Die Bedeutung der Landwirtschaft im Wirtschaftsleben der Nation und die staatlichen Mittel zu ihrer Förderung

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Autor: Hugo Thiel
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Titel: Die Bedeutung der Landwirtschaft im Wirtschaftsleben der Nation und die staatlichen Mittel zu ihrer Förderung
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Zweiter Band: Die Aufgaben der Politik, Zwölftes Hauptstück: Urproduktion und Gewerbebetriebe, 57. Abschnitt, S. 357−362
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[357]
Zwölftes Hauptstück.


Urproduktion und Gewerbebetriebe.




57. Abschnitt.


Die Bedeutung der Landwirtschaft im Wirtschaftsleben der Nation und die staatlichen Mittel zu ihrer Förderung.
Von
Exzellenz Wirkl. Geh. Rat Dr. Hugo Thiel,
Ministerialdirektor a. D. Berlin.


Der landwirtschaftliche Betrieb, diesen Begriff im weitesten Sinne genommen, bildete im Anfange der Kultur das Wirtschaftsleben überhaupt, aus ihm hat sich durch Abspaltung erst alle gewerbliche und sonstige Kulturtätigkeit entwickelt, wenn man nicht dem Bergbau eine Sonderstellung zuschreiben und ihn mit der Landwirtschaft ab die Urproduktion bezeichnen will. Auch heute noch behauptet neben einer hochentwickelten Industrie die Landwirtschaft dem Werte und der Bedeutung ihrer Produkte nach eine mindestens gleichberechtigte Stellung. Dies zahlenmässig nachzuweisen bietet die grössten Schwierigkeiten, da schon bei der Landwirtschaft ein bedeutender Veredlungs-Verkehr stattfindet und es nicht ganz leicht ist, Doppelberechnungen zu vermeiden. Ein grosser Teil der landwirtschaftlichen Produkte wird nicht direkt verwertet, sondern als Futter zur Erzeugung tierischer Produkte verwendet, von deren Wertschätzung man also alle Futterwerte abziehen muss, wenn man den Gesamtwert der landwirtschaftlichen Erzeugnisse inkl. von Fleisch, Milch, Wolle etc. schätzen will. Noch viel verwickelter werden diese Berechnungen bei der Industrie, wo auf jeder höhern Stufe der Verarbeitung, was vorher Produkt war, wieder als Rohmaterial auftritt. Man ist daher hier um so mehr auf Schätzungen angewiesen, als die Statistik, die sich nur vereinzelt auf Zahl und Produktion industrieller Anlagen erstreckt, hier ziemlich im Stiche lässt. Eine der zuverlässigsten Arbeiten auf diesem Gebiet, welche der Wirkl. Geh. Ob. Rg.-Rat Dr. Traugott Müller, gelegentlich der Pariser Weltausstellung für den Katalog der deutschen Abteilung [358] geschrieben und unter dem Titel Industriestaat oder Agrarstaat im Jahrgang 1902 des Mentzel u. Lengerke’schen landwirtschaftlichen Kalenders noch einmal veröffentlicht hat, kommt nach eingehenden Erwägungen zu dem Schlussergebnis, dass in Deutschland, trotzdem sich die landwirtschaftliche Bevölkerung ständig gegenüber dem übrigen Teile der Bevölkerung vermindert, und schon jetzt in die Minorität gedrängt ist, der Gesamtwert der landwirtschaftlichen Produktion, wozu er auch die forstwirtschaftliche rechnet, dem Gesamtwert der industriellen Produktion mit ca. 8 Milliarden Mark noch gleichsteht, wie er denn auch für die Landwirtschaft berechnet, dass sie an dem zu ca. 150 Milliarden geschätzten Gesamtnationalvermögen zur Hälfte beteiligt sei. Mit diesen Zahlen, die auch jetzt noch trotz der starken Steigerung der beiderseitigen absoluten Zahlen für das Verhältnis der betreffenden Werte zueinander zutreffend sein dürften, ist aber die Bedeutung der Landwirtschaft im Wirtschaftsleben nicht erschöpft, selbst wenn sie ungünstiger für die Landwirtschaft ständen, bliebe die grundlegende Wichtigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes für die nationale Existenz ungeschwächt bestehen. Denn die Sicherheit der Selbständigkeit einer Kation beruht zu einem grossen Teile darauf, dass ihre Landwirtschaft einen möglichst grossen Anteil der für die Gesamtbevölkerung erforderlichen Nahrungsmittel selbst produziert und damit die Unabhängigkeit vom Auslande gewährleistet. In Deutschland ist die Lage augenblicklich so, dass es nur einer verhältnismässig geringen Steigerung der Ernte der Hauptfrüchte pro Hekt. bedürfte, um das ganze Inlandsbedürfnis nicht nur an Nahrungsmitteln sondern auch für die vielfachen anderen Verwendungszwecke landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu decken, und auch bei steigender Bevölkerung könnte dies Ziel noch längere Jahre erreicht werden, wenn der gesamte Grund und Boden entsprechend intensiv benutzt würde. Man kann auch nicht einwenden, dass solch eine intensive Benutzung nur mit bedeutend erhöhten Betriebskosten möglich sein werde und dass das Gesetz des sinkenden Reinertrags in Wirksamkeit treten und den ganzen Nutzen aufzehren werde. Abgesehen davon, dass der politische Wert der Unabhängigkeit vom Auslande die aufzuwendenden Mehrkosten wenigstens teilweise kompensieren könnte, liegt auch die Wirksamkeit des genannten Gesetzes noch in weiter Ferne solange wie wir in der Lage sind, Mehrerträge in bedeutendem Masse nicht durch Erhöhung des Betriebsaufwands sondern nur durch eine rationellere Kultur d. h. durch eine bessere Ausnutzung der Naturkräfte herbeizuführen. Und selbst wenn wir für besseres Saatgut und stärkere Anwendung von künstlichem Dünger sowie für intensivere Unkrautvertilgung vermehrte Mittel aufwenden, so werden diese Mehraufwendungen noch weithin den Reinertrag nur günstig beeinflussen, da alle übrigen Wirtschaftsausgaben für Verzinsung des Anlagekapitals und Inventars, Bestellung und Ernte ziemlich dieselben bleiben bei gutem wie bei schlechten Ernten. Wenn z. B. in den höchst intensiv betriebenen Zuckerrübenwirtschaften der Provinz Sachsen die Ausgaben für künstlichen Dünger nur ca. 7% der Gesamtausgaben betragen so wird man nicht behaupten können, dass die vermehrte Anwendung dieses Hauptförderungsmittels besserer Ernten in den Wirtschaften – und das dürfte die Mehrzahl sein –, in welchen hiervon jetzt nur ein sehr geringer oder gar kein Gebrauch gemacht wird, auf den Reinertrag einen ungünstigen Einfluss ausüben werde. Rechnet man noch hinzu, dass die Sicherheit der Ernten mit der intensiven Kultur steigt, so liegt das allgemeine Interesse auf der Hand, welches der Staat an der Hebung des landwirtschaftlichen Betriebes haben muss. Die Schwankungen der Werte der Gesamternten belaufen sich jetzt in Deutschland auf Milliarden, ein Mehrertrag pro Hekt. von nur 1 M. macht im ganzen schon ca. ½ Milliarde aus und erhöht entsprechend die Kaufkraft der landw. Bevölkerung, was in der Hauptsache der Industrie zugute kommt, man sollte also annehmen dass für jede Regierung keine dringlichere Aufgabe vorliege als mit allen Mitteln auf die Förderung des landw. Betriebes einzuwirken. Das ist nun eigentümlicherweise nicht der Fall gewesen, man hat im Gegenteil die Landwirtschaft lange Jahre sich selbst überlassen und die staatliche Fürsorge wesentlich dem Handel und der Industrie zugewandt. Als Zeugnis hierfür kann man u. a. auch die Preussische Nationalhymne anführen, in welcher die Hebung von Handel und Wissenschaft dem Regenten als Ruhm angerechnet wird, von der Landwirtschaft aber gar nicht die Rede ist, obgleich sie einer besonderen Förderung viel mehr bedarf, da sie von dem Stachel der Konkurrenz längst nicht in dem Masse berührt wird, wie die Industrie und daher viel eher geneigt ist auf einem bequemeren Beharrungszustand [359] zu verbleiben. Bei der beliebigen Ausdehnungsfähigkeit der Industrie kann jeder Fabrikant seinen Konkurrenten zwingen, sein Geschäft aufzugeben oder ihm in Qualität und Preis des Fabrikats gleich zu bleiben, in der Landwirtschaft kann der indolenteste Bauer unbeeinflusst neben dem intelligentesten Gutsbesitzer bestehen, wenn er nur notdürftig seinen Lebensunterhalt gewinnt, da der Gutsbesitzer seinen Betrieb, der an die Fläche gebunden ist, nicht so vergrössern kann, um den Nachbarn den Markt zu nehmen. Hierin liegt ja ein gewisser Vorzug der Landwirtschaft vor dem gewerblichen Leben, es hat für die gesamte Nation und ihre Gesundheit immerhin eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, wenn ein Teil der Bevölkerung eine ruhigere Existenz hat als sie den meisten im scharfen Konkurrenzkampfe stehenden Gewerbetreibenden möglich ist, allein die Gesamtproduktion der Landwirtschaft wird doch recht ungünstig beeinflusst, wenn in einem Lande wie Deutschland, welches wesentlich doch landwirtschaftlich betrachtet ein Bauernland ist, die alte Redensart noch zuviel Geltung hat: Wenn der Bauer nicht muss, regt er weder Hand noch Fuss. Die geringere Berücksichtigung der Landwirtschaft mag ihren Grund darin gehabt haben, dass man in den Zeiten, in welchen Deutschland noch ganz vorwiegend Agrarstaat war, eine Förderung der Industrie für notwendiger erachtete, weil man von derselben eine raschere Vermehrung des Nationalwohlstandes erwartete, für die Landwirtschaft glaubte man genug zu tun, wenn man sie von allen Fesseln persönlicher und dinglicher Natur befreite und es dem erleuchteten Selbstinteresse überliess, für sich zu sorgen. Wer wollte auch die grossartigen Fortschritte verkennen, welche die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Erbuntertänigkeit, die Regelung der gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse, die Ablösung der Reallasten und Servitute, die Zusammenlegung der Grundstücke und die Aufteilung der Gemeinheiten und ähnliche Massregeln herbeigeführt haben; es sind aber doch gelinde Zweifel berechtigt ob man nicht im Vertrauen auf die eigene Einsicht der so von vielen Fesseln befreiten Landwirte oder aus nicht durchweg richtigen wirtschaftlichen Anschauungen stellenweise zu weit gegangen oder andererseits erhebliche Unterlassungen begangen hat. Wenn z. B. die berühmte Preussische Agrargesetzgebung bei der Aufhebung aller Verkaufs- und Verschuldungsbeschränkungen davon ausging, dass nun jedermann diese Freiheit benutzen werde, um seinen Besitz so durch Abverkauf einzelner Parzellen schuldenfrei zu stellen, so ist dieser fromme Glaube sehr getäuscht worden, ebenso wie die Freigebung der Bewirtschaftung des Waldes vielfach zu schlimmen Waldverwüstungen geführt hat. Desgl. hat die Aufteilung der gemeinen Weiden, die diktiert wurde von der Ansicht, dass nur die Stallfütterung wegen der vermehrten Mistproduktion rationell sei, zwar die mit ihr verbundene an und für sich sehr nützliche Zusammenlegung der Grundstücke sehr erleichtert aber der Viehzucht ganz erheblichen Schaden zugefügt und die Viehhaltung der kleinen Leute fast unmöglich gemacht, zumal da, wo auch noch alle sonstigen Weideberechtigungen in der Forst etc. aufgehoben wurden. Ein ganz besonderer Übelstand, der sich gerade in unserer Zeit fühlbar macht, ist ausserdem noch dadurch entstanden dass man bei der Regulierung der gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse wegen des Widerstandes des Grossgrundbesitzes die Instleute besitzlos liess und damit den Grund zu den heutigen unerfreulichen Verhältnissen der besitzlosen Arbeiter und damit ihrer Abwanderung in die Industrie legte. Es ist auch zweifelhaft ob man bei der besonderen Eigentümlichkeit des Grundbesitzes richtig gehandelt hat ihn im allgemeinen wie das mobile Kapital und den städtischen Besitz in bezug auf Verschuldung und Vererbung zu behandeln. Wenn man glaubte, die Freiheit werde schon allein genügen um gesunde Verhältnisse herbeizuführen, die minder tüchtigen Elemente auszumerzen und die Güter den Weg zum besten Wirt finden zu lassen, so übersah man, dass diese Wirkung zwar schliesslich eintreten werde, aber doch sehr langer Zeit bedürfe und inzwischen eine für die Gesamtproduktion sehr unheilvolle Devastation der in den Händen untüchtiger oder von Schulden erdrückter Wirte befindlichen Wirtschaften stattfinden müsse. Der Gedanke, dass der Landwirt seine wichtige Rolle im Staatsleben eigentlich nur vollständig ausfüllen könne, wenn er als freier Mann auf freier Scholle sitze, ist allmählich aus dem Bewusstsein der Mehrheit verschwunden, Schulden zu haben oder, wie man das schöner ausdrückt, die Segnungen der Kreditbenutzung sich zugute kommen zu lassen, gelten als der natürliche Zustand, der den Grundbesitz nur als Kreditbasis auffasst. Die Landschaften die ursprünglich Entschuldungszwecken dienen sollten, haben durch Erleichterung der [360] Abhebung der Amortisationsquoten zu dauernder Verschuldung geführt; unser fein ausgearbeitetes Hypothekenrecht erleichtert die Aufnahme oder die Entstehung von Verschuldungen in einer Höhe, dass sie niemals gelöscht werden können, und ein den Verhältnissen des Grundbesitzes nicht genügend angepasstes Erbrecht zwingt in allen Fällen, wo ein nicht bevorrechteter Anerbe den väterlichen Besitz übernimmt, denselben in eine mit jedem Erbfall immer verderblichere Schuldknechtschaft. Wenn man diese Ansichten teilt so sind die staatlichen Mittel zur Förderung der Landwirtschaft leicht zu finden. Viele werden geneigt sein, hierbei in erster Linie an staatliche Schutzzölle für landw. Produkte zu denken. Es ist aber zu bezweifeln, ob sie auf die Dauer, wenn sie wenigstens über ein bescheidenes Mass hinausgehen der Landwirtschaft nützen werden. Denn es ist nicht zu vermeiden, dass sie die Tendenz haben die Güterpreise in die Höhe zu treiben und dass die späteren Erwerber dann unter erhöhter Zinslast zu leiden haben werden. In der Tat ist in den letzten Jahren schon ein recht bedenkliches Ansteigen der Güterpreise konstatiert worden. Was seinerzeit ganz berechtigt war um ein Überfluten der heimischen Landwirtschaft mit billigen Produkten des Auslandes zu verhüten kann daher seinerzeit um so eher zu Katastrophen führen wenn in einem Lande des allgemeinen Stimmrechts die landw. Bevölkerung immer mehr in die Minorität gelangt ist und die Industrie sich stark genug fühlt ihr Schutzzölle auch ohne Unterstützung der landw. Bevölkerung aufrecht zu erhalten und die landwirtschaftlichen Schutzzölle zu Fall zu bringen. Von dauerndem Einfluss werden in erster Linie Massregeln der Gesetzgebung und Verwaltung sein, welche dem Wesen der Landwirtschaft mehr gerecht werden als viele der jetzt geltenden, welche deutlich zeigen, dass die Politik, welche durch städtische Einflüsse und die in den Städten erscheinenden Zeitungen stark beeinflusst wird, die spezifisch landwirtschaftlichen Bedürfnisse nicht genügend gekannt und gewürdigt hat. Dies tritt am meisten in dem geltenden Erbrecht zutage, welches noch viel schädlicher gewirkt haben würde, wenn sich nicht namentlich die Bauern durch zähes Festhalten an alten Erbsitten gegen solche Einflüsse gewehrt hätten. Wo die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Erbfolge in den ungeteilten Besitz als die zweckmässigste erscheinen lassen, muss notwendig eine bedeutende Bevorzugung des Erbübernehmers gesetzlich statuiert werden, wenn man eine unheilbare Verschuldung verhindern will, eine Teilung der Grundstücke unter alle Erben in gleichen Portionen ist nur da unschädlich, wo geschlossene Höfe nicht existieren, Parzellenbesitz vorherrscht und der Entstehung von Zweigwirtschaften dadurch vorgebeugt ist, dass der Bevölkerung noch andere Arbeits- und Verdienstquellen reichlich zu Gebote stehen. Hand in Hand mit einem geeigneten Erbrecht muss eine energische Inangriffnahme der Entschuldung gehen. Dieselbe ist bei nicht sehr überschuldetem Besitz durch Eröffnung billiger Kreditquellen in staatlichen Instituten dadurch möglich, dass die Zinsquote, die gegenüber dem höheren Zinssatz für Nachhypotheken durch den billigen Institutskredit erspart wird, zur Amortisation verwendet werden kann. Bis jetzt haben die hierhin gehenden Versuche noch keine grossen Erfolge gehabt, denn da mit einer solchen Aktion, wenn sie dauernden Erfolg haben soll, notwendig die Eintragung einer Verschuldungsbeschränkung verbunden sein muss und eine solche Verschuldungsgrenze die Verkaufsmöglichkeit und damit den Verkaufswert der betr. Güter drückt, so ist eine solche Massregel bei den Landwirten, die ihre Güter als Spekulationsobjekt und nicht als dauernden Familienbesitz betrachten, nicht sehr beliebt; und doch können nur Eigentumsbeschränkungen dieser und ähnlicher Art der Landwirtschaft dauernd helfen, indem sie das Problem der Lösung näher bringen die Renten zu erhöhen und die Gutspreise niedrig zu halten. Solche Beschränkungen des Realkredits könnten auch schädlich wirken, wenn daneben nicht ein ausgedehntes System von genossenschaftlichen Instituten für den Personalkredit und genügend Landeskulturrentenbanken mit Vorzugsrechten vor sonstigen Hypotheken bestehen, um die Vornahme nötiger Meliorationen unter allen Umständen zu sichern. Zu erwägen bleibt daneben, ob man für ländlichen Besitz die Privathypotheken ganz aufheben und nur noch den mit Amortisationszwang verbundenen Institutskredit für statthaft erklären solle. Das überwiegende Interesse des Staates an der vollen Ausnutzung seiner Bodenfläche bedingt ausserdem noch reichliche Staatsunterstützungen für alle grösseren Flusskorrekturen und sonstige Meliorationen, speziell Urbarmachungen von Moor- und Ödländereien, welche die Kräfte der einzelnen Interessenten übersteigen. In viel verstärkterem Mass [361] als bisher muss ferner, zumal in den Gegenden mit vorwiegendem Grossgrundbesitz, die innere Kolonisation in Angriff genommen werden, um solange es noch möglich ist, die ländliche Bevölkerung zu vermehren und den jetzt besitzlosen Arbeiter an das Land zu fesseln. Die Abwanderung der eingeborenen Bevölkerung vom Lande in die Stadt und ihr Ersatz durch ausländische Wanderarbeiter nimmt immer gefährlichere Dimensionen an und ist in wirtschaftlicher wie politischer Beziehung ein ganz bedenklicher Missstand. Man kann noch so sehr von der Notwendigkeit der Erhaltung eines genügenden Grossgrundbesitzes überzeugt und doch der Ansicht sein, dass eine Aufteilung einzelner grosser Güter unter kleine Bauern- und Arbeiterstellen und eine Ansiedlung von Arbeitern auf Abspliessen der grossen Güter eines der dringendsten Bedürfnisse der modernen Landwirtschaft sei, wenn nicht die Entvölkerung des Landes und das Überwiegen der städtischen Bevölkerung die grössten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Übelstände herbeiführen soll, die schliesslich auch für den Grossgrundbesitz verderblich werden würden. Alle diese Massnahmen würden aber auf die breite Masse der bäuerlichen Bevölkerung von ungenügendem Einfluss bleiben, wenn nicht in viel grösserem Umfang und mit viel grösseren Mitteln als bisher für eine bessere Fachbildung der bäuerlichen Bevölkerung gesorgt würde. Dies Bestreben müsste schon in der Elementarschule einsetzen, die zwar keinen Fachunterricht erteilen soll, aber in der die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Landwirtschaft viel ausgiebiger als jetzt gelernt werden sollten. Auch könnte mit der Heimatkunde sehr gut eine Belehrung über die Elemente des Genossenschaftswesens und sonstiger einschlagender Teile der Verwaltungskunde verbunden werden. Hierzu gehörten freilich Lehrer, die schon auf den Seminaren entsprechend für ihre künftige Wirksamkeit als Landlehrer ausgebildet worden wären. Ungemein wichtig wäre auch gerade für das Land die Pflege des Handfertigkeitsunterrichts und es würde auch garnichts schaden, wenn an diesen Unterrichtszweigen in der Elementar- wie in der Fortbildungsschule einzelne teilnehmen müssten, die nachher zu einem andern als dem landwirtschaftlichen Beruf übergehen. Für die zukünftigen Bauerngutsbesitzer müsste dann ein weiterer Fachunterricht in Ackerbau oder Winterschulen eintreten, die so verbreitet sein müssten, dass sie allen ohne zu grosse Kosten erreichbar wären. Dass daneben auch für den höheren landwirtschaftlichen Unterricht entsprechend zu sorgen wäre, ist selbstverständlich. Für den bäuerlichen Landwirt hat sich an die Winterschule anzuschliessen das Wanderlehrertum, was für einzelne Zweige der Landwirtschaft von Spezialisten oder im allgemeinen durch die Fachlehrer der Winterschulen auszuüben ist. Mit der Belehrung muss Hand in Hand gehen eine ausgedehnte Versuchstätigkeit, die sich entweder auf einzelne Kulturen oder auf ganze Beispielswirtschaften zu erstrecken hat. Grade weil der Landwirt, speziell der Bauer, die Konkurrenz nicht fühlt, muss man mit andern Mitteln zum Anreiz zu landwirtschaftlichen Verbesserungen auf ihn einwirken und den Ehrgeiz, ja selbst den Neid und die Missgunst auf die Erfolge anderer zur Hilfe rufen. Dem gleichen Zweck dient ja auch das ausgedehnte und staatlich unterstützte landwirtschaftliche Ausstellungs- und Prämierungswesen, welches den Antrieb geben soll, die erlangten besseren Fachkenntnisse, das Wissen auch in Taten umzusetzen. Alle Mittel, welche der Staat zu Zwecken der Förderung der Landwirtschaft aufwendet, gehören sicherlich, bei richtiger Durchführung dieser Massregeln, zu den produktivsten Ausgaben des Staates und machen sich in der vermehrten Steuerkraft allem schon bald bezahlt. Man hat vielfach für die verschiedensten Gewerbe die Erbringung eines Befähigungsnachweises verlangt, am nötigsten wäre er vielleicht für die Landwirtschaft und müsste mit Recht erzwungen werden, wenn es eine leider nicht erreichbare Garantie dafür gebe, dass nun die erlangte Befähigung auch wirklich zur Anwendung gebracht würde. Wir sind in Deutschland stolz darauf, dass wir schon in sehr frühen Perioden unserer Geschichte das Privateigentum an Grund und Boden in immer reineren Formen ausgeprägt und durch den hiermit zur vollen Wirksamkeit gebrachten Privategoismus grosse wirtschaftliche Erfolge gezeitigt haben; dies wird aber bei den immer komplizierter werdenden wirtschaftlichen Verhältnissen auf die Dauer nur haltbar sein, wenn jeder Grundbesitzer von den Gedanken durchdrungen ist, dass wie jeder Besitz so insbesondere der Besitz von Grund und Boden nicht nur Rechte gibt, sondern auch mit Pflichten gegen die Allgemeinheit verbunden ist. Wenn diese in der möglichst produktiven Ausnutzung des Bodens nicht erfüllt werden, so könnte eine Zeit eintreten, in der man den monopolartigen Charakter des privaten Grundbesitzes nicht mehr anerkennen und das auch [362] jetzt noch, wenn auch nur schwach, bestehende Obereigentum des Staates zu einem wirklichen Eigentum ausbilden möchte. Ob und wie dies durchführbar und doch auf dem Wege der Verpachtung dem Privategoismus und der persönlichen Tüchtigkeit geeigneter Spielraum unter Erhaltung der persönlichen Selbständigkeit zu gewähren sein könnte, das ist ein Problem, mit dem sich vielleicht künftige Jahrhunderte beschäftigen werden.