Zum Inhalt springen

Die Familie Darner

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Familie Darner
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 499–500
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[499] Die Familie Darner. Unter diesem Titel hat Fanny Lewald, die Patriarchin der deutschen Romanschriftstellerinnen, einen Roman (Berlin, Otto Janke) herausgegeben, welcher eine ostpreußische Familiengeschichte auf dem Hintergrunde der historischen Ereignisse der Jahre 1806 bis 1813 schildert. Fanny Lewald hat in diesem Romane ihre Jugenderinnerungen verwerthet: sie selbst ist eine Königsbergerin und in [500] der Kneiphöf’schen Langgasse, wo ihre Wiege stand, spielt auch die Haupthandlung ihres Romans. Natürlich ist die ostpreußische Hauptstadt eben so anschaulich wie anheimelnd geschildert. Diese Patricierhäuser des Kneiphofs mit ihren „Wolmen“, das grüne Thor, welches in die Vorstadt führt, der Blick auf den Pregel, auf die Speicherviertel, dann wieder das Schloß mit dem großen innern Hofe, mit seinen Gerichtssälen und Weinkellern, das Rathhaus der Altstadt: das Alles tritt in scharf umrissener Zeichnung vor uns hin, und gerade so liebevoller Detailmalerei folgen wir mit wachsender Theilnahme; denn die Kunst dichterischer Darstellung besteht ja zum großen Theil darin, uns so vertraut zu machen mit Allem, was die Phantasie des Dichters beschäftigt, daß wir gleichen Antheil nehmen an den von ihm geschilderten Personen und Vorgängen wie er selbst. Das erreicht er aber nicht durch flüchtige Berührung, sondern durch eingehendes Verweilen – und hierin besteht besonders die Aufgabe des Romandichters.

Die geschichtlichen Ereignisse selbst werden nur in so weit dargestellt, wie sie in die Schicksale der Stadt Königsberg und der Familie eingreifen, für welche Fanny Lewald in erster Linie unsern Antheil in Anspruch nimmt. Sie giebt keine glänzenden Schlachtgemälde, keine pomphafte Schilderung von Haupt- und Staatsaktionen; Kaiser Napoleon, Königin Luise, König Friedrich Wilhelm III. erscheinen nur mit flüchtigen Umrissen an den Rand des Bildes hingezeichnet; dagegen sind die kriegerischen Genrebilder, der Einzug der Truppen, die Einquartierung der Franzosen, der Brand der Vorstädte mit lebhaftem Kolorit geschildert und vor Allem sind die Stellung der Zeit, der Einfluß der Weltbegebenheiten auf die kaufmännischen Interessen, das Erwachen des patriotischen Geistes, der Tugendbund und die befreienden Thaten der Gesetzgebung in die Handlung verwebt. Fanny Lewald ist eine Jüngerin des ostpreußischen Liberalismus und für alle Emancipationsgedanken des Jahrhunderts begeistert.

Ihr Held, der alte Darner, ist ein mecklenburgischer Höriger, der flüchtig geworden, nachdem er einen Todtschlag vollführt, im seemännischen und kaufmännischen Leben dann in die Höhe gekommen ist und sich in der Stadt am Pregel niederläßt. Der reiche Kaufmann wird in den Kreisen der angesessenen Patricier scheel angesehen und trotz seines Reichthums nicht für ebenbürtig gehalten. Gleichwohl gelingt es seinem Sohne, nach schweren Kämpfen die Nichte eines angesehenen Kaufmanns heimzuführen. Diese Konflikte des ersten Bandes sind ein Roman für sich und der spannendste Theil des Ganzen. Die Schicksale der Töchter Darner’s, besonders der schwärmerischen Dolores, die einen griechischen Kaufmann heirathet und mit diesem nach Venedig zieht, sind romanhaft genug: ihr Gatte hat eine alte Leidenschaft für eine vornehme Dame und fällt im Duell mit einem Nebenbuhler; Dolores selbst trägt im Herzen die Liebe zu einem jungen Adeligen, der auf sein Majorat verzichtet hat und am Schluß die schöne Wittwe als Braut in die Arme schließt. Die andere Schwester Virginie liebt einen preußischen Officier, der den Heldentod auf dem Schlachtfelde stirbt. Daß ein junger Kaufmann aus den Kreisen der vorurtheilsvollen Patricier eine Jüdin heirathet, ist ein Trumpf, den Fanny Lewald sich nicht entgehen läßt, um auch nach dieser Seite den liberalen Tendenzen zu huldigen. Der Roman fesselt uns namentlich durch seine gelungenen militärischen Genrebilder und viele treffende Beobachtungen und lebenswahre Darstellungen, welche die Verfasserin geschickt in die Handlung hineinzuweben verstand.