Der elektromagnetische Telegraph. Nr. 1
Der elektromagnetische Telegraph.
Die Leser der Gartenlaube wurden im 4. Monatshefte vorigen Jahrganges (s. Blätter und Blüthen S. 255) mit den großen Riesenprojecten einer den ganzen Erdkreis umfassenden telegraphischen Verbindung bekannt gemacht, und die Meisten dürften dabei den Wunsch geäußert haben, auch mit den Maschinen und Vorrichtungen vertraut zu werden, durch welche der menschliche Geist die geheimsten Naturkräfte, deren inneres Wesen ihm noch verschlossen ist, zwingt, die ihnen vorgezeichneten Wege zu durchlaufen und ihre Wirkungsweise zu offenbaren. Nicht minder wichtig ist es für jeden Denkenden zu erfahren, wie endlich die große Aufgabe gelöst wurde, den schnellsten Boten, den die Erde, den das ganze Weltall hat, zur Gedankenmittheilung nach weit entfernten Orten zu benützen. Die Welt hat keinen schnelleren Boten mehr als die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des elektrischen Stromes, denn sie ist noch viel größer als die des Lichtes, welche 40,000 geographische Meilen per Secunde beträgt, während sich der elektrische Strom mit einer Geschwindigkeit von 63,000, nach neueren Messungen von 67,000 geogr. Meilen in der Secunde fortbewegt, also augenblicklich ist.
Wenn wir es nun versuchen, den Leser mit diesen Maschinen und Vorrichtungen bekannt zu machen, so ist damit nicht der Mann der Wissenschaften, nicht der Fach- und Sachkenner gemeint, sondern jener große Kreis intelligenter Menschen, der von Wißbegierde durchdrungen nach vielseitiger Entwickelung des eigenen Geistes strebt, und dem es nicht genügt, nur manchmal die Wunder der Wissenschaft anzustaunen und neugierig zu betrachten, ohne sich die geringe Mühe nehmen zu wollen, näher in dieselben einzudringen. Jener Kreis der Leser ist damit gemeint, welcher nicht in der Lage ist, sich die hierüber vollständig Aufschluß gebenden werthvollen und theueren Bücher anschaffen zu können, und dem es, selbst wenn er im Besitze derselben ist, an Zeit und Muße gebricht, sie gründlich durchzunehmen und zu studiren. Wenn es uns gelingen sollte, diese Leser mit den Gesetzen, den Einrichtungen und Maschinen des elektromagnetischen Telegraphen soweit vertraut zu machen, um sich und Anderen wieder Aufschluß ertheilen zu können, dann ist unser Zweck und unsere Absicht vollkommen erreicht.
Der elektromagnetische Telegraph ist in all seinen Theilen, und deren sind es besonders drei, nämlich:
- 1) die den elektrischen Strom erzeugenden Apparate, Batterien genannt;
- 2) die eigentlichen Vorrichtungen und Maschinen, durch welche derselbe gezwungen wird, die ihm vorgezeichneten Wege zu durchlaufen und auf diese oder jene Art seine Wirkung zu äußern, und
- 3) die Drahtleitung;
höchst interessant, und fortwährend bietet ein jeder derselben neu zu lösende Aufgaben und neue Erscheinungen dar, wodurch immer wieder neue Erfindungen, sowie Verbesserungen und Vervollkommnungen [56] der vorhandenen Vorrichtungen und Apparate stattfinden. Wir werden den Leser durch diese Blätter mit denselben in ununterbrochener Reihenfolge bekannt machen und beginnen dieselbe hiermit, indem wir ihn mit dem ersten Theile, nämlich den elektrischen Batterien, vertraut machen.
Vor Allem ist in der elektromagnetischen Telegraphie ein galvanischer Strom nothwendig. Was ist nun aber ein galvanischer oder elektrischer Strom; wie wird derselbe erzeugt; und von welchen Erscheinungen wird er begleitet? Was ist überhaupt Elektricität? Noch ist es bis jetzt keinem Menschen gelungen, das eigentliche innere Wesen und Agens der Elektricität zu erklären, und nur eine Hypothese, eine Annahme ist es, durch welche man dieselbe zu erläutern sucht. Nur eine Hypothese ist es, wenn man sagt, daß die Elektricität eine sehr feine, unsichtbare, gewichtlose Materie oder Stoff sei, gleichsam eine fein zertheilte Flüssigkeit, die in jedem Körper, im menschlichen und thierischen wie in der Pflanze und dem Mineral, in allen organischen und unorganischen Stoffen der Erde im gebundenen Zustand vorhanden ist und sich nur dann erst zeigt, wenn dieser Zustand durch irgend eine Einwirkung aufgehoben und sie in ihre zwei Bestandtheile, nämlich in eine positive und negative Elektricität zerlegt wird. So wenig diese Annahme begründet und nachgewiesen ist, so erleichtert sie doch das schnellere Auffassen und Verstehen der Wirkungen und Erscheinungen dieses geheimnißvollen Wesens; immerhin aber bitten wir den Leser, nicht mit unbedingtem Glauben an dieser Annahme fest zu halten.
Auf welche Art und Weise wird nun die Elektricität erzeugt? Dies ist die zweite wichtigere Frage, welche schon in vielseitiger Richtung ihre Lösung gefunden hat. Doch sind auch hier dem rastlos strebenden menschlichen Geiste noch nicht alle ihre Quellen erschlossen. Elektricität wird in einem Körper erzeugt, wenn der neutrale Zustand der beiden in ihm vorhandenen elektrischen Fluida, nämlich des positiven und negativen, aufgehoben wird, was auf folgende Weise geschehen kann:
- 1) Durch Reibung zweier Körper z. B., wenn man eine Glasstange mit Seidenzeug, eine Schwefel- oder Siegellackstange mit Wollenzeug oder Pelz reibt, wobei sich die positive Elektricität auf dem einen, die negative auf dem andern Körper ansammelt. Diese Elektricität wird alsdann Reibungs- oder Frictionselektricität genannt.
- 2) Durch Berührung zweier Körper, insbesondere von Metallen, wobei sich ebenfalls die positive Elektricität auf dem einen, die negative auf dem anderen anhäuft und von jedem derselben durch entsprechende Leitungen und Vorrichtungen entfernt, sowie in ihren Wirkungen und Erscheinungen beobachtet werden kann. Diese Elektricität wird Berührungs- oder Contactelektricität genannt, und sie ist es, welche besonders in der elektromagnetischen Telegraphie benützt wird.
- 3) Durch Licht und Wärme, welche Thermoelektricität genannnt wird.
- 4) Wird auch Elektricität bei allen chemischen Processen wie Fäulniß, Zersetzung, Gährung u. dergl. erzeugt, sowie
- 5) durch den Magnetismus, welche den Namen Magnetoelektricität hat.
Von allen diesen Quellen wollen wir jedoch nur die unter Nr. 2 aufgeführte einer näheren Betrachtung unterziehen, da, wie bereits daselbst erwähnt, die aus ihr hervorströmende Elektricität es hauptsächlich ist, welche in der elektromagnetischen Telegraphie benutzt wird und welche gleichsam das Fundament, den Grund bildet, worauf dieselbe basirt ist.
Dieser galvanische Strom ist es, der in der elektromagnetischen Telegraphie die Hauptrolle spielt, er ist die bewegende Kraft, die Seele derselben. Wir können schon hier dem Leser das Princip [57] des elektromagnetischen Telegraphen vorführen, wenngleich wir ihn noch nicht mit den Erscheinungen und den Eigenschaften des Stromes bekannt machten.
Denke man sich ein offenes elektrisches Element, wie in Fig. 3. dargestellt, so wird also dasselbe geschlossen, wenn mandie Kupferplatte I. durch einen Draht mit der Zinkplatte II. verbindet. Nun ist es aber ganz gleich, ob dieser Verbindungsdraht nur die Länge von einem Fuß oder vielen tausend Fuß hat; die von der Kupferplatte I. ausgehende positive Elektricität eilt mit derselben Geschwindigkeit und ebenso leicht durch den langen, wie durch den kurzen Draht, um zur Zinkplatte II. zu gelangen. Dieser Verbindungsdraht kann sogar Hunderte von Stunden lang sein, wie wir es ja an unseren Telegraphenleitungen täglich sehen können, welche weiter nichts als ein solcher Verbindungsdraht, auch Schließungsbogen genannt, sind. Denke man sich an einem Orte A ein solches Element aufgestellt und eine Drahtleitung von der Kupferplatte I. nach dem Orte B und von dort wieder zurück nach A zur Zinkplatte II. geführt; ferner in A eine Vorrichtung, durch welche diese Drahtleitung beliebig unterbrochen und wieder hergestellt werden kann, z. B. durch einen Hebel ab welcher bei a mit dem von der Platte I. kommenden Draht in Verbindung steht, während in ein Metallblättchen c der nach B führende Draht mündet. Wird nun dieser Hebel bei b niedergedrückt, so legt er sich auf dieses Knöpfchen c, und die Verbindung ist also hergestellt, während, wenn der Druck bei b aufhört, der Hebel sich wieder von dem Knöpfchen entfernt, die Leitung unterbrochen ist. Im ersten Falle entsteht sofort ein galvanischer Strom, und zwar geht derselbe von der Platte I. aus, durch den Draht ga in den Hebel ab, bei b in das Metallknöpfchen c und durch die Leitung nach B, von welchem Orte er durch den anderen Draht ef zur Zinkplatte II. nach A zurückkehrt. Von derselben eilt er durch die Flüssigkeit zur Kupferplatte, um sich mit der dort angehäuften negativen Elektricität zu vereinigen; da jedoch die Verbindung der beiden Platten noch besteht, so folgt dieser Vereinigung und Ausgleichung auch wieder eine sofortige Trennung, und die positive Elektricität strömt auf’s Neue in der vorbeschriebenen Weise durch diese Drahtleitung. Dieses Hin- und Herströmen, welches also mit einer Geschwindigkeit von 63,000 geographischen Meilen per Secunde geschieht, währt so lange ununterbrochen fort, als der Hebel ab niedergedrückt wird, und hört nur dann auf, wenn durch das Aufhören des Druckes auf den Hebel die Leitung unterbrochen wird. Ist nun in dem Orte B eine Vorrichtung angebracht (siehe Fortsetzung, das Relais und die Schreibvorrichtung), bei welcher der von A kommende und dahin zurückkehrende Strom auf eine bestimmte Art und Weise sich äußern muß, so kann demnach leicht eine Correspondenz zwischen beiden Orten stattfinden.
Hat der Leser das bisher Gesagte vollkommen aufgefaßt, so wird er um so leichter das Nachfolgende verstehen und begreifen können, besonders wenn wir ihn noch mit den Eigenschaften und Erscheinungen des elektrischen Stromes vertraut machen. – Durch die Berührung zweier Metalle wird also, wie oben gezeigt, Elektricität erregt und erzeugt. Dieselbe ist jedoch außerordentlich schwach, um irgend welche Wirkungen äußern zu können, und man müßte deshalb Platten von großen Dimensionen verwenden, wenn der Strom nur einigermaßen von zweckentsprechender Stärke sein sollte, da, wie die Versuche und Beobachtungen zeigten, diese Stromquantität und Intensität im Verhältniß zur Oberfläche der Platten steht und mit der Größe derselben sich vermehrt. Um jedoch die großen Dimensionen der Platten zu umgehen, bringt man mehrere solcher Plattenpaare, vielmehr solche Elemente in Verbindung, wie nebenstehende
Fig. 7. zeigt, und stellt eine Batterie (so werden nämlich diese Verbindungen genannt) her, indem man immer die Kupferplatte des vorhergehenden Elementes mit der Zinkplatte des folgenden verbindet. Der an die Zinkplatte des ersten und an die Kupferplatte des letzten Elementes befestigte Draht bildet alsdann den Anfangs- und Endpunkt der Batterie, die durch die Vereinigung derselben geschlossen wird. Beide Enddrähte werden auch die Pole der Batterie genannt, und zwar heißt der an der Zinkplatte der positive, und jener an der Kupferplatte der negative Pol, da, wie oben angeführt und sich auch durch die Versuche und Beobachtungen gezeigt hat, sich an der Zinkplatte immer die positive und an der Kupferplatte die negative Elektricität nach deren Trennung ansammelt.Verfolgt man den Lauf des Stromes einer solchen Batterie, d. h., den Weg, den die positive Elektricität der einzelnen Elemente macht, so geht dieselbe von der Kupferplatte des Elementes I. zur Zinkplatte des folgenden II. und durch die Flüssigkeit dieses Elementes zur Kupferplatte, wo sie sich durch die positive Elektricität dieses Elementes verstärkt und nun durch den Verbindungsdraht zur Zinkplatte des Elementes III. gelangt. Nachdem sie auch hier die Flüssigkeit durchlaufen und die positive Elektricität dieses Elementes aufgenommen hat, setzt sie ihren Weg durch alle folgenden Elemente auf ähnliche Weise fort, wie viel auch deren sein mögen. Bei der Kupferplatte des letzten Elementes angekommen, durcheilt sie alsdann den Verbindungsdraht, der wieder zur Zinkplatte des ersten Elementes führt und von beliebiger Länge sein kann.
Unser zweiter Artikel wird uns nun über die verschiedenen Arten Batterien belehren.