Der Wollensack

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Autor: Ulrich Jahn
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Titel: Der Wollensack
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aus: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund, S. 87–99
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1890]
Verlag: Mayer & Müller
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Russische Staatsbibliothek = Commons; E-Text nach Digitale Bibliothek, Band 80: Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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Der Wollensack.

Es war einmal ein König, der hielt einen wilden Mann in seinem Schlosse gefangen und ließ ihn sorgsam verwahren; denn die wilden Männer sind sehr selten und dabei von so großer Weisheit, daß sie alles wissen, was in der Welt geschieht. Wenn der König nun in Not war oder nicht wußte, was er in einer Sache thun sollte, so lief er zu seinem Gefangenen und holte sich von ihm den besten Rat, den er auf der ganzen Erde hätte bekommen können.

Eines Tages, als der König auf die Jagd geritten war, spielte sein sechsjähriges Söhnlein auf dem Schloßhofe mit dem Balle; ein Wurf ging fehl, und der Ball sprang durch das Gitterfenster in die Stube des wilden Mannes.

„Lieber wilder Mann,“ sagte der kleine Prinz, „gieb mir meinen Ball wieder!“

„Nein,“ antwortete der wilde Mann, „das thu’ ich nicht; ich habe den Ball nicht hineingeworfen, ich werde ihn auch nicht herauswerfen.“

Der Junge bat und quälte jedoch immer fort, bis endlich der wilde Mann zu ihm sprach:

[88] „Du sollst den Ball wieder bekommen, wenn du die Kerkerthür aufschließest, daß ich entfliehen kann.“

„Das thäte ich wohl, aber es geht nicht,“ erwiderte der kleine Prinz, „meine Mutter trägt den Schlüssel zu deinem Gefängnis in ihrer Tasche und läßt ihn nicht von sich.“

„Geh zu ihr,“ sprach der wilde Mann, „und sag ihr, dich jucke es am Kopfe; dann wird sie deine Haare auseinander teilen und sehen, was dir fehlt. Du aber hast Zeit genug, ihr den Schlüssel aus der Tasche zu stehlen.“

Der Knabe that, wie ihm der wilde Mann geheißen hatte, und es geschah auch alles so. Die Königin fand nichts auf dem Kopfe und sprach:

„Du bist ein närrisches Kind, es juckt dich und dich kratzt doch nichts. Geh wieder auf den Hof und spiel weiter!“

Da sprang der Prinz von ihr und hatte den Schlüssel in der Hand; damit schloß er das Gefängnis auf, und der wilde Mann gab ihm seinen Ball zurück und wollte sich schon auf den Weg machen in den grünen Wald, als der Knabe ihn beim Arme ergriff und sagte:

„Noch nicht, lieber wilder Mann! Erst mußt du mir raten, wie ich den Schlüssel wieder in meiner Mutter Tasche bekomme.“

„Du schließest die Thür zu,“ antwortete der wilde Mann, „und dann läufst du mit dem Schlüssel zur Königin zurück und sagst: Mutter, mich juckt’s noch immer! Dann wird sie dir noch einmal den Kopf krauen, und du läßt dabei den Schlüssel wieder in die Tasche gleiten.“

[89] Das that der kleine Prinz auch, und seine Mutter gab ihm einen Klapps, daß er immer käme, obgleich ihm nichts fehle; aber von dem Schlüssel merkte sie nichts.

Am Abend kam der König zu Hause und eilte sogleich zu dem wilden Mann, um sich von ihm Rats zu erholen. Da war die Thüre verschlossen; aber das Gefängnis war leer.

„Wer hat den wilden Mann herausgelassen!“ rief er zornig und lief zu der Königin und schalt sie, daß sie den Schlüssel aus der Tasche gegeben.

„Von mir hat niemand den Schlüssel bekommen,“ sagte die Königin.

Mit einem Male fiel ihr das Gebahren des kleinen Prinzen ein, sie erzählte dem König die Geschichte und rief:

„Sollte er wohl den Schlüssel aus meiner Tasche genommen haben?“

Da mußte der Junge vor den König kommen und sollte gestehen. Anfangs wollte er von nichts etwas wissen, dann weinte er sehr, und endlich sagte er:

„Ja, ich habe Muttern den Schlüssel gestohlen.“

„Der Galgenstrick,“ sprach der König zu der Königin, „der fängt mit dem Stehlen früh an; und wenn es auch unser einziges Kind ist, er soll morgen vom Henker gerichtet werden.“

Der kleine Prinz hatte aber an der Thüre gehorcht, was sein Vater zu der Mutter sagte; und da er sich nicht hängen lassen wollte, so lief er aus dem Schlosse heraus in den Wald und suchte Himbeeren und Erdbeeren [90] und aß davon, und des Nachts schlief er auf dem weichen Moos; und das trieb er vier Wochen lang.

Eines Morgens traf er zwischen den Bäumen den wilden Mann.

„Wo kommst du her, Junge?“ fragte derselbe.

„Ja, wo kommst du her!“ antwortete der kleine Prinz; „Das hab’ ich davon, daß ich dich aus dem Gefängnisse ließ! Mein Vater wollte mich hinrichten lassen; und wenn ich nicht in den Wald gelaufen wäre, so läge ich heute schon auf dem Schindanger.“

„So werde ich dein Vater sein,“ sagte der wilde Mann freundlich, ergriff ihn bei der Hand und führte ihn in eine Höhle, in der noch zwei andere wilde Männer mit ihm hausten. Dort hatte es der Knabe recht gut, er bekam reichlich zu essen und zu trinken und des Nachts ein warmes Lager von weichem Moos; den Tag über konnte er im Walde herumspringen und den Schmetterlingen und Vögeln nachstellen, so viel er nur wollte.

Als er zehn Jahre dort gewesen und ein starker, kräftiger Bursche geworden war, sagte der wilde Mann zu ihm:

„Junge, nicht weit von hier, am andern Ende des Waldes, wohnt ein mächtiger König, der hat demjenigen seine Tochter zur Frau versprochen, der ihm hundert Hasen vier Tage zu hüten vermag. Das wäre ein Dienst für dich! Und damit dir die Hasen nicht entspringen, so hast du hier eine Pfeife. Sobald du darauf spielst, so kommen die hundert Hasen zu dir, und wenn sie tausend Meilen weit gelaufen wären. Und hier hast du noch eine [91] andere Pfeife, wenn du aus der bläst, so bin ich bei dir und helfe dir aus der Not.“

Der Junge steckte die beiden Pfeifen zu sich, sagte dem wilden Mann lebewohl und wanderte durch den Wald zu des Königs Schloß.

„Ich will die hundert Hasen hüten,“ sprach er zum Könige, als er vor ihm stand.

„Weißt du denn auch, daß ich dir den Kopf abschlagen lasse, wenn dir auch nur einer verloren geht?“ fragte der König.

„Das habe ich nicht gewußt,“ antwortete der Junge, „es thut aber nichts zur Sache! Laßt nur die hundert Hasen aus dem Stalle, daß ich sie austreiben kann.“

Da ging der König mit ihm auf den Schloßhof, zog den Pflock aus der Krampe und öffnete die Thüre, und – hast du nicht gesehen – liefen die Hasen heraus und waren schon im Walde, ehe der Junge das Schloßthor durchschritten hatte.

„Die können aber laufen!“ rief er fröhlich. „Das macht, weil sie sich nach der Weide sehnen!“ Dann zog er ihnen gemütlich nach, in den Wald hinein.

Als der Abend kam, war rings um ihn, so weit er blicken konnte, kein einziger Hase zu sehen; da setzte er die Pfeife des wilden Mannes an die Lippen und blies, und sofort liefen von allen Seiten die Hasen herbei, als wenn die Hunde hinter ihnen wären, und er trieb sie alle hundert nach Hause, als wär’s eine Herde Lämmer.

„Was ist denn das!“ rief der König, als er am Abend aus dem Fenster sah und den Jungen mit den Hasen erblickte. „Der kann mehr wie Brot essen! Aber er [92] soll die Arbeit doch nicht vollbringen; denn wie könnte der hergelaufene Mensch meiner einzigen Tochter Mann und mein Schwiegersohn werden!“

Als der Junge am andern Morgen mit seinen Hasen im Walde war, schickte der König die Prinzessin zu ihm, daß sie ihm einen Hasen abkaufe. Die Jungfrau kleidete sich aus als ein Bauermädchen, damit er sie nicht erkennen möge, kam zu ihm in den Wald und sagte zu ihm:

„Du hast ja wohl hundert Hasen zu hüten, kannst du mir nicht einen verkaufen?“

Der Junge war aber klüger, als er aussah, und er erkannte wohl, daß es die Prinzessin sei, die der König geschickt habe; darum sagte er:

„Von den Hasen kann ich keinen missen, die gehören nicht mir, sondern dem Könige. Und wenn ich sie nicht alle hundert nach Hause bringe, so läßt er mir das Haupt abschlagen!“

„Ach, ich hätte doch aber gar zu gerne einen Hasen,“ bat die Prinzessin, „ich muß einen haben, und wenn ich ihn nicht bekomme, so geht es mir an das Leben. Verkauf mir doch einen von den hundert!“

Antwortete der Junge: „Verkaufen thu’ ich überhaupt nicht; aber wenn du dir einen Hasen verdienen willst, so sollst du einen bekommen. Gieb mir einen Kuß!“

Dachte die Prinzessin: „Es ist zwar ein hergelaufener Mensch, aber er kennt dich nicht. Besser du giebst ihm jetzt einen Kuß, als wenn du ihn dein Leben lang als Mann haben mußt.“

Sie ging darum zu dem Jungen und gab ihm einen Kuß, und der Junge pfiff seine Hasen herbei, und sie konnte [93] sich einen davon aussuchen, welchen sie haben wollte. Den that sie in den Korb und ging mit ihm frohen Mutes nach Hause zurück. Der Junge aber stieg auf einen Berg; und als die Prinzessin am Waldesrand angelangt war, blies er auf seiner Pfeife, und im Nu war der Hase aus dem Korbe gesprungen und wieder zu dem Jungen zurückgelaufen.

Das war der Prinzessin gar nicht recht; und als sie zu Hause war und ihre Mutter, die Königin, sie fragte, wie alles gegangen sei, sagte sie:

„Zum zweiten Male geh’ ich nicht in den Wald! Hab’ ich erst mit dem Menschen eine gute Stunde handeln müssen, und als ich endlich den Hasen bekommen habe und mit ihm bis an den Waldessaum gelangt bin, springt er mir aus dem Korbe heraus und ist verschwunden.“

„Wer steckt aber auch einen Hasen in den Korb!“ schalt die Mutter. „Morgen werde ich mich auf den Weg machen. Gieb acht, mir wird es nicht fehlen.“

Am andern Tage kleidete sich die Königin als Bäuerin aus, die mit Obst und Eiern zu Markte geht, und trat so in dem Wald vor den Jungen hin.

„Guten Tag, mein Sohn!“ sprach die Königin.

„Guten Tag, Mütterchen!“ antwortete der Junge und that, als ob er sie nicht erkenne.

„Mein Sohn,“ hub die Königin zu sprechen an, „ich brauche ganz notwendig einen Hasen, willst du mir keinen verkaufen?“

„Das kann ich nicht, es kostet mich mein Leben!“ erhielt sie zur Antwort. „Außerdem verkaufe ich [94] Hasen überhaupt nicht. Wenn du einen haben willst, mußt du ihn dir verdienen.“

„Das ist mir ganz recht,“ versetzte die Königin, „das bare Geld ist heuer knapp bei den Bauern. Und wenn ich mir den Hasen verdienen kann, so will ich es gerne thun.“

„Es ist gar nicht schwer,“ antwortete der Junge, „stell dich auf den Kopf und wackle mit den Beinen, und der Hase ist dein!“

Dachte die Königin: „Das ist aber unverschämt! Doch er kennt dich nicht, und da ficht’s dich nicht an!“ Sie sprach darum laut: „Ja, ich will es thun!“ und sie stellte sich auf den Kopf und wackelte mit den Beinen; und dafür durfte sie sich den Hasen aussuchen, der ihr am besten gefiel.

Sie steckte ihn in den Busen und nestelte das Kleid über ihm zu und ging dann wieder in die Stadt zurück. Der Junge schaute ihr vom Berge aus nach; und als sie vor dem Stadtthore war, blies er auf seiner Pfeife, und sogleich riß der Hase die Bänder entzwei und sprang auf den Boden und lief, so schnell er konnte, zu den andern Hasen zurück. Die Königin hatte noch schnell zugreifen wollen, aber er war schon weg; und einen langen Schwanz haben die Hasen nicht, daß man sie daran zurückhalten könnte.

„Nun, Mutter, wo hast du den Hasen?“ riefen der König und die Prinzessin aus einem Munde.

„Ach, bleibt mir mit eurem Hasen!“ sagte die Königin. „Bis zum Thore hab’ ich ihn gebracht. Da muß [95] das dumme Tier die Bänder zerreißen und wieder in den Wald laufen!“

„Ich sehe schon, mit euch Frauensleuten hat es doch keine Art,“ sprach der König, „da muß ich mich selbst auf den Weg machen.“

„Na, na, wir werden sehen, wie es abläuft,“ erwiderten die Königin und ihre Tochter; der König kehrte sich aber nicht an ihre Reden, zog sich am andern Tag lederne Hosen, hohe Stiefel und einen langen Rock an, setzte sich einen Bauernhut auf den Kopf und ritt auf einem Esel in den Wald.

„Jetzt kommt der König,“ lachte der Junge, „der soll am ärgsten genasführt werden!“

Indem hielt der König vor ihm, stieg von dem Esel und sprach: „Guten Morgen, mein Sohn!“

„Guten Morgen, Vater!“ antwortete der Junge.

„Mein Sohn,“ sprach der König und seufzte so recht von Herzen auf, „ich muß einen Hasen haben; und wenn ich keinen kriege, so geht es mir ans Leben. Du weidest ja hundert Stück, willst du mir nicht einen davon ablassen?“

„Mir schlägt man auch das Haupt ab, wenn ich nicht alle hundert zurückbringe,“ sprach der Junge, „und von Verkaufen ist erst recht nicht die Rede. Wenn ich dir einen Hasen geben würde, so müßtest du ihn verdienen.“

Sprach der König: „Was soll ich denn thun?“

Antwortete der Junge: „Küß deinen Esel neunmal kreuzweis unter den Schwanzriemen!“

Der König bekam darüber einen solchen Schreck, [96] daß er sich bald verraten hätte; er besann sich aber wieder und dachte bei sich: „Was hilft’s! Sonst giebt er den Hasen nicht! Und am Ende ist die Sache auch nicht gefährlich. Er kennt dich nicht, und der Esel ist ein Tier, dem man immerhin einmal einen Kuß geben kann.“

Gedacht, gethan, der König küßte seinen Esel neunmal kreuzweis unter den Schwanzriemen und erhielt dafür einen Hasen, den er vorne unter den Rock knöpfte. Dann stieg er auf seinen Esel und ritt wieder in die Stadt zurück. Der Junge schaute ihm vom Berge aus nach und wartete so lange, bis er die Treppe zum Schloß hinaufsteigen wollte; da setzte er die Pfeife an den Mund und blies aus Leibeskräften, und der Hase sprengte alle Knöpfe von des Königs Rock und riß sich los und machte, daß er zu dem Jungen in den Wald zurückkam.

„Siehst du wohl, haben wir nicht recht gesagt?“ riefen die Königin und die Prinzessin und freuten sich über das Unglück des alten Königs, weil er so schlecht von ihnen geredet hatte.

Als der Abend kam, trieb der Junge die hundert Hasen wieder in die Stadt, trat vor den König und sprach:

„Ich habe die Arbeit verrichtet, nun gebt mir Eure Tochter zur Frau!“

„Sachte, sachte, mein Söhnchen,“ antwortete der König, „so schnell geht das nicht! Zuvor mußt du mir noch ein Rätsel raten:

Die Prinzessin kannst du erst dann bekommen, wenn du mir einen Wollen-Sack voll erzählst. Ueber drei Tage [97] kannst du mit dem Erzählen beginnen. Und wird der Sack nicht voll, wird auch aus der Heirat nichts.“

Darauf ließ er sogleich den Hofschneider kommen, der mußte einen langen Wollen-Sack nähen; und der Hoftischler mußte auf dem Markt ein Gerüst errichten, darin wurde der Wollen-Sack aufgehängt; und der Hofmaurer baute daneben eine Kanzel, darauf sollte der Junge stehen, wenn er den Wollen-Sack voll reden wolle.

Der war inzwischen in den Wald gelaufen und hatte mit der andern Pfeife den wilden Mann herbei gepfiffen.

„Lieber wilder Mann, jetzt hilf mir,“ sagte er zu ihm, „der König ist toll geworden, über drei Tage soll ich ihm einen Wollensack voll erzählen!“

„Das ist leicht gethan,“ sagte der wilde Mann und lachte, „erzähl nur, wie’s dir beim Hasenhüten ergangen ist, so wirst du den Sack bald voll bekommen.“

Als die Stunde da war, daß der Junge mit dem Erzählen beginnen sollte, mußte er auf die Kanzel steigen, und der König, die Königin und die Prinzessin saßen vor ihm, und viel Volks drängte sich auf dem Markte; denn alle wollten gerne sehen, wie ein Mensch einen Wollensack voll erzählen würde.

Der Junge aber that seinen Mund auf und erzählte von diesem und von jenem, wie es in der Welt zuginge und wie alles gemacht würde. Endlich sagte er:

„Jetzt will ich euch erzählen, wie es mir mit dem Hasenhüten gegangen ist:

Nachdem ich den ersten Tag alles richtig besorgt hatte, wie es sich für einen Hütejungen gehört, kam am [98] zweiten Tage ein Bauermädchen zu mir, das war aber unsere Prinzessin, die hier unten sitzt, und bat mich, ich sollte ihr einen Hasen verkaufen. Verkaufen giebt’s nicht, hier heißt’s verdienen, sagte ich, und du sollst einen Hasen bekommen, wenn du mir einen Kuß giebst. Da spitzte sie ihr rotes Mäulchen und gab mir einen Kuß, und dann hatte sie ihren Hasen weg. Aber lange hat sie ihn nicht behalten; er mochte wohl nicht bei ihr bleiben, sprang aus dem Korbe und lief wieder zu mir.“

Die Prinzessin wurde rot, wie ein Zinshahn, und hielt sich beide Hände vor die Augen; aber die Königin knuffte sie in die Seiten und sagte zu ihr:

„Das kommt davon, daß du dich nicht ordentlich ausgekleidet hast! Mich hat er nicht erkannt.“

Während die Königin noch auf die Prinzessin zankte, fuhr der Junge fort:

„Am dritten Tage bekam ich wieder Besuch. Es war eine alte Bäuerin, die mit Eiern und Äpfeln zu Markte zog. Sie that wenigstens so; es war aber unsere Frau Königin, die hier vor mir sitzt und die sich nur ausgekleidet hatte.“

„Hat mich der nichtsnutzige Schlingel doch erkannt!“ sprach die Königin beiseite.

„Sie wollte auch einen Hasen kaufen,“ fuhr der Junge fort, „gäbe ich ihr keinen, so gelte es ihr Leben, sagte sie. Verkaufen ist nicht, nur verdienen, gab ich ihr zur Antwort. Stellst du dich auf den Kopf und wackelst mit den Beinen, so sollst du einen Hasen haben. Da stellte sich unsere Frau Königin auf den Kopf und wackelte mit den Beinen und bekam ihren Hasen. Aber lange [99] hat sie ihn auch nicht gehabt; vor dem Stadtthor bekam er Sehnsucht nach mir, sprang aus ihrem Busen heraus und lief wieder zu mir zurück.“

Alles Volk lachte, die Königin aber schrie:

„Pfui, ist das ein unanständiger Bengel!“

„Ruhe!“ gebot der König; denn ihn freute es, daß der Junge die Königin und die Prinzessin so übel mitgenommen, weil er glaubte, sie hätten die Sache nicht listig genug angefangen. „Junge, erzähl weiter!“

Dann zischelte er seiner Frau zu: „Warte nur ab, mich hat er nicht erkannt!“

Der Junge aber erzählte:

„Den vierten Tag ging es gar toll, da besuchte mich unser allergnädigster Herr König, der kam auf einem Esel geritten, hatte lederne Hosen, hohe Stiefel und einen langen Rock an und trug einen großen Bauernhut auf dem Kopfe. Er wollte sich auch einen Hasen verdienen. Küß deinen Esel neunmal unter den Schw–a–!“

„Ha–a–alt! Der Sack ist voll!“ rief der König; „Komm herab, lieber Junge, hier hast du meine Tochter!“

Da stieg der Junge von der Kanzel herab und bekam königliche Kleider anzuziehen, und dann wurde Hochzeit gefeiert. Und als die Prinzessin vernahm, daß er kein hergelaufener Bettler, sondern königlicher Abkunft sei, gewann sie ihn auch von Herzen lieb. Und sie lebten glücklich und zufrieden ihr Leben lang; und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.