Die Erscheinung des Kometen in der südlichen Hemisphäre

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Autor: A. K., Robert Hermann Schomburgk
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Titel: Die Erscheinung des Kometen in der südlichen Hemisphäre
Untertitel:
aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 4 vom 22. Juli 1843, S. 62–63
Herausgeber: Johann Jacob Weber
Auflage:
Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
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Die Erscheinung des Kometen in der südlichen Hemisphäre.

Der berühmte Reisende Schomburgk theilt über dieses jüngste astronomische Ereigniß, welches ihn, in der Mitte seiner Indianer, eben so sehr überraschte, als die europäischen Astronomen, Folgendes mit,

„Wir fuhren den Essequibo hinauf, jenen stattlichen Fluß, welcher in drei, beinahe zwanzig Meilen breiten, Armen ausmündet. Das Wetter war ungünstig, der Regen war in Strömen herabgeflossen und der Himmel seit mehren Wochen mit Wolken bedeckt. Wir näherten uns dem Wasserfall Ouropocari, 4° 11’ nördlicher Breite, und hattem am 8. März drei Meilen unter demselben unser Lager aufgeschlagen, als zum ersten Male seit unserer Abreise der Himmel, welcher zeither eine einzige einförmige graue Wolkenmasse gezeigt hatte, sich am Abend aufklärte und nach Südwesten das tiefe, mit Sternen besäete, tropische Blau entrollte. Wir begrüßten mit Freuden diese Verkündung besserer Witterung, aber wie groß war unser Erstaunen, als wir gegen Westsüdwest einen breiten, weißen, nebeligen Streifen bemerkten, der sich nach dem Horizont hinabneigte und bis zu einer Höhe von 45° erhob! Der Zenith war mit jenen schönen Wolken bedeckt, welche die Meteorologiker cirro-cumulus nennen, der Himmel war aber vollkommen hell zu beiden Seiten des Streifens, welcher in seiner Breite von 64’ und der reinen, weißen, beinahe durchsichtigen Färbung einen herrlichen Contrast zu dem tiefen Azur des tropischen Himmels bildete. Ob der Streifen bis ganz auf den Horizont hinunterreichte, konnte ich nicht wahrnehmen, da der Wald, an dessen Saume wir uns gelagert hatten, wie eine Mauer mich an der Beobachtung dieses Theils des Himmels hinderte. Von dem Punkte an, wo der Streifen sichtbar ward, schien derselbe gleiche Breite zu haben, nur daß er nach dem Ende zu durchsichtiger ward und leicht divergirte.

Was kann das sein? war die erste Frage. Meine indianischen Freunde standen um mich herum und blickten mit Erstaunen bald auf das Phänomen, bald auf mich. War es ein Mondregenbogen? Die diagonale Richtung, ohne irgend eine Krümmung, stritt, abgesehen von der Stellung des Mondes, welcher beinahe im ersten Viertel und ein wenig westlich vom Meridian stand, gegen eine solche Voraussetzung. Mehre von der Mannschaft riefen: „Es ist eine Wasserhose!“ die es doch augenscheinlich nicht war, und nach vielem unnützen Hin- und Herrathen kamen wir dahin überein, daß es eine außerordentliche, höchst interessante Erscheinung sei, deren Art und Beschaffenheit sich vor der Hand nicht erklären lasse. Bald nachher zogen dunkle Wolken in einzelnen Gruppen schnell von Osten nach Westen und bedeckten theilweise den weißen Streifen, welcher durch die gebrochenen Wolken hindurch sichtbar blieb, woraus hervorging, daß das Phänomen einer höhern Atmosphäre, als der der Wolken angehöre.

Unsere Zweifel wurden aber am nächsten Abend, d. 9. März, gelöst: es war ein Komet! Unser Lager war jetzt so vortheilhaft gelegen, daß der südwestliche Horizont vor unsern Augen frei dalag. Der Himmel war bis sieben Uhr theilweise bewölkt, dann verzogen sich die Wolken gegen Westen hin und siehe! da stand der Komet in seiner ganzen Pracht, mit dem Kern ungefähr 12° über dem Horizont und mit dem Schweife bis zu dem etwa 45° hoch stehenden V des Eridanus reichend. Der Kern erschien dem unbewaffneten Auge wie ein Stern zweiter Größe; der Schweif, zu Anfange wie ein schmaler Streifen, breitete sich nach und nach bis auf 1° 10’ aus und verlor sich in den Eridanus. Das weißliche Licht und der durchsichtige Dunst des Schweifes divergirten in nebeligen Strichen etwa 20° unter dem Fuße des Orion.

Wir standen und erstaunten. Der helle Mond schmälerte etwas den Effect, den diese wunderbarste aller Naturerscheinungen hervorgebracht haben würde, wenn vollkommene Dunkelheit geherrscht hätte; die Ausdehnung des Schweifes war merkwürdig und die größte, die wir alle, die hier versammelt waren, jemals in unserm Leben gesehen hatten.

Ich erinnere mich noch des schönen Kometen von 1811, mit seinen divergirenden feuerfarbenden Strahlen; sein Schweif war aber weit kürzer als der, den wir jetzt anstaunten. Es war eine Scene, die sich meinem Gedächtniß fest eingeprägt hat. Da standen wir auf einer kleinen Insel mitten im Essequibo, umgeben von den schäumenden Fluthen, welche durch Granitdämme in ihrem Laufe gehemmt, donnernd über die schwarzen Steinmassen hinwegstürzten; ich, der einzige Europäer unter einer Anzahl nackter Wilden, deren kupferfarbene Gestalten von unserm Wachtfeuer seltsam angestrahlt wurden. Einige standen aufrecht, mit den Armen über die Brust gekreuzt, die andern kauerten auf dem Boden – aller Augen aber waren furchtsam auf den fremden Stern mit dem leuchtenden Schweife gerichtet. Kein Wort ward gesprochen. Das Rauschen des schäumenden Wassers war die einzige Unterbrechung des Schweigens. Tamanua, ein junger Wapisiana von mehr Verstand, als man gewöhnlich unter seinem Stamme antrifft, brach endlich das Schweigen. „Das ist,“ sagte er, „der große Geist der Sterne, der furchtbare Capischi – Hungersnoth und [63] Pest erwarten uns!“ und die Indianer brachen, als ob sie nur auf das erste Wort gewartet hätten, um ihren Gefühlen Luft zu machen, in einen Strom leidenschaftlicher Worte aus, indem sie die Erscheinung des gefürchteten Capischi beklagten, des Vorläufers der Pest und der Hungersnoth, und mit heftigen Geberden ihre Arme nach dem Kometen emporhoben.

Ich war überrascht, bei meinem indianischen Gefolge dieselbe abergläubische Furcht vor den Kometen zu finden, welche zu allen Zeiten diese Himmelserscheinung als:

„Mit Hunger, Pest und Krieg die Welt bedrohend,
Mit Tod die Fürsten und mit Noth die Länder“

für das gemeine, ununterrichtete Volk zu einem Gegenstand des Schreckens gemacht hat. Meine Indianer bestanden aus Arecunas, Wapisianas und Macusis. Die ersten nannten den Kometen „Wátaimá“, welches, wie „Capischi“, den Geist der Sterne bedeutet. Die Macusi-Indianer nannten ihn „Cá-poéséimá“, eine feurige Wolke, oder „Wäinopsa“, eine Sonne, die ihr Licht hinter sich wirft.

Müssen wir nicht zugeben, daß diese einfachen Kinder der Natur diesem prachtvollen Phänomen einen weit bezeichnenderen Namen gegeben haben, als wir civilisirte Nationen? „Komet“, von coma abgeleitet, ist wenigstens eine Benennung, in der über diese Erscheinung, so wie sie sich dem Auge darstellt, nur sehr wenig Andeutung liegt.

In der Idee, welche die Arecuna und Wapisiana von den Kometen haben, erkennen wir die Ansicht Kepler’s, welcher behauptet, daß sie Ungeheuer wären, so wie auch die des Paracelsus, welcher annahm, daß sie von Geistern gebildet und zusammengesetzt wären. Die Meinung der Macusi hat einen poetischeren Anstrich; der Komet heißt „Capoéséimà“, eine feurige Wolke. Wem fällt hierbei nicht die Wolkensäule und Feuersäule ein, durch welche Gott die Kinder Israel aus Egypten führte? Und „Wä-inopsa“, der synonyme Ausdruck, eine Sonne, die ihr Licht hinter sich wirft, ist für die Erscheinung dieses erhabenen Phänomens so bezeichnend, als ob er von der modernen Astronomie ausgedacht worden wäre.“

Ganz ähnlich beschreibt ein englischer Schiffscapitain, G. Stains von der Brigg „William Fulcher“, die Erscheinung des Kometen, welchen er, von Sidney kommend, unter dem 14’ 30’’ nördlicher Breite und 36’ 30’’ westlicher Länge erblickte, und wir halten die von demselben aufgenommene Abbildung für interessant genug, um dieselbe unsern Lesern nicht vorzuenthalten.

A. K.