Die Gartenlaube (1857)/Heft 10

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1857
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 10. 1857.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0 Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Böse Räthe.[1]
Historische Novelle von Karl Wartenburg.
I.

Am Charfreitag des Jahres 1474 bot die Stadt Breisach im Elsaß einen seltsamen Anblick dar. Während die ganze Christenheit an diesem Tage in allen Städten und Dörfern, sonntäglich gekleidet, zu den Kirchen und Domen eilte, um unter Gebet und Gesang die Todesfeier des Heilands zu begehen, und in der Nähe und Ferne die Glockentöne hell und klar durch die Morgenluft klangen und die Gemeinden zum Gottesdienst riefen, in den Walddörfern des nahe gelegenen Schwarzwaldes, wie in den Alpenthälern des nachbarlichen Bernerlandes, zog zu Breisach in der neunten Morgenstunde ein dichter Haufen Volkes: Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen in ihren Werkeltagskleidern und mit Hacken, Schaufeln, Spaten, Karren und Aexten ausgerüstet, hinaus aus dem Stadtthor zu den Ufern des Rheins, welcher unweit der Stadt vorbeifließt. Zur Linken und Rechten der Leute aber ritten mit blanker Wehr und Waffe burgundische Reiter, Flamländer und Picarden, wilde, verwegene Gesichter, die in ihrer rauhen, fremden Sprache die Säumigen, die hie und da hinter dem Zug zurückblieben, mit gotteslästerlichen, wüsten Flüchen zur Eile antrieben. Zuweilen traf auch wohl ein Schlag mit der Klinge die Schultern eines alten Mannes oder einer schwachen Frau, die seufzend unter der ungewohnten, schweren Last der Hacken und Schaufeln, die sie trugen, mit den rüstigeren Gefährten nicht gleichen Schritt halten konnten. Erscholl dann ein jäher, schriller Schmerzensschrei der Getroffenen, so blickten die Männer und Jünglinge mit finsteren, zornigen Blicken zu den Reitern empor, und trotz dem heiligen Tage entfuhr mancher Fluch den Lippen der Bürger und manche Faust faßte den Stiel der Hacke oder Axt fester, während die Zähne im verbissenen Grimm knirschten. Doch die Reiter kümmerten sich weder um die drohenden Blicke, noch um die zwischen den Zähnen gemurmelten Flüche. Die Verwünschungen und Flüche verstanden sie nicht, und über die Drohblicke lachten sie, im Gefühl jener übermüthigen Sicherheit, die dem Bewaffneten seine Wehr dem Wehrlosen gegenüber fast immer verleiht, nicht beachtend, daß sich in der Hand der haßerfüllten Männer der Kieselstein am Wege, den der Huf ihrer Rosse traf, zum tödtlichen Wurfgeschoß, die Erdhacke zur mordenden Streitaxt verwandeln könnte … –

So ging der Zug weiter und weiter bis zu den Ufern des Rheins, von welchem tiefe, frischaufgeworfene Erdgräben sich eine ziemliche Strecke weit nach der Stadt hinzogen. Die Reiter stiegen von den Pferden, die sie zusammenkoppelten, und trieben dann das Volk zur Arbeit an, die darin bestand, von dem Rheinufer an breite Gräben bis an die Mauern der Stadt und um diese herum zu ziehen. – Als der ganze Haufe nun in Thätigkeit war und hier von den Männern gehackt und gegraben, dort von den Frauen und Mädchen die Erde in den Karren weggefahren und wieder an anderer Stelle von den alten Leuten, die zum Graben und Fahren zu schwach waren, die Erde zusammengeschaufelt wurde, setzten sich die Reiter auf den grünen Rasen, um, während das Volk fuhr, grub und schaufelte, zu trinken und zu würfeln.

So früh es auch noch im Jahre war – es war im Monat April – so fielen die Strahlen der Sonne doch schon heiß auf die arbeitenden Männer und Frauen nieder, und lockten auf manche, von der Anstrengung geröthete Stirn helle Schweißtropfen. Am härtesten aber wurde die schwere Arbeit den Frauen und Mädchen, deren Körperkräfte die ungewohnte Anstrengung kaum zu ertragen vermochten. Und doch bat Keine von ihnen einen der Reiter, die in sorgloser Trägheit zusahen, wie sich das arme Volk abmühte und plagte, um Nachsicht oder Befreiung von der Frohnarbeit, denn sie kannten die rohe Weise dieser verwilderten Krieger, die weder Zucht noch Sitte achtend, das Schrecken aller Frauen und Mädchen der Stadt und des platten Landes waren. –

Die Arbeit an den Erdgräben mochte ungefähr drei Stunden gewährt haben, als zwei der Männer, die am äußersten Ende des einen Grabens arbeiteten und mit scharfer Hacke die Erde aufrissen, in der Ferne leichte, aufwirbelnde Staubwolken erblickten. Der Eine der Männer, eine große, kräftige Gestalt mit breiten Schultern und starken Armen, legte, um die Augen vor den Sonnenstrahlen zu schützen, die Hand an die Stirn, und blickte dann scharf nach der Richtung, wo die Staubwölkchen von der Landstraße aufwirbelten.

„Er ist es, Heinrich,“ sprach er nach einigen Secunden unverwandten Hinschauens zu seinem jüngeren und schwächer gebauten Gefährten, und ein Ausdruck des tiefsten Hasses wurde in den für gewöhnlich ruhigen, ernsten Zügen des Mannes sichtbar; „ich erkenne ihn und seine Begleiter. Es ist der Vogt des Herzogs mit den beiden Baronen, dem Bilgeri von Hewdorf und Konrad von Eptingen.“

„Wer ist es?“ rief der Andere mit erschrockener Miene, während sein Auge mit ängstlich besorgtem Ausdruck von dem heransprengenden Reitertrupp zu einer Gruppe junger Frauen flog, die eben im Begriff waren, auf einem grünen Rasenhügel ihr Mittagsmahl zurecht zu legen; „der Landvogt – der Hagenbach? [130] Und man sagte doch, daß er das Osterfest zu Freiburg feiern wollte?“ Er schwieg einen Augenblick und setzte dann mehr für sich als zu dem Andern gewendet hinzu: „Und heute gerade muß Elsbeth mit am Rheinbau sein. Geb’ der Himmel, Friedrich, aber mir ahnt nichts Gutes, er ist ein gar wüster, wilder Herr, der Landvogt.“

Und der junge Mann seufzte, sein Auge noch immer auf die Gruppe der jungen Frauen geheftet, besorgt auf und strich sich mit der weißen Hand, der man es ansah, daß sie nicht, wie die breite Faust des Anderen, gewöhnt war, die schwere Eisenhacke zu führen, das blonde Haar aus der Stirn zurück. Sein älterer Gefährte warf ihm einen mitleidigen Blick zu und sprach dann, den Jüngeren auf die Schultern klopfend: „Kennst Du nicht das Sprüchwort, Heinrich, gestrenge Herrn regieren nicht lange? Und der Hagenbach ist Einer von der schlimmsten Art. Aber nur Geduld, Vogt,“ und er hob seine Faust drohend gegen den Reitertrupp, „Deine Zeit wird kommen, wie die des Wolfenschieß, den der Baumgarten erschlug, und wie des Geßler, den der Tell erschoß, kam.“

„Um Gott, Bruder!“ rief der Jüngere, und schaute sich erschrocken um, als wollte er sich vergewissern, daß Niemand des Bruders verwegene Rede gehört, „um Gott, was sprichst Du da, Friedrich? Wenn es der Vogt oder einer seiner Zuträger hörte, es wäre um Dich geschehen!“

„Oder um ihn!“ sprach der Andere mit kalter Ruhe, indem er die scharfe Axt gegen die Erde schleuderte.

Gleich darauf sprengte ein kleiner Reitertrupp an den Brüdern vorbei, an dessen Spitze ein großer, starker Mann in glänzender Kleidung ritt. Das Gesicht dieses Mannes war nicht unschön zu nennen. Die Stirn war hoch und bedeutend, an den Schläfen scharfkantig, wie aus Stahl gemeißelt; die Nase, lang und etwas gebogen, deutete auf unternehmenden, kühnen Sinn und die hellen, grauen Augen waren scharf, wie die eines Raubvogels. Der Mund war entschieden sinnlich geformt, groß und mit vollen, starken Lippen, während das Kinn, fest, kurz und breit, Entschlossenheit und Kraft des Willens verkündete. Dabei lag aber in dem ganzen Gesicht ein solcher Ausdruck von Härte und Gewaltthätigkeit, daß sich Jeder, der diesem Mann gegenüber stand und nicht zu seinen vertrauten Freunden zählte, von ihm abgestoßen fühlte. Uebrigens war er nicht mehr jung, wenn auch die einzelnen grauen Haare, die sich unter das braune Haupt- und Barthaar mischten, vielleicht mehr die Folgen eines stürmisch und rasch genossenen Lebens, als die eines kaum fünfzigjährigen Alters waren. Der Name dieses Mannes, den die Frauen und Mädchen im Breisgau, Schwarzwald, Sundgau und im Elsaß nur zitternd und zagend, wie den des Bösen, nannten, den die Männer aber unter Verwünschungen und Flüchen aussprachen, war: Peter von Hagenbach, Landvogt oder Statthalter der Herzogs Karl des Kühnen von Burgund in den ihm, seit dem Spätsommer von 1469 vom Erzherzog Sigismund von Oesterreich verpfändeten, sogenannten österreichischen Vorlanden.

Müde der ewigen Reibungen und Kriege mit der schweizerischen Eidgenossenschaft und des Geldes benöthigt, hatte nämlich der Erzherzog Sigismund seine sämmtlichen Besitzungen im Elsaß, Sundgau, Breisgau, auf dem Schwarzwalde, die Grafschaft Pfyrt und endlich die vier Städte: Rheinfelden, Seckingen, Lauffenberg und Waldshut – welche Besitzungen insgemein die österreichischen Vorlande genannt wurden – an Herzog Karl den Kühnen von Burgund gegen die Summe von 80,000 Gulden verpfändet. Die Beweggründe, die den Erzherzog zu dieser unpolitischen Handlung, welche einem der mächtigsten und eroberungslustigsten Fürsten seiner Zeit den Schlüssel Deutschlands in die Hände gab, verleiteten, waren, wie erwähnt, Ueberdruß an den ewigen Fehden mit der benachbarten Schweiz und außerdem Haß und Erbitterung gegen die Eidgenossen, hervorgerufen und genährt durch die Einflüsterungen des Adels in den Vorlanden und zum Theil in der Schweiz selbst, denen die Entwickelung des eidgenössischen Bundes, das Selbstbewußtsein und die wachsende Macht dieser Kuhbauern, wie die Barone im übermüthigen Spott die Schweizer nannten, ein Dorn im Auge war. Durch die Verpfändung an den mächtigen Herzog von Burgund, der nun der Eidgenossenschaft nächster Nachbar wurde, sollten zwischen dieser und dem Herzog Verwickelungen und Kriege erzeugt werden, die, nach der Meinung der Barone, nur mit der größten Demüthigung der Eidgenossenschaft endigen könnten – denn Herzog Karl war ein Fürst mit so gewaltiger Macht, daß selbst der eilfte Ludwig von Frankreich und der deutsche Kaiser Friedrich ihn fürchteten.

In diese ihm verpfändeten Länder setzte nun Herzog Karl als Landvogt den Ritter Peter von Hagenbach, einen stolzen, ungerechten und frevelmüthigen Mann, wie sich ein alter Chronist über ihn ausdrückt. Zu Breisach hatte der Landvogt seinen Sitz aufgeschlagen, und von hier aus drückte und knechtete er das Volk, das sehnlichst die milde Regierung des Erzherzogs Sigismund zurückwünschte. Obgleich mit einer schönen und liebenswürdigen Frau, einer Gräfin von Thengen, vermählt, schonte doch des Landvogts zügellose Begierde weder Frau noch Mädchen, ja selbst die Klostermauern und der Nonnenschleier schützten nicht vor des Mannes wilder Leidenschaft. Mit blutiger Strenge jede Auflehnung unterdrückend, wie er denn einst zu Tann vier der vornehmsten Bürger durch Henkershand hinrichten, zu Freiburg aber den Mitgliedern einer gegen ihn gerichteten Verschwörung, die sich die Zeisigen nannten, die Augen ausstechen und die Zunge ausschneiden ließ, hatte er diese Lande so eingeschüchtert, daß Alles vor ihm zitterte, und Niemand seine Stimme gegen den mächtigen Statthalter des Herzogs zu erheben wagte.

Angestachelt durch seine zwei vertrauten Freunde, die Barone von Hewdorf und Eptingen, reizte er selbst die Eidgenossenschaft durch seinen Uebermuth, und ließ in dem bernischen Amte Schenkenberg durch einen seiner Hauptleute, den Dietrich von Hasbein, sogar burgundische Fahnen aufstecken, eine Handlung, welche Bern, nachdem es die Fahnen mit Gewalt weggenommen, im Wiederholungsfalle als eine Kriegserklärung anzusehen drohete. Als nun vollends im April 1474 zu Constanz zwischen Eidgenossen und dem Erzherzog Sigismund, dem das Schicksal seiner verpfändeten Vorlande sehr zu Herzen ging, und der sie gern wieder von Herzog Karl einlösen wollte, die „ewige Richtung“ beschworen wurde, nach welcher von nun an alle Feindseligkeiten zwischen dem Hause Oesterreich und der Eidgenossenschaft ein Ende haben sollten, da wurde des Freiherrn von Hagenbach Benehmen ein noch viel drohenderes und herausfordernderes und er suchte vor Allem Breisach, wo er seinen Sitz genommen, zu befestigen und zu einem Hauptwaffenplatz der burgundischen Herrschaft zu machen.

Aus diesem Grunde nahm er auch den Rheinbau vor; er ließ nämlich Gräben um die Stadt ziehen, um dann den Rheinstrom hineinleiten zu können, und dadurch die Stadt uneinnehmbar zu machen; ein Werk, welches er mit solcher Eile betrieb, daß selbst an dem höchsten Feiertag der Christenheit die gesammte Bürgerschaft, Frauen und erwachsene Mädchen nicht ausgeschlossen, an den Gräben arbeiten mußte. Nur wer eine Buße von fünf Gulden zahlte, konnte sich an dem Tag von dem Frohndienst befreien. Allein nur die Wenigsten konnten bei den ohnedies so hohen Steuern und Abgaben, die unter der burgundischen Herrschaft eingeführt worden waren, diese Summe erschwingen. Und wer nicht zahlte, mußte arbeiten, denn der Vogt war unerbittlich.

So war des Mannes Wesen, dem Herzog Karl der Kühne von Burgund das Regiment in den ihm verpfändeten Ländern anvertraut hatte. Nach dieser nothwendigen Auseinandersetzung fahren wir in unserer Erzählung der Begebenheiten fort.

Wie der Landvogt so einhergesprengt kam, flogen die Hüte von den Köpfen aller Männer, die am Wege standen, und selbst Friedrich Vögelin, der unerschrockene Huf- und Waffenschmied, der neben seinem Bruder Heinrich, dem Goldschmied stand, rückte seinen breitkrämpigen Hut, wenn er ihn auch nicht so ganz ehrerbietig lüftete, wie die Uebrigen. Der Landvogt, der keinen Gruß erwiederte, bemerkte es auch, als er im schnellen Galopp an dem Brüderpaar vorüberritt, und mit herrischer Stimme rief er dem Waffenschmied zu: „Hut ab, Mann, Hut ab, oder es geht Dir an Kopf und Kragen!“

Der Schmied wurde dunkelroth im Gesicht, seine Faust umklammerte die Axt fester, und ein drohender Blick traf den Landvogt, als ihm sein Bruder Heinrich zuflüsterte:

„Friedrich, Friedrich – um Gottes Willen bezähme Dich!“

Mit einer gewaltigen Anstrengung bezwang sich auch der Schmied und da der Landvogt längst vorbei nach jener Gruppe von Frauen hingesprengt war, zu welcher der junge Goldschmied beim Nahen des gefürchteten Landvogts so ängstlich hingeschaut, murmelte er: „Du hast Recht, Heinrich, ich werde noch ein paar Tage warten.“

[131] Fragend blickte Heinrich, der den Sinn dieser Worte nicht verstand, den Bruder an, als dieser, der noch immer dem Landvogt nachschaute, ausrief: „Sieh da, sieh da, Heinrich, der Landvogt spricht mit Deiner Elsbeth!“ Und er deutete auf die oben bezeichnete Gruppe von Frauen, vor welcher der Landvogt mit seinen Begleitern hielt.

Eine tiefe Blässe flog bei des Bruders Worten über des jungen Mannes Gesicht, mit bebender Hand faßte er des Waffenschmieds Arm und indem er die Worte: „Komm’, komm’, Bruder!“ stammelte, zog er ihn nach der Gruppe zu, wo der Freiherr von Hagenbach mit einer jungen, schönen Bürgersfrau, die erröthend[WS 1] die Augen niedersenkte, sprach. Es war dies eine Auszeichnung, die Schlimmes bedeutete, denn der Landvogt sprach nie mit einer hübschen jungen Frau, falls er nicht Böses gegen sie im Sinne hatte.

„Helfe mir Gott!“ rief er in munterer Weinlaune, denn er kam von der Mittagstafel, „da treffe ich auf einmal das schöne Kind, das immer so ehrbar hinter dem Erkerfenster am Markte sitzt. Hätte ich doch nie geglaubt, daß im Breisgau so schöne Blumen wüchsen! Ich habe zwar schon so manches hübsche Blümlein gesehen, aber solch’ eine schöne Rose doch noch nicht! – Meint Ihr’s nicht auch, Herr von Eptingen?“

Der Herr, an den die Frage gerichtet war, zuckte verächtlich die Schultern, und entgegnete kurz und trocken:

„Ich bin mein Leben lang kein Liebhaber oder Kenner von solchen Dingen gewesen, Herr Freiherr, aber wäre ich es, so würde ich wahrlich nicht viel Federlesens machen und die Rose, wie ihr sagt, pflücken, wo ich sie fände.“

Der, welcher so sprach, war der Baron Konrad von Eptingen, einer jener handelsüchtigen, stolzen Edelleute, die seit Jahren mit der Eidgenossenschaft in Fehde und Feindschaft lebten und, stets besiegt, endlich in burgundische Dienste getreten waren, um den Herzog Karl so lange zu reizen, bis er der Schweiz den Krieg erkläre, da sie allein zu ohnmächtig waren, etwas gegen den Kuhstall, wie sie verächtlich die Eidgenossenschaft nannten, zu unternehmen. Das geeignetste Werkzeug für ihre Pläne aber war der Freiherr von Hagenbach, der, von gleichem Haß gegen die Eidgenossenschaft erfüllt, ihren Rathschlägen bereitwillig Gehör gab, und den sie auch deshalb stets umlagert hielten.

Die junge Frau erglühte bei des Barons von Eptingen brutaler Rede in Wahrheit wie eine dunkle Rose und trat einen Schritt zurück, um sich hinter den anderen Frauen zu verbergen, als sie sich plötzlich am Arm gefaßt fühlte und eine ihr wohlbekannte Stimme mit zornigem Beben zu dem Baron sagen hörte: „Aber die Rosen haben auch Dornen, gnädiger Herr, und die Dornen stechen bis auf’s Blut.“

Der Mann, der diese kühnen Worte sprach, war der junge Goldschmied Heinrich Vögelin, des jungen Weibes Gatte, der mit seinem Bruder, dem Waffenschmied, in demselben Augenblicke an die Gruppe herangetreten war, als der Herr von Eptingen die schnöde Antwort auf des Landvogts Frage gab. Das sonst so sanfte, fast schüchterne Gesicht des jungen Goldschmieds, der sich in seinem Theuersten gekränkt fühlte, glühte und ein Zittern flog über seine ganze Gestalt. Der Landvogt aber, ganz erstaunt über die kühne Gegenrede des jungen Mannes, richtete sich in den Steigbügeln hoch empor und rief:

„Wie kannst Du, Fant, es wagen, dem Herrn von Eptingen so dreiste Antwort zu geben? Hast Du vergessen, daß er unseres gnädigsten Herzogs Rath ist und ich sein Landvogt in diesen Landen bin? Wahre Deine Zunge, Gesell,“ setzte er drohend hinzu, „mich könnte sonst die Lust anwandeln, Dich stumm zu machen, wie die grünschnäbligen Zeisige zu Freiburg.“

Bei dieser Anspielung auf die oben erwähnte grausame Bestrafung der Verschwörer zu Freiburg erbleichten alle die Männer und Frauen rings herum und selbst des Waffenschmieds herkulische Gestalt, der bis jetzt ruhig, wie ein jeder anderer Zuschauer, neben seinem Bruder gestanden, schauerte zusammen. Die junge Frau aber, der die Drohung des Landvogts alles Blut aus den Wangen gejagt, rief, die Hände flehend zu dem Freiherrn empor streckend, mit Thränen im Auge: „Um der heiligen Jungfrau willen, gnädigster Herr, Ihr werdet nicht Solches thun –“

Der Freiherr lachte spöttisch und indem er sich vom Pferde herabbeugte und die junge Frau auf die Wangen klopfte, sprach er:

„Wenn ich es nicht thue, so geschieht es nicht der heiligen Jungfrau willen, mein Närrchen, sondern Deinetwillen – Gottes Tod, Schurke, was ist das?“ unterbrach sich der Landvogt plötzlich selbst mit erschrecklicher Stimme und Geberde.

Heinrich, seiner beim Anblick der schmachvollen Liebkosung des Landvogts nicht mehr mächtig, hatte das Pferd des Freiherrn beim Zügel ergriffen und es mit Gewalt von seiner jungen Gattin zurückzuziehen versucht. Diese Geberde brachte den Landoogt, dessen Groll ohnedies noch nicht beschwichtigt war, außer sich.

„Lacroix!“ rief er, außer sich vor Wuth, dem burgundischen Rottmeister, welcher die Reiterescorte befehligte, in flamländischer Sprache zu, „bindet den Mann und schafft ihn zur Stadt in den Thurm.“

War auch die Sprache, in welcher der Landoogt seinen Befehl ertheilte, den meisten der versammelten Männer unverständlich, so erriethen sie doch den Sinn desselben sogleich aus dem Verfahren des Rottmeisters, der sich mit einigen der Reiter dem jungen Goldschmied, den sein Weib angstvoll umfaßt hielt, näherte, und ein dumpfes Gemurmel des Unwillens lief durch die Gruppen und Reihen des Volkes. Der Landvogt hörte es und sich höher im Sattel emporrichtend rief er mit dröhnender Stimme:

„An die Arbeit, Ihr Leute, und keine Meuterei oder ich will Euch einen stillen Freitag anrichten, wie noch keiner zu Breisach gefeiert wurde.“

Aber das drohende Gemurmel verstummte nicht und hie und da machten einige junge Leute schon Miene, den Reitern bei der Ausführung ihres Auftrags Widerstand zu leisten, als der Waffenschmied mit lauter Stimme rief:

„Ruhe, Ihr Männer und Leute von Breisach.“ Darauf fuhr er, sich zu dem ihn erstaunt anblickenden Freiherrn gewendet, fort: „Uebermorgen ist das heilige Osterfest. Und zu Ostern gab der römische Landpfleger Pontius Pilatus den Barrabas los, der doch ein Mörder war, warum sollte der Herr Landvogt mit meinem Bruder, der nicht einmal so schwerer Unthat schuldig, nicht ein Gleiches thun?“

Ein unwilliges Gemurmel der Frauen war die Antwort auf diese Rede des Waffenschmieds, die Vielen unbrüderlich und lieblos klang und selbst einige der Männer schauten ihn betroffen an, der Waffenschmied aber kümmerte sich nicht weiter darum, sondern schlug seinen Bruder tröstend auf die Schulter, indem er dabei sagte:

„Und nun gehe getrosten Muthes, Bruder, der Herr Landvogt wird es gnädiglich mit Dir machen und übermorgen ist Ostern.“

Der Landvogt, ganz überrascht von diesem geschmeidigen Benehmen des Waffenschmiedes, den er immer als einen unverzagten, ihm und der burgundischen Herrschaft abhold gesinnten Mann kannte, wußte für den Augenblick nicht, was er auf des Mannes Rede entgegnen sollte. Im Grunde war er aber froh über dieses Benehmen des Schmiedes. Denn wenn er sich auch vor einer etwaigen Meuterei zu Gunsten des Gefangenen nicht fürchtete, so wäre ihm doch bei den jetzigen politischen Zuständen ein Aufstand inmitten der burgundischen Herrschaft nicht lieb gewesen. Spöttisch lachend rief er daher, sein Pferd herumwerfend:

„Du sollst Recht haben, Waffenschmied, wie Pontius Pilatus den Barrabas, will ich zu Ostern Deinen Bruder freigeben. Und Du, mein schönes Kind,“ fuhr er, sich zur weinenden Elsbeth wendend, fort, „weine Deine schönen Aeuglein nicht roth und gräme Dich nicht allzu sehr, vielleicht findet sich für den Gemahl ein Stellvertreter.“

Seine Begleiter lachten hell auf und weiter jagten die Herren, während die Soldaten den jungen Mann gebunden nach der Stadt führten und das Volk unter heimlichen Verwünschungen gegen die burgundischen Dränger wieder zur Arbeit ging. Als sich nun Alles wieder zerstreut hatte, zog der Waffenschmied seine weinende Schwägerin bei Seite und sprach zu ihr:

„Seid ruhig, Elsbeth, und härmt Euch nicht allzu sehr – es geht dem Heinrich nicht an den Kragen, nehmt mein Wort darauf. Und nun geht heim zu Eurem kleinen Johannes und haltet Euch still in Eurem Hause. Wenn Ihr an meinem Laden vorübergeht, so grüßt meine Gertrud und sagt ihr, sie solle unbesorgt sein, wenn ich nicht gleich vom Rheinbau nach Hause käme. Ich habe noch einen Gang über Land zu machen und werde vor Nachts nicht wieder da sein – Nun Gott befohlen, Elsbeth!“

Und während die junge Frau schluchzend zur Stadt ging, kehrte der Waffenschmied wieder an seine Arbeit zurück.



[132]
II.

Unweit Breisachs lag zu jener Zeit, in der noch nicht die Axt, wie jetzt, die Wälder gelichtet und ihren Boden zu Ackerland verwandelt, eine große Waldung, der St. Martin’s-Wald genannt, der sich nach Westen bis an das Ufer des Rheins erstreckte, während er im Osten durch eine weite mit bräunlichen Farrnkräutern bedeckte Heide begrenzt wurde. Es war Abends in der achten Stunde und der Mond warf schon seinen silbernen bleichen Glanz auf die Haide, als ein Mann in raschem, fast wildem Laufe über die Haide nach dem Saume jener Waldung zueilte. Zuweilen warf er, immer dabei laufend, einen spähenden Blick hinter sich, wie Einer der sich verfolgt glaubt und die Entfernung zwischen sich und seinen Verfolgern berechnen will, und einmal hielt er sogar im Laufe an, und legte sich, das Ohr lauschend an den Boden drückend, platt auf die Erde nieder; aber seine Befürchtung schien eine vergebliche gewesen zu sein, denn als er sich wieder aufrichtete, flog ein zufriedenes Lächeln über sein offenes, männliches Gesicht und er sprach, sich den Schweiß von der Stirn trocknend:

„Die burgundischen Spürnasen waren mir scharf auf der Fährte, aber eher soll eine Taube einen Sperber oder ein Hase einen Hund fangen, als sie den Friedrich Vögelin – Aber heda! was ist das?“ Und der Waffenschmied – denn er war der Mann – betrachtete seine Hand, die, als er sie von der Stirn zurückzog, mit Blut gefärbt war. „Blut, Blut,“ sprach er, die blutige Hand betrachtend, „so hat mich doch Einer von den Schurken getroffen. Ja, ja, die blauen Bohnen sausten mir hart am Kopfe vorbei und da mag mich wohl eine etwas geschunden haben. Indessen,“ setzte er mit trockenem Humor zu, „lieber geschunden, als gebunden.“ Er wischte hierauf die blutige Hand an einem Büschel abgerissener Farrnkräuter ab und eilte dann weiter auf den Martinswald zu, dessen Saum er bald erreichte. „Nun mögen sie suchen,“ sprach der Waffenschmied, „und wenn es ihrer soviel sind, als es im Martinswald zur Herbstzeit Buchnüsse gibt, sie sollen mich nicht finden. Wie der Fuchs in seinem Bau, kenne ich hier jeden Weg und Steg.“ Und er drang immer tiefer in den Wald ein, nach der Seite zu, wo dieser vom Rhein begrenzt wurde, mit den Armen die Aeste der jungen Tannen- und Fichtenbäume und das Gezweige der Haselnußbüsche auseinander theilend. Nachdem er auf diese Weise eine Stunde lang vorwärts gegangen war, kam er auf eine kleine Waldwiese, wo er einen Augenblick stehen blieb, um die Gestirne zu betrachten und daran zu erkennen, wie viel es an der Zeit wäre.

Wie er so ruhig dastand, traf ein Geräusch, wie das eines in der Ferne dahinrauschenden Wassers, sein Ohr.

„Das ist der Rhein,“ sprach er für sich, „vorwärts, nun bin ich bald an Ort und Stelle; und es ist Zeit, daß ich komme, ste werden schon Alle da sein.“

Und mit neuer, frischer Hast drang er in das Dickicht ein. Je weiter er vorwärts schritt, desto deutlicher hörte er das dumpfe Rauschen der Wasserfluten und von der Gegend her, wo das Ufer des Stromes war, glänzte ihm durch die dunkle, grüne Waldesnacht ein röthlicher Schein entgegen. Allmälig wurde der Lichtschein immer heller und als der Waffenschmied vielleicht noch fünfzig Schritt vom Stromufer entfernt war, konnte er eine Gruppe von vielleicht zehn Männern unterscheiden, die in lebhaftem Gespräch auf einem etwas erhöhten von Buschwerk und Tannen umgebenen Platz standen, und von denen einige brennende Kienfackeln in den Händen hielten. Da ihm aber die Meisten den Rücken zugewendet hatten und das röthliche, vom Wind bewegte, hin und her flackernde Licht der Kienfackeln, sowie der von dem harzigen, brennenden Holz aufsteigende Qualm die Züge der Andern nicht genau unterscheiden ließ, so blieb er stehen, um ganz sicher zu sein, daß jene Männer die von ihm Gesuchten wären, und ließ jenen eigenthümlichen knarrenden Ton, der dem Spechte eigen ist, erschallen. Ein scharfer Schrei, gleich dem eines Falken, antwortete ihm und die ganze Gruppe gerieth in eine lebhafte Bewegung. Auf dieses Erkennungszeichen hin trat der Waffenschmied rasch an die Männer heran, die ihn mit herzlichem Gruß und Handschlag bewillkommten. Es waren lauter schlichte Bürgersleute aus den umliegenden Ortschaften, die hier im Walde zu abendlicher Stunde zusammengekommen waren, einfache Innungsmeister und Kaufleute aus den verpfändeten Vorlanden, die das harte, tyrannische Regiment des Statthalters von Hagenbach nicht mehr zu ertragen Willens und deshalb entschlossen waren, es zu brechen auf diese oder jene Weise und, wenn es nöthig, selbst mit Wehr und Waffen und auf die Gefahr des eigenen Lebens hin. Nur ein Einziger unter ihnen war ein Eidgenosse, ein Bürger aus Bern, dem durch des Hagenbach’s Freunde und Rathgeber, die Barone Bilgeri von Hewdorf und Konrad von Eptingen, der Bruder, wie er mit anderen Kaufleuten von Bern nach Frankfurt am Main zur Messe zog, überfallen und erschlagen worden war. Den erschlagenen Bruder zu rächen an den übermüthigen Baronen, war er mit eingetreten in den Verein der Männer, die sich zusammengethan bei des Landes Noth, um dem Elend, unter welchem es seufzte, ein Ende zu machen. Er war es auch, der zuerst das Wort ergriff.

„Was für eine Botschaft bringt Ihr, Meister,“ frug er den Waffenschmied, „gute oder böse?“

„Wie Ihr’s nehmt, schlimme und gute, Herr. Der Landvogt ist übermüthiger und Bürger und Bauersmann aufgebrachter als je.“

Und er erzählte Ihnen des Landvogts Gewaltthat, die er an dem heutigen Tage wieder zu Breisach an seinem Bruder verübt.

„Und Ihr ließet den Bruder vor Euren Augen gefangen fortführen?“ frug der Berner fast mit einem gewissen Vorwurf im Ton.

„Ja, ich that es, Herr,“ entgegnete der Waffenschmied, „aber Ihr könnt es mir wohl glauben, es geschah nicht aus bleicher, hasenherziger Furcht und Feigheit, sondern weil mich die Frauen, die Kinder und die Greise jammerten, die ringsherum standen, die wehrlosen Männer, die kaum eine Axt oder einen Spaten als Waffe hatten und die, hätte ich den Landvogt vom Pferd heruntergerissen und ihm den Schädel eingeschlagen, von den Hufen seiner burgundischen Reiter zertreten worden wären. Blutschuld wäre auf die Stadt gefallen und durch’s ganze Land hätten die Adligen Zeter über den Mord geschrien. Er wird fallen, der Landvogt, und noch ehe zwei Monden vergehen, aber durch Henkers Hand.“

„Ihr vergeßt das Sprüchwort, Meister, das bei den Leuten da im Reich gäng und gebe: die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn. Ehe wir den Vogt richten können, müssen wir ihn haben.“

„Darüber zu rathen, sendete ich in vergangener Wochen den vertrauten Boten an Euch, werthe Herren,“ antwortete der Waffenschmied, „denn die Saat, die der Landvogt gesäet, ist aufgegegangen und gereift und harret der Sichel.“ Die Männer blickten ihn erwartungsvoll an und er fuhr fort: „Gleich nach meines Bruders Gefangennehmung eilte ich von dem Bau an den Gräben hinaus auf’s Land, um unsern Freunden das Zeichen zu geben, daß sie beim ersten Lärmen zur Stadt eilen sollen. Die burgundischen Reiter, die der Vogt, seitdem unser alter Herr, der Erzherzog, und die Eidgenossenschaft rüstet, das Land durchstreifen läßt, waren mir dabei hart auf den Fersen. Zum Glück war, als sie auf mich stießen, der Abend schon hereingebrochen, so daß mich keiner von ihnen erkannt hat, wenn sie mir auch einen Denkzettel angehängt haben.“ Und er deutete auf den Streifschuß an der Stirn –

Darauf traten die Männer dichter zusammen und beriethen, wie sie Land und Leute frei machen könnten von dem Dränger, dem Landvogt, und der burgundischen Herrschaft überhaupt. Und als sie darüber einig geworden, streckten sie die Hände empor zum Himmel mit fernen flimmernden Sternen und gelobten einander mit einem theuren, heiligen Eide, wie es einst in jener Herbstnacht des Jahres 1307 die drei Männer Fürst, Melchthal und Stauffacher auf dem Rütli gethan: die alten Freiheiten, die sie unter dem Erzherzog besessen, wieder zu erobern, den tyrannischen Landvogt und die harte burgundische Herrschaft zu vertreiben, einander bei Gericht und Recht zu schirmen und daran Leib und Leben zu setzen –

Der Berner aber sprach dazu das Amen in Gottes Namen, und versicherte den Männern aus den Vorlanden, daß ihnen der Eidgenossen Hülfe nicht fehlen würde, wenn es zum Aeußersten käme. Hierauf trennten sie sich, nachdem sie verabredet, daß das heilige Osterfest auch der Tag ihrer Auferstehung aus den Banden der Knechtschaft sein solle. –

(Schluß folgt.)



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Neue Bauten in Egypten.

Wir haben von einer Suez-Eisenbahn gehört und den Suez-Canal bereits in der Gartenlaube[2] gesehen. Der große, älteste Culturstrom der Menschheit, der Nil, hängt damit zusammen und wird uns in den nächsten Jahren öfter Gelegenheit geben, von ihm zu sprechen, wenn er die Geheimnisse seines Hauptursprungs, seit Jahrtausenden vergebens gesucht, der großen egyptischen Expedition, die jetzt auf Befehl des Vicekönigs „unter allen Umständen“ bis an seine Quellen vordringen soll, in der afrikanischen Schweiz oben, den geheimnißvollen Mondgebirgen, mit der ewig schneebedeckten Kilimangaro-Spitze am Aequator offenbart haben wird. Aber so weit ist die Expedition noch nicht, desto weniger wir. Er gibt uns aber auch in seinem tausendmeiligen, ganz Egypten befruchtenden Laufe ohnehin genug zu thun. Es würde schon viel Zeit und Schilderungstalent kosten, die Wunder und Herrlichkeiten seiner Delta-Mündungen darzustellen, besonders seitdem die ungeheuersten Wasserbaukünste sich zwischen den Zungen derselben erheben. Auf diese wollen wir denn hier auch blos aufmerksam machen.

Sie sind ein Werk, an welches das gebildete Europa nicht glaubte, von welchem die geschicktesten Wasserbaumeister und Ingenieurs Mehemet Ali, der auf diesen gigantischen Gedanken gekommen war, abriethen, da die Ausführung unmöglich sei. Aber der alte Vicekönig, dessen uralte Vorfahren Pyramiden und Obelisken fertig gekriegt, meinte, auch die Bewältigung und Regierung der ungeheuern Nilwassermassen, die segnend und verwüstend alle Jahre sein Land überschwemmen, müsse möglich sein. Er versuchte es mit einem französischen Ingenieur und 15,000 Arbeitern und ist jetzt im Wesentlichen fertig.

Es galt die Eindämmung des Nils für Unter-Egypten, um die Ueberfülle der Ueberschwemmung auch für die Zeiten der Dürre nutzbar zu machen und die Ueberfluthungen selbst für Ackerbauzwecke zu reguliren.

Der Plan war ausgearbeitet und im Frühlinge 1847 für Ausführung in Stein reif. So legte Mehemet Ali selbst am 9. April 1847 feierlich den Grundstein inmitten der höchsten muhamedanischen Geistlichkeit und weltlicher Beamten und Gesandten, umgeben von 15,000 schwarzen und braunglänzenden Arbeitern. Der Oberpriester sprach Allahs Segen über das Werk mitten in einem Meere rothen, rauchenden, warmen Blutes, das 50 Opfer-Buffalo Ochsen zu diesem Zwecke abgezapft worden war. Das Fleisch der Opferthiere und viele andere erprobte Mittel gegen Hunger und Durst verzehrten die 15,000 schwarzen Arbeiter unter der heißen Sonne Egyptens auf großer gelber Ebene, und die Gesandten, Minister und Großen des Staates bankettirten als Gäste Mehemet Ali’s in seiner großen Palasthalle zu Kairo.

Die Nil-Eindämmungs-Bauten.

Der Boden Egyptens gewährt unter heißer Sonne und aus dem befruchtenden Segen des alten Vater Nil jährlich zwei Ernten. Das Winterhalbjahr reift Korn, anderes Getreide und Flachs, Produkte, die ihre Kraft jedes Jahr aus den September-Ueberschwemmungen des Nil ziehen. Die Sommerernte: Indigo, Zucker, Baumwolle u. s. w. gedeiht nur durch künstliche Bewässerung. Aber die künstliche Bewässerung kostet Arbeit, Geld und Bildung. Der egyptische Bauer begnügte sich daher oft mit der Winterernte und ließ den besten Ertrag seines Bodens in der Erde stecken.

Dies gefiel dem alten Vicekönig nicht, zumal da seine Steuereinnehmer den faulen Bauern erst ausklopfen und ausschütteln mußten, „was des Königs ist.“ Sie nahmen ihre Baarschaft gern in den Mund, den sie so lange fest zuhielten, bis sie unter den Hieben der Obrigkeit laut aufschrieen. Andere wurden bei den Füßen mit dem Kopfe nach unten so lange geschüttelt, bis die so umgekehrten Steuerverweigerer ihre bessere Ansicht baar ausspieen.

Mehemet Ali beschloß, für Wasser in der Zeit der Dürre zu sorgen, um den Bauern Gelegenheit zu geben, Geld daraus zu fischen, die Ueberfülle des Septembers aufzufangen, und für die Sommerernte aufzusparen. Dazu brauchte er gigantisches Dammwerk, die Verwüstung des Wassers bei der Überschwemmung ab- und für die trockne Jahreszeit zurückzuhalten, ferner Canäle, um die aufgefangenen Gewässer über das Land hin zu leiten. Das [134] ziemlich vollendete, gigantische Werk sichert jetzt für ganz Unter-Egypten die doppelte Ernte. Es besteht außer den geschlossenen Dämmen aus zwei ungeheueren Schleußen-Brücken und Thoren im Kopfe des Delta (wo sich die Nilarme trennen), einer auf dem Rosetta-, der andere auf dem Damietta-Arme. Sie sind durch einen 4500 Fuß langen, gekrümmten Damm verbunden, der eine trennende Brüstung zwischen beiden Armen bildet. Die beiden Fluththore, etwa eine halbe französische Meile von einander, geben einen großartigen Anblick auf die von ihnen gefesselten Wassermassen, von welchen drei Hauptcanäle, jeder 330 Fuß weit, gespeist werden, die ihrerseits sich weit und breit immer feiner durch ganz Unter-Egypten verästeln und adernd verlieren. Der erste durchschneidet das Delta, der zweite die Provinz Alexandria und der dritte die östlichen Provinzen, die Egypten von Syrien trennen. Unsere Abbildung ist getreue Copie eines Anblickes dieser gigantischen Bauten, wie er sich im Sommer 1856 über dem Rosetta-Arme bot. Der Damm läuft hier in eine Fluthbrücke von 1500 Fuß Länge mit Bogen von 45 Fuß Spannung für Barken und andere kleinere Schiffe.

Einen erhabenen Eindruck machen die alten gigantischen Pyramiden, die so unsterblich und stumm seit vielen Jahrtausenden aus dem Sande emporstarren, aber was sind sie mit ihren vertrockneten Mumien gegen Titanen-Arbeiten, die nicht den Himmel stürmen, aber wohl die heiße, trockene Sandebene, um ihr jedes Jahr süßes Zuckerrohr, Meere von Baumwollenblüthen, kostbare Farbhölzer und blühenden Wohlstand für Millionen abzunöthigen.




Ein Reiseabenteuer am Nicaragua-See.

Die Hauptmerkwürdigkeit des großen langgestreckten Ländergebiets, das unter dem Namen Central-Amerika bekannt ist, und dessen Staaten in unsern Tagen ein Feld geworden sind, auf welchem die rivalisirende Politik Englands und der Vereinigten Staaten trotz aller bisher geschlossenen und noch zu schließenden Verträge immer auf’s Neue wieder feindlich gegeneinander stoßen muß, ist der Nicaragua-See, in allen Beziehungen eine der schönsten Wassermassen auf dem Continent. Seine Größe ist eher unter- als überschätzt worden; wahrscheinlich beträgt seine Länge 120 und seine Breite 50–60 (engl.) Meilen. An seinem südlichen Ufer liegt die alte Stadt Granada, der wichtigste Handelsplatz der Republik Nicaragua. Einige Meilen unterhalb dieser Stadt erblickt man den in den See vortretenden Vulkan Momobacho, der zu einer Höhe von fast 5000 Fuß emporsteigt. An seinem Fuße im See liegen zahllose kleine Inseln vulkanischen Ursprungs, die sich in Kegelgestalt von 20 bis 100 Fuß Höhe erheben und mit üppigem Pflanzenwuchs überdeckt sind. Einige derselben, auf denen sich fruchtbares Erdreich befindet, werden von Indianern bewohnt, deren von schlanken Palmen überragte Hütten mit einem Hintergrunde von breitblättrigen Pisangs ein Bild geben, das nicht malerischer gedacht werden kann.

Ich hatte bereits mehrere dieser Inseln besucht und schickte mich eben an, auf meinem Lagerplatz am Ufer des Sees Vorbereitungen zur Rückreise nach Granada zu treffen, als ich durch das Erscheinen zweier Reiter überrascht wurde, die, wie ich bald erfuhr, ebenfalls eine Tour in’s Land hinein unternommen hatten, um die Naturschönheiten desselben, namentlich aber die Ufer des Sees mit ihren tausend Wundern in Augenschein zu nehmen. Der Eine dieser Wanderer, ein hübscher junger Mann von gefälligen, einnehmenden Manieren, war ein Kaufmann aus Chinandega, der einer in Granada verheiratheten Schwester einen Besuch abgestattet hatte und in den nächsten Tagen nach seinem Wohnort zurückzukehren gedachte, der Andere dagegen, eine derbe, gedrungene Gestalt, stellte sich mir als ein Mechaniker vor, der von einigen Pflanzern der Umgegend den Auftrag erhalten hatte, Verbesserungen an den hier zu Lande im Allgemeinen noch ziemlich unvollkommenen Mühlen und Maschinen anzubringen, welche bei der Bereitung des Zuckers und anderer der vielen werthvollen Landesprodukte in Gebrauch sind. Beide, Nordamerikaner von Geburt, gehörten zu den Menschen, welchen man es auf den ersten Blick ansieht, daß sie das Zeug dazu haben, den Kampf des Lebens aller Orten und unter allen Verhältnissen muthig und beharrlich durchzukämpfen.

Nachdem wir die ersten Begrüßungen ausgetauscht, und einander gegenseitig Auskunft über unsere persönlichen Verhältnisse gegeben hatten, begannen meine neuen Freunde, mich über verschiedene ihnen als ganz besonders sehenswerth bezeichnete Punkte zu befragen und baten mich schließlich, dieselben in ihrer Gesellschaft zu besuchen. Obgleich ich beschlossen hatte, mich am folgenden Tage wieder nach Granada aufzumachen, ging ich doch nach einiger Ueberlegung auf ihren Wunsch ein, unterließ aber zugleich nicht, sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie sehr unvorsichtig gehandelt hätten, indem sie sich ohne alle dienende Begleitung auf eine solche Wanderung begeben, da es dringend nothwendig sei, in diesen Gegenden stets ansehnlichen Mundvorrath mit sich zu führen; „und,“ fügte ich hinzu, „haben Sie denn auch gar nicht erwogen, daß es durchaus nicht zu den unmöglichen Dingen gehört, ganz unerwartet einigen jener Teufelskerle zu begegnen, die sich seit der Besiegung des wilden Somoza[3] noch hie und da im Lande umhertreiben?“

Beide sahen mich ein wenig verdutzt an, denn sie fühlten wohl, daß meine Rüge am Platze war, aber im nächsten Augenblick lachten sie hell auf und betheuerten, sie besäßen Muth und Ausdauer genug, um jeder kommenden Gefahr die Spitze bieten zu können.

„Vor dem Verhungern kann ich Sie schützen, meine Herren,“ sagte ich, auf die Vorräthe an Lebensmitteln deutend, die in den großen Quersäcken unter den Bäumen lagen, „und was die Kerle des Somoza betrifft, so werden wir wohl, vorausgesetzt, daß ihrer nicht zu viele uns in den Weg kommen, mit ihnen fertig werden können, da die drei Indianer, welche ich mitgenommen, und mein Diener Pedro, der, wie Sie sehen, dort unter dem großen Pisangbaume Mittagsruhe hält, alle ihren Mann auf sich zu nehmen im Stande sind.“

Während dieser Auseinandersetzung hatten die beiden Reisenden die wenigen Kleidungsstücke, welche sie in Reserve mit sich führten, und ihre Waffen abgelegt, und setzten sich nun mit mir auf einen im Grase liegenden Baumstamm, um ein wenig auszuruhen, während meine Begleitung sich der beiden Pferde der Fremden annahm, die sich auch sogleich in Frieden und Freundschaft meinem braven Renner zugesellten, der vor dem schlafenden Pedro bedächtig auf und ab schritt.

Ich stand gerade im Begriff, den Schläfer zu wecken, als er urplötzlich aufsprang, einen lauten Schrei ausstieß und sich dann mit Mienen des Entsetzens überall hin umschaute. Der arme Bursch zitterte am ganzen Leibe, und es dauerte einige Zeit, ehe er die Sprache wieder erlangte, um die Ursache seines so jähen und schreckensvollen Erwachens erklären zu können.

Mittlerweile hatte einer der Indianer, der in der Nähe gestanden, die Sache bereits aufgeklärt. Wenige Schritte von der Stelle, auf der Pedro gelegen, ringelte sich eine kleine Schlange, und wahrscheinlich war diese dem Schlafenden über das Gesicht gekrochen.

„Ja, so war es!“ seufzte Pedro mit schwacher Stimme; „aber es schien mir eins der größten dieser Ungeheuer zu sein, als ich die Augen aufschlug, und sie dahingleiten sah.“

Meine beiden neuen Freunde lachten hell auf, als sie diese Bemerkung meines Dieners vernahmen.

„Du bist ein Hasenfuß, mein Lieber!“ rief der Mechaniker ihm zu; „wer sieht doch wohl eine Maus für einen Löwen an!“

Diese Worte gaben Pedro vollends die Besinnung wieder. Schnell wie der Blitz wandte er sich gegen den muthwilligen Sprecher und sah ihn wild und zornig an.

„Hasenfuß?“ schrie er, wie außer sich, „so hat mich bis auf den heutigen Tag noch Niemand genannt! Beschimpft mich nicht, Señor, ich besitze Muth, das wird mein Gebieter Euch bestätigen!“

Ja, Du warst ein muthiger Bursch, mein armer Pedro, davon sollten wir Alle uns bald genug überzeugen! –

[135] Es gelang mir ziemlich leicht, den beleidigten Pedro zu beruhigen, denn, wenn auch sehr reizbar, war er doch im Grunde eine sehr gutmüthige Haut, die leicht Kränkungen verzieh und vergaß, wenn man gelegentlich wieder ein freundliches Entgegenkommen zeigte. Auch beeilte der Mechaniker sich sofort, dem Beleidigten einige entschuldigende Worte zu sagen, und ein tüchtiger Schluck Aguardiente,[4] den er ihm aus einer am Sattel der Pferde hängenden Flasche verabreichte, spülte vollends den Groll hinweg.

Nach diesem ein wenig unerquicklichen Intermezzo machten wir uns an die Berathung über einen Feldzugsplan. Die Debatte war nur von kurzer Dauer, da meine Freunde erklärten, sie würden mit Vergnügen den Rathschlägen folgen, welche ich in Bezug auf die zunächst einzuschlagende Route zu geben hätte. So ward denn festgesetzt, daß wir bis zum Abend das Ufer durchstreifen und in einige Schluchten hinabsteigen sollten, um dann bei eintretender Dunkelheit Quartier in einer Hacienda[5] zu machen, deren Besitzer mich Tags zuvor mit großer Gastfreiheit bewirthet hatten.

Eine halbe Stunde war kaum verflossen, als unsere Kolonne sich in Marsch setzte. Voran ging Pedro, der ganz heiter das Nationallied pfiff, dann folgten die beiden Yankees und ich, einzeln hinter einander fortreitend, und den Beschluß machten die drei Indianer, welche unsere Lebensmittel und einige Kleidungsstücke trugen.

Der anfangs ziemlich ebene Weg wurde bald schon schwieriger zu passiren, und endlich mußten wir uns mehr dem freien Abhange eines Hügels zuwenden, der zu unserer Rechten aufstieg, um nur vorwärts zu kommen. So schritten und ritten wir langsam vorwärts und gewahrten schon nach Verlauf einer Stunde wieder die von den Sonnenstrahlen vergoldete Fläche des Sees, als plötzlich unsere Avantgarde, der lustige Pedro, Halt machte und uns hastig zuwinkte, ein Gleiches zu thun.

Wir hielten unverzüglich unsere Pferde an, und rasch sprang ich von dem meinigen herunter, um Pedro entgegen zu eilen und ihn nach der Ursache seiner ängstlichen Bewegungen zu befragen. Aber schon im nächsten Augenblick schoß er wie der Blitz auf uns zu und berichtete mit athemloser Hast, er habe einen Trupp Bewaffneter am Rande der vor uns liegenden, zum See hinabführenden Schlucht bemerkt.

„Es sind gewiß Leute von der Bande des Somoza!“ rief er aus, „wenigstens sind’s keine Soldaten der Regierung, das habe ich an der Kleidung der Kerle gleich erkannt.“

Pedro’s Vermuthung schien mir nicht so ganz aller Begründung zu entbehren, denn mehrfach hatte ich in Granada gehört, daß einzelne Flüchtlinge des Insurgentenhaufens bis hierher gekommen waren, und daß sie seither allen Nachstellungen Seitens der wachsamen Behörden sich zu entziehen gewußt hatten.

Was war zu thun? Unsere Berathung dauerte nur wenige Augenblicke, denn Pedro machte den Vorschlag, wir möchten ihn auf Kundschaft aussenden, eine Maßregel, die ja am Ende auch durch die Umstände geboten war, wollten wir anders nicht vorziehen, den Rückweg anzutreten, um hinterher vielleicht zu erfahren, die Kerle seien keine Banditen, sondern ganz ehrliche Leute aus einem benachbarten Orte gewesen.

Der Mechaniker maß meinen Diener mit gar erstaunten Blicken, als dieser sich einen kurzen Säbel, der sich bei den von den Indianern getragenen Sachen befand, um den Leib schnallte, und zwei Pistolen, die ich ihm reichte, in den Gurt steckte, und zwar dies Alles mit der größten Ruhe und Gelassenheit.

„Ich bin kein Hasenfuß, Señor,“ sagte Pedro lächelnd, als er sah, daß der Yankee ihn so aufmerksam betrachtete; „Ihr sollt sehen, daß ich mich zu vertheidigen wissen werde, wenn die Banditen mich bemerken, und mir auf den Leib rücken sollten.“

Dann reichte er mir die Hand und im nächsten Augenblick war er in dem dichten Unterholz, der den waldigen Uferabhang bedeckte, verschwunden.

Aber – so fragten wir schon im nächsten Augenblick einander – dürfen wir, während der brave Mensch sich in vielleicht große Gefahr begibt, unthätig bleiben? Müssen wir nicht vielmehr darauf bedacht sein, ihm beizuspringen, falls er von den Bewaffneten angegriffen und verfolgt wird?

Rasch entschlossen übergaben wir unsere Pferde der Obhut der Indianer, denen ich die gemessene Weisung ertheilte, auf der Stelle, wo wir uns jetzt befanden, unsere Rückkehr zu erwarten, und eilten dann, sorgfältig den Schutz des Gebüsches suchend, den schmalen Pfad hinab, den wir Pedro hatten hinuntergleiten sehen.

Als wir wenige Minuten nachher in geringer Entfernung die gedrungene Gestalt des kecken Burschen erblickten, wie er bemüht war, die Baumäste und Blätter zu entfernen, die ihm die Aussicht auf die Schlucht benahmen, machten wir wieder Halt.

Pedro arbeitete aus Leibeskräften, ohne sich auch nur einen Augenblick umzusehen. Endlich war er fertig, und nun begann er auf allen Vieren bis an den Rand des Abhanges zu schleichen. Wir folgten langsam und vorsichtig, und es gelang uns, unsern wackern Kundschafter stets im Auge zu behalten. Plötzlich warf er sich platt auf die Erde nieder.

Was war das? – Zu unserer Rechten vernahmen wir ein Geräusch, wie wenn Jemand sich Bahn bräche durch Gestrüpp und Zweige. Jeder von uns spannte den Hahn seiner Büchse und schaute mit athemloser Spannung nach der Richtung hin, woher der Lärm zu kommen schien. Als ich auf einen Augenblick wieder zurückblickte, sah ich Pedro noch immer am Boden liegen.

Es vergingen noch einige Minuten, da trat aus dem Gebüsch ein Mann hervor, der in dem Augenblick, als er unserer ansichtig ward, erschrocken stehen blieb und das Gewehr, das er in der Hand hielt, zu Boden fallen ließ.

„Du bist des Todes, wenn Du Dich rührst, oder um Hülfe rufst!“ flüsterte ich dem Bestürzten drohend zu, während ich ihm den Lauf meiner Flinte auf die Brust setzte.

Er sagte kein Wort, sondern fiel kraftlos zu Boden, indem er die Hände flehend gegen uns erhob.

Der Mensch sah erbärmlich genug aus. Seine Kleider waren zerrissen und mit Staub und Schmutz bedeckt, sein Haar hing in langen Büscheln wirr um Stirn und Schläfe, und sein blasses, abgemagertes Gesicht verkündete nur zu deutlich, daß ein heftiges Fieber in ihm tobte.

„Wer bist Du, und woher kommst Du?“ redete ich ihn an, indem ich neben ihm niederkniete.

„Ich bin ein Flüchtling von der Armee Somoza’s, dort unten lagern meine Genossen,“ flüsterte der Elende; „ich verließ sie, um zu den Meinen nach Leon zurückzukehren, weil ich des Umherirrens müde bin.“

Seine Brust keuchte schwer und er senkte das Haupt vor Erschöpfung.

„Schont meiner,“ bat er dann wieder nach einer Pause, „schont meiner, ich habe eine alte Mutter in Leon, die mich liebt und die mir verzeihen wird, daß ich sie verließ.“

Schwere Thränen rollten über seine bleichen Wangen, als er diese Worte sprach.

„Sei ruhig, fürchte nichts von uns, wenn Du uns die ganze Wahrheit berichtest,“ entgegnete ich, meine Versicherung mit einem Händedruck bekräftigend.

Der Flüchtling erhob sich mühsam, und mich ängstlich anblickend, sagte er schnell:

„Zwei Legua’s von hier in der Ebene nach Süden soll eine Hacienda liegen, die wollen meine Genossen heute Abend plündern; eilt den Bedrohten zu Hülfe, wenn Ihr könnt.“

Das mußte das Gehöft meines freundlichen Wirthes Ramirez sein, der Punkt, den wir noch vor Einbruch der Nacht zu erreichen gedachten.

„Wie stark ist die Zahl Deiner Genossen?“ fragte ich, rasch aufspringend.

„Es sind ihrer noch zehn, und alle wohl bewaffnet.“

Unser Entschluß war gleich gefaßt: dem Bedrohten mußte Hülfe gebracht werden. –

Mittlerweile war auch Pedro zu uns herangekommen. Als er das Geräusch in den Büschen vernahm, hatte er sich auf die Erde geworfen und in dieser Stellung so lange ausgeharrt, bis er uns erspäht und sich so das Vorgefallene klar gemacht hatte. Ich befahl ihm, den kranken Flüchtling zu den Indianern zu führen, ihn der Obhut eines derselben zu überlassen und dann unsere Pferde und die zurückgelassenen Waffen in Bereitschaft zu halten. Inzwischen wollten wir untersuchen, ob sich ein Weg, der nicht von der Schlucht aus beobachtet werden konnte, am Ausgange der Holzung nach der Ebene zu öffne. Nach halbstündigem Suchen [136] fanden wir, was wir wünschten. Der Pfad lief an dem Fuße eines kleinen Hügels vorbei, der die Schlucht, in der die Bewaffneten lagerten, verdeckte; wir durften also hoffen, die Ebene unbemerkt zu erreichen.

Als wir wieder bei den Unsrigen anlangten, fanden wir sie damit beschäftigt, dem Kranken Wasser und Früchte zu reichen. Ich befahl zweien der Indianer, ihn nach unserm verlassenen Lagerplatze zu führen, dort zu verpflegen und unserer Rückkehr zu harren. Den dritten ließ ich mein Pferd mit besteigen, während Pedro auf dem des Mechanikers mit Platz nahm.

So machten wir uns auf, durchtrabten rasch die Ebene und erreichten, als die Dämmerung hereinbrach, die Hacienda des Don Ramirez.

Der würdige Mann war nicht wenig erstaunt, eine so seltsame Cavalcade durch sein Hofthor reiten zu sehen; seine Verwunderung ging aber in dankbare Rührung über, als ich ihm in kurzen Worten den Zweck unseres Kommens erklärte.

„Und hier,“ fügte ich hinzu, „stelle ich Ihnen zwei Freunde vor, die eigentlich nur in diese Gegend gekommen sind, um die Schönheiten derselben zu beschauen, die mir aber nicht zürnen werden, weil ich sie veranlaßt habe, sich bei der Vertheidigung eines Mannes mir zur Seite zu stellen, dessen edelmüthige Gastfreundschaft ich erst gestern genossen habe.“

„Ihnen zürnen?“ riefen meine Freunde lachend; „im Gegentheil, solch’ ein Reiseabenteuer ist ja köstlich!“

Dabei sah sich der Mechaniker nach Pedro um. Der hatte sich aber gleich bei unserer Ankunft fortgeschlichen und war jetzt beschäftigt, das Hofthor gehörig zu verrammeln, wobei ihm die sechs Leute unseres Wirthes nach Kräften behülflich waren.

Diese Vorsichtsmaßregel erschien bei genauerer Besichtigung des Terrains als ziemlich zwecklos, denn die Umzäunung der andern Seiten des Hofes war so niedrig, daß sie leicht überstiegen werden konnte, und ich befahl deshalb meinem eifrigen Diener, seine fortificatorischen Talente lieber auf die Verrammelung des Hauses selbst zu verwenden, das wir alsbald in eine kleine Festung umzuwandeln begannen. –

Mitternacht war schon vorüber, als wir unsere Arbeit vollendet hatten. Wir waren alle in dem großen Zimmer versammelt, aus welchem man unmittelbar durch das große Portal in den Hof hinaustritt, und harrten gespannt der Dinge, die da kommen würden. Die sechs Leute des Don Ramirez, tüchtige, handfeste Bursche, hielten, theils mit Flinten, theils mit langen Säbeln bewaffnet, an den bis zur halben Höhe verschanzten Fensteröffnungen Wache, während unser Wirth, meine beiden Freunde und ich in Obacht nahmen. Pedro und der Indianer schlichen im Hofe umher, und in einem der Seitenzimmer waren die Frau und zwei Kinder nebst den drei Mägden verborgen.

So harrten wir fast eine volle Stunde, und schon stieg der Argwohn in mir auf, der in unsere Gewalt gerathene Flüchtling habe uns getäuscht, als Pedro plötzlich leise an die Thür klopfte. Ich öffnete und ließ ihn eintreten.

„Unter den Cacaobäumen wird’s lebendig,“ raunte er mir zu, „es bewegen sich dort Gestalten hin und her, und ich sah Waffen blitzen.“

Der Mond schien hell und beleuchtete die Gegend, welche wir vor der Fronte des Gebäudes übersehen konnten. Ich erstieg die Verschanzung vor einer der Fensteröffnungen und gewahrte nun auch mehrere Männer, die im Schatten der Baume hin und her gingen. Ihre Zahl mochte fünf oder sechs betragen, aber schon im nächsten Augenblick traten noch einige hinzu, und nach kurzem Verweilen schritten alle langsam und vorsichtig auf die Umzäunung des Hauses zu.

Als sie bei derselben angelangt waren, späheten sie nach allen Teilen umher und begannen dann sie zu übersteigen.

Wo befand sich der Indianer? Pedro hatte ihn aus den Augen verloren, als er fortschlich, um mir die Nachricht von dem Herannahen der Banditen zu bringen. Ich konnte ihn nirgends im Hofe entdecken.

Die Bewaffneten hatten jetzt sämmtlich den Zaun überstiegen und schlichen leise der Hauptthür zu, die ich wieder verriegelt hatte.

Wir waren alle an die Fensteröffnungen getreten, und auf meinen Commandoruf feuerte jetzt Jeder nach der Richtung hin, wo die Räuber standen.

Diese erste Salve war von schrecklicher Wirkung. Vier der Kerle lagen am Boden und ein fünfter sprang heulend bei Seite. Die übrigen, wildaussehende Menschen von riesiger Gestalt, blieben muthig stehen, und als wir nun das Thor aufrissen und allgesammt hinausstürzten, schickten sie sich zur verzweifeltsten Gegenwehr an.

Der Mechaniker, der seine Flinte weggelegt und dagegen einen Stoßdegen in die Hand genommen hatte, stürzte sich auf den zunächst stehenden der Banditen, wurde aber nach kurzem Gefecht zu Boden geworfen, und schon zückte der Gegner den langen Dolch auf seine Brust, als Pedro herbeistürzte und den Kerl mit einem kräftigen Kolbenstoß bei Seite warf. In demselben Augenblick aber sank er selber zur Erde, ein Pistolenschuß hatte ihn kampfunfähig gemacht.

Da erschien plötzlich die Gestalt des vermißten Indianers im Rücken der fechtenden Räuber. Mit wildem Geschrei stürzte er sich auf diese, welche, durch den unvermutheten Ueberfall außer Fassung gebracht, sofort die Flucht ergriffen und über den Zaun zu entkommen suchten. Aber es war schon zu spät. Wie der Blitz waren die Leute unseres Wirthes ihnen auf den Fersen, und in den nächsten Minuten lagen sie entwaffnet am Boden.

Der Mechaniker, welcher beim Fallen nur eine leichte Contusion erhalten hatte, war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und hatte seinen tapfern Retter, meinen braven Pedro, in’s Haus getragen. Die Wunde des armen Menschen blutete stark. Anfangs vermutheten wir, es sei ihm ein Knochen im Arm zerschmettert, es zeigte sich jedoch bald bei genanerer Untersuchung, daß nur das dicke Fleisch des Oberarmes zerrissen war. Donna Ramirez, eine gewandte, erfahrene Dame, legte dem Verwundeten sogleich einen Verband an, und als man den beim Beginn des Gefechtes verwundeten Banditen hereintrug, war sie mit derselben Bereitwilligkeit zur Hand, auch diesem ihre Sorgfalt und ihr Erbarmen zu widmen.

Die Gefangenen hatten wir indeß gefesselt und in einen kleinen festen Stall gesperrt, wo die Dienerschaft sie streng bewachte; die Todten schleppten wir in einen tiefen Graben am Eingänge zu den Cacaogärten und bedeckten sie dann am folgenden Morgen mit Erde und Rasen. Den Indianer ließ ich mein Pferd besteigen, um eiligst Nachricht von dem Vorfalle an die Behörden in Granada zu bringen.

So endete unser Abenteuer in der Hacienda des edlen Don Ramirez. Als am folgenden Morgen die Sonne strahlend emporstieg und wieder Wald und Feld und die fern rauschenden Wogen des Nicaragua Sees mit goldigem Schimmer übergoß, trat ich an das Lager meines Pedro, an dem der Mechaniker die ganze Nacht gewacht hatte. Pedro schien sich ziemlich wohl zu befinden. „Armer Freund,“ sagte ich, ihm herzlich die Hand drückend, „wie schmerzt es mich, daß Du so leiden mußt.“

„O das wird bald überstanden sein, Señor,“ erwiederte er lächelnd, „und dann habe ich ja auch diesem Herrn,“ dabei sah er den Yankee schelmisch an, „deutlich beweisen können, daß wir Leute von Nikaragua keine Hasenfüße sind.“
A. Wulfert. 


Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg.

Es mag wohl kaum ein zweites Institut der bürgerlichen Gesellschaft geben, über welches so viele, sich geradezu widersprechende Urtheile laut werden, als über die Schule. Jede politische, jede religiöse, jede sociale Partei beurtheilt sie nach ihren Grundsätzen, jede stellt an sie gebieterische Forderungen, ja, sucht ihre Zukunft auf sie zu gründen, jede feindet sie an, je weniger sie den von ihr gestellten Forderungen entspricht. So wird sie von allen gemustert, gerichtet und nicht selten verurtheilt. Die Gebrechen der Gesellschaft, des Hauses, des Staates, der Kirche, ja selbst der Revolution, Alles wird auf ihr Kerbholz geschrieben, sie, die so wenig gehört und beachtet wird, deren Forderungen oft geradezu schnöde zurückgewiesen, sie soll zuletzt für Alles verantwortlich

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Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg.

gemacht werden, während man ihre Leiter, die vielbeaufsichtigten, gemaßregelten und gehudelten, als die allgemeinen Sündenböcke für alle Mißgriffe und Zustände hinzustellen beliebte. Als ob die Schule das Leben zu machen, zu leiten vermöge, nachdem das Leben, und zwar nicht selten ein verkehrtes und in Grundirrthümern befangenes, zum größten Theile die Schule gemacht hat und noch fortwährend an ihr herumarbeitet, so sehr auch dieselbe sich aus allen sie drückenden, beengenden und beschränkenden Fesseln herausarbeiten möchte. Da gibt es Kampf und nicht selten trägt der Feind der Wahrheit den augenblicklichen Sieg davon, und die Menschheit wird in ihrem Streben wieder zurückgeworfen, während die edelsten Kämpfer für Wahrheit und Recht das Märtyrerthum ihrer Sache schwer erdulden müssen. Nur die Zukunft lohnt mit Siegeskränzen, zwar spät, doch sicher. Einem solchen Kämpfer für die Wahrheit mögen die nachfolgenden Zeilen gewidmet sein.

Adolph Diesterweg ist unbestritten Deutschlands größter jetzt lebender Schulmann, jene gewaltige Natur, die seit drei Jahrzehnten den bedeutendsten Einfluß auf die deutsche Volksschule und ihre Lehrer ausgeübt hat, jener allezeit rüstige und schlagfertige Kämpfer, der bald mit der Kelle am Gebäude eines Geist bildenden Unterrichts und einer naturgemäßen Erziehung zu arbeiten, bald mit dem Schwerte des Geistes wider alle Finsterlinge und Dränger der Schule und ihrer Lehrer zu streiten hatte und der in nie ermüdender Thätigkeit seine Stimme über die wichtigsten Fragen der Schule und des Lebens abgegeben, seit beinahe zehn Jahren zwar seiner amtlichen Stellung enthoben und in Ruhestand versetzt, dessenungeachtet aber noch immer in ungeschwächter, ja vielleicht noch entschiedenerer Weise für die Rechte der Schule und eine vernünftige Volksbildung als tüchtigster Anwalt in die Schranken tritt. Diesterweg ward am 29. Oktober 1790 geboren zu Siegen im Nassauischen, jetzt zum Regierungsbezirk Arnsberg, Provinz Westphalen, gehörig. Hier wirkte sein Vater als Justizamtmann und erwarb sich durch Tüchtigkeit und Redlichkeit die allgemeine Liebe. Seine außerordentliche Lebhaftigkeit, sein Feuereifer ist auf den Sohn übergegangen, Diesterweg interessirt sich für die wichtigsten Fragen der Gegenwart, weiß ihnen Zeit und Kraft zu widmen, ist bei Allem, was er unternimmt, mit ganzer Seele, ist ein ganzer Mensch, ein ganzer Lehrer und ein ganzer Kämpfer. Schon im Knaben zeigte sich der Mann. Diesterweg war kein Stubenhocker; nach der Schule und der Beendigung der von ihr geforderten Arbeiten besuchte er die Werkstätten der Handwerker seiner Vaterstadt, half mit, wo er konnte, und ließ sich von ihren Reisen erzählen. Sein Jugendunterricht trug die Gebrechen seiner Zeit an sich; daß er der wohlunterrichtete, umsichtige und außerordentlich belesene Mann geworden, das ist ganz das Werk späterer Jahre und eigener Selbstständigkeit. Nachdem er die lateinische Schule seiner Vaterstadt besucht hatte, bezog er die Universität Herborn und vollendete später seine Studien, anfangs Theologie, in Tübingen. 1811 finden wir ihn, nachdem er sich vergeblich um eine Stellung bei der damaligen geographischen Vermessung des Herzogthums Westphalen beworben hatte, als Hauslehrer in Mannheim, im folgenden Jahre als Lehrer in Worms und bereits 1813 folgt er einem Rufe an die Musterschule zu Frankfurt a. M. Bald erkannte man in ihm nicht nur den wissenschaftlich gebildeten, sondern auch den praktisch gewandten Schulmann. Als Mitglied der „Frankfurtischen Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Kenntnisse und ihrer Hülfswissenschaften“ errichtete er durch dieselbe in den Hungerjahren [138] 1816–17 eine Sonntagsschule für Lehrlinge und Gesellen und betheiligte sich an ihr, trotz seiner dreißig wöchentlichen Lehrstunden, zu denen der Subsistenz willen noch zwölf bis sechzehn Privatstunden kamen, mit ganzer Kraft in vor- und nachmittäglichen Lehrstunden auf die uneigennützigste Weise. Noch heute spricht er mit Begeisterung von seinem damaligen Wirken. Schon im Jahre 1818 finden wir Diesterweg an der lateinischen Schule zu Elberfeld, zwar nur bis 1820 an derselben thätig, doch ist diese Zeit für ihn von entscheidender Wichtigkeit. Elberfeld brachte ihn mit dem berühmten Schulmanne Friedrich Wilberg, dem „Meister am Rheine“ in Verbindung. Dreißig bis fünfzig Schulmänner sammelten sich hier allwöchentlich um Wilberg, Diesterweg unter ihnen. Gewiß hat Wilberg auf den Entschluß Diesterwegs, seine Thätigkeit dem Volksschulwesen zu widmen, großen Einfluß gehabt. Hören wir ihn selbst, als er im Jahre 1820 zum Seminardirector nach Mörs berufen ward: „Einst, als ich freiwillig, nachdem ich die materielle und geistige Noth des Volkes erkannt und die Zustände und Verhältnisse vieler Lehrer wahrgenommen, den Entschluß faßte, von der Laufbahn eines Lehrers an Gelehrtenschulen abzugehen und mich für immer dem Volksschulwesen, und was damit zusammenhängt, zu widmen, that ich das Gelübde, die Kräfte, die mir Gott verliehen, die Gelegenheiten, die er mir senden, die Mittel, die er mir spenden werde, dazu zu benutzen, daß es mit der Sache des Volkes, seiner Unterweisung und Erziehung etwas besser werde, damit ich nicht umsonst gelebt haben möge. Diesen Schwur habe ich bisher nach Möglichkeit zu halten gesucht.“

Pestalozzi’s Ideen über die entwickelnd erziehende Menschenbildung, welche nothwendig durch Selbstthätigkeit zur Selbstständigkeit und dadurch zur Selbstregierung leiten, durchzuführen, ward ihm Aufgabe seines Lebens. Ihrem Ausbau hat er Zeit und Kraft gewidmet, Wort und Schrift haben dazu beitragen und unermeßlich ist der Segen, welchen er hierdurch gestiftet. Kein Pädagog hat so wie Diesterweg auf diese allein wahren Grundsätze hingewiesen, für ihre Verwirklichung gearbeitet, für ihre Anerkennung gekämpft. Hören wir ihn selbst: „Wo das Schulwesen verfallen ist, ist es durch die Lehrer verfallen; wo es sich gehoben hat, hat es sich durch die Lehrer gehoben. Es gibt keinen andern Weg. Möglichst hohe Geistesbildung ist daher die Hauptaufgabe eines Seminars. Geweckte, denkende, selbstständige, folglich prüfende, untersuchende, reife Menschen – nur solche sind des Lehramtes würdig. Durch Vordenken und Nachsprechen, unbedingtes Annehmen vorgelegter Wahrheiten u. s. w. wird kein Mensch selbstständig, geistig lebendig und geweckt. Nichts ist mir in der Rede mehr zuwider, als die schemenartige Einerleiheit der Menschen, die Ausgelerntheit, Stocksteifheit der Pedanten, die todte Nachbeterei der Lehrformeln, das Prokrustesbett der Ausrecker und Kopfzuspitzer. Sie machen das Leben nicht nur langweilig und unausstehlich, sondern sie bringen durch den Despotismus, den sie wissend und nichtwissend auf die lebensfrohe, freithätige Jugend ausüben, um die frische und freie Naturwüchsigkeit und Eigenthümlichkeit, und tragen dazu bei, daß wir so wenige individuell gestaltete und in ihrer Sonderheit ausgezeichnete Menschen haben. Ein pedantisches Volk, diese Deutschen, sprechen die freieren Völker; kennt man einen, kennt man sie alle. Dieser Zustand ist zum großen Theil eine Frucht unserer zopfsteifen Schultyrannen.“ – Zwölf Jahre verlebte Diesterweg zu Mörs, geliebt und geachtet von Jedermann, ein glücklicher Lehrer trotz äußerlich jammervoller Lage. Seine Schüler hingen mit Verehrung an ihm, die Richtigkeit seiner Bildungs- und Erziehungsgrundsätze zeigte sich an allen, seine Vorgesetzten achteten und unterstützten ihn in allen seinen Unternehmungen. Ein Kreis von gleichgesinnten Freunden bildete sich um ihn, unter denselben Carl Hoffmeister, der berühmte, geistvolle Biograph und Commentator Schiller’s. Ueber confessionelle Verschiedenheiten war Diesterweg hinweg, darum nahmen an den Lehrcursen zu Mörs evangelische und katholische Zöglinge Theil, und Lehrer von beiden Konfessionen versammelten sich unter seiner Leitung zu Conferenzen: „die gemeinsame Liebe zu höheren Dingen erhebt über Verschiedenheit mancherlei Art, und geistig gesunde Menschen wählen ihre Freunde nicht nach kirchlichen Ansichten.“ Dagegen haßte er alle Pietisterei und allen Mysticismus, heilte die von diesen Verschrobenheiten befallenen Jünglinge, zog sich aber auch dafür die Feindschaft der Finsterlinge zu. Durch pietistische Pinselei und muckerisches Wimmern würde er sich ihre Freundschaft mehr, als durch die Richtung der Jünglinge auf das Ideale und die Weckung ihrer schlummernden Kräfte, erworben haben. Diesterweg liebte an seinen Zöglingen die aufrechte, senkrechte Stellung; durch naturgemäße Bildung die Entwickelung der Volkskraft, der Volksintelligenz, der Vernunft des Volkes durch vernünftige Schullehrer. Dadurch versah er es bei Jenen, welche hiermit Mangel an Bescheidenheit, an Demuth, Gehorsam, Kirchlichkeit und anderen Eigenschaften verbinden und meinen, durch solches Streben erziehe man Verstandeswüthriche und Hochmuthsteufel. Ein gewichtiges Wort Schmitthenners über Diesterwegs Wirksamkeit in Mörs und unter den Lehrern der Rheinlande mag hier eine Stelle finden: „Preußen hat am Rhein in Coblenz, Cöln und Wesel drei furchtbare Fenstungen gebauet und ausgebauet zum Schutz und Trutz gegen die Nachbarn und zur Sicherung des Reiches. Aber es hat eine andere aufgethürmet, die ist noch stärker und noch fester, das ist die Cultur des Volkes. An dieser nun hat der Dr. Diesterweg bauen helfen und beim Geniewesen tüchtige Dienste gethan, wie er denn ein ziemlicher Meister ist in Licht- und Feuerwerk. Darum hält ihn der Staat in Ehren.“ Und er hielt, müssen wir zusetzen, ihn damals in Ehren, später ist es leider anders geworden.

Schon 1830 hatte man ihm unerwartet eine Versetzung nach Berlin als Director an das zu begründende Seminar für Stadtschulen angeboten. Männer wie Bischof Roß, Kortüm und Strauß kannten seine Wirksamkeit vom Rheine her, Minister Altenstein war ihm gewogen. Gleichwohl sagte das Berliner Leben und Treiben ihm nicht zu, die Bedingungen waren nicht sonderlich günstig. Er stellte eine höhere Forderung, meinend, daß man nicht darauf eingehen werde, erhielt jedoch noch vor seiner Abreise von Berlin die schriftliche Zusage, daß man auf seine Wünsche eingegangen, und bald darauf kam ihm auch die Berufung zu. Die 1831 in Berlin wüthende Cholera verzögerte indeß seine Uebersiedelung, die erst im Mai 1832 ausgeführt ward. Lassen wir ihn seine Ankunft in Berlin selbst erzählen: „Es war am 5. Mai 1832 Morgens gegen 10 Uhr, gerade während des Durchgangs des Merkurs durch die Sonne, als ich mit Frau und acht Kindern in Berlin ankam. Am Rheine hatte ich einen alten Postwagen zur Reise gekauft. Er hatte bis dahin gut gehalten. In dem Augenblicke aber, als der Postillon in die Oranienburger Straße, in welcher meine künftige Wohnung lag, einbog, brach er zusammen. Es ward indessen Niemand verletzt und Niemand war erschrocken, es kam uns vielmehr lächerlich, fast natürlich vor, das alte Gestelle hatte ja seine Dienste geleistet; wir stellten uns auf die Beine und zogen zu Fuß in das Seminar ein. Ich habe indessen später oft an diesen Spuk denken müssen.“

Mit großer Freudigkeit trat Diesterweg in sein neues Amt. Die Sache ging, der rechte Mann lenkte das Schiff, die Seminaristen zeigten sich rüstig zur Arbeit, es waren wackere junge Leute darunter, ein tüchtiger Mann, der als naturhistorischer Schriftsteller bekannte, leider früh verstorbene Dr. Gabriel stand ihm als Lehrer zur Seite. Nur ein Wetter zeigte sich drohend am Horizonte: der ihm vorgesetzte Schulrath Otto Schulz, vor welchem er schon vor seinem Amtsantritte gewarnt worden war. Diesterweg hatte sich fest und heilig vorgenommen, alles Mögliche, was nur in seinen Kräften stand, zu thun, um mit ihm in gutem Vernehmen zu bleiben und, wie er selbst spricht, „die Jahre 1832–39 und die Geschichte meines inneren Lebens in diesen sieben Jahren können davon Zeugniß ablegen, ob ich das mir gegebene Versprechen gehalten habe oder nicht.“ Doch wir brechen hier augenblicklich ab, um Diesterweg’s literarischer Arbeiten ausführlicher zu gedenken, da diese, zwar schon in Mörs begonnen, doch in Berlin besonders gepflegt, ihn in den weitesten Kreisen zu dem gemacht haben, als welchen wir ihn mit Freuden anerkennen, zu Deutschlands bedeutendstem und einflußreichstem Schulmann der Gegenwart.

Diesterweg’s schriftstellerische Thätigkeit beschränkte sich außer einigen in die Volkspädagogik einschlagenden Broschüren und Aufsätzen fast nur auf die Angelegenheiten der Schulen, auf ihre äußeren und inneren Verhältnisse. Enthalten sind diese Arbeiten theils in selbstständigen Werken und Broschüren, theils in fast zahllosen Journalartikeln, namentlich in den von ihm seit 1827 herausgegebenen Rheinischen Blättern für Erziehung und Unterricht, einem Journale, welches des Trefflichen, Anregenden, die Schule Umgestaltenden unendlich viel mehr, als jede andere [139] Zeitschrift, enthält und sich in diesem 30jährigen Zeitraume trotz aller ungünstigen Verhältnisse und aller Verbote in gleicher Achtung bei allen strebenden Lehrern erhalten hat. Schon im Jahre 1846 zählte man 42 selbstständige Werke von Diesterweg, 260 Aufsätze in den Rheinischen Blättern, ungerechnet die in andern Zeitschriften und die zahllosen Recensionen über alle Zweige des Unterrichts, der äußern und innern Angelegenheiten der Schule. Es würde den Zweck dieser Blätter weit überschreiten, wollte man hier specieller in Diesterweg’s literarische Thätigkeit eingehen, und eine nähere Aufzählung seiner Arbeiten vornehmen; anderntheils können wir uns aber auch zum Verständniß des Wirkens dieses großen Mannes nicht versagen, bei den Hauptseiten seiner literarischen Thätigkeit ein wenig zu verweilen und den Leser einige Blicke in seine Werkstatt thun lassen. Es sind ja Blicke in das Gebiet der Erziehung und des Unterrichts, ein Gebiet, für welches sich fast in jedem Hause, jeder Familie Material in der Kinderwelt vorfindet, und das dem denkenden, gewissenhaften Vater, der sorgenden Mutter schon manche Stunde Ueberlegung gekostet hat, sei es bei Beurtheilung der Schule und des daselbst üblichen Unterrichts, sei es bei den Vorfällen und Erfahrungen innerhalb[WS 2] des Kinderkreises selbst.

Im Jahre 1833 schrieb Diesterweg die erste Abhandlung seiner Lebensfragen der Civilisation. Nur Weniges möge daraus hier eine Stelle finden. Es betrifft die Nothwendigkeit der Erziehung der untern Classen. „Der Anblick derselben, besonders in den großen Städten, überzeugt uns von ihrer ästhetischen, nähere Bekanntschaft mit ihnen von ihrer intellectuellen und moralischen Rohheit, also von ihrer Rohheit überhaupt. Sie werden von Leidenschaften regiert. Diese Leidenschaften sind immer vorhanden, nur nicht immer in dem Zustande der Erregung. Aber sie sind da; es bedarf nur eine Gelegenheitsursache, und sie zeigen sich in ihrer rohen, zerstörenden Natur. Sie gleichen aufgehäuftem Brennstoffe, den jeder Funke zur zerstörenden Flamme entzünden kann. Der schlafende Tiger kann durch Ereignisse, die gar nicht in unserer Macht liegen, geweckt und gereizt werden, und ein in Madrid, Paris, London oder Wien zündender Blitz kann den sichern Bestand aller Dinge unter uns in Frage stellen. Der ungeschlachte Haufen ist der innere Feind des Staates. Wir müssen eine Radicalcur des Uebels versuchen – durch Erziehung und durch die Umänderung der äußeren Lage. Ohne die genügende Lösung jener dringenden Aufgabe erblicke ich die schlimmsten Folgen für alles Bestehende, für Gesetz und Recht, Leben und Eigenthum. Ich schaue in den Abgrund einer vielleicht über unsere Fluren sich ergießenden Revolution. Dürfen wir uns dem Wahne überlassen, daß die starken Bewegungen und Erregungen durch Befehle, Ordonnanzen, Beschlüssen u. s. w. entfernt oder unterdrückt, oder in regelrechte Bahnen gelenkt werden? Lasset noch ein oder drei Jahrfünf also verstreichen, und ihr könnt das mögliche Endresultat errathen. Man handle, ehe es zu spät dazu werden könnte.“

Diesterweg sprach als Menschenfreund, als Seher, drei Jahrfünf vor 1848. Heute denkt, spricht, fühlt jeder Denkende so, jede Staatsregierung läßt sich von ähnlichen Betrachtungen leiten, Diesterweg ward es 1833 verargt, man witterte einen Demagogen in ihm, der an der Vortrefflichkeit unserer gesellschaftlichen Zustände zu zweifeln wagte. Seine Vorschläge zur Hebung des Uebels waren Erziehung und Organisation der Massen. – Die Schrift „Ueber das Verderben auf den deutschen Universitäten“ erschien im Jahre 1836, enthielt des Wahren und Beachtenswerthen unendlich viel, zeigte, wie diese obersten Bildungsanstalten in eine falsche Wissenschaftlichkeit hineinführen, während sie das verweigern, was der praktische Lebensberuf von Jedem fordert, der nur Erträgliches leisten will. Eine Menge Gegenschriften erschienen, Diesterweg ward nicht widerlegt. Fünfzehn Jahre später spricht er von dieser Schrift: „In dem Frankfurter Parlamente saß die Elite der Nation beisammen, saßen die berühmtesten Geschichtsforscher. Sie wußten alle Geschichten der Welt; aber hatten sie aus der Geschichte etwas gelernt? Die Unreife unserer Nation, der höhern wie der niedern Stände, die Tollheiten derselben wie ihre Energielosigkeit, besonders aber der furchtbare Mangel an Sinn für Gesetzlichkeit, womit die Leichtigkeit, der Nation die erworbenen Rechte wieder zu entreißen, verbunden ist, sind Folgen, nothwendige Folgen der verkehrten und aller Strenge entbehrenden Erziehungs- und Bildungsweise auf den Hochschulen und in den höhern Schulen.“

Dies Einiges aus der literarischen Thätigkeit unsers Diesterweg. Wir haben ihn meist selbst sprechen lassen, um zu zeigen, wie er zu den Fragen des Tages und der Gesellschaft steht, und auf welcher Seite das Recht war, als man ihn darob anfeindete. Doch wir wenden uns seinen pädagogischen Schriften zu, je nachdem sie das Aeußere oder Innere der Schule betreffen.

(Schluß folgt.)




Der edle Wein.
Von Dr. H. Hirzel.
IV. Nachtrag: Die Instrumente zur Weinveredelung und einige praktische Mittheilungen.[6]

Die früher mitgetheilten Lehren der Weinveredlung werden den Wein wieder zu einem Volksgetränk erheben, an welchem sich nicht allein die Wohlhabenden, sondern auch die Aermeren erquicken können. Sobald sie erst überall angenommen sind, was gewiß in wenigen Jahren geschehen wird, so kann auch Deutschland, anstatt seiner vielen fast ungenießbaren und daher unverkäuflichen Weine, alljährlich ein bedeutendes Quantum von guten Mittelweinen produciren. Die jetzigen hohen Weinpreise werden sich nur auf den feinsten Bouquetweinen erhalten. Die Mittelweine werden billiger und sind doch wohlschmeckend, feurig und gesund. Die Weinhändler befürchten zwar, daß dann mehr Wein producirt, als consumirt werde und scheinen von diesem Gespenst, welches Gall auf das Bestimmteste widerlegt hat, sehr geängstigt zu werden; oder suchen wenigstens andere damit zu erschrecken. Allein der Vortheil der Weinveredlung erstreckt sich nach allen Richtungen hin. Die Winzer brauchen nach harter Arbeit nicht mehr zu darben, sondern erhalten jährlich ihren wohlverdienten Lohn; die ehrlichen Weinhändler, die sich nicht auf Kosten unglücklicher Menschen bereichern, also keine Wucherer sind, haben nach wie vor ihren reichen Gewinn und können ihre veredelten Weine besser und schneller verkaufen. Und die Weinconsumenten erhalten einen guten mundenden Wein für ihr Geld.

Es wird, wie wir glauben, vielen Lesern der Gartenlaube wohl nicht ganz uninteressant sein, hier in einem kurzen Nachtrage, die Instrumente kennen zu lernen, welche zur Weinveredlung nöthig sind und dazu dienen, um den Most durch Wasser und Zuckerzusatz in richtiger Weise zu verbessern, sowie auch um in schon abgelagerten, noch jungen oder selbst alten Weinen den Weingeistgehalt zu bestimmen; um dieselben, im Falle sie geringe Weine sind, durch Einleitung einer neuen Gährung mit Wasser, Zucker und Hefe zu veredeln.

Der Säuremesser

dient dazu, um im Moste oder Weine die vorhandene Menge der Säuren zu bestimmen, welche im freien Zustande oder in solcher Weise in diesen Flüssigkeiten vorkommen, daß sie sich durch ihren sauren Geschmack zu erkennen geben. Der zweckmäßigste Säuremesser ist von dem ausgezeichneten Mechanikus Geißler eingerichtet worden. Derselbe besteht aus drei Stücken, einem Mischfläschchen, einer Pipette und einer Bürette; außerdem gebraucht man zur Säurebestimmung: gut bereitete Lackmustinktur (durch Auflösen von 1 Loth Lackmus in 16 Loth säurefreiem Weingeist darzustellen) und Ammoniakflüssigkeit, sogenannten Salmiakgeist, dessen specifisches Gewicht genau gleich 0,9592 ist; oder der in je 1000 Theilen aus 137 Thln. wirklichem Ammoniak und 863 Thln. Wasser besteht. Bei dem Versuche selbst müssen alle Flüssigkeiten die Temperatur von 14° R. besitzen. Man füllt nun zuerst die an beiden Enden offene Pipette bis zum Teilstriche A mit der Lackmustinktur, läßt diese dann in das Mischfläschchen ablaufen; füllt nun die Pipette bis zum Theilstriche B mit dem [140] zu prüfenden Moste oder Weine, läßt auch diesen in das Fläschchen zur Tinktur fließen, mit welcher er durch Schütteln gemischt wird;

Mischfläschchen. Pipette. Bürette.

wobei die blaue Farbe der Tinktur verändert wird und eine weinrothe Flüssigkeit entsteht (die meisten Säuren verwandeln das Lackmusblau in einen rothen Körper, doch wird durch Zusatz von Basen, das heißt von Stoffen, welche die Sauren sättigen, ihre sauren Eigenschaften aufheben und sich mit diesen zu Salzen vereinigen, die ursprünglich blaue Farbe des Lackmus wieder hergestellt). Hierauf füllt man die Bürette genau bis zum Theilstriche 0 mit der ihrer Stärke nach bekannten Ammoniakflüssigkeit und läßt aus der dünnern Röhre b derselben, so lange von der Ammoniakflüssigkeit in das Mischfläschchen, welches man hierbei beständig sorgfältig umschüttelt, tröpfeln, bis die rothe Farbe der Flüssigkeit im Mischfläschchen in tief Rothblau oder Violett übergegangen ist, welche Farbenveränderung anzeigt, daß nun durch das zugetröpfelte Ammoniak alle im Moste oder Wein vorhanden gewesene freie Säure gesättigt worden ist. Man braucht nun nur an der Scala der Bürette abzulesen, wie viel Theilstriche Ammoniakflüssigkeit man hierzu verwendet hat, so geben die Zahlen der Theilstriche bei der erwähnten Stärke der Ammoniakflüssigkeit sogleich an, wie viel Säuretheile in je 1000 Thln. des zu prüfenden Mostes oder Weines enthalten waren. Hat man z. B. 9 Theilstriche der Bürette Ammoniakflüssigkeit verbraucht, so enthielt der Most oder Wein 9 Theile Säure in 1000 Theilen Wein u. s. w.


Die Mostwage.

Mostwage nach Oechsle.

dient zur Bestimmung des Zuckergehaltes im Moste und wenn sie auch keine so genauen Resultate liefert, wie der Säuremesser, so ist sie doch für den praktischen Gebrauch genügend. Die beste Mostwage hat Mechanikus Oechsle eingerichtet und mit einer Gebrauchsanwendung versehen. Diese Wage ist ein Instrument von Silber oder Neusilber, welches man in den zu prüfenden, frisch gepreßten Most einsenkt und frei darin schwimmen läßt. Sie ist mit einer Scala versehen, an welcher man leicht ablesen kann, wie tief sie in den Most eingesunken ist. War der Most reich an Zucker, so ist er schwerer und die Wage kann nicht so tief einsinken, wie wenn er weniger Zucker enthält. Gall hat die nachstehende Tabelle zu der Wage ermittelt, aus welcher man den Zuckergehalt des Mostes, der den verschiedenen Graden entspricht, sofort erfährt.


Tabelle zur Oechsle’schen Mostwage.
Grade
des
Mostes
bei
14° R.
100 Zoll-
Pfund
solchen
Mostes
enthalten
an Zucker:
100 Quart
solchen
Mostes
wiegen:
Grade
des
Mostes
bei
14° R.
100 Zoll-
Pfund
solchen
Mostes
enthalten
an Zucker:
100 Quart
solchen
Mostes
wiegen:
  Zoll-Pfd. Zoll-Pfd.   Zoll-Pfd. Zoll-Pfd.
a b c a b c
38 5,9 236 70a 13,8 242
39 6,1 " 71 14,1 "
40 6,3 " 72 14,4 "
41 6,5 " 73 14,7 243
42 6,7 " 74 15,0 "
43 6,9 " 75 15,3 "
44 7,2 " 76 15,6 "
45 7,4 237 77 15,9 "
46a 7,6 " 78b 16,2 244
47 7,8 " 79 16,5 "
48 8,1 " 80a 16,7 "
49b 8,4 " 81 17,0 "
50a 8,6 238 82a 17,3 245
51 8,8 " 83 17,7 "
52a 9,1 " 84 17,9 "
53 9,3 " 85 18,2 "
54 9,6 " 86 18,6 246
55 9,8 239 87 18,9 "
56 10,0 " 88 19,2 "
57 10,2 " 89b 19,6 "
58 10,5 " 90 20,0 247
59a 10,8 " 91 20,4 "
60 11,1 240 92 20,7 "
61 11,3 " 93 21,1 "
62 11,6 " 94 21,4 248
63 11,8 " 95 21,8 "
64 12,1 241 96 22,1 "
65 12,4 " 97 22,4 "
66 12,7 " 98 22,7 249
67 12,9 " 99 23,0 "
68b 13,2 " 100 23,4 250
69 13,5 242


Das Vaporimeter.

dient zur genauen Bestimmung des Weingeistgehaltes im gegohrenen Traubensafte, im abgelagerten Weine, im Biere und vielen

Vaporimeter nach H. Geißler.

[141] anderen spirituösen Flüssigkeiten. Sein Erfinder, der Mechanikus Geißler hat dasselbe mit einer genauen Gebrauchsanweisung versehen und in den meisten Ländern patentiren lassen. Es besteht aus folgenden vier Haupttheilen, die aber beim Gebrauche zu einem Ganzen vereinigt werden: 1) Aus einem Messinggefäße A, das bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt und durch eine untergesetzte Spirituslampe erhitzt wird. – 2) Aus einer doppelt gebogenen Glasröhre BB, welche nebst der Scala auf einer Messingplatte m befestigt ist, die sich auf das Gefäß A schieben läßt. 3) Aus einem starken Glasgefäße C, das mit Quecksilber und der zu prüfenden Flüssigkeit gefüllt wird und dessen gut ausgeschliffener Hals bc, so über das abgeschliffene Ende s der Glasröhre B B paßt, daß es sich bis zum Theilstriche b auf die Röhre setzen läßt und durch diese gleichsam verschlossen wird; wenigstens kann nun der Inhalt des Gefäßes nur in die Röhre B treten. 4) Aus einem doppelwandigen Messingcylinder D, in dessen oberem Theile sich ein Thermometer befindet. Dieser paßt genau auf einen auf der Messingplatte des zweiten Stückes befindlichen Messingring und wird bei dem Gebrauche des Instrumentes über das Gefäß C gestülpt und auf den erwähnten Ring gesetzt. Er hat den Zweck, die aus dem Gefäß A aufsteigenden heißen Dämpfe aufzunehmen, so daß diese von allen Seiten mit dem Gefäße C in Berührung kommen können.

Will man nun mit diesem Apparate eine Weingeistbestimmung vornehmen, so verfährt man der Hauptsache nach auf folgende Weise: Das Gefäß C wird bis zum Theilstriche a mit Quecksilber gefüllt, vom Theilstriche a bis zum Theilstriche b mit der auf den Weingeistgehalt zu prüfenden Flüssigkeit, wobei man sich eines kleinen Stechhebers E bedient. Nun steckt man das Ende s der Glasröhre B, an welcher die Scala befestigt ist, in den Hals des gefüllten Gefäßes, bis zum Striche b und kehrt nun das Ganze um, so daß der Hals bc des Gefäßes abwärts, die Scala aufwärts zu stehen kömmt. Ist das geschehen, so schiebt man diesen Theil des Apparates auf das Kochgefäß A, stellt endlich den Cylinder D darüber und erhitzt das Wasser im Kochgefäß bis zum Sieden. Durch die heißen Wasserdämpfe wird besonders der Weingeist der zu prüfenden Flüssigkeit, die sich nun in dem oberen Raume p des Gefäßes C befindet, in Dampf verwandelt, welcher das Quecksilber aus dem Gefäße heraus in die Röhre B drückt und zwar um so höher, je mehr Weingeist vorhanden war. Die Zahlen der Scala an der Röhre geben sogleich die Menge der Alkoholtheile an, die in 100 Thln. der zu prüfenden Flüssigkeit enthalten waren und in wenig Minuten ist die Bestimmung förmlich spielend vollendet. Nur geringe Uebung ist nothwendig, um mit diesen Apparaten die verschiedenen nothwendigen Versuche vornehmen zu können.

Die Gährungsröhre.

Von den vielen praktischen Verbesserungen, welche Gall bei der Weinbereitung eingeführt hat, erwähnen wir zunächst die Gährungsröhre. Früher glaubte man, die besten Resultate zu erlangen, wenn man den Traubensaft in offenen Tonnen gähren lasse.

Gall bewies das Irrige dieser Ansicht; er zeigte, daß dann der Traubensaft zu viel Sauerstoff aus der Luft aufnehme, daß die Gährung zu weit schreite und ein Theil des gebildeten Weingeistes hierbei in Essigsäure verwandelt werde; daß außerdem viel Weingeist aus den offenen Gefäßen entweiche und daher der Wein schwächer werde. Er empfahl die Gährung in verschlossenen Fässern vor sich gehen zu lassen und in den Spund des Fasses nur eine knieförmig gebogene Röhre einzusetzen, damit das während der Gährung entweichende Kohlensäuregas einen Ausweg finde. Diese sogenannte Gährungsröhre kann von Glas, Blech oder Gutta-Percha sein, besitzt eine Weite von 3/4 Zoll und wird am besten mit ihrem äußeren Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäß eingetaucht.

Die Füllflasche.

Eine andere vorzügliche Einrichtung Gall’s, um die Fässer stets voll zu erhalten, ohne den Spund hierbei lüften und die Luft zutreten lassen zu müssen, ist die Füllflasche, welche in den Spund des Fasses gesteckt, mit Wein aufgefüllt und gut verschlossen wird. Gall hat mit Bestimmtheit nachgewiesen, daß man bei Anwendung der Füllflaschen viel weniger Wein durch Verdunstung verliert, also die Fässer weniger oft nachzufüllen hat und daß außerdem die Haltbarkeit eines Weines gesichert ist, wenn das Faß immer vollständig mit Wein angefüllt bleibt, was mit Hülfe der Füllflasche möglich ist.

Literatur.

Da wir den uns vergönnten Raum der Gartenlaube sehr überschreiten müßten, wenn wir alle Einzelnheiten der Gall’schen Weinveredlungs- und Weinbereitungslehre mittheilen wollten, so geben wir hier denjenigen, die sich näher mit diesem Gegenstande vertraut machen wollen, die denselben betreffende Literatur:

Gall, Dr. L. Praktische Anleitung, sehr gute Mittelweine selbst aus unreifen Trauben und vortrefflichen Nachwein aus den Trestern zu erzeugen, als Mittel, durch Vor- und Auslesen und Sortiren alljährlich auch werthvolle Dessertweine zu gewinnen. (Dritte umgearbeitete Auflage, Verlag von F. A. Gall in Trier.
Gall, Dr. L. in Trier. Praktische Anleitung zur Veredelung schon abgelagerter noch junger und zur Verjüngung und Verbesserung alter geringer Weine. Diese Schrift ist nur vom Verfasser selbst, gegen Erstattung von 12 Thlr., zu erlangen; doch wird sie den, der sich mit Weinbau beschäftigt, reichlich entschädigen. Uebrigens ist Herr Dr. L. Gall ein so uneigennütziger, liebenswürdiger Mann, daß jeder, der sich an denselben wendet, um sich über dessen Lehren Aufschluß zu verschaffen und Rath zu holen, ganz gewiß eine befriedigende Antwort erhält, und die ungerechten Angriffe auf die Persönlichkeit dieses Mannes werden dadurch am entschiedensten widerlegt.
Gall, Dr. L. Praktische Mittheilungen zur Förderung eines rationellen Betriebs der landwirthschaftlichen Gewerbe. Eine Zeitschrift, die zwanglos in höchstens 10 Heften à 2 bis 3 Bogen erscheint, und neben vielen andern, allgemein nützlichen Verbesserungen und Neuerungen, besonders auch die Fortschritte in der Weinbereitungskunde berücksichtigt. Die vorliegenden Hefte bringen z. B. ganz vorzügliche Arbeiten über die Bereitung der Obstweine, welche namentlich für das nördliche Deutschland, überhaupt die nördlichen Länder von unberechenbarer Wichtigkeit sind. Man muß nur berücksichtigen, daß sich aus dem Safte der Johannisbeeren, Stachelbeeren und anderer Früchte, mit Leichtigkeit und geringen Kosten Getränke darstellen lassen, die selbst der Kenner, dem Geruche und Geschmacke nach, kaum von dem Traubenweine zu unterscheiden vermag. Es wäre daher wünschenswerth, daß die allgemeine Aufmerksamkeit auf diesen Erwerbszweig eine größere würde. (Verlag von F. A. Gall in Trier.)
Gall, Dr. L. Die Füllflasche und deren Anwendung als sicherstes Mittel, durch beständiges Vollerhalten der mit Wein gefüllten Fässer, die Ausbildung der Weine zu befördern, sie vor nachtheiligen Veränderungen zu bewahren, jeden Leck augenblicklich zu erkennen, und zwei Drittheile an Füllwein zu ersparen. (Verlag von F. A. Gall in Trier.)

[142]

Gall, Dr. L., Ausführliche Nachrichten über mein Weinbereitungs- und Weinveredelungsverfahren. (Verlag von F. A. Gall in Trier.)


Traubenzucker-Fabriken.

Man kann allerdings zur Weinveredelung gewöhnlichen, gut raffinirten Zucker anwenden; da jedoch der Traubenzucker billiger herzustellen ist, und sich solcher in dem Traubensafte findet, so ist es jedenfalls zweckmäßiger, solchen anzuwenden. Man muß sich aber von der Reinheit desselben überzeugen; denn wenn er zu unrein ist, so kann der Wein leicht einen schlechten Geschmack davon bekommen. Ein ungünstiges Resultat ist dann nicht auf die Methode, sondern auf den Zucker zu schieben. Bis jetzt bereiten ihn folgende Fabriken:

Herr A. F. Bertog zu Wolmirstädt an der Ohre (Comptoir in Magdeburg). – Lohburger-Fabrik in Magdeburg. – Friedrich Wahl in Neuwied. – Remy und Espenschiet in Neuwied. – Gebrüder Best in Osthofen bei Worms. – Dr. E. W. Philippi in Jungenheim. – Deisz und Comp. zu Offstein bei Worms. – Fritz Muth zu Neumühle bei Westhofen. – R. Hoffmann zu Jungenheim.

Alle Apparate und Substanzen zur Ermittelung des Saure-, Zucker- und Weingeistgehaltes können am zuverlässigsten aus der chemischen Fabrik von Dr. Marquart in Bonn bezogen werden.




Die Feueresser in Algier.

„Warum murrt ihr? Gläubet und Ihr werdet haben, was ihr begehrt. Esset Steine, Insecten, sogar Feuer, und wenn ihr gläubet, werden diese Insecten, diese Steine, dieses Feuer zu Nahrung werden für euren Hunger.“

Diese Worte soll, nach dem Koran, einst Jesus zu seinen Jüngern gesprochen haben, als sie in der Wüste über Hunger und nichts zu essen klagten. Auf Grund dieses verlangten starken Glaubens bildete sich eine muhamedanische Secte, die noch heutzutage besteht und noch bis heute jährlich mehrmals festlich und feierlich Feuer ißt. Diese Feueresser nennen sich Beni Aissa (Söhne Jesu) und das Fest des Feueressens Hdrh, gesprochen Adra. Marcolte de Luiviers erwähnt das Fest in seinem Reisewerke: „Deux ans en Afrique“ (Zwei Jahre in Afrika) Seite 43, und Dr. Bodichon, Arzt in Algier, sucht die Art, wie sie es machen, um sich beim Genusse dieses seltsamen Nahrungsmittel nicht den Mund zu verbrennen, physisch zu erklären. Uns liegt die Schilderung eines solchen Festschmaußes von einem Augenzeugen, dem Engländer Bessie R. Parkes[WS 3], vor, die wir hier im Wesentlichen wiedergeben.

„An einem wässerigen und windigen Abende machten wir uns auf, um die berühmte Ceremonie des Feueressens und des Genusses ähnlicher Delikatessen von dem Stamme Ben Aissa in Algier mit anzusehen. Wir begaben uns in den Schutz eines arabischen Protectors, der kühn und knochig genug aussah, uns sicher durch die nicht geheuere Vorstadt zu führen. Nach mühsamen Wirren und Wallen durch die endlosen Zickzacks unseres Weges vor den Mauern draußen hinauf zu dem Casbah, dem alten Schlosse der Dey’s von Algier (jetzt ein Gebäudelabyrinth von Kasernen und Waffenniederlagen) kamen wir in die Vorstadt, den Hauptsitz der Beni Aissa. Ali Ben Ali, unser schöner Berber, der Malern als Modell sitzt, hatte versprochen, uns am Porte neuve (neuen Thore) zu treffen und uns in den Festsaal der Feueresser einzuführen. So graspten wir uns mühsam weiter, an dem schauerlichen Casbah vorbei, in welchem der letzte Dey Hussein sich fünfzehn Jahre lang verborgen gehalten hatte, ohne seinen Kopf jemals zu einem Fenster herauszustecken, aus Furcht, seine Janitscharen möchten ihm diesen Kopf absäbeln, der schweigenden, schwarzen Erinnerung an viele schwarze Thaten, die im regnigten Nachtwinde um uns her gespenstisch zu toben schienen, über und durch kleine Ströme und Schmutzpfützen, die der Regen immer höher schwoll, nach dem neuen Thore, das mindestens 300 Jahre alt aussah und fähig erschien, in seinen Recessen und Winkeln jede beliebige Zahl von Piraten zu verbergen. Wir stellten uns dessenungeachtet unter den Schutz dieser Mauern und riefen mit immer steigender Kraftanstrengung: Ali Ben Ali! aber vergebens. So gingen wir endlich weiter in die Straße hinein. „Straße“ in der alten Dey-Hauptstadt heißt eine steile, enge, vielfach gekrümmte, steigende und fallende Passage, oft in Stufen ab-, oft aufwärts abbrechend, unter vorspringenden obern Häuseretagen hindunkelnd und tunnelartig in die weißen Mauern hineinkriechend. In diesem heulenden, Regen peitschenden Winde mit den an Ketten schwingenden und knirschenden Straßenlampen oben, die alle hundert Schritt einmal aber nur düster sehen lassen, wie schrecklich finster und unheimlich es ringsum auszieht und wie schauerlich die Höhlungen von Bogen und Winkeln hereinstieren, und die weißen Häuser geisterhaft tanzen zu lassen scheinen, war unsere Entdeckungspromenade durch eine solche Straße wirklich ein gutes Stück Heldenthum. Vergebens schrieen wir Ali Ben Ali! in die heulende Nacht hinein. Nur einmal erschien oben über uns eine Französin mit einem Lichte an einer hoch gelegenen Hausthür. Sie wußte natürlich nichts von unserm Ali Ben Ali, auch nicht, wo das Hdrh-Fest gefeiert wurde; doch versicherte sie uns, daß hier überall herum Araber wohnten. Das war wenig, aber doch ein guter Trost für uns: Wir hatten doch ein menschliches Wesen gehört und in diesem unheimlichen Nachtsturme eine menschliche Stimme vernommen.

Wir wanderten und wanden uns weiter in engen Straßenlabyrinthen, bis wir eine weiße, wallende Gestalt aus einem dunkeln Tunnel heraufschimmern sahen, „Adra? Adra?“ frugen wir ihm zu. „Oui! Oui!“ erwiederte das weiße Gespenst und winkte uns freundlich, ihm zu folgen. Er führte uns durch neue Labyrinthe, halsbrechende Treppen auf und ab, durch neue Tunnels und endlich durch einen niedrigen Thorbogen in das Innere eines ausgehauenen, soliden Felsens. Die Häuser der Araber sahen alle so aus von der Straße. Bloße Mauern mit einem niedrigen Eingangsbogen, ohne Fenster, blos hier und da mit ganz kleinen Luftlöchern. Die Fenster vertretenden größeren Oeffnungen sehen alle nach dem Hofe hinein. Durch das dunkele Haus wurden wir in den Tempel geführt, einen ummauerten Hof mit dem dunkeln Himmel als Decke. Hier saßen etwa dreißig dunkele Araber kreuzbeinig, umfaltet von weißen Gewändern. Andere standen umher, sprachen und lachten, ohne uns besonders zu beachten. Jeder, der den Hof betrat, that dies barfuß. Das Marmorsteinpflaster war also geweiht, heilig.

Man bot uns höflich eine Bank unter einer Arcade des Hofes. Das Sitzen bekam uns nach den Strapatzen vortrefflich. Zugleich war es warm, denn außer dem Winde ist’s in Algier nie ernstlich kalt, aber der sehr oft von den Atlasgebirgen her wüthende Sturm fühlt sich desto härter und kälter an. Das seltsame Schauspiel vor uns, die weißen Gewänder, die dunkeln Gesichter, die feurigen Augen, die acht Säulen ringsum – Alles war durch ein einziges großes Licht schwach, aber mit starkem Relief erleuchtet. Unter den braunen Gesichtern auf Weiß mit den scharfgeschnittenen Zügen war ein kohlenpechschwarz glänzender Neger mit dickwulstigen Lippen und mit so viel Weiß in den Augen wie eine Schießscheibe, die nur einen kleinen schwarzen Punkt in der Mitte hat. Er machte sein großes, paukenartiges Tambourin zurecht, um auf ein gegebenes Zeichen gleich loszudreschen. Andere trockneten ähnliche Instrumente über einem Kohlenbecken, um ihnen den vollen Ton zu geben. Unser treuloser, schöner Ali Ben Ali war unter ihnen, ohne uns zu beachten. Seine elastische Jugend contrastirte scharf zu dem alten, vertrockneten Sheikh des Stammes, dem Häuptlinge eines in den Winkeln von Alt-Algier noch geduldeten, aber aussterbenden, wahnsinnigen Cultes. Er erinnerte mich an die Figur des Jeremias, den Verfall des Judencultus beklagend, auf einem Bilde Michel Angelo’s. Die eigentlichen Beni Aissa sahen meist überraschend schön aus mit Geist und Leben [143] in ihren scharfen Physiognomien mit hohen Stirnen und hakigen Nasenlinien. Einige davon hatten außerdem den Vortheil blühender Jugend und mochten funfzehn bis sechzehn Jahre alt sein.

Als die Vorbereitungen beendigt und Alle versammelt waren, kauerte sich das Tambourin-Orchester, mit der glühenden Kohlenpfanne vor ihnen, unter die Arcade rechts vor uns, mit einem erleuchteten Raume von Zuschauern hinter sich, und ließen nun plötzlich der Hölle eigene National-Melodie los. Es war ein Donnern und Krachen, wie wenn ein schwerer Eisenbahnzug in voller Hast fortwährend durch einen Tunnel raste. Aber das Finale jeder Leistung übertraf noch den gräßlichsten Lärm, den ein durch Tunnel rasender Eisenbahnzug machen kann. Die trommelnden Hände waren gar nicht mehr zu sehen, so schnell vibrirten sie auf den Instrumenten. Der Neger benahm sich dabei wie Generaldirektor Sr. höllischen Majestät. Nachdem sie gewiß zwanzig Minuten auf diese entsetzliche Weise musicirt hatten, so daß wir ganz verwirrt und abgestumpft waren, schraken wir mit jeder Muskel und Nervenfaser auf: ein schrillender, Mark und Bein durchdringender Schrei, wie ihn wohl kaum ein civilisirtes Ohr je vernahm, platzte unter der Arcaden hervor, damit ein Junge mit allen Zeichen wüthender, dämonischer Besessenheit. Er sprang hervor in Front des nun mit doppelter Leidenschaft arbeitenden Orchesters. Der Junge drehte und schwang seinen Kopf, wie eine Kugel an einem Stricke, als ob er gar keine Knochen im Halse, keine Rückenwirbel haben könnte, so heftig, so schnell, daß man einige Minuten lang schlechterdings nicht von seinem Gesichte sehen konnte. Trommler und Darsteller schienen sich in Beschleunigung überbieten zu wollen. Solch’ eine lose und rasche Bewegung, solch’ ein Schwingen und Rollen, solch’ eine Musik in Vierundsechzigstel und Hundertundachtundzwanzigstel Takten war wirklich zum Wahnsinnigwerden, zum Verlieren alles Bewußtseins von Zeit und Raum und physikalischen Gesetzen. Mir wurde in der That ganz schwindelig, so daß ich meine Augen schließen oder abwenden mußte. Mir wurde förmlich übel, als sich diese Bewegungen des Kopfes, wie eines Balles an seinem Stricke, über den ganzen Körper ausdehnten. Der ganze Körper wurde ein wirres Gewebe von Zuckungen und Schwingungen, die Glieder flogen umher und durcheinander, wie ein verwickeltes Gewebe von Stricken, die man umherpeitscht, als ob jedes Glied nur mit dünnen Bändern an den Rumpf gebunden wäre. Manchmal sah man weder den Kopf, noch Arme und Beine, so schnell zuckten und flogen sie umher und durcheinander. Diese gymnastische Uebung setzte er fort, nein steigerte er mit immer wahnsinniger werdender Geschwindigkeit der Trommel-Tempos, eine volle Viertelstunde, bis man wie an einem in vollem Carriere dahinrollenden Wagen die Räderspeichen, eben so wenig von seinen Gliedern sah. Dann stand er plötzlich still mit rollenden Augen und weit aufschwellenden Nasenlöchern, aber nur eine halbe Minute. Plötzlich kreischte er im wildesten Geheul auf: Feuer! Feuer! Feuer! und sprang dabei wahnsinnig umher. Ein Araber trat mit einem rothglühenden Stück Eisen, das er aus dem Kohlenbecken gezogen, an ihn heran und gab es ihm. Dieser ergriff es an dem kalten Ende, hielt es dicht vor seine Augen und betrachtete es mit dem Ausdruck des wahnsinnigsten Entzückens, das von der rothen Gluth des Eisens schauderhaft beleuchtet ward.

Jetzt beleckte er die rothglühende Masse ganz bedächtig und andächtig dreimal mit der Zunge, und schlug dann mit fürchterlichem Geheul mit der flachen Hand darauf. Hierauf gab er das Eisen zurück und schrie umherrasend um mehr Nahrung, während die Tambourin Virtuosen mit Höllenlärm seine Leidenschaft, den noch nicht befriedigten, wirklichen Heißhunger musikalisch auszudrücken suchten. Der Sheikh winkte ihm lächelnd, worauf er sich niederwarf und zu diesem, auf der Erde niedergeknixt, mit Händen und Füßen, wie ein Strafe erwartender Hund, herankroch, um von einem ihm hingehaltenen großen Stück stark- und dichtstacheligen Cactus mit Freudengeheul und blutendem Munde zu fressen. Der Sheikh lächelte wohlgefällig über diesen Beweis von Hingebung und religiöser Erhabenheit, und die andern Araber starrten andachtsvoll darein. Nachdem er seinen Appetit auf eine Weise gestillt, um welche ihn jeder Disteln fressende Esel beneidet haben würde, schwieg der Trommellärm und das Geheul des Andächtigen plötzlich. Letzterer ging nun eine Zeit lang in Andacht versunken und mit niedergeschlagenen Augen im Kreise umher, als wollte er sich sammeln. Aber die Tambourins fingen wieder zu arbeiten an, erst leise, dann rasch, an Kraft und Geschwindigkeit des Taktes zunehmend. Dies lockte einen zweiten Araber hervor mit langen Haaren, der sich mit dem ersteren verband, so daß nun die Kopfschwingungen doppelt und mit sechsfacher Gräßlichkeit durch das umherfliegende Haar wiederholt wurden, dann die Verrenkungen des großen Körpers und aller Glieder, die tanzend und wirbelnd und schwingend sich bald verschlagen, bald auseinander brachen. Dann schrieen beide im religiösen Heißhunger: Feuer! Feuer! Feuer! Immer lauter: Feuer! Feuer! Immer kreischender: Feuer! Feuer! Immer gellender: Feuer! Immer wahnsinniger: Feuer! Feuer! Feuer! Es wurden zwei rothglühende Eisenstücke gebracht, und mit heulendem Entzücken bedächtig mit der Zunge beleckt. Dann kam der Schmauß vom stacheligen Cactusstamme, wie oben, aber doppelt.

Hierauf gesellte sich ein Dritter zu ihnen, der ein neues Element der Unterhaltung einführte: eine grüne Schlange mit glühenden Augen und gegabelter, zitternd herausgestreckter Zunge. Er legte sie auf den Marmorboden in gefährlicher Nachbarschaft unserer Füße, die wir deshalb möglichst unter die Bank zurückzogen. Er spielte mit ihr, drohte ihr, daß sie sich wüthend aufbäumte, dann beschwor er ihren Zorn, daß sie sich liebkosend anschmiegte und nach den schnellen Takten des Trommel Spectakels knixte und sich wiegte und schwang, dabei ihre Augen stets auf den um sie tanzenden Meister richtend. Dann kränzte er sie um seinen Hals und Arm, und tanzte und schwang seine Glieder dazu gemeinschaftlich mit den andern Beiden, wozu sich die Schlange, entzückt und augenglühend, mit umherpeitschte, und oft in die erschrecklichste Nähe unserer Gesichter kam. Gegen mich schien sie mit besonderer Gier zu züngeln, so daß ich, weder ein Schlangenbeschwörer von Profession, noch ein gläubiger Ben Aissa, eine wirkliche Gefahr fühlte, vor der ich fliehen wollte, als der Zauberer das grüne Ungeheuer loswickelte und in einen hölzernen Kasten steckte. Jetzt entstand eine Pause, in welcher wir Jeder einen Becher ausgezeichneten, aromatischen Kaffees bekamen. Während wir tranken, brüllte der zweite Künstler plötzlich im höchsten Tone und Entzücken auf, und stieß sich ein spitziges, gewundenes Eisen durch die eine Backe, so daß die eine Spitze zum Munde heraus- und die andere an der Backe herabhing. Hierauf arbeitete er ruhig eine zweite solche Decoration durch die andere Backe, so daß Symmetrie in sein bluttriefendes Gesicht kam. Unter dem Halse zog er jetzt ein Stück Fleisch und Haut zusammen, und stieß sich ein drittes Stück Eisen hindurch. Das schien für seine und der Andern Erbauung genug zu sein. So wüthete und tanzte er im tollsten Jubel einher und die Tambourins arbeiteten dazu, wie nie zuvor. Das eine überstürzte sich selbst und ward plötzlich Reihe herum jedem Einzelnen hingehalten – zum Einsammeln von Kupfermünzen. So abgestumpft von Schrecken und Ekel ich war, mußte ich doch unwillkürlich über diese epigrammatische Wendung und Klimax, dieses plötzliche Umschlagen der unnatürlichsten Erhabenheit in natürliche Lächerlichkeit wirklich lachen. Meine Kupfermünzen klatschten mit besonderer Lustigkeit auf das jetzt demüthige Instrument, das eben noch solchen Höllenlärm gemacht hatte.

Wir hatten genug. Mit einem höflichen Gruße gegen den Sheikh zogen wir uns zurück und graspten, kletterten und glitschten unsern Weg heimwärts durch todte, seltsam ruhige und unheimliche Straßen und Schlupfwinkel.

Den folgenden Morgen kam mir die ganze Festlichkeit der Feueresser wie ein böser Traum vor. Aber ich überzeugte mich bald, daß ich wirkliche Thatsachen der seltsamsten und scheußlichsten Art gesehen. Ich suchte sie mir auch zu erklären, fand aber in der menschlichen Natur durchaus keinen Zug, der dazu hätte führen können.“

Wenn wir eine Erklärung versuchen sollten, würden wir uns nicht in der physischen Natur des Menschen selbst danach umsehen, sondern in den Religionen und Cultur-Bedürfnissen der Menschheit. Alle Völker und Racen haben sich in ihren Religionen mehr oder weniger die Pflichten der Selbstverleugnung bis zur Selbstvernichtung im Dienste einer oder mehrerer höhern, idealen, geglaubten Mächte auferlegt. Der buddhistische Indier begräbt sich Jahre lang in bewegungslose, unnatürliche Stellungen, und ließ sich schon zuweilen freiwillig lebendig begraben. Die alten Babylonier opferten ihre Kinder dem Moloch. Andächtige Christen zerfleischten sich mit Geißeln, standen bis 38 Jahre lang (glaub’ ich) ununterbrochen auf einer Säule und thaten oder litten [144] in anderer Weise freiwillig mehr, als die Feueresser. Auch die weltliche Gottheit der Staatsidee, der Patriotismus, fordert Selbstaufopferung und bekommt auch heut zu Tage seine Opfer. Curtius stürzte sich für’s Vaterland in den Abgrund, Winkelried in die Speere der Feinde: „der Freiheit eine Gasse“ für mein Leben! In unzähligen Schlachten haben sich schon Tausende nichts daraus gemacht, daß sie erschossen wurden. Wie Viele suchten den Tod im Dienste Gottes oder des Vaterlandes! Kurz, man kann den Zug der Selbstpeinigung, der Resignation, der Selbstaufopferung, des freiwilligen Todes für ein höheres Gut durch die ganze Geschichte der Menschheit in unzähligen erhabenen und komischen, rohen und schönen, tragisch erschütternden und erhebenden Formen verfolgen. Christus stirbt am Kreuze für die Menschheit, Sokrates trinkt den Giftbecher, Huß läßt sich verbrennen.

So ekelhaft auch die geschilderte Feueresserei für sich allein aussehen mag, es geht doch ein erhabener Zug mit durch die Backe des wüthend Verzückten, der sich selbst durchspießt. Und das Feuer, für uns gewiß stets zu heiß und zu wenig nahrhaft, mag dem braunen Helden doch wie ein Stückchen momentane ewige Seligkeit geschmeckt haben.

Nach Dr. Bodichon nehmen sich übrigens die Feueresser sehr wohl in Acht, nicht zu viel zu lecken, da hier allzuviel besonders ungesund sein würde. Er meint, mit recht nasser Zunge und recht schnellem Kuß auf die glühende Geliebte von Eisen kämen die Herren Feueresser sogar ohne Brandblasen davon. Aber schwach und leidend sind sie alle nach jedem solchen Feste, wie der Doctor aus eigener Praxis berichtet, obgleich der Sheikh keinen Candidaten des Feueressens, der ihm nicht stark und kräftig genug erscheint, zuläßt. Wenn so ein schwacher, von den Trommeln und seiner eigenen Phantasie aufgereizt, in Verzückungen hervorspringt, um sich mit Feuer und Cactusdornen zu erquicken, winkt er ihn zu sich und legt einfach seine Hand auf dessen Kopf. Dies ist das Zeichen, daß er zurücktreten soll, ein Wink, dem immer unbedingt Folge geleistet wird.



Für alle Freunde populärer Naturwissenschaft.




Im unterzeichneten Verlage erscheint in monatlichen Bändchen:

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E. A. Roßmäßler.
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Die Bücher der Natur werden eine Sammlung mit Gründlichkeit, aber nicht im trocknen Lehrton geschriebener kleiner Monographien sein, jede ein für sich bestehendes und für sich verständliches Ganzes bildend.

Es hat sich mit dem Herausgeber eine Zahl namhafter Naturforscher verbunden, um im fördersamen Zusammenwirken die Lösung der großen Aufgabe zu beginnen und nach Kräften durchzuführen.

Die bereits erschienenen zwei Bändchen (das erste vierzehn Bogen stark) enthalten:

Die Grundzüge der Chemie, von Dr. H. Hirzel;
Die Familie als Schule der Naturwissenschaft, von Dr. B. Siegismund.

Die zunächst erscheinenden Bändchen sind:

Das Salz im Haushalte der Natur, vom Salineninspector L. Meyn;
Das Wasser und seine Quellen, von Dr. H. Birnbaum;
Die Giftpflanzen Deutschlands, von Dr. L. Heros;
Die Ernährung und die Nahrungsmittel, von Dr. Scharlau;
Das Licht, von Dr. H. Bolze;
Die Lehre von den Gestalten des dritten Naturreichs, von Dr. H. Otto Volger;
Geschichte und Verfahren der Naturwissenschaft, vom Herausgeber;
Die Farrnkräuter, von Dr. E. Winkler.

und diesen reihen sich unter Anderem eine „Geschichte der Erde – Die deutschen Getreidepflanzen – Die schädlichen Thiere Deutschlands – Die Vögel Deutschlands – Der Mensch – Das Leben der Pflanze – Das Leben des Thieres – Die Stein- und Braunkohle und der Torf – Die Gräser – Grundzüge der Sternkunde – Die deutschen Säugethiere – Die deutschen Waldbäume – Grundzüge der Physik – Der Vulkanismus – die Atmosphäre und ihre Erscheinungen – Der Boden – Die Metalle und ihre Gewinnung“, von anerkannt tüchtigen Verfassern an.




Die „Bücher der Natur“ erscheinen in Bändchen à 12 Sgr. von dem Umfange von 11 Bogen und darüber und werden, sofern keine Hindernisse in den Weg treten, in monatlichen Zwischenräumen auf einander folgen.

Illustrationen und Ansichten, von den tüchtigsten Künstlern ausgeführt, werden in reicher Fülle theils in den Text eingeschalten, theils als besondere Tafeln beigegeben werden, wie denn überhaupt die Ausstattung der „Bücher der Natur“ eine durchaus würdige sein soll.

Leipzig, im März 1857.
Verlagshandlung von Ernst Keil. 

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Es dürfte für die Leser der Gartenlaube von Interesse sein, zu erfahren, daß die Thatsachen, aus welchen die Erzählung beruht, rein historischer Natur sind, selbst die Namen der darin handelnden Hauptpersonen sind nicht erfunden.
    Der Verf.
  2. Siehe Gartenlaube, Jahrgang 1856. Nr. 8.
  3. Somoza war der wegen seiner Grausamkeit allgemein gefürchtete Chef eines Insurgentenhaufens während der letzten bürgerlichen Unruhen. Vom General Munoz geschlagen und gefangengenommen, ward er standrechtlich erschossen.
  4. Inländischer Rum.
  5. Gehöfte.
  6. Die früheren Artikel s. Jahrg. 1856. Nr. 24. 33. 39.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: erröröthend
  2. Vorlage: innnerhalb
  3. gemeint ist die Journalistin: Bessie Rayner Parkes