigen Fällen übertroffen. Von den gekuppelten Pfeilern des Mittelbaues geht die Brücke in 4 Stockwerken den Thalwänden zu. Die Spannungsweite des untersten großen Mittelbogens über den Sockel ist 101 Fuß, die des oberen 109 Fuß. – Das Material des Fundaments, der Sockel und der Pfeilerecken ist Granit oder fester Sandstein; zu den übrigen Theilen nahm man Ziegel, von denen über 20 Millionen verbraucht wurden. Mörtel hält das Riesenwerk zusammen. Eiserne Klammern und Anker sind ganz vermieden.
[212] Der Bau hat 2⅕ Million Thaler gekostet. 5 Jahre (1840–51) genügten zur Ausführung. Die Baumeister waren die Ingenieure Wilke und Dost. Was Solidität und Zweckmäßigkeit der Konstruktion betrifft, so wird dies kühne Werk von keinem vorhandenen übertroffen.