Die Brille bei Lehe

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Autor: Knöner
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Titel: Die Brille bei Lehe
Untertitel:
aus: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden: Noch lebende Volkssagen und Legenden, S. 211–212
Herausgeber: Friedrich Köster
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: In Commision bei A. Pockwitz
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Erscheinungsort: Stade
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Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung: Aus dem Amte Lehe
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1. Die Brille bei Lehe.

In der Leher Haide, rechts an dem Wege von Lehe nach dem Veermoore, liegen zwei runde Möre in kleiner Entfernung neben einander, die Aehnlichkeit mit den beiden Augen einer Brille haben, auch so genannt werden und der hiesigen lutherischen Pfarre gehören. Einige hundert Schritt nördlich von diesen Mören stehen zwei Hügel ebenfalls neben einander, die aber bei Cultivirung der Haide jetzt zum Theil schon abgetragen worden sind. In diesen Hügeln wohnte in den Zeiten, wo es noch Riesen auf der Erde gab, ein Hühne oder Riese. Darin führte er ein gar einsames Leben, hatte aber einen Zwerg als Diener bei sich, welchen er, als er selbst alt und schwach geworden war, als Bote gebrauchte und auf die benachbarten Dörfer schickte. Eines Tages hatte er ihn nach dem Dorfe Spaden gesandt; nach des Riesen Meinung blieb der Zwerg über die Zeit lange aus; denn der alte Riese hatte früher diesen Weg in wenigen Schritten zurückgelegt, zu dem der Zwerg mehre tausend nöthig hatte. Voll Sehnsucht blickt er der Ankunft des Zwerges entgegen, der läßt aber noch immer sich nicht sehen. Da denkt der Riese: „Vielleicht kann ich ihn nicht sehen, weil er so klein ist und meine Augen vor Alter dunkel sind, ich will meine Brille aufsetzen und sehen, ob er kommt.“ Er setzt die Brille auf die Nase, geht einige Schritte vorwärts dem Zwerge entgegen. Da er aber die Nase der Brille wegen recht hoch halten muß, so bemerkt er nicht zu seinen Füßen die Unebenheiten und Löcher in der Haide; kurz, er stolpert und fällt so schwerfällig auf die Kniee, daß ihm die Brille von der Nase fliegt. Zornig greift er sie auf und wirft sie, da er sie als die Ursache seines Fallens betrachtet, [212] weit von sich und würde den Zwerg ihr ganz gewiß nachgeworfen haben, wenn er ihn gehabt hätte, so erboßt war er über sein langes Ausbleiben; und er stampft dabei mit den Füßen so gewaltig auf die Erde, daß sie erbebt. Der Zwerg war aber nicht weit mehr entfernt, nur hatte ihn der Riese durch die Brille übersehen, so wie der Zwerg den Riesen nicht bemerkte wegen des langen Haidekrauts, das zur Seite am Wege stand, über welches hinaus der Zwerg nicht sehen konnte, und meinte, daß es ein Erdbeben sei, als er das Zittern unter seinen Füßen fühlte. Die Brille war in einen Sumpf gefallen und tief hinein gesunken und wiewohl der alte Riese sie nachher gern wieder gehabt hätte, so konnte er sie selbst aus dem Sumpf nicht herausheben, weil er von wegen seiner Schwere hinein gesunken wäre; der Zwerg aber konnte sie kaum bewegen, geschweige denn tragen. So mußte sie wohl liegen bleiben und liegt dort noch bis auf diesen Tag unter einer Torfschicht, die sich in den Jahrhunderten nach des Riesen Tode darüber gelagert hat und genau die Stelle anzeigt, wo die beiden Augen der Brille liegen. Zwischen beiden hin zieht sich ein schmaler Strich Haidland, wo der Nasenbügel derselben liegt. Unter einem von jenen zwei Hügeln liegt der Riese auch begraben, nur kann niemand genau sagen, unter welchem?