Die Eselswiese bei Zwickau

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Eselswiese bei Zwickau
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 9–10
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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610) Die Eselswiese bei Zwickau.
Poetisch behandelt v. Ziehnert Bd. I. S. 69 sq.

Südlich von Zwickau liegt eine Wiese, die man Eselswiese nennt, nach der nüchternen Erklärung unserer Zeit darum, weil sie den Mühleseln der Rathsmühle das Futter lieferte. Die Volkssage weiß aber einen andern Grund des Namens anzugeben, und zwar folgenden.

Jene Wiese soll einst von einem Zauberer bezaubert worden sein, der auf ihr einen gefährlichen Fall gethan, so daß, so schönes Gras und Klee darauf wuchs, sie doch von ihrem Besitzer durchaus nicht benutzt werden konnte, weil die Milch des Viehes, das von demselben fraß, so blau wie Indigo ward. Nun hatte aber nicht weit von derselben ein armer Holzmacher seine ärmliche Hütte gebaut, der, weil er drei Esel besaß, der Eselsgürge genannt ward und allgemein wegen seiner Gutherzigkeit beliebt und gern gesehen war. Der zog sich die Grasnutzung dieser Wiese zu Nutze und seine Esel wurden dick und fett davon. Einst bei einem heftigen Gewitter pochte es des Nachts an seine Hütte, und als er die Thüre öffnete, da trat eine wunderschöne Jungfrau, die trotz des Unwetters ganz trocken war, weiß verschleiert herein, rosenfarbene Sandalen an den Füßen und einen goldenen mit Diamanten gezierten Kranz auf dem Haupte. Sie setzte sich an seinen Tisch, als er ihr aber Essen und Trinken, sowie sein armseliges Binsenlager zum Schlafen anbot, wieß sie Beides zurück und sagte, sie bedürfe dieser irdischen Erholung niemals, und auf sein Befragen, wohin sie wolle, entgegnete sie: „Nach oben, wo ich herkomme“. Der arme Gürge legte sich hierauf verwundert wieder nieder, als aber der Morgen anbrach, weckte sie ihn auf, um Abschied zu nehmen, und als er sie ein Stück Weges begleitete, fragte er sie, ob sie nicht zufällig die h. Jungfrau selbst sei, sie gleiche gar zu sehr dem Bilde derselben, wie er es in den Kirchen so oft gesehen. Darauf antwortete sie: „Ja, ich bin [10] es, Du aber, guter Gürge, sollst den Lohn für Deine Gastfreundschaft heute Abend erhalten, wenn Deine Esel von der Weide zurückkehren“. Damit verschwand sie. Als nun die Sonne im Untergehen war, da ging der Gürge voll Neugier seinen Eseln entgegen, allein er konnte nichts an ihnen wahrnehmen, als daß ihre Mäuler blutig waren. Da es nun auf der Wiese weder Dornen, noch scharfe Gräser gab, die Esel auch bekanntlich wegen ihrer Hartmäuligkeit solche nicht verwunden können, begab er sich an Ort und Stelle und trat plötzlich auf etwas Spitzes. Er griff darnach und zog einen Goldbarren aus der Erde, ja er fand ohne viele Mühe eine Menge davon, er holte also seine Esel, die sich daran blutig gefressen, und trieb sie schwerbeladen in sein Hüttchen zurück. Am andern Morgen aber, wie er seinen Reichthum beschaute, beschloß er davon eine Kirche zu bauen. Dies soll die Marienkirche sein, das Volk aber hält noch heute die hölzerne Statue des Obristwachtmeisters von Heldreich (gest. 1674), welche sich über der Thür zur sogenannten Götzenkammer in der erwähnten Kirche befindet, für das Bild des armen Eselgürge, den man auch zum Stammvater der Herren von Römer gemacht hat.