Die „frommen“ Landsknechte

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Autor: Karl Ueberhorst
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Titel: Die „frommen“ Landsknechte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7–8, S. 108–111, 131–135
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[108]
Die „frommen“ Landsknechte.
Ein kriegerisches Culturbild aus der Reformationszeit.
dargestellt von Karl Ueberhorst.

Es ist eines der merkwürdigsten Zeitalter deutscher Geschichte, in welches ich den Leser an der Hand obiger Kriegsgesellen einzuführen gedenke. Zu seinem vollen Verständnisse dürfte eine kurze Darstellung der größeren Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts zweckdienlich erscheinen; denn gerade diese Jahre leiten auf fast allen Gebieten die Neugestaltung der Verhältnisse ein, und wie jede große Umwälzung sich nur allmählich vollziehen kann, so sehen wir auch schon lange vor dem Jahre 1500 bei allen Culturvölkern die besten Geister jenen großen Kampf beginnen, der bis auf den heutigen Tag noch nicht ausgefochten, dessen Ende nicht abzusehen ist. Gerade diese Vorkämpfer der gewaltigen Bewegung sind es gewesen, welche der Menschheit unendlichen Segen gebracht haben. Ich muß hier des Verständnisses halber oft Gesagtes kurz wiederholen: Wiklef und Huß bereiten auf religiösem Felde den Boden für die Reformation vor; Columbus eröffnet durch die Entdeckung der neuen Welt dem Handel neue, ungeahnte Bahnen; Guttenberg’s Erfindung, die gewaltigste und segensreichste aller Zeiten, bemächtigt sich des geistigen Lebens der Völker und zeugt in erster Linie als unerschrockenen Vorkämpfer der wissenschaftlichen und religiösen Reformation den Humanismus. Ob eine der durchgreifendsten Erfindungen früherer Jahre – das Schießpulver, in seiner Verwendung zu Kriegszwecken der Menschheit ebenfalls Segen gebracht, wollen wir dahingestellt sein lassen, jedenfalls aber hat es im fünfzehnten Jahrhundert, wenn auch langsamer, als heutzutage, doch ebenso reformirend in das Kriegswesen aller Nationen eingegriffen.

Und dennoch ist es wieder nicht, wie vielfach angenommen wird, die verbesserte Anwendung dieser zerstörenden Erfindung allein gewesen, welche auf die kriegerischen Verhältnisse auch unserer Nation eingewirkt hat; einen Hauptgrund derselben müssen wir vielmehr in der damals sich geltend machenden Zerrissenheit des Reichsverbandes, in dem lahm gewordenen Triebwerke seiner Verfassung suchen.

Mit den Römerzügen der alten Heldenkaiser, wo der niedere Adel – vor dem Emporblühen des Bürgerthums unzweifelhaft der Kern der Nation – ohne andern Lohn, als um Aussicht auf Beute, dem Reichsoberhaupte zu Roß über die Alpen folgte, war es längst vorbei. Das Lehnssystem, bis dahin Wehr und Schild sowohl des deutschen Königs, wie des Volkes, war gelockert, sein Organismus gelähmt, und für freie Lehnsfolge wählte der niedere Adel, so weit er sich nicht in Wegelagerei verzehrte, den Reiterdienst um Sold, ohne allzu großen Ruhm dabei zu erwerben.

[109]

Auch einer von den „frommen“ Landsknechten.
Nach dem Oelgemälde von E. Stammel.

Die Bewaffnung dieser Reiterheere blieb auch nach Einführung der Schußwaffen dieselbe ungelenke, ja wurde womöglich insofern noch ungefügiger, als der Reiter nicht nur sein Streitroß mit ganzer Eisenrüstung bedeckte, sondern auch den eigenen Harnisch schußfester, das heißt schwerer, anfertigen ließ, als dies zuvor geschehen war. Die vorzüglich gearbeiteten spanischen, wie mailändischen Rüstungen hielten denn auch manche Kugel ab. Franz der Erste verdankte bei Pavia lediglich seinem mailänder Harnische das Leben; denn die vielen an- und abgeprallten Kugeln hatten denselben wohl einzubiegen, nicht aber zu durchbohren vermocht. Deutsche Harnische hingegen hatten bis zu den Zeiten Maximilian’s bei den damaligen Kriegszeiten nur geringen Credit, und derselbe hob sich erst, als Max, mit der Kunst der Harnischschmiede wohl vertraut, durch nürnberger Plattner mailänder Plattenharnische und zwar in vorzüglicher Güte nachbilden ließ. Zu allen Zeiten aber hochangesehen und vielbegehrt waren deutsche Ketten- und Panzerhemden. Das kleine westfälische Iserlohn (in Rechnungen der nürnberger Stadtkämmerei „Eyserlohn“ genannt) versorgte damals fast ganz Europa mit seinen undurchdringlichen, stählernen Geflechten, und auf den Märkten von Brügge und Antwerpen, in den Gewölben der [110] nürnberger und mailänder Waffenschmiede wurden Panzerhemden feilgeboten, die zwar die Marke mailänder Meister trugen, in der kleinen westfälischen Bergstadt aber das Licht der Welt erblickt hatten.

Als Angriffswaffe galten immer noch die schwere Ritterlanze, der Streitkolben, sowie Schwert und Dolch. Die Hauptwirkung derartiger reisigen Geschwader beruhte auf der Wucht des ersten Anpralls, weshalb denn auch der eigentliche Angriff mit gesenkter Lanze erst in einer Entfernung von etwa fünfzig Schritten vom Gegner erfolgte. Des regellos einherlaufenden, mit Armbrust oder kurzem Spieß bewaffneten Fußvolkes wurde dabei nicht geachtet, und so blieben denn diese Ritterschlachten mehr oder weniger große Turniere, deren Erfolg meistens von der Wucht des ersten Zusammenstoßes abhing.

Da plötzlich trat ein fast ganz neues Element in den Vordergrund der Schlachten. Die tapfern dithmarscher Bauern, Ziska mit seinen unüberwindlichen Hussiten und endlich die Eidgenossen in ihren siegreichen Kämpfen gegen Habsburg und den mächtigen Burgunderherzog brachten das bis dahin mißachtete Fußvolk zu hohen Ehren. Noch um 1450 galten die Hussiten für das beste Kriegsvolk Europas, und vielfach dienten hussitische Söldner auch unter fremden Fahnen, vor den Mauern Soests aber und unter den siedenden Breitöpfen seiner die Wälle tapfer vertheidigenden Weiber sollte ihr lang bewährter Kriegsruhm erbleichen. Ihnen folgten die Schweizer und behaupteten lange Zeit hindurch den Ruf des besten Fußvolks, bis Kaiser Max auch diesem allmählich ein Ende machte.

Ein Fürst, der auf wunderbare Weise die alte wie die neu aufkeimende Zeit in seiner Person vermittelte, ein Kriegsmann, der sowohl im Scharfrennen, wie als Büchsenmeister von Keinem übertroffen worden erkannte er mit richtigem Blicke das Bedürfniß seiner Zeit und schuf sicheren Griffes die „frommen deutschen Landsknechte“, indem er aus Bauern seiner österreichischen Erblande Fußtruppen zu bilden begann, welche schon nach einem Jahrzehnt die furchtbarsten Gegner der Schweizer werden sollten. Bewaffnet mit achtzehn Fuß langen Spießen, mit Hellebarden und Schlachtschwertern, später verstärkt durch Hakenschützen, lehrte Held Teuerdank diese compacten Massen in gegliederter Ordnung fechten, durch den sogenannten „Igel“ einen von Spießen starrenden, undurchbrechbaren Wall gegen die anstürmenden Reitergeschwader bilden und durch unaufhaltsames geschlossenes Vorwärtsschieben der wuchtigen Phalanx den endlichen Sieg gewinnen.

Lange schwankte der Ruf zwischen schweizer und deutscher Kriegstüchtigkeit; auf allen Schlachtfeldern sehen wir die Söhne Schwyz’ und Unterwaldens den deutschen Landsknechten als grimme Gegner gegenüberstehen; manch blutiges Lehrgeld mußten die Deutschen ihren Meistern zahlen aber nicht allzu lange mehr sollten letztere ihre Ueberlegenheit behaupten. Das alte Horn von Uri, welches bei Nancy mit so grauenvollem Klange Karl’s des Kühnen Grabgesang geblasen, geht auf den Feldern Marignanos verloren – mit ihm aber auch zugleich der Ruf eidgenössischer Unwiderstehlichkeit; denn schon in dem Treffen bei Bicocco von deutschen Fürsten, trotz stürmischer Tapferkeit, völlig auf’s Haupt geschlagen, werden sie endlich bei Pavia durch Frundsberg und seine Landsknechte derart heimgeschickt, daß von jetzt an das Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit immer schneller schwindet und sie sich zuletzt mit dem zweifelhaften Ruhm päpstlicher Trabanten und Hüter fürstlicher Paläste begnügen müssen.

Die Blüthezeit der deutschen Landsknechte fällt in die Regierungsperiode Karl’s des Fünften. Unter Max anfänglich aus Volk vom Lande zusammengesetzt – woher die Benennung – ergänzen sich ihre Führer von vorneherein aus beutesuchenden und waffenkundigen Edelleuten. Aber auch allerhand abenteuerlustige Gesellen aus den Städten, sowohl junge Patricier, wie Handwerker, leidet es nicht mehr in den engen heimatlichen Mauern. Zu verlockend, freiheit- und beuteverheißend winken ihnen die blauen Berge zu, und abermals, wie zu den Zeiten der Hohenstaufen, sind es Lombardiens sonnige Ebenen, welche die Kernkraft deutscher Nation so unwiderstehlich anziehen, welche mit dem Blute so manches tapferen Gesellen gedüngt werden sollen. Obschon um Sold fechtend und deshalb lediglich demjenigen Fürsten zueilend, unter dessen Fahnen die reichste Beute zu gewinnen, sehen wir doch schon früh den Geist evangelischer Freiheit ihre Reihen durchdringen. Die unglücklichen Bauernkriege haben den Landsknechtsheeren das größte Contingent geliefert.

Aus dem großen Massacre, welches die Fürsten unter dem armen, niedergetretenen Volke anrichteten, hatten sich nicht nur allerhand verzweifelte Kerle, die schon von vornherein nichts zu verlieren gehabt, unter die schirmenden Fahnen geflüchtet – nicht nur mancherlei catilinarische Existenzen der in den Aufruhr mitverflochtenen Städte zogen, den Reitern des blutgierigen Truchseß glücklich entronnen, über die Alpen dem Doppeladler oder Frankreichs Lilien zu, auch mancher brave Mann, der im festen Glauben an das „reine, die Unterdrückung verdammende Evangelium“ Gut und Blut an die zwölf Artikel gesetzt und mit dem nackten Leben vielleicht nichts als die Blechhaube und den Knebelspieß, die Hellebarde aus der Väterzeit gerettet, schließt sich der enggegliederten Gemeinde von Männern an, deren Freiheit und Glauben durch selbstgegebene Gesetze unverbrüchlich festgestellt sind. Luther’s Worte finden lebendigen Wiederhall auch in den Herzen dieser wilden Kriegsgesellen, und gerne dienen sie einem Kaiser, der zwar durch und durch katholisch ist, demungeachtet aber mit dem Antichristen in Rom den Krieg bis auf’s Messer führt und seinen frommen Landsknechten dabei nach Erstürmung der heiligen Stadt die reiche Beute gönnt.

Dieser religiöse Zug, lediglich dem Anringen des deutschen Geistes gegen die Knechtschaft des Papstes entsprungen, tritt bei Georg von Frundsberg, dem „Vater der Landsknechte“, am lebendigsten hervor. Als während der Belagerung Pavias die kaiserliche Sache schlecht stand, ging man Frundsberg lange vergeblich um Hülfe an. Der kampfesmüde Held, aus Erfahrung wissend, daß „Dank vom Hause Oesterreich“ nicht zu erwarten, blieb unerbittlich, und lediglich der in seinem Herzen tief eingewurzelte Haß gegen den Feind deutschen Namens und deutscher Geistesfreiheit, gegen den Papst, bewog ihn, nochmals in Person über die Alpen zu ziehen.

Daß die deutschen Landsknechte so oft ihre Waffen gegen die eigene Mutter gewandt, daß sie ihr Blut meist für fremde Interessen hingegeben, wer will es den rohen, leichtlebigen Gesellen, denen noch dazu so manches Beispiel fürstlichen Landesverrathes und feiler Bestechlichkeit vor Augen schwebte, verdenken? Aber von dieser Zeit an beginnt bei den fremden Nationen die Verachtung deutschen Namens und Wesens. Der infamen Bestechlichkeit verdanken wir nicht nur, daß dem Reichsverbande ein Stück nach dem andern entfremdet wurde, lediglich ihr ist es zuzuschreiben, daß die talentvollsten deutschen Krieger von Schärtlin’s Tagen an bis auf Bernhard von Weimar sich französischem Golde, französischer Hinterlist verkauften, und, was ein gutes, deutsches Herz nicht minder schwer verwinden kann, daß die Arsenale Frankreichs sich mit Trophäen schmückten, welche deutsches Blut dem deutschen Blute abgerungen hatte.

Wir erinnern nur an das Feilschen um die deutsche Kaiserkrone von Seiten der Häuser Habsburg und Valois, an die kolossalen Summen, welche vom spanischen Karl durch die Vermittelung der Fugger, an die ebenso enormen Jahresrenten, welche vom französischen Könige zur Bestechung an die deutschen Wahlfürsten ausbezahlt wurden. Konnte unter zwei fremdländischen Kronbewerbern, welche nicht einmal der deutschen Sprache mächtig waren, von deutschem Namen, deutschen Interessen die Rede sein? Selbst Franz von Sickingen ist von dieser fast krebsartig wuchernden Bestechlichkeit nicht ganz freizusprechen, obschon er auf Zureden des ihm wohlgewogenen Max später seiner französischen Bestallung entsagte und dann allerdings unter Karl dem Fünften niemals seine dem jungen Kaiser geleisteten enormen Vorschüsse wiederzuerlangen vermochte.

Mit dem Anfange des sechszehnten Jahrhunderts beginnt eine glänzende Periode deutscher Kriegstüchtigkeit. Max brachte seine Schöpfung zu hohen Ehren. Er verstand es, dieselbe zu einer Art verbrüderte Gemeinde mit streng normirten Gebräuchen und Gesetzen zu formen, und hielt es, wie uns Thomas Hubert in seinen Annalen über das Leben des Kurfürsten Friedrich des Zweiten von der Pfalz sehr anschaulich erzählt, nicht unter seiner Würde, in Begleitung vieler fürstlichen Herren als Landsknecht mit dem Spieß auf der Schulter, das breite, kurze Schwert vor den Leib geschnallt, in das heilige Köln einzuziehen. Daß solch Beispiel, noch dazu von einem Fürsten gegeben, der mit der Kaiserwürde zugleich den Ruf des besten deutschen Ritters verband, das alte Vorurtheil adeliger Rüstung bald durchbrechen mußte, ist selbstverständlich, und so sehen wir denn auch immer häufiger deutsche Edelleute als Doppelsöldner in den Reihen der Landsknechte fechten.

[111] Alle Stände der Nation, die heterogensten Elemente aus Burg, Stadt und offenem Lande vereinigen sich unter dem Fähnlein zum fröhlichen Kriegshandwerke; schier nicht zu zählen sind die kampf- und beutelustigen Gesellen, welche über Deutschland–s Grenzen hinaus in die fremden, kampfdurchtobten Länder ziehen, und überall sind es deutsche Landsknechte, welche das Loos der Schlachten entscheiden. Sie waren es, so erzählt uns Ranke, welche Schweden der Union unterwarfen, welche in England gegen die Sache der Yorks fochten und starben. Deutsche Landsknechte, zugleich die Vertheidiger wie die Besieger Neapels, waren ebenso die Ueberwinder Ungarns, so lange sie wollten, und retteten dasselbe, da sie mit der Beute nach Hause zogen.

Daß sowohl Max wie Karl der Fünfte durch strenge Mandate die deutschen Hauptleute und Knechte vom Dienste gegen das Reich abzuhalten suchten, hat anfangs wenig gefruchtet. Erst als Karl blutigen Ernst zeigte und während des Augsburger Reichstages 1548 Sebastian Vogelberger, der nicht nur einer der tüchtigsten Kriegsobristen, sondern auch einer der schönsten Männer seiner Zeit war, von dem der Augenzeuge Sastrow, Greifswalds Bürgermeister, in seinem Lebenslaufe erzählt, daß „er nit wüßte, ob ein Maler einen Mann ansehnlicher malen könnt’“ – wegen Uebertretung des Mandats enthaupten ließ, versuchten viele in französischen Solde stehende Hauptleute sich die sogenannte „Restitutionsfama“ zu erwirken. Nach Erlangung derselben stand ihnen die Heimath straflos offen, nicht allzu Vielen aber mag sie ertheilt worden sein, denn Carolus Quintus war ein scharfer Herr, der sicher Herrn Sebastian Schärtlin’s, Augsburgs und des schmalkaldischen Bundes Kriegsobristen, nicht geschont hätte. Der speculative Schorndorfer Landsknechtsführer aber salvirte seine Haut wohlweislich nach Frankreich und kehrte erst heim, als man an hoher Stelle seiner Unentbehrlichkeit halber die Vergangenheit zu vergessen gezwungen war.

Dem deutschen Nationalwohlstande wurden durch das Landsknechtswesen um so tiefere Wunden geschlagen, als der an wildes, regelloses Leben gewöhnte Gesell für jedes friedliche Gewerbe untauglich geworden war. Sobald er den letzten Sold, die letzte Beute verzehrt hatte und kein Krieg in Aussicht stand, begann das sogenannte „Garten“, das heißt Herumstreunen und Betteln. Gartende Landsknechte wurden zur grimmigsten Geißel des Landvolkes, und die fast alljährlich erlassenen Reichsmandate, welche das Garten sogar mit dem Gevatter Dreibein bedrohten, konnten nur in den Gebieten größerer Reichsstädte aufrecht erhalten werden.

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Autor: Karl Ueberhorst
Titel: Die „frommen“ Landsknechte
aus: Die Gartenlaube 1881, Heft 8, S. 131–135


[131] Die Ausrichtung eines Landsknechtsregimentes, welches zumeist aus 5000 bis 6000, mitunter auch wohl aus 10,000 Knechten bestand, geschah durch einen erprobten, weltberühmten Kriegsobristen, dem der Kriegsherr einen Bestallungsbrief, das offene Werbepatent, sowie den Artikelbrief, welcher den Rechtsbrauch des Regimentes feststellte, zufertigte. Je größer der Ruf desselben unter den stets in enger Verbindung mit einander stehenden Kriegsgurgeln war, desto mehr Volk lief der aufgepflanzten Werbefahne zu, und sicherer Sold, sowie feste Verbriefung der Regimentsverfassung war den „ehrlichen, rüstigen Gesellen, welche zum Kriegsspiele geladen wurden“, dabei zu allen Zeiten die Hauptsache. Georg von Frundsberg und hundert Jahre später der gewaltige Friedländer genossen dieses Vertrauen in hohem Grade, Ersterer durch seine biedere, Zutrauen erweckende Persönlichkeit, Letzterer durch seine unerschöpflichen Hülfsmittel. Beiden ist es daher auch stets gelungen, mit zauberhafter Schnelle große Heere aufzurichten.

Der Feldobrist war unumschränkter Gebieter mit vielfach dictatorischer Gewalt. Unter Karl dem Fünften erhielt er einen Monatssold von vierhundert Gulden rheinisch, nebenbei für acht Trabanten, welche ihn stets und zwar in wunderlichster Tracht umliefen, für Dolmetsch, Caplan, Schreiber, Herold und vier gerüstete Pferde eine Monatszulage von zweihundert Gulden. Nach ihm erscheint der Schultheiß als wichtiger Beamter der soldatischen Republik. Kundig des Rechtes, muß er in die Hand des Obristen geloben, „dem Armen wie dem Reichen, Niemand zu Lieb noch Leid, den anvertrauten Stab zu führen“. Er bezieht Hauptmannssold: monatlich vierzig Gulden. Sowohl als öffentlicher Ankläger, wie als Vollstrecker des Urtheils tritt zunächst der furchtbare Profoß in den Vordergrund der Regimentsbeamten. Er hat ebenfalls Hauptmannsrang und Sold; – in seinem Gefolge erscheint der Stockmeister nebst Steckenknechten und als unentbehrliches Requisit damaliger Zeiten Meister Freimann mit Richtschwert und rothem Mantel. War im Lager der Galgen aufgerichtet – ein Gerechtigkeitssymbol, vor dem selbst Karl der Fünfte im Vorbeireiten den Hut abzunehmen pflegte – so begann die Thätigkeit des Profoßen in strenger Beaufsichtigung der Kaufleute, Marketender, des Spielplatzes und der Lagerordnung. Ein anderes, unserer Zeit kaum verständliches Amt ist dem Manne zugetheilt, welcher als Weibel über den dem Regimente nachziehenden Weiber- und Bubentroß der Herrscherstab, oder besser gesagt, den Prügel schwingt. Auch dieser Beamte bezog Hauptmannssold und in seinem Gefolge stolzirten Fähndrich, Lieutenant und Rumormeister einher. Der altgermannische Brauch, Weib und Kind auf den Kriegszügen mitzunehmen, hatte bei den Landsknechtsheeren einen solchen Troß von Weibern und Buben erzeugt, daß nur die strengste Zucht denselben zu bändigen vermochte.

[132] Ob nun alle Ehen, wie der Artikelbrief es vorschrieb, durch den Priester oder doch vor der Trommel eingesegnet waren, wollen wir dahin gestellt sein lassen, immerhin aber beanspruchte der Landsknecht die möglichste Bequemlichkeit, und dieses Verlangen nach häuslichem Wesen und gutem Wissen hat die Unsitte des Weiber- und Bubentrosses bei den deutschen Heeren bis tief in’s siebenzehnte Jahrhundert hinein erhalten. Die Befriedigung der mannigfachen Bedürfnisse machte Heerlager und Marsch höchst schwerfällig, wenn aber Herr Sebastian Schärtlin, der Feldobrist, sein „bequemes Reißbett mit Fürhängen, der Himmel auf eine Säule gestützt“, mit in’s Feld zu nehmen für nöthig fand, so wollen wir den armen Landsknechten ihre Liebe zu häuslicher Gemüthlichkeit nicht allzu sehr verargen.

Die einzelnen Abtheilungen des Regiments hießen Fähnlein, deren jedes vierhundert Knechte zählte. Dem Fähnlein war ein Hauptmann vorgesetzt, und aus der Zahl dieser Hauptleute erwählte der Obrist seinen Stellvertreter. Dieselben waren fast immer durch größere Summen bei der Aufrichtung eines Regiments betheiligt, weshalb das Wohl und Wehe ihres Geldbeutels sowie ihrer Stellung mit dem des Feldobristen eng zusammenhing. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir die Pilsener Verschreibung der Friedländischen Officiere vom 12. Januar 1634, sowie die Auflehnung des schwedisch-deutschen Heeres gegen Oxenstjerna (20. April 1633) beurtheilen. Auch unter dem großen Kurfürsten sehen wir kurz nach seinem Regierungsantritte sich eine ähnliche Revolte mehrerer Obristen gegen den Kriegsherrn entspinnen, deren Wiederholung der umsichtige und energische Fürst durch allmähliche Errichtung eines fast nur aus Landeskindern bestehenden Heeres zuvorzukommen wußte.

Dem Hauptmann zunächst folgte der Fähndrich, eine Persönlichkeit, von deren Wesen und Benehmen gar oft die Entscheidung des Treffens abhing. Es mußte ein starker, hochgewachsener Kriegsgesell im kräftigsten Mannesalter sein, und das Fähnlein, welches, nebenbei bemerkt, seiner Diminutivbezeichnung wenig entsprach – denn es war eine gewaltige, viele Ellen Seidenzeugs enthaltende Fahne, in deren Weite sich ein Mann bequem einwickeln konnte – wurde ihm vom Obristen unter besonderer Ansprache übergeben.

„Ich befehle Euch das Fähnlein,“ pflegte er zu sagen, „damit Ihr schwöret, Leib und Leben bei demselben zu lassen, also, wenn Ihr werdet in die Hand geschossen, darinnen Ihr das Fähnlein traget, daß Ihr es in die andere Hand nehmet, oder werdet Ihr an derselben Hand geschädigt, daß Ihr das Fähnlein in’s Maul nehmet und fliegen lasset. Sofern Ihr aber von dem Feinde überrungen werdet, so sollt Ihr Euch darein wickeln und Leib und Leben drinnen lassen.“

Also lautete des Obristen Anrede, welche von den todesmuthigen Herzen ihrer vollen Bedeutung, ihrem eigentlichen Wortlaute nach aufgefaßt sein mag, denn fast keine Schlacht, kein Treffen finden wir verzeichnet, in welchem nicht einem tapferen Fähndriche auf diese Art das anvertraute Fähnlein zum Leichentuche geworden.

Die Verfassung der Landsknechte, welche Kaiser Max selbst niederschrieb und drucken ließ, war uraltem, deutschem Herkommen

Der Feldweybel.
Originalzeichnung von Adolf Neumann

entlehnt. Für beleidigte Ehre trat der Zweikampf ein, wobei aber als ehrliche Kampfeswaffe nur das kurze Landsknechtsschwert erlaubt und, im Gegensatz zur wälschen Sitte, der Stich verboten war. Prügelstrafe, Schimpfreden etc., die Auswüchse einer späteren Zeit, gab es nicht, denn der unabhängige, freie Mannessinn des Gesellen, der durch adelige Geburt oder in seinem früheren Berufe daheim durch Zunft und Bruderschaft vor Verunglimpfung geschützt war, beugte seine persönliche Freiheit und Ehre auch im Feldlager nur unter solche Gesetze, welche ihm dieselben gewährleisteten. So entstand eine Gerichtsordnung, die, in Malefizsachen allerdings vielfach auf Strafbestimmungen der Carolina (Kaiser Karl’s des Fünften Halsgerichtsordnung) fußend, doch im Uebrigen ein durchaus öffentliches Verfahren vorschrieb, bei welchem der Schultheiß unter Beistand von zwölf aus den Knechten gewählten Schöffen auf freiem Felde nach Art der Fehme die Bank spannte. Alles, was in’s bürgerliche Recht einschlug, wurde ohne Ceremonie erledigt; die Malefiz- oder peinlichen Fälle aber erforderten jene germanische Umständlichkeit, welche wir noch bis in unser Jahrhundert hinein sich bei allen Gerichts-Verhandlungen breit machen sehen. Malefizfälle wurden meistens, wenn auch auf zwiefache Art, mit dem Tode gestraft. Im ersteren Falle ward der arme Sünder dem Nachrichter übergeben, damit ihm dieser mit einem Schwerte „den Leib entzwei schlage, also, daß der Leib der größere und der Kopf der kleinere Theil sei“. Im anderen Falle trat „das Recht der langen Spieße“ ein, eine Vergünstigung, welche sich das Regiment vielfach in seinem Artikelbriefe vorbehielt und dessen letzte Reste sich als Gassen- oder Spießruthenlaufen bis zu Anfang unseres Jahrhunderts bei den deutschen Heeren erhalten haben.

Beim Recht der langen Spieße werden einundvierzig Knechte als Schöffen gewählt. Während der Verhandlung halten die Fähndriche ihr Fähnlein zusammengewickelt mit der Spitze in die Erde gestoßen; denn unbestrafter Frevel lastet auf einem der Genossen und eher nicht – so will es der strenge, heilige Brauch – dürfen dieselben wieder fliegen, als bis das Verbrechen durch den Todesspruch gesühnt ist. Ist derselbe unter Zustimmung des umstehenden Ringes gefällt, so bedanken sich die Fähndriche beim gemeinen Mann für so ehrliches Regiment, werfen ihr Fähnlein in die Höhe und ziehen gegen Sonnenaufgang dem Richtplatze zu. Nachdem hier für den armen Sünder durch drei gegenüberstehende Glieder der Knechte die Todesgasse gebildet, wird derselbe an das eine Ende derselben geführt. Den Rücken der Sonne zugekehrt und die Spitze des Fähnleins dem Verurtheilten zugewendet, stehen die Fähndriche am anderen Ende der Gasse. Auf gegebenen Trommelschlag senken sich die Spieße, der Profoß schließt den Verurtheilten aus dem Eisen, und nachdem er ihn um Verzeihung gebeten – denn, „was sie (die Schöffen) gethan, wäre wegen guten Regiments geschehen“ – stößt er ihn mit drei Schlägen auf die Schulter, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, in die todbringenden Spieße. Sobald der Gerichtete verschieden, spricht das Regiment knieend ein Gebet für ihn, umschreitet dreimal in geschlossenen Gliedern den Leichnam und zieht dann, nachdem sich der Profoß wegen „ehrlicher Führung“ bedankt, in’s Lager zurück.

[133] Ein Landsknechtsregiment bot in seiner äußeren Erscheinung eines der buntscheckigsten Bilder dieser an Farben- und Kleiderpracht ohnedies so überreichen Zeit. An gleichmäßige Bekleidung, an auch nur einigermaßen übereinstimmende Bewaffnung war nicht zu denken, es sei denn, daß in vereinzeltem Falle Nürnberg im Schweizerkriege seinen Söldnern rothe Röcke angezogen. Je nach Laune und Vermögen bewehrt und gekleidet – der Eine in Blechkappe, Brustharnisch und Eisenschurz, der Andere in eng anschließender, den ganzen Kopf einhüllender Gugel, auf der ein gewaltiges Federbarett thronte, der Dritte wieder in buntschimmerndem Wamms mit prächtig aufgebauschten Aermeln, dazu Halsberge und Panzerkragen von Stahlringen, so zogen sie in den Krieg – aber bei keinem fehlte jenes charakteristische Merkmal des Landsknechts – die gewaltige Pluderhose, welche in unendlicher Weite, oft bis zu dreißig Ellen, auf’s Knie, ja, bis zur Ferse herabfallend, die Mode damaliger Zeit so sehr beherrschte, daß selbst des wortgewandten Musculus, des brandenburgischen Hofpredigers, berühmte Predigt „gegen den Hosenteufel“ dieselbe nicht zu verbannen vermochte.

Denken wir uns zu dieser Tracht die wilden, sonnenverbrannten Gesichter von verschiedenartig zugestutzten Bärten umrahmt; denken wir uns jene Riesengestalten bewehrt mit langem Spieße, mit Hellebarde von absonderlichster Form oder gewaltigem, zweihändigem Schlachtschwerte, mit Knebelspieß, mit Fausthammer oder Hakenbüchse, die schwere Pulverflasche an der Hüfte und im Gefechte die Kugeln im Munde führend, Alle aber das kurze, breite Landsknechtsschwert quer vor den Leib geschnallt – denken wir uns 10,000 solcher Gesellen, und wir sehen jenes unüberwindliche Fußvolk vor uns, mit welchem Karl der Fünfte nicht nur die Christenheit im Zaume hielt, sondern auch in Ungarn und Tunis die Ungläubigen schlug, jenes Fußvolk, aus welchem nach vielerlei Umformung die Infanterie aller modernen Völker hervorgegangen ist. An seiner Spitze marschirte der Obrist auf geharnischtem, prächtig geschmücktem Rosse, umsprungen von riesenhaften, phantastisch aufgeputzten Trabanten; ihm folgten die mit goldener Beutekette, mit absonderlich stattlichem Wamms angethanen Fähndriche, die buntschillernde Fahne schwingend, und nun schloß sich das Spiel an: Trommler und Pfeifer, Ersterer auf seinem einer Tonne an Größe wenig nachstehenden Instrumente jenen Sturmmarsch schlagend, welcher, durch fünf Schläge in drei Schritte eingetheilt und vom Landsknechtshumor durch den uralten, artigen Trommelreim. „Hüt’ Dich, Bau’r, ich komm!“ interpretirt wird – hinterdrein aber ergoß sich der in regellosem Behagen singend und fluchend daherziehende „helle Haufen“, des mit seinem Blutgefolge finster einherreitenden Profoßen wenig achtend; den Schluß bildete endlich der unübersehbare Schweif von Weibern und Buben unter ihrem grotesk aufgeputzten Weibel, umkläfft von ganzen Rudeln bissiger Hunde.

Dem zierlichen Geschmacke des Franzosen scheint der phantastisch daherschreitende Landsknecht nicht besonders zugesagt zu haben; denn ein französischer Schriftsteller, Grollier, schreibt in seiner „Erstürmung Roms“ von ihnen, „daß ihr Barett seiner Größe wegen mit dem Kopfe schlecht harmonire, daß ihre Hosen zu bauschig, die Schuhe zu weit, noch weiter aber ihre Harnische

Der Profoß.
Originalzeichnung von Adolf Neumann

seien, sodaß in Beschuhung und Kleidern bei diesem Volke nichts vorhanden, was die Augen des Zuschauers erfreuen könne.“

Die reiche Beute an Kirchengewändern, an Geschmeide, Sammet und Seide, welche den Landsknechten bei der Einnahme Roms 1527 zu Theil wurde, mochte die übermüthigen Gesellen allerdings zu noch abenteuerlicherem Aufputze verleitet haben. Trugen sie doch die erbeuteten Gemmen, fast unschätzbare Kleinodien, in die struppigen Bärte geknüpft, und bei den Worten des Bußpredigers von Siena: „Liebe Gesellen, raubet und nehmet Alles, Ihr müßt doch Alles wieder ausspeien; denn Pfaffengut und Kriegsgut gehet wieder hin, als her“ – erschien es ihnen jedenfalls ergötzlicher, sich mit der gewonnenen Beute zu schmücken, als dieselbe zu verwerthen.

Wie toll es während dieser Tage in Rom zugegangen, schildert uns Reißner, Frundsberg’s Biograph, auf das Anschaulichste. Processionen aller Art durchzogen die Straßen, aber Landsknechte in Cardinalsgewänder gehüllt und auf Maulthieren reitend waren es, welche den hohen Clerus vertraten. Eine päpstliche Tiara auf dem buschigen Haupte, in vollem Pontifer-Ornate ritt Sandizl, ein Doppelsöldner aus oberdeutschem Adel, mit seinem Gefolge toller, als Cardinäle und Bischöfe verkleideter Landsknechte zur Engelsburg, in welche sich Papst Clemens geflüchtet. Dort brachte er Letzterem unter parodirendem Segensspruche einen Trunk aus; sein Gefolge warf sich nieder, that ihm trinkend Bescheid und schrie, sie wollten von jetz auf Päpste und Cardinäle machen, welche dem Kaiser gehorsam seien und nicht, wie die früheren, gegen das Gebot des Evangeliums Unfrieden und Blutvergießen angestiftet. Nachdem hierauf Sandizl Luther als echten Papst ausgerufen und sein groteskes Gefolge durch Aufheben der Hände und den Jubelruf: „Luther Papst! Luther Papst!“ die Wahl bestätigt, zog die ganze Clerisei johlend weiter.

So sehr dieses wilde Gebahren unsere gesittete Zeit auch anwidern mag, immerhin dürfen wir dabei nicht vergessen, daß Papst Clemens den Landsknechten nicht nur als leibhaftiger Antichrist, sondern auch als eigentlicher Anstifter des Krieges galt. Zudem war der Sold monatelang ausgeblieben und das halb verhungerte Kriegsvolk von seinen Führern ausdrücklich auf die Plünderung Roms vertröstet worden. Und gerade bei dieser Plünderung bewährt sich deutsche Manneszucht auf das Glänzendste und trägt über Beutelust den Sieg davon; denn während Spanier und Italiener von vornherein plündern, halten die Deutschen ihre Reihen bis zur gänzlichen Sicherung der eroberten Stadttheile fest geschlossen. Aber auch das deutsche Gemüth, Mitleid und Erbarmen gegen wehrlose Frauen, ist den hartgesottenen Kriegsgesellen nicht ganz abhanden gekommen; denn wenn die Wälschen und Spanier kein Erbarmen, keine Schonung gekannt in ihren viehischen Begierden, so begnügen sich die vielgelästerten deutschen Barbaren mit Essen und Trinken und einem Stück Lösegelde, das, bescheiden genug, zum öftern in einem Stück Seide besteht, welches ihnen eine womöglich noch stattlichere Pluderhose verspricht.

Immerhin also mögen wir diese so gern zur Schau getragene Prunksucht anderer guten Eigenschaften halber ebenso übersehen, wie sie schon Kaiser Max bei einer über die Kleiderpracht seiner Heergesellen eingelaufenen Klage den Hofleuten gegenüber entschuldigt: „Ach, was närrischer Bekümmerniß ist das? Gönnt [134] ihnen für ihr unselig und kümmerlich Leben, dessen Endschaft sie stündlich gewärtig sein müssen, ein wenig Freud und Ergötzlichkeit! Sie müssen oftmals, wenn Ihr dahinter stehet, davornen die Köpfe zerstoßen. Es ist der Speck auf der Falle, darmit man solche Mäuse fängt. Seid zufrieden und lasset sie machen! Wenn diese Hoffart aufspringt, wagen sie gemeiniglich all ihr Gut, und es währet nit, denn von der Vesper, bis die Hühner aufliegen.“ –

Nicht immer aber werden die Landsknechte wohl so prunkhaft einhergezogen sein, und schlechtes Wetter, ausbleibender Sold, sowie Eilmärsche über die unwegsamen Alpen ließen sie oft mit zerrissenen Schuhen die lombardische Ebene betreten. Aber mochten sie noch so abgerissen und zerlumpt, noch so hungrig sein – sie hatten Löwenmuth im Herzen, sodaß Frundsberg dem Venetianer Alviano auf dessen Spott ebenso derb wie zuversichtlich erwidern konnte: „Ich hab’ nackte Knaben, wenn aber jeder einen Pokal Wein im Busen hat, so sind sie mir lieber denn die Venediger, die Harnisch tragen bis auf die Füße.“ –

Von allen Kriegsobristen damaliger Zeit ist Frundsberg vielleicht der einzige, welcher von dem Prunke seines Standes wenig oder gar nichts zur Schau trug. Sein uns von Holbein dem Jüngeren hinterlassenes Portrait stellt ihn in einfacher Kriegsrüstung, die Hellebarde auf der Schulter, dar; auf Märschen ritt er statt des ausgeschmückten Hengstes ein Maulthier; in der Schlacht aber ritt er stets zu Fuß im ersten Gliede der gevierten Ordnung, und bei Pavia sehen wir den Alten die Landsknechte in einer befremdlichen Vermummung zum entscheidenden Angriffe führen. Im Gegensatze zu den von Goldstücken, von Sammet und Seide starrenden Harnischscapulieren der französischen, wie spanischen Ritterschaft wirft er eine Franziskanerkutte über den Harnisch und kämpft in ihr die Schlacht durch. Uns möchte dies, namentlich bei einem so geschworenen Gegner römischer Pfaffen, wie Frundsberg war, lediglich als Verspottung der Mönchsorden erscheinen. Zu jener Zeit aber galt das geistliche Gewand (Luther selbst legte bekanntlich erst gegen Ende des Jahres 1524 die Augustinerkutte ab) noch als das würdigste Kleid des gottesfürchtigen, zum Tode bereiten Mannes. Wenn Frundsberg in der Tracht einer gottgeweihten Brüderschaft auf dem Schlachtfelde fiel, so versöhnte er, nach dem Glauben der Zeit, den Himmel mit seinem blutigen Handwerke.

Die Musterung der geworbenen Knechte geschah durch einen vom Kriegsfürsten bestellten Musterherrn und zwar derart, daß jeder Angeworbene eine Art Pforte, welche, wie bei dem römischen Joche, aus drei Spießen gebildet war, in voller Kriegsrüstung vor dem Musterherrn passiren mußte. Nach Güte und Art der Bewaffnung ergab sich dann der Sold, der bei vorzüglich Geharnischten, sowie bei den mit Hakenbüchse, Kraut und Loth versehenen Schützen auf Doppelsold stieg. Der einfachste Sold des Landsknechts ward von Max auf dem Kostnitzer Reichstage 1507 zu vier Gulden rheinisch monatlich festgestellt. Diese für die damalige Zeit beträchtliche Löhnung erhielt sich auch bei den Heeren Wallenstein’s, wobei Letzterer aber schon begann, durch die auf seinen Besitzungen fabrikmäßig betriebene Herstellung von dauerhaften Strümpfen und Schuhen, wie auch Harnischen für ausreichende Bekleidung und Bewaffnung seiner Truppen zu sorgen. Wir vermögen nicht anzugeben, ob diese Uranfänge einer Uniform den Knechten gratis verabfolgt oder in ihren Sold eingerechnet wurden, bei der knappen Sparsamkeit aber, welche der reichste Mann des damaligen Europa trotz fürstlicher Hofhaltung und vielfacher eben so verschwenderischer Geschenke in seiner musterhaften Verwaltung eingeführt, glauben wir das Letztere voraussetzen zu dürfen.

Die Schlachtordnung der Landsknechte bestand aus großen, fest in einander geschlossenen Haufen. Im Dreißigjährigen Kriege Tertien genannt, wirkten sie hauptsächlich durch die Wucht des Nachschubs, sodaß der durch das Loos gewählte voranstürmende „verlorene Haufen“, von dem im Sturmschritt nachfolgenden „hellen Haufen“ unaufhaltsam gegen die feindliche Schlachtordnung getrieben, meistens in der That verloren war. Die „gevierte Ordnung“ der deutschen Landsknechte galt, gleich der macedonischen Phalanx, für unüberwindlich.

Nachdem sie sich vor Beginn des Treffens zum Gebete niedergeworfen, auch wohl eines der neuen Kirchenlieder angestimmt, schütteln sie ausstehend alsbald nach alter Sitte den Staub von Wamms und Schuhen und senken die Spieße. Im ersten Gliede schreitet an heißen Tagen der Feldobrist selbst, das zweihändige Schwert führend, neben ihm die Hauptleute des Regiments. Da sehen wir den „Vater der frommen Landsknechte“, Herrn Georg Frundsberg, seinen Kindern tapfer vorankämpfen. Er ist ein riesenstarker Mann von gewaltigem Leibe, der ein Roß in vollem Laufe aufzuhalten vermag – bei jedem Streiche holt er tiefaufseufzend Athem, aber jeder Streich erlegt einen Gegner, und nicht selten ist er es, welcher den Nachdrängenden mit Schwert oder Hellebarde die erste Lücke in die feindliche Ordnung erschließt.

„Her! her!“ war der Schlachtruf, mit dem die Landsknechte auf den Gegner eindrangen, ein eigentliches Feldgeschrei aber blieb ihnen unbekannt, immer jedoch mag dieses wild über Pavias Schlachtfeld dahinbrausende „her! her!“ Franz dem Ersten und seiner in bunter Pracht strahlenden Ritterschaft noch lange hernach in den Ohren gegellt haben. Herausforderungen und Zweikämpfe vor der Fronte waren an der Tagesordnung, und wie einen Helden Homer’s sehen wir, das Haupt mit Kränzen geschmückt, in der Schlacht bei Ravenna Herrn Fabian von Schlabrendorf, den riesigsten Mann seiner Zeit, vor die Front treten, einzelne Spanier zum Zweikampfe herausfordern und seinen Gegner alsbald erlegen.

Die Blüthezeit der Landsknechte fällt zugleich in die Glanzepoche der Meistersinger, jener behäbigen Poeten, welche, wenn auch in zünftiger, nach strengen Gesetzen der Tabulatur geordneter Form, die ritterliche Dichtkunst der Hohenstaufen in die schirmenden Mauern ihrer Städte gerettet. Wenn es daher bei den Landsknechten an tollen Schwänken und fröhlichen Liedern nicht gefehlt, wenn sich sogar eine eigene Landsknechtspoesie ausgebildet, so kann uns das bei dem Vorleben dieser kriegerischen Poeten nicht Wunder nehmen. Da sie zumeist dem Stande entsprungen waren, in welchem die Muse eine sorgfältige, wenn auch zünftige Pflege fand, so gestaltete sich jede Begebenheit dieses an wechselvollen Abenteuern so überreichen Zeitalters in dem Munde der lebensfrohen Gesellen zu einem frischen Liede.

Jedes Ereigniß, sei es nun, daß „Franz von Sickingen, das edel Blut, der hat viel Landsknecht gut“, in seiner Burg Ranstuhl (Landstuhl) ein so tragisches Ende gefunden, oder König Franz bei Pavia geschlagen und gefangen, sei es die Hinrichtung Sebastian Vogelberger’s, der schmalkaldische Krieg, das Loos des sächsischen Kurfürsten oder die Gefangenhaltung Philipp’s von Hessen – alles wird in theils derbem, theils zierlichem Reime wiedererzählt.

Daß die religiösen Kämpfe in der Landsknechtsmuse eine so große Rolle spielen, wird durch die Zeitverhälnisse bedingt. Den früheren Söldnerbanden klebte vielfach der Begriff des Verächtlichen an, jetzt aber verlieh die Idee der religiösen Nothwehr, das Bewußtsein, um geistige Freiheit zu streiten, dem Kriegshandwerke die Bedeutung eines christlich erlaubten Standes. Luther selbst lehrte, „in welchem Sinne fromme Kriegsleute streiten sollten“, und wenn die Benennung „fromme Landsknechte“ vielleicht anfänglich auch nur in der Bedeutung des lateinischen „virtus“, wie Barthold annimmt, aufgefaßt sein mag – zur Zeit der Reformation und in deren Folgezeit ist diese eigenthümliche Bezeichnung sicher nur im evangelischen Sinne Luther’s gebraucht worden.

Das kraftvolle: „Ein veste Burg ist unser Gott“ des großen Reformators, dessen bildliche Sprache lediglich dem Kriegswesen entlehnt ist, fand in den Herzen der Landsknechte lebendigen Wiederhall, und ironisch genug behandelt „Peter Stubensol, viel guter Gesellen kennen ihn wohl“, den Statthalter Christi:

„Der Papst thut so die Schäflein weiden:
Er nennt sich der allerheiligst Mann,
Und hebt doch bei den Christen an
Sie helfen morden, wie ich sag –
Ist das nit jämmerliche Klag?“

Auch auf den bekannten Dr. Eck ist der Straßburger Poet nicht gut zu sprechen:

„Man sagt, man bedürf’ keiner Kriegsleut’ mehr;
Denn Doctor Eck mit seiner Lehr
Hab in den ‚Dekretorum‘ funden,
Man mög zu aller Zeit und Stunden
Hauptleut und Obersten entbehren;
Er will sonst in der Bibel lehren,
Wie sie die Ordnung sollen schließen – –
Er ist auch ein blutgierig Mann
Auf alte Gulden, die han viel Gran.“

[135] Gerne preist der Landsknecht die Vorzüge seines Standes. „Des Knaben Wunderhorn“ hat uns ein derartiges Lied aufbewahrt, von welchem wir die bezeichnendste Strophe wiedergeben:

„Beim Bauern muß ich dreschen
Und essen saure Milch.
Belm König trag ich volle Fleschen (Flaschen),
Beim Bauern groben Zwilch.
Beim König tret ich ganz tapfer ins Feld,
Zieh daher als ein freier Held,
Zerhauen und zerschnitten (in geschlitzter Tracht).“

Leider sind uns von den meisten Liedern nur Bruchstücke, vielfach auch nur die Angaben des „Tones“ , das heißt der Melodie, nach welcher sie gesungen wurden, überkommen.

Selbst der wackere Frundsberg dichtet nach der Schlacht von Pavia, dem Ehrentage seines ruhmreichen Lebens, ein Liedlein, welches er sich auf seinem Schlosse Mindelheim vierstimmig mit Instrumenten vortragen läßt, dessen letzter Vers aber zur Genüge zeigt, wie man die Verdienste des alternden Helden belohnt:

„Kein Dank noch Lohn
Davon ich bring’,
Man wiegt mich ring (gering)
Und ist mein gar
Vergessen; zwar
Groß Noth und G’fahr
Ich bestanden hau,
Was Freude soll ich haben
     dran?“

Ob das schöne Soldatenlied:

„Kein sel’ger Tod ist in der
     Welt,
Als wer vor’m Feind erschlagen
Auf grüner Haid’, im freien
     Feld
Darf nit hören groß Weh-
     klagen!“

dieser oder einer späteren Zeit entsprungen vermögen wir nicht anzugeben.

Die Namen der Obristen und Hauptleute, welche Kaiser Max bei seiner Schöpfung unterstützt, sind uns zumeist verloren gegangen. Der Franzose Brantome hält es für eine Schande, viel von Ihnen zu schreiben, „weil so viele Geschichten von ihnen reden“. – Franz von

Der Fähndrich.
Originalzeichnung von Adolf Neumann

Sickingen, der sowohl für die deutsche, wie auch für die französische Krone oft Landsknechte anwarb, darf doch den eigentlichen Landsknechtsführern nicht zugerechnet werden; denn als kleiner Dynast führte er sowohl die Fehde gegen Worms, wie auch gegen Trier, Hessen und Pfalz auf eigene Faust und Rechnung. Frundsberg dagegen Schärtlin, Conrad von Bemelberg, seiner hessischen Abstammung halber „der kleine Heß“ genannt, Sebastian Vogelberger sowie die Gebrüder Jacob und Ma Sittich von Ems können als Urbilder echter Landsknechtsobristen gelten. Des tapfern Claus Seidensticker’s, Hauptmanns und Profoßen, erwähnen wir deshalb, weil er der Urahne des durch seine vortrefflichen Lehrbücher verschiedener Sprachen in dem Gedächtnisse vieler Leser gewiß fortlebenden Philologen Seidensticker ist. Bei der Erstürmung Roms war er der Erste, welcher die Mauer erstieg.

Sowohl der Hang zu Abenteuern und gutem Solde wie das verderbliche Werbesystem hat das Landsknechtswesen Jahrhunderte lang fortwuchern lassen. Streng genommen, erhielt es sich in seinen Resten noch bis auf unsere Zeit; denn noch vor wenigen Jahren sahen wir manch deutschen Gesellen, dem außer persönlicher Tapferkeit allerdings nur wenig Gutes nachzurühmen sein mochte, sich auf fremden Schlachtfeldern verbluten. Die Schweizerlegion des Krimkrieges und die berüchtigte Fremdenlegion Algiers enthielten verhältnißmäßig ebenso viel deutsches Element, wie die nordamerikanischen Heere während des großen Bürgerkrieges. Wir sind weit davon entfernt, letztere Streiter mit den gewöhnlichen Soldknechten der Schweizer und der Fremdenlegion vergleichen zu wollen, können jedoch nur wünschen, daß die Volkskraft in Zukunft dem heimathlichen Boden erhalten bleiben und die auch jenseits des Oceans erprobte deutsche Kriegstüchtigkeit sich nur zum Schirm und Schutz des eigenen Vaterlandes bewähren möge.