Der gütige Wandrer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Wilhelm Busch
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der gütige Wandrer
Untertitel:
aus: Zu guter Letzt. In: Historisch-kritische Gesamtausgabe in vier Bänden. Band 4, S. 288–289
Herausgeber: Friedrich Bohne
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1960]
Verlag: Vollmer
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Wiesbaden u. Berlin
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Erstausgabe 1904
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[288]
DER GÜTIGE WANDRER


Fing man vorzeiten einen Dieb,
Hing man ihn auf mit Schnellbetrieb,
Und meinte man, er sei verschieden,
Ging man nach Haus und war zufrieden.

5
Ein Wandrer von der weichen Sorte

Kam einst zu solchem Galgenorte
Und sah, daß oben einer hängt,
Dem kürzlich man den Hals verlängt.

Sogleich, als er ihn baumeln sieht,

10
Zerfließt in Tränen sein Gemüt.


Ich will den armen Schelm begraben,
Denkt er, sonst fressen ihn die Raben.

Nicht ohne Müh, doch mit Geschick,
Klimmt er hinauf und löst den Strick;

15
Und jener, der im Wind geschwebt,

Liegt unten, scheinbar unbelebt.

[289]
Sieh da, nach Änderung der Lage

Tritt neu die Lebenskraft zutage,
So daß der gute Delinquent

20
Die Welt ganz deutlich wiederkennt.


Zärtlich, als wär’s der eigne Vetter,
Umarmt er seinen Lebensretter,
Nicht einmal, sondern noch einmal,
Vor Freude nach so großer Qual.

25
Mein lieber Mitmensch, sprach der Wandrer,

Geh in dich, sei hinfür ein andrer.
Zum Anfang für dein neues Leben
Werd ich dir jetzt zwei Gulden geben.

Das Geben tat ihm immer wohl.

30
Rasch griff er in sein Kamisol,

Wo er zur langen Pilgerfahrt
Den vollen Säckel aufbewahrt.
Er sucht und sucht und fand ihn nicht,
Und länger wurde sein Gesicht.

35
Er sucht und suchte, wie ein Narr,

Weit wird der Mund, das Auge starr,
Bald ist ihm heiß, bald ist ihm kalt.

Der Dieb verschwand im Tannenwald.