Deutsche Asphaltwerke

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Autor: Alfred Schütze
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Titel: Deutsche Asphaltwerke
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 812-814
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutsche Asphaltwerke.

Von Alfred Schütze.

Etwa eine halbe Stunde von Hannover entfernt liegt im Westen der Stadt auf einem dichtbelaubten Hügel das Bad Limmer. Mitten unter den alten Buchen und Eichen sprudelt noch heute die Schwefelquelle empor, deren Heilkraft man einstmals in weitem Umkreise schätzte, aber schon seit langer Zeit hat der Besuch des Bades nachgelassen, sodaß es gegenwärtig nur noch Spaziergängern aus der Stadt Hannover als freundlicher Zielpunkt ihrer Wanderungen gilt. In den vierziger Jahren wohnte hier auf „Limmer Brunnen“ ein alter, ausgedienter Soldat Namens Henning. Er betrieb die kleine Gastwirthschaft des Curhauses und benutzte die viele freie Zeit, die ihm aus Mangel an Gästen sein Beruf ließ, zu Streifereien durch die nächste Umgegend.

Bei einer solchen Gelegenheit fand er auf der Höhe des Velber Berges Spuren eines Gesteins, dessen starker Petroleumgeruch wohl seine Aufmerksamkeit erregt haben mochte. Henning wandte sich mit seinem Funde an das Polytechnikum zu Hannover, hörte dort, daß er ein Asphaltlager entdeckt habe, und verstand später, diesen glücklichen Zufall in höchst gewinnbringender Weise für sich zu verwerthen. Bald bildeten sich Gesellschaften, welche die mächtigen Asphaltlager ausbeuteten und das gewonnene Rohmaterial in Fabriken verarbeiteten. So entstand hier eine neue deutsche Industrie, welche schnell genug erstarkte, um dem Auslande erfolgreiche Concurrenz machen zu können.

Heute sind in unseren großen Städten bereits zahlreiche Straßen mit Asphaltpflaster belegt, die Wagen rollen geräuschlos und mit außerordentlicher Leichtigkeit über die ebene Fläche, und ebenso nimmt auch der Fußgänger mit Vorliebe seinen Weg auf der dunklen, elastischen Bahn. Auch bei den Bauten findet Asphalt vielfache Verwendung, besonders da, wo es sich um Schutz gegen andringende Feuchtigkeit handelt.

[813] Trotzdem nun die Asphaltindustrie erst während der letzten Jahrzehnte in großem Maße Beachtung gefunden hat, ist die Verwendung dieses trefflichen Materials doch schon den ältesten Culturvölkern bekannt gewesen. Die Bauten von Babylon, die Paläste Ninives waren nach Mittheilungen aller Schriftsteller mit Asphaltmörtel gemauert, und Untersuchungen von Reisenden haben jetzt diese Angaben bestätigt. Mit dem Verfall der assyrischen Herrschaft ging indessen die Technik der asiatischen Baumeister verloren; denn in den Bauten der Griechen und Römer hat man keine Verwendung von Asphalt gefunden.


Asphaltwerke bei Limmer in Hannover.
Nach einer Skizze von A. Schütze.

So währte es bis zum Beginn des achtzehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, wo ein griechischer Arzt, Namens Eirinis, für das moderne Europa den Asphalt neu entdeckte. Bei einer Durchforschung des Val de Travers in der Schweiz fand Eirinis in den Kalkwänden des Jura große Lager von Asphaltstein und erkannte alsbald die Nützlichkeit desselben für Bauzwecke. Gestützt auf ein Privileg des Königs von Preußen, als des damaligen Fürsten von Neuenburg, begann Eirinis seine Arbeiten und stellte die Anwendung des Asphalts fest, ungefähr in der Weise, wie sie im Wesentlichen noch heute gebräuchlich ist. Die Früchte seiner Erfindung sollte der intelligente Grieche indessen nicht genießen. Der eidgenössische Schatzmeister de la Sablonière wußte ihm das gewinnbringende Unternehmen aus der Hand zu winden und zu seinem eigenen Vortheile auszunützen. Eirinis siedelte dann nach dem Elsaß über und entdeckte dort die Asphaltgruben von Lobsann, welche auch gegenwärtig wieder ausgebeutet werden. Inzwischen kamen die Werke des Val de Travers von einer Hand in die andere; die Production ging von Jahr zu Jahr zurück, und am Ende des vorigen Jahrhunderts war die Erfindung des griechischen Arztes in industriellen Kreisen bereits vollständig vergessen.

Da führten im Jahre 1802 die Theerbrunnen zu Seyssel, südlich von Genf an der französischen Grenze, zur Entdeckung eines Asphaltsteines und zu einer Reihe von selbstständigen Versuchsarbeiten, welche schließlich auf dieselben Ergebnisse, die einst Eirinis erzielte, hinausliefen. Auch die Seysseler Asphaltindustrie hatte anfangs in der Hand von Speculanten mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden, bis sich Graf Sassenay der Sache annahm, das junge Gewerbe durch rationelle Versuche vervollkommnete und zu voller Blüthe brachte. Jetzt nun erinnerte man sich auch wieder der lange vergessenen Gruben im Traversthale und begann 1838 sie von Neuem auszubeuten. Kurze Zeit darauf, im Jahre 1843, wurde, wie wir oben erzählten, mitten in Deutschland, zu Limmer bei Hannover, das erste Asphaltlager entdeckt, dem 1870 auch noch die Auffindung der bituminösen Kalksteinfelsen bei Vorwohle in Braunschweig folgte. Diesen deutschen Unternehmungen wollen wir jetzt unsere nähere Betrachtung widmen.

In sanfter Wellenform steigt das Land westlich von Limmer allmählich an und bildet mit dem Benther Berge die letzten Ausläufer des Deisters, dessen blaue Gebirgskette weiterhin den Horizont begrenzt. Bei einer Wanderung über die Limmer Hügel werden wir plötzlich durch einen unerwarteten Anblick überrascht; auf eine weite Strecke hin öffnet sich der Boden; steil fallen die Wände nach allen Seiten hin ab, und unten, in einer Tiefe von etwa 150 Fuß zeigt sich ein reges Leben. Schaaren von Arbeitern sind damit beschäftigt, den Felsen zu sprengen und die gelösten Blöcke zu zerkleinern: andere laden die Steine auf niedrige Wagen und führen sie auf Eisenbahnen den Förderschachten zu.

Das Gestein, von einer starken Schicht blauen Thones überdeckt, erscheint hier chocoladenbraun und nimmt nach der Tiefe zu eine immer dunklere bis in’s Schwarze gehende Färbung an.

Im Laufe der Jahrtausende drangen hier in den porösen Kalkstein je nach dessen Dichtigkeit größere oder geringere Mengen bituminöser Stoffe und unterlagen dann einem Oxydationsprocesse. Bitumen wird an verschiedenen Orten der Erde auch unvermischt gefunden und erscheint dann je nach seiner Flüssigkeit in Gestalt von Naphta, Petroleum und Erdpech (Asphalt). Die Verbindung von Asphalt mit Kalkstein hat man nun mit dem Namen „Asphaltstein“ belegt; noch häufiger aber nennt man sie – ziemlich unzutreffend – kurzweg „Asphalt“.

Auffälliger Weise hat sich eine gleich innige Verbindung zwischen gewöhnlichem Kalksteine und reinem Bitumen trotz vieler Versuche fabrikmäßig nicht herstellen lassen, während der auch nur in geringem Grade mit Bitumen geschwängerte Asphaltstein leicht zur Aufnahme eines größeren Zusatzes von Erdpech befähigt ist. In der richtigen Benutzung dieses Umstandes beruht der Schwerpunkt der ganzen Fabrikation. Hierbei mag erwähnt werden, daß sich eine der merkwürdigsten Erscheinungen von reinem Asphalt am Todten Meere zeigt. Dort steigt das Erdpech vom Grunde des Wassers auf und treibt, auf der Oberfläche schwimmend, an’s Ufer. Die Hauptbezugsquelle für Asphalt ist aber Trinidad, die südlichste Insel der kleinen Antillen. Daselbst bildet Asphalt die Oberfläche eines mitten in der üppigsten Vegetation liegenden Sees, welcher [814] in Folge dieser Asphaltdecke zur Regenzeit überschritten werden kann; unter den Strahlen der Sonne weicht dagegen diese Decke auf. Früher hatte der See aus der Tiefe so reichlichen Zufluß von Bitumen, daß das dickflüssige Pech überströmte, das dreiviertel Stunden entfernte Meer erreichte und dort Asphaltriffe in die See hinaus bildete.

In Limmer wird der rohe Asphaltstein gegenwärtig von zwei Gesellschaften ausgebeutet, welche auch die größeren Asphaltbrüche bei Vorwohle erworben haben. Während sich die eine dieser Gesellschaften, die „United Asphaltos-Company“, ein mit englischem Capitale betriebenes Unternehmen, bisher lediglich auf den offenen Tagebau beschränkte, ist auf ihren dicht angrenzenden Terrains die „Deutsche Asphalt-Actien-Gesellschaft“ schon seit Jahren zu dem rationelleren unterirdischen Betriebe übergegangen.

Unsere Abbildung zeigt uns den alten Tagebau der „Deutschen Gesellschaft“, von welchem zur linken Hand der Eingang in die unterirdischen Werke führt. Beim Schein der Grubenlampe treten wir in einen langen, von hölzernen Pfählen gestützten Gang, der sich bald bedeutend erweitert. Mächtige, hohe Hallen, von großen steinernen Säulen getragen, liegen vor uns. In pittoresken Formen springt das Gestein an den Wänden aus, und von den Decken tropft, mit Oel vermischt, das Wasser hernieder, mit dumpfem Ton gegen den Felsboden schlagend. Weiter schreiten wir durch die dunklen Gänge, da blitzen im Hintergrunde und in schmalen Seitengassen Lichter auf; Gestalten regen sich, und der dunkle Klang der Hacke, welche das weiße Gestein spaltet, ertönt neben dem regelmäßigen Stampfen der Dampfpumpen, die das andringende Wasser zur Erdoberfläche hinaufbefördern. Endlich dringt auch ein schwacher Schimmer des Tageslichts in die Tiefe herab; wir stehen vor einem Förderschacht, in dem das gewonnene Gestein durch einen Elevator gehoben wird. Auf schmalen Geleisen rollen kleine Wagen, mit Asphalt beladen, herbei, fahren auf eine Plattform und werden mit dieser emporgezogen. Auf demselben Wege verlassen auch wir die unterirdische Welt und gelangen nach wenigen Augenblicken oben in den Fabrikräumen an.

Die Fabrikationsmethode des Asphalts ist sehr einfach: Der rohe Asphaltstein wird durch Maschinen zerkleinert und kommt dann in eine Mühle, welche ihn zu Pulver zermalmt. Dem Pulver werden einige Procent Trinidad-Asphalt zugesetzt, und dann wird die Masse in großen Kesseln, in welchen eine Rührvorrichtung sich beständig dreht, zum Kochen gebracht. Bergtheer, Paraffin oder Rückstände der Petroleumraffinerie dienen dazu, die Masse leichter in Fluß zu bringen. Nach vierstündigem Kochen wird der Asphalt in Brodformen gegossen, welche dann unter dem Namen „Mastix“ in Schwere von siebenundzwanzig Kilo in den Handel kommen. Bei der späteren Verwendung zu Pflasterungen und baulichen Zwecken wird der Asphaltmastix abermals gekocht, erhält dabei einen Zusatz von dreißig bis vierzig Procent Kies und wird dann über eine Unterlage von Beton gegossen. Während nun zu Fußwegen fast ausschließlich der gegossene Asphalt gebraucht wird, hat man für Fahrstraßen seit einigen Jahren mit sehr günstigem Erfolge auch pulverisirten Asphaltstein ohne Zusatz von Kies verwendet, indem man denselben leicht erwärmt und durch heiße Walzen comprimirt. Für diese Zwecke zeigte sich indessen das Gestein von Seyssel und dem Val du Travers bisher geeigneter, als die an Bitumen bedeutend reicheren Asphalte von Limmer. Dagegen haben Mischungsversuche von Limmer Asphaltpulver mit dem mageren Steine von Vorwohle neuerdings zu Resultaten geführt, welche den schweizerischen Fabrikaten auch auf dem Gebiete der Stampfarbeiten gleichkommen.

Die Asphaltlager beider Gesellschaften in Limmer sind so ergiebig, daß selbst bei starkem Betriebe noch auf lange Zeit hin genügendes Rohmaterial zur Verfügung bleibt. Außerdem erstrecken sich die Asphaltflötze auch noch über die südöstlich angrenzenden Felder, deren Ausbeutung gegenwärtig von Privatunternehmern in Angriff genommen wird. Von Interesse werden daselbst auch die Ergebnisse von Tiefbohrungen auf Petroleum sein, welche man in dem ölreichen Gesteine auffälliger Weise früher noch niemals versuchte. Schon heute aber ist bei der Limmer Asphaltindustrie das rege Streben anzuerkennen, welches die Schwierigkeiten der großen ausländischen Concurrenz überwand und für das deutsche Fabrikat auch auf dem Weltmarkt einen guten Ruf und damit bedeutenden Absatz errungen hat.