Die Gartenlaube (1857)/Heft 29

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1857
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 29. 1857.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.   Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Der Herr Referendarius.
Erzählung vom Verfasser der „neuen deutschen Zeitbilder.“
(Fortsetzung.)

Kurz vorher hatte ihre Tochter Emma etwas Anderes gewonnen, wovon die Mutter allerdings nichts wußte und nichts wissen durfte, wenn zu ihren schweren Sorgen sich nicht auch noch schwere Angst gesellen sollte. Es war das die Liebe eines hübschen jungen Mannes, den sie jeden Mittag um zwölf Uhr, wenn sie von ihrer Arbeit in der Leipziger Straße nach Hause zurückkehrte, an der Spittelkirche traf, der bald mit ihr den nämlichen Weg ging, bald kürzer, bald länger, und ihr erzählte, daß er Rudolph Langenau heiße, aus einem kleinen Städtchen in Sachsen gebürtig sei, und in Berlin als Lithograph arbeite; daß er zwar jetzt nur noch ein geringes Wochenlohn verdiene, aber hoffentlich schon zu Ende des Jahres mit einem andern jungen Manne aus seiner Heimath, der ebenfalls Lithograph sei, etwas Vermögen besitze und sehr solid sei, sich selbst etabliren werde, worauf er dann eine Frau ernähren könne. Dabei hatte er ihr gesagt, wie er sie schon seit einiger Zeit gesehen, wenn er, gleichfalls um zwölf Uhr Mittags, von der Arbeit in der Winckelmannschen Lithographie komme, und wie er sie so gern und immer lieber gesehen. Endlich hatte er ihr auch gesagt, daß er sie liebe, und er hatte sie gefragt, ob sie ihn wohl so viel wieder lieb habe, daß sie, wenn er sich etablirt, seine Frau werden wolle. Sie aber hatte den schönen, gegen sie immer so braven und bescheidenen jungen Mann ebenfalls nicht ungern gesehen, und sie konnte mit dem süßen Glück und Schmerz der ersten Liebe des Mädchenherzens ihm sagen, wie sehr, wie unendlich sie ihn wieder liebe. Ihrer Mutter durfte sie nichts sagen; er hatte sie darum gebeten; er fürchte, die Mutter, die ihn nicht kenne, möge sie trennen wollen. –

Das Mittagsessen schmeckte dem armen Mädchen in der That nicht, obwohl sie ihren Geliebten gesehen hatte. Sie ging bald in ihr Schlafstübchen und weinte sich hier in der Einsamkeit noch einmal aus. Die meisten Thränen des Menschen sieht seine Schlafstube und sein Bett; freilich, wenn er Schlafstube und Bett hat. Die Armen die am meisten weinen müssen, haben Beides nicht.

Sie schloß eine alte Commode auf, nahm aus einer Schublade ein kleines Kästchen und aus dem Kästchen eine kleine gehäkelte Börse. Sie hatte sie selbst gehäkelt, als Kind, es war ihre erste Arbeit. Darin verwahrte sie ihr Geld, das sie von ihrem verstorbenen Vater erhalten hatte, ihr erstes Geld, an ihren Geburtstagen, an den Weihnachts-heiligen-Abenden. Es waren nur drei Thaler; nur jedesmal fünf Silbergroschen hatte die arme und doch so reiche Liebe des Vaters ihr spenden können. Sie hatte schon mehr gehabt, aber nach dem Tode des Vaters, als die Noth im Hause war, hatte sie die ganze Börse der Mutter gebracht, und die Noth hatte die Mutter gezwungen, mit ihr zu theilen.

Emma schüttete die Börse aus; nein, sie schüttete sie nicht aus, sie nahm Stück für Stück jedes einzelne Geldstück hervor. Jedes war in ein Papier gewickelt; auf jedem Papier stand geschrieben, wann sie es erhalten. Es waren noch die ersten fünf Silbergroschen darunter, die der Vater ihr geschenkt hatte, als sie fünf Jahre alt geworden war; die Aufschrift war von dem Vater. Es war das Stück darunter, das sie an dem Tage ihrer Einsegnung bekommen, und das letzte, das die beinahe schon sterbende Hand des Vaters ihr gereicht hatte. Die Aufschriften waren von ihr. Das Alles hatte die Noth nach dem Tode des Vaters nicht anzugreifen gewagt. Heute mußte es angegriffen werden. Heute mußte er fort, der Schatz, von dem sie in ihrem Leben sich nicht zu trennen gehofft hatte; ihre bitteren Thränen fielen auf die Aufschriften, auf die Geldstücke.

„Und auch der armen Anna soll ich ihren Schatz rauben?“ rief sie.

Anna, die jüngere Schwester, kam herzu. Beide theilten das enge Schlafstübchen.

„Emma, was weinst Du?“

Sie mußte damit heraus.

„Ich hatte eine Rechnung für die Directrice zu bezahlen; das Geld ist mir unterwegs gestohlen.“

Das Kind war schon zu seiner Sparbüchse gesprungen.

„Hier, Emma, nimm Alles; wird es reichen?“

„Dein Geld, Dein Heiligthum, Anna? Kann ich?“

„Emma, liebst Du mich?“

Der Schwester durfte die Unglückliche mit vollem Herzen in die Arme fallen. Sie weinten sich aus. Dann warfen sie ihr Geld zusammen, und als alle die Stücke durcheinander lagen, und Keine von ihnen mehr wußte, wem das eine und wem das andere gehört habe, da durchzuckte es sie wohl noch einmal, aber nur noch einmal, dann lächelten sie sich einander zu, und sie fühlten sich glücklich in ihrer gegenseitigen innigen, herzlichen, kindlichen Schwesterliebe. Und in ihrem Lächeln, in ihrer Liebe stritten sie um den einen Thaler, der nach der Abrede Emma’s mit ihrem Geliebten zu viel da war. Anna wollte ihn nicht zurücknehmen und Emma wollte ihn nicht behalten. Zuletzt mußten sie ihn theilen.

Um halb zwei Uhr war war das Mädchen wieder auf dem Bauplatze in der Wallstraße. Rudolph Langenau wartete schon auf sie hinter dem Holze. Unterwegs war ihr das Herz wieder schwer [394] geworden. Aus ihrer Sparbüchse und von der Schwester hatte sie das Geld unter Thränen und unter Lächeln genommen. Als sie den jungen Mann auf sich warten sah, schnürte bei dem Gedanken, daß sie von ihm Geld annehmen sollte, das Herz sich ihr zu, und ihre noch feuchten Augen wurden trocken. Woher das? Sie hatten sich beide hundertmal gesagt, daß sie in ihrer Liebe einander ganz und gar angehörten, für das ganze Leben, bis in den Tod, bis über den Tod hinaus.

Aber er kam ihr so liebevoll entgegen; er erröthete, und war verlegen, als er ihr, in ein Papier eingewickelt, das Geld überreichte.

„Hier, Emma; hast Du auch das Andere wirklich vollständig? Ich habe sonst für das Ganze gesorgt.“

Er sagte das so einfach, so herzlich. Das Auge wurde ihr wieder feucht, das Herz öffnete sich ihr wieder, in Liebe, in stiller Bitte um Verzeihung, daß es sich auf einen Augenblick habe verschließen können. Sie nahm das Geld, und drückte die Hand, die es ihr reichte. Sie hätte ihm um den Hals fallen mögen, wenn nicht Arbeiter auf dem Platze gewesen wären.

„Und nun eine Bitte, Emma. Deine Directrice hat morgen Nachmittag eine Landpartie, hast Du mir gesagt.“

„Ja.“

„Sie hat Euch den Nachmittag frei gegeben, ohne von dem Arbeitslohn Abzug zu machen.“

„So hat sie versprochen.“

„Der Nachmittag gehört also Dir. Schenke mir ihn. Wir fahren nach Französisch-Buchholz; Du warst noch nicht da. In dem gräflichen Garten ist es so schön.“

„Mit Dir allein?“ fragte das Mädchen in ihrer Unschuld und Verlegenheit.

„Du fürchtest Dich allein mit mir?“

„Es würde sich nicht schicken, Rudolph.“

Der junge Mann mußte unwillkürlich lachen.

„Und wir waren so oft allein, und sind es in diesem Augenblicke noch.“

„Das ist etwas Anderes.“

„Und warum?“

Sie konnte es nicht sagen; sie fühlte es vielleicht deutlich genug, wie die offene Straße, das helle Tageslicht, die Nähe auch der fremdesten Menschen – und so war sie bisher nur mit ihm allein gewesen – selbst in der großen verdorbenen Stadt ein Schirm für sie sei, dessen sie draußen auf der Landstraße, wie in dem kleinen Dorfe, im engen Wagen, in dem Schatten der dichten Bosquets des gräflichen Parks, in dem Dunkel des Abends, entbehre. Aber sie konnte das Gefühl wohl in keinen klaren Gedanken und daher nicht in Worte bringen. Oder wollte sie den Geliebten nicht verletzen? Der junge Mann schien ihr Gefühl zu ahnen, jedenfalls ihr Bedenken zu ehren.

„Wir werden nicht allein fahren, Emma. Mein Freund Erhard, von dem ich sprach, derselbe, mit dem ich mich etabliren werde, und seine Mutter, die hier in Berlin lebt, werden uns begleiten.“

„Kennst Du die Frau?“ fragte das Mädchen in ihrer Vorsicht, vielleicht auch in einer dunklen Ahnung.

„Sie ist eine der vortrefflichsten Frauen, die ich kenne.“

Das Mädchen schwankte noch immer.

„Und meine Mutter? Sie soll auch davon nichts wissen?“

Das war wohl ihr hauptsächlichstes Bedenken, das sie nur früher nicht auszusprechen gewagt hatte. Der junge Mann schien wirklich verletzt zu sein.

„Du mißtraust mir, Emma. Lassen wir es. Ich wollte Dir eine Freude machen; verzichte aber darauf.“

„Ich habe Dich beleidigt, Rudolph?“

„O nein.“

„O doch. Ich fahre mit Dir. Sei nicht böse, mein guter Rudolph, ich bitte Dich jetzt darum. Laß uns hinfahren.“

Wie mächtig und zugleich wie schwach ist die Liebe!

In das Auge des jungen Mannes schoß ein Freudenstrahl.

War in seinem Herzen jene unwiderstehliche Sehnsucht nach einem andern, einsameren Begegnen schon erwacht? Oder war seine Freude gar –? Doch – Quilibet praesumitur bonus, donec probetur contratium – sagt der alte Justinian.

„Morgen Mittag um zwei Uhr, Emma. Ich werde an der Waisenbrücke auf Dich warten.“

„Ich werde da sein.“

Sie trennten sich wieder. Er ging nach der Winckelmann’schen Lithographie zu. Sie begab sich zuerst in die Grünstraße, um die Rechnung der Directrice zu bezahlen, und dann zu ihrem Putzladen in der Leipzigerstraße.




IV.

Der neue Miether der Frau Rohrdorf schien wirklich, wie Emma Rohrdorf ihrem Geliebten gesagt hatte, ein etwas eigenthümlicher Kauz zu sein. Er hatte sich in folgender Weise bei der Frau eingeführt. An der Klingel der Wohnung ward zuerst sehr leise gezogen; die Glocke hatte kaum angeschlagen. Die Frau Rohrdorf war mit einer Arbeit beschäftigt, von der sie nicht sofort aufstehen konnte. Unmittelbar darauf wurde zum zweiten Male stark geläutet, daß die Fenster zitterten. „Der ist eilig,“ dachte die Frau. Sie sprang auf und öffnete schnell die Thür. Ein fremdes, kleines, rundes Männchen in den fünfziger Jahren stand vor ihr.

„Gehört Ihnen diese Wohnung, Madame?“

„Ja, mein Herr.“

„Dieser ganze Stock?“

„Ja“

„Draußen am Fenster bei Ihnen hängt ein Papier, darauf steht: Zimmer zu vermiethen.“

„Ich habe Zimmer zu vermiethen.“

„Wie viele?“

„Wie viele wünschen Sie?“

„Drei, und zwar zusammenhängend.“

„Sie können sie bekommen. Ist es Ihnen gefällig?“

Der Fremde war in der Thür stehen geblieben. Er trat ein.

Die Wohnung war – es kommt für die weiteren Begebenheiten darauf an, und ich bitte daher meine Leser, darauf zu achten – in folgender Weise eingerichtet. Sie war im ersten Stock gelegen. Man trat zuerst in einen Eingang; rechts von diesem lag die Küche, hinter der Küche befanden sich drei kleine Stübchen, welche von der Frau Rohrdorf und ihren Kindern bewohnt wurden. Zur Linken gelangte man aus dem kleinen Eingange in einen seitwärts gehenden längeren Gang. An diesen zu seinen beiden Seiten befanden sich die Stuben, welche die Frau Rohrdorf zu vermiethen hatte. An jeder Seite waren drei Thüren, die je zu einer Stube führten. Am Ende des Ganges lag quer vor diesem noch ein siebentes Zimmer. Neben der Thür desselben war ein Fenster, durch welches der Gang von dieser Seite her sein Licht erhielt. Das Fenster war deshalb in seiner obern Hälfte ganz frei, und nur unten mit einer dichten grünen Gardine verhängt, so daß man von dem Gange aus nicht in die Stube blicken konnte. Inwendig war diese übrigens mit zwei, einander gegenüberliegenden Thüren versehen, welche in die beiden nebenan liegenden Zimmer führten.

Die Frau Rohrdorf begleitete den Fremden durch sämmtliche Zimmer. Er hatte schon gleich anfangs mit sichtlichem Behagen sein Augenmerk auf die am Ende des Corridors gelegenen Stuben gerichtet. Als er in diese eintrat, war sein Erstes, die Gardinen jenes in den Corridor führenden Fensters an der Seite ein wenig zurückzuschieben und in den Gang hineinzusehen. Er übersah den ganzen Gang und war sicher, wenn er sich nur ein wenig in Acht nehme, seinerseits von dem Gange aus nicht bemerkt zu werden. Er schien vollkommen zufrieden zu sein.

„Madame, wieviel beträgt die Miethe für dieses Zimmer und die beiden nebenan?“

„Täglich?“ fragte die Frau.

„Wöchentlich, oder besser, gleich für einen ganzen Monat.“

„Zwanzig Thaler, mein Herr.“

„Und täglich, Madame?“

„Auf den Tag bekomme ich für das Zimmer zehn Silbergroschen.“

„Das würde auf den Monat für alle drei dreißig Thaler machen?“

„Ja, mein Herr, aber –“

„Ich gebe Ihnen die dreißig Thaler, wenn Sie folgende Bedingungen eingehen. Sie richten mir diese Stube hier zu meinem Arbeitszimmer ein, die links dort zu meiner Schlafstube und die rechts zu einem Besuchszimmer. Einverstanden?“

[395] „Gewiß, mein Herr.“

„Das war erstens. Zweitens, wenn Jemand das Zimmer miethen will, das dort an das Besuchzimmer anstößt, so sagen Sie es mir, ich miethe es Ihnen dann, zu diesen dreien hinzu, für denselben Preis ab, den Sie von dem Andern bekommen hätten. Einverstanden?“

„Ich habe nur Vortheil dabei, mein Herr.“

„Drittens, Sie bekümmern –. Aber halt, haben Sie Kinder, Madame?“

„Vier.“

„In welchem Alter?“

„Meine älteste Tochter zählt siebenzehn Jahre; die anderen sind zwölf bis fünf Jahre alt.“

„Gehört noch sonst Jemand zu Ihrer Familie?“

„Niemand.“

„Nun wohl, Madame, drittens also, weder Sie noch Ihre Kinder bekümmern sich um Jemanden, der zu mir kommt oder zu mir will, sei es bei Tage oder bei Nacht. Wer nach mir fragt, dem zeigen Sie meine Thür, dort rechts, die des Besuchszimmers, und kümmern sich weiter nicht um ihn und fragen nicht, wer er sei und was er wolle, und wenn er fragt, ob ich zu Hause sei, so antworten Sie ihm, Sie wüßten es nicht, er solle anklopfen; und wenn er dann von mir keinen Bescheid erhält und wieder zu Ihnen kommt, so sagen Sie ihm, ich müsse also wohl nicht zu Hause sein, und weiter nichts. Sind Sie auch damit einverstanden, und wollen Sie danach streng Ihre Kinder instruiren?“

„Wir werden uns Alle pünktlich danach richten, mein Herr.“

„Schön, Madame, so wären wir fertig. Wann kann ich einziehen?“

„Wenn Sie wollen.“

„Heute Abend, wenn es dunkel ist.“

„Ihr Name, mein Herr?“

„Sie nennen mich Herr Ehrenreich.“

Als es dunkel geworden war, kam der Herr Ehrenreich in einer Droschke zurück. Er hatte nur wenige Sachen bei sich, einen Reisekoffer und ein kleines, schweres Kästchen, das er selbst und sehr vorsichtig aus dem Wagen trug und sofort in seiner Schlafstube verschloß. Er bestellte sich ein einfaches Abendbrod: Brod, Butter und Käse, ein paar gekochte Eier und eine Flasche frisches Wasser, und zum folgenden Morgen zwei Tassen Kaffee mit einem Brödchen. Weiter sollte sich Niemand um ihn bekümmern. Am anderen Morgen war er früh auf, und als ihm die Frau seinen Kaffee brachte, fand sie ihn völlig angekleidet, so daß er jeden Augenblick Besuch empfangen konnte, in seiner Arbeitsstube sitzen, dem Anscheine nach mit Papieren beschäftigt, die auf seinem Tische ausgebreitet lagen. Den Tisch hatte er unmittelbar an das auf den Corridor führende Fenster gerückt, und er saß so, daß er nur die Hand aufzuheben brauchte, um die Gardine an der Seite des Fensters zu verschieben und so in den Corridor zu blicken, ohne daß er selbst in diesem sichtbar wurde.

„Ein sonderbarer Mensch,“ dachte auch die Frau Rohrdorf. „Ich soll nicht wissen, wer zu ihm kommt; er will die Leute, die ihn besuchen, vorher desto genauer beobachten. Was für Menschen mag er erwarten? Und welche wichtige und geheimnißvolle Sachen mag er mit ihnen zu verhandeln haben, daß er sogar, blos um nicht behorcht werden zu können, die Stube nebenan miethen will?“

Bei der Polizei ihn anzumelden, hatte er gar geradezu verboten; er stehe für jede, auch noch so hohe Strafe ein; übrigens habe er sich schon selbst angemeldet. Er hatte indeß bei seinem raschen, kurzen Benehmen ein ehrliches Aeußeres[WS 1]. Die Frau Rohrdorf machte sich daher keine Sorgen um ihn. Den ganzen Morgen blieb er zu Hause; erhielt auch keinen Besuch. Sein Mittagessen verzehrte er in seiner Stube; er hatte es sich sehr einfach bestellt, Suppe, Gemüse, Fleisch. Gleich nach Tische wurde es lebendiger bei ihm, zum Theil zu seiner nicht angenehmen Ueberraschung. Zuerst brachte der Briefträger einen Brief an ihn: Herrn Ehrenreich bei Madame Rohrdorf, Wallstraße Nr. 72. Er wurde roth vor Zorn, als er den Brief gelesen hatte.

„Madame, haben Sie Jemandem gesagt, daß ich bei Ihnen wohne?“

„Niemandem, mein Herr.“

„Beim Teufel, woher weiß dieser Mensch denn meinen Namen und meine Wohnung? Wer ist dieser Herr Louis Drucker? – Was lachen Sie, Madame?“

„Louis Drucker hat Ihnen geschrieben?“

„Ja, und hören Sie den Unsinn.“ Der Herr Ehrenreich las:

„Hochgeehrtester Herr!

 Der Ruf eines liberalen Freundes und Beschützers der Künste und Wissenschaften ist Ihnen in diese Residenz, den Sitz der Künste und Wissenschaften, des Lichts und der Aufklärung, vorausgegangen. Daher darf denn auch der gehorsamst Unterzeichnete Sie zu einer seiner, der feinsten geistigen Unterhaltung gewidmeten Soiréen, in welchen Sie mehr als gewöhnlichen Berliner Theeaufguß finden werden, auf heute Abend sechs Uhr bei sich einladen. Herr Nudelmüller wird sich heute besonders auszeichnen. Ihr ergebener und vergnügter Weinwirth

Louis Drucker, Poststraße, Nr. 3.“ 

„Was sagen Sie dazu, Madame? Woher kennt der Mann meinen Namen? Was weiß er von meiner Liebe zu den Künsten und Wissenschaften?“

„Woher er Ihren Namen und Ihre Wohnung kennt, Herr Ehrenreich, das kann ich Ihnen in der That nicht sagen; im Uebrigen erhält jeder Fremde, der nach Berlin kommt, sich einige Tage hier aufhält und dessen Name durch irgend ein Fremdenblatt bekannt wird, eine völlig gleiche Zuschrift von diesem Industrieritter neuer und etwas besonderer Art.“

„Und was will er von mir?“

„Nichts, als daß Sie seine Weinstube besuchen und darin für theures Geld eine Flasche schlechten Wein bezahlen. Austrinken werden Sie sie schwerlich.“

„Eine sonderbare Stadt, dieses Berlin, das auch durch andere Leute, als den Herrn Drucker, sich den Sitz der Künste und Wissenschaften, des Lichts und der Aufklärung zu nennen beliebt.“

Die Unterredung wurde unterbrochen. Die Klingel der Wohnung wurde gezogen und die Frau Rohrdorf eilte, zu öffnen. Ein Herr in schwarzem Frack, weißer Halsbinde und hohem Cylinder hatte geklingelt. Der Frack war etwas abgetragen, der Hut zerknickt, die weiße Halsbinde hatte dunkle Streifen. Der Mann sah würdevoll und feierlich aus, trotzdem daß seine lauernden Augen schnell und lebhaft genug alle Räume, Winkel und Ecken durchflogen.

„Ist der Herr Ehrenreich zu Hause?“ fragte er mit einer sanften, aber sehr würdig gehaltenen Stimme.

„Ich weiß es nicht,“ erwiderte der eingegangenen Bedingung gemäß die Frau. „Dort ist sein Zimmer.“

Der Herr ging zu der bezeichneten Thür und klopfte an. Die Frau konnte beim raschen Umblicken noch gewahren, wie der Herr Ehrenreich seine Fenstergardine etwas gelüftet, sich den Fremden mithin besehen hatte. Sie kehrte in ihre Wohnung zurück. Der Herr Ehrenreich aber öffnete dem Fremden die Thür.

„Ich habe die Ehre, den Herrn Ehrenreich zu sehen?“

„So ist mein Name. Was ist Ihnen gefällig, mein Herr? – Doch vor allen Dingen, mein Herr, darf ich fragen, woher Sie meinen Namen und meine Wohnung erfahren haben?“

„Ein so ausgezeichneter Beförderer der Künste und Wissenschaften, wie Sie, Herr Ehrenreich –“

„Donnerwetter, Herr, wer hat Ihnen das gesagt?“

„Was alle Welt weiß, wie sollte das –“

„Alle Welt weiß nichts von mir,“ rief eifriger der Herr Ehrenreich.

Aber der Fremde ließ sich nicht irre machen.

„Wie sollte das,“ fuhr er in seinem würdigen, sanften Tone fort, „in dieser Residenz, dem Sitze der Aufklärung und der Künste und Wissenschaften ein Geheimniß bleiben können?“

Dem Herrn Ehrenreich schien auf einmal ein Licht aufzugehen.

„Sind Sie der Herr Nudelmüller?“ fragte er.

Der würdige Herr entsetzte sich. „Mein Herr, ich bin kein elender Possenreißer. Aber ich verzeihe Ihnen; Sie sind fremd in dieser großen Stadt.“

Das brachte den Herrn Ehrenreich auf seine erste Frage zurück. „Zum Teufel, ja, Herr, und ich möchte im Ernst und ohne alle Possenreißerei, verstehen Sie, ohne alle, von Ihnen erfahren, wie Sie mich hier haben auskundschaften können?“

Der würdige Herr war nicht aus seiner Fassung zu bringen.

„Ich hatte bereits die Ehre, es Ihnen zu sagen; Berlin ist der Sitz der Künste und Wissen–“

„Himmeldonnerwetter, Herr, dieser verdammte Sitz! Was wollen Sie von mir? Aber machen Sie es kurz.“

[396] „Mein Herr, ich heiße Pfaffenhorst. Ich bin zwar selbst kein Künstler, aber ich bin der Vater eines Künstlers, eines berühmten Künstlers.“

Der würdige Herr war noch sehr jung; er konnte kaum ein angehender Dreißiger sein. Der Herr Ehrenreich sah ihn verwundert an.

„Sie, mein Herr?“

„Ja, ich. Uebermorgen Abend wird mein Sohn hier ein Concert geben. Ich gebe mir die Ehre, Ihnen hier den Subscriptionszettel vorzulegen. Das Billet kostet nur einen Thaler und funfzehn Silbergroschen.“

„Verdammt wenig.“

„Gewiß. Dieser geringe Preis gilt aber auch nur für die Herren Subscribenten, die sogleich bezahlen.“

„Gehorsamer Diener.“

„An der Casse tritt später ein erhöhter Preis ein.“

„Ich will Ihnen lieber diesen erhöhten Preis zahlen, wenn ich hinkomme.“

„Mein Herr, ein solcher Beschützer der Künste und Wissenschaften, wie Sie –. Sollte ich mich in Ihnen geirrt haben?“

„Meinetwegen.“

„Und wissen Sie, daß mein Sohn, dieser große Virtuos, hier unter der Protection einer hohen Person steht?“

„Meinetwegen.“

„Einer sehr hohen Protection.“

„Meinetwegen unter der des –. Aber wie alt ist denn Ihr Sohn, dieser ausgezeichnete Virtuos?“

„Er steht noch in dem zarten Kindesalter von sechs Jahren.“

„Na, der mag etwas Schönes können!“

„Mein Kind ist unter jener hohen Protection ausgebildet; seit zwei Jahren schon.“

„Herr, als Balg von vier Jahren? Oder bleibt Ihr Bursch vielleicht sein Lebenlang sechs Jahre alt?“

„Mein Herr, ich bin erhaben über jede Unwahrheit. Sie würden in dem, was ich sage, nichts Unbegreifliches finden, wenn Sie erwägen wollten, wie die Gnade einer so hohen Protection in ihrer wunderbaren und doch so natürlichen Weise gleich einem göttlichen Funken wirken und mein Kind früh zu einem so ausgezeichneten Künstler heranbilden mußte.“

(Fortsetzung folgt.)




Auf dem Angstplatze in Prießnitz.

Superintendent Dr. Großmann.

An einem Februarnachmittage des jetzigen Jahres saß ein bejahrter Mann mit eisengrauem Schnurrbarte in einer Ecke eines Kaffeehauses zu Lyon und las in einem Zeitungsblatte, offenbar aber nur, um die Zeit hinzubringen, denn seine Blicke überflogen gleichgültig die Zeilen und nichts schien ein besonderes Interesse in ihm zu erregen. Mit einem Male aber spannten seine Züge sich eigenthümlich an; die Augen hefteten sich fast gierig auf eine Stelle des Blattes und sein ganzes Wesen verrieth tiefe Erregung. Er schien etwas zu lesen, das ihn ungewöhnlich ergriff. Bald indeß legte er langsam die Zeitung auf das Tischchen und lehnte sich [397] sinnend zurück. Sein Gesicht war sehr ernst geworden. Er versank entweder in tiefes Sinnen und Grübeln über einen Gegenstand oder er blickte auf einen Punkt seiner langen Vergangenheit zurück und bemühete sich, denselben hell und heller vor sein Seelenauge zu bringen. In seinen Zügen malte sich dabei abwechselnd tiefe Trauer und innige Rührung; einmal schienen ihm die Augen sogar feucht zu werden, obwohl seine noch immer straffe Haltung den ehemaligen Soldaten nicht verkennen ließ, der in seinem Leben viel gesehen und erfahren und der Thränen des Schmerzes wie der Rührung wohl hätte entwöhnt sein können.

Dann stand er auf. Er schien einen Entschluß gefaßt zu haben. Er nahm seinen Hut, verließ das Kaffeehaus, ging eine Strecke in der Straße hin, darauf in ein Haus und in das da befindliche Comptoir eines Fabrikanten, mit dem er bekannt sein mochte, denn nach nur flüchtiger Begrüßung sagte er mit einer gewissen Hast:

„Sie stehen ja mit Leipzig in Sachsen in Geschäftsverbindung. Reisen Sie bald dahin oder erwarten Sie binnen Kurzem einen oder den anderen Geschäftsfreund von dort?“

„Ich selbst werde vor dem Sommer nicht nach Deutschland reisen, einige Herren aber aus Leipzig erwarte ich in der nächsten Zeit.“

„Sie würden mir eine große Gefälligkeit erzeigen, wenn Sie mich von der Ankunft Eines dieser Herren sogleich benachrichtigen wollten. Ich las so eben etwas in einer Zeitung, das die Erinnerung an eine der entsetzlichsten Episoden aus meiner Soldatenlaufbahn lebendig in mir hervorrief. In Leipzig aber soll ein Mann noch leben, obwohl er fast so alt sein mag als ich, der in jener Episode eine hervorragende Rolle spielt. Ich möchte nun gar gern wissen, ob dies wirklich der Fall ist, um ihn bitten zu können, über mancherlei bei jenem Vorgange und über dessen Folgen mir Auskunft zu geben.“

Der Angstplatz in Prießnitz.

Der Fabrikant versprach die gewünschte Benachrichtigung zu geben, als aber etwa vierzehn Tage vergangen waren, wiederholte der alte Herr seinen Besuch, um sich zu erkundigen, ob noch immer Niemand aus Leipzig angekommen sei. „Ich habe keine Zeit, lange zu warten,“ sagte er: „ich bin ein Achtziger und muß jeden Tag gefaßt sein, durch den Tod abberufen zu werden, dem ich beruhigter folgen werde, wenn ich gute Nachrichten aus Leipzig erhalten habe.“

Man versprach ihm nochmals, ihn von der Ankunft eines Leipzigers sofort in Kenntniß zu setzen, er kam aber nach einigen Tagen immer selbst wieder, um sich zu erkundigen; ein Beweis, wie sehr ihm das an dem Herzen lag, worüber er Auskunft zu haben wünschte.

Endlich kam ein Leipziger Geschäftsfreund des Lyoner Fabrikanten an, Herr Louis B., und man theilte ihm mit, daß ein ehemaliger Soldat dringend wünsche, mit ihm zu sprechen. Man ging zu dem alten Herrn. Dieser, George Antoine Augustin Govéan, hatte damals in dem Kaffeehause einen Bericht, der aus der Augsburger Allg. Zeitung in französische Blätter übergegangen war, über die einfache rührende Feier der fünfzigsten Wiederkehr des 16. October in dem Dorfe Prießnitz bei Naumburg gelesen und erzählte nun, daß er bei dem grauenvollen Vorgange in jenem Orte am 16. October 1806, welchem die Gedenkfeier gegolten, vorzugsweise betheiligt gewesen sei, weshalb er zu wissen wünsche, wie es den Bewohnern von Prießnitz seitdem ergangen, ob der junge Mann, der damals so muthig und warm zu Gunsten seiner Landsleute gesprochen, wirklich der Superintendent Großmann in Leipzig sei und Anderes mehr. Schließlich ersuchte er Herrn B., diese Fragen, die er aufschreiben wolle, Großmann [398] vorzulegen und denselben zu bitten, ihm brieflich bald darauf Antwort zu geben. Großmann gab die Antwort mit Freuden ganz ausführlich und dieser sein Brief vorn 6. April d. J. nach Lyon ist der letzte gewesen, den er geschrieben hat. Der Dankbrief Govéan’s darauf traf ihn bereits auf dem Krankenlager, von dem er nicht wieder erstehen sollte, und er hat von dem Inhalte nur unvollkommen Kenntniß erhalten, was um so mehr zu bedauern ist, da jenes Schreiben Govéan’s nicht nur zuerst die vollständige Aufklärung über die Vorgänge auf dem „Angstplatze“ in Prießnitz gibt, sondern auch in dem Absender einen Mann von der bewundernswürdigsten Geistesgegenwart und dem edelsten Herzen erkennen läßt, der einer großen That erst nach fünfzig Jahren und mit der seltensten Bescheidenheit gedenkt. Sein Brief liegt mir in Abschrift vor. Nach ihm und der kleinen Schrift „über die Einäscherung von Prießnitz“, die Großmann 1810 herausgab, sei der fragliche Vorgang hier erzählt.

Am Tage nach der Schlacht bei Jena, Mittwoch am 15. Oct. 1806, zogen mehrere Franzosen raubend und Geld erpressend in der Umgegend umher. Zwischen dem Dorfe Rauschwitz und einem damals neuen Gasthofe, in einer muldigen Tiefe der Landstraße, wurden Einige jener Maraudeurs von aufgebrachten Bauern überfallen und erschlagen. In demselben Augenblicke kam auf der Straße ein französischer Wagentransport mit schwacher Bedeckung daher. Kaum hatten diese Soldaten gesehen, wie es ihren Kameraden erging, so fürchteten sie ein gleiches Schicksal, hieben deshalb in größter Eile die Zugstränge der Pferde durch, ließen die Wagen im Stich und flohen, um zu melden was geschehen.

„Sehr früh am 16. October,“ erzählt nun Govéan, „ließ mich Guigner de Revel rufen, der Commandant des III. Linienregiments, in welchem ich damals Capitain der Grenadiere (der ersten Compagnie) war, und das in Naumburg stand. Er zeigte mir eine Ordre des Marschalls Davoust, das Dorf Prießnitz – weil französische Soldaten da ermordet worden – umzingeln und besetzen, die Alten, die Weiber und die Kinder fortbringen, die andern Einwohner sämmtlich erschießen und alle Gebäude niederbrennen zu lassen.“

Der Bataillonscommandant war in der heftigsten Aufregung über diesen grausamen Befehl. Empört stieß er seinen Säbel an den Boden und rief: „Fallait-il être arrivé à mon âge pour voir de telles horreurs et d’être chargé de leur exécution! (mußte ich so alt werden, um solche Gräuel zu sehen und mit ihrer Ausführung beauftragt zu werden!)“ Er erklärte, lieber seinen Degen zu zerbrechen, als sein Gewissen durch eine so blutige That zu beschweren und die Ehre der französischen Waffen durch solche Barbarei beflecken zu helfen. Es wurde dem Capitain Govéan schwer, seinen braven Commandanten etwas zu beruhigen und durch seine Vorstellungen zu überzeugen, daß er ein sehr schlimmes Beispiel von Insubordination geben werde, wenn er sich weigere, einem so bestimmt lautenden Befehle nachzukommen. Mit schwerem Herzen gab Guigner endlich Befehl zum Abmarsche nach Prießnitz. Das Dorf wurde besetzt. Wer von den Bewohnern entkommen oder sich verstecken konnte, entfloh oder versteckte sich. Im Nu aber waren Soldaten in den Häusern; alle, die sie trafen, mußten stehen und liegen lassen, was sie eben in der Hand hatten, wurden ergriffen und, wie sie waren, aus dem Dorfe hinausgetrieben. Niemand wußte wohin und warum. Großmann, der sich im Hause des Pfarrers, seines Vaters, befunden, war unter den zusammengetriebenen Bewohnern. Er verstand Französisch, er hatte Muth und so trat er vor zu dem Commandanten, um zu fragen, was sie verbrochen hätten und welches Schicksal ihnen bestimmt wäre. Als Antwort empfing er eine geschriebene Proclamation, die wörtlich also lautete:

„Die Einwohner des Dorfes … haben die Verwegenheit gehabt, einzelne auf ihrem Gebiete durchpassirende Franzosen zu ermorden; sie haben einen Transport angehalten und geplündert. Ein schreckliches Beispiel war nothwendig, um solchen Frevelthaten Einhalt zu thun; es ist auch gegeben worden. Die Einwohner der erwähnten Dörfer sind alle mit Tode gestraft, Greise, Weiber und Kinder ausgenommen, und ihre Häuser in Brand gesteckt worden. Eine gleiche Behandlung ist allen denjenigen vorbehalten, welche dem Beispiel dieser Rebellen nachahmen würden; dagegen verspricht man allen ruhigen Einwohnern Schutz und Sicherheit. Sachsens Einwohner! Lasset den Militairpersonen die Sorge, die etwa zwischen beiden Nationen bestehenden Zwistigkeiten zu beendigen. Bleibet ruhige Zuschauer der Gefechte und nehmet daran keinen Theil, indem solches nach allen unter den civilisirten Völkern angenommenen Grundsätzen ein Verbrechen ist, welches nicht ungeahndet bleiben wird. Naumburg, den 16. October 1806.“

Nachdem er erfahren, um was es sich handele und welche gräßliche Gefahr drohe, hielt er eine Ansprache an die französischen Officiere, in welcher er die Unschuld der Bewohner von Prießnitz mit beredten Worten darlegte und auf den Irrthum aufmerksam machte, dem sie zum Opfer fallen sollten. Auf den Commandanten Guigner de Revel, der schon vorher nur durch dringendes Zureden hatte vermocht werden können, nicht in auffallender Weise gegen die ihm aufgetragene Execution zu protestiren, machte jene warme Darstellung Großmann’s einen um so tieferen Eindruck und er wollte sofort sein Bataillon wieder abmarschiren lassen, ohne den Befehl des Marschalls auszuführen. Er erklärte dies seinen Officieren, die er zu sich berief und die ihn nur durch einen vermittelnden Vorschlag davon abbringen konnten. Sie trugen nämlich darauf an, vor der Vollstreckung des Befehls einen Officier nach Naumburg mit der Meldung an den Marschall Davoust zu schicken, daß das Dorf Prießnitz an den ihm schuldgegebenen Verbrechen unschuldig zu sein scheine, daß es Dörfer mit ähnlich klingenden Namen gäbe und daß es darum wohl rathsam sein dürfte, mit der Vollstreckung der Strafe Anstand zu nehmen.

Es wurde wirklich ein Pferd herbeigebracht, der Lieutenant Sico setzte sich auf und jagte davon. Die Todesangst aber, welche die Harrenden eine so lange Zeit erleiden mußten, male sich jeder selbst aus. Früh gegen sieben Uhr etwa waren sie auf den Platz getrieben worden, der bis zum heutigen Tage davon der Angstplatz heißt, und vor 11 Uhr Mittags konnte der Adjutant nicht zurückkommen. In jener kleinen Schrift Großmann’s heißt es: „indessen wurden von Zeit zu Zeit immer noch Männer und Weiber, die sich bis dahin verborgen gehalten hatten, zu den Uebrigen herausgetrieben. Einer war in diesem, der andere in jenem Winkel entdeckt worden; manchen hatte man aus Heu und Stroh und Getreide durch fühlende Degenspitzen aufgeschreckt, manchen aus dem Backofen hervorgezogen. Aber in demselben Verhältnisse wie die Menge der Gefangenen zunahm, wurde auch die allgemeine Erwartung gespannter. Der Commandant selber wußte nicht, was die Oberen beschließen würden. Bald ward gefürchtet, bald gehofft, wieder gefürchtet und wieder gehofft. Kleine Kinder weinten und jammerten nach Brod; ein Greis von achtzig Jahren lehnte, auf seinen Stab gestützt, an einer Hecke und schien allmählich zu erstarren; die Frauen, meist nur leicht oder nur halb bekleidet, weinten laut und selbst kräftige Männer zitterten, denn es wehete ein kalter Wind und starker Reif bedeckte den Boden.“

Endlich sah man den abgesandten, mit so großer Angst und so hoher Hoffnung erwarteten Officier in gestrecktem Galopp querfeldein daher kommen. Brachte er Tod oder Rettung? Er sprang vom Pferde; die anderen Officiere stellten sich im Kreise um ihn her. Und die Antwort des Marschalls Davoust? Sie lautete kurz und barsch: „der Befehl ist sofort zu vollziehen!“ Die Unglücklichen von Prießnitz wurden durch dieselbe kaum schwerer niedergedrückt, als der Commandant Guigner. Er befand sich in der peinlichsten Lage, da er sich zur Vollstreckung des Befehls nicht entschließen konnte und doch auch nicht offen ungehorsam sein wollte. „Da kam ich,“ schreibt Govéan bescheiden in seinem Briefe an Großmann, „auf den guten Gedanken (il me vint la bonne idée), ihm zu sagen, er möge abmarschiren und mir die Ausführung des Befehls überlassen, denn ich mit meiner Compagnie werde bleiben.“

Der Commandant trat in der That sofort den Rückmarsch an und nur Capitain Govéan mit seiner Compagnie blieb zurück. Er ließ alsbald die Trommel rühren und schickte einige seiner Leute mit hoch auflodernden Strohbunden, die an den Feuern umher angezündet worden waren, nach dem Dorfe ab, um an der Seite, wo der Wind am wenigsten Schaden thun konnte, einige Häuser und Scheunen in Brand stecken zu lassen. Die Flammen schlugen auch sogleich aus den strohgedeckten Gebäuden empor. Während dies geschah und die so lange und so qualvoll geängstigten Einwohner weinend, händeringend und betend ihr Eigenthum vernichten sahen, ruckten Govéans Grenadiere raschen Schrittes gegen die dichtgedrängten Haufen an, so daß Keiner mehr zweifelte, daß sie nun alle niedergeschossen werden sollten, indeß das Feuer ihre Häuser verzehre. [399] Govéan aber wollte durch dieses Anrücken die Leute nur forttreiben, zur Flucht zwingen, während er seinen Grenadieren befahl, einige junge Bursche zu fangen und festzuhalten. Sobald die Unglücklichen merkten, daß sie fliehen dürften, liefen alle, die nicht mit Gewalt zurückgehalten wurden, athemlos hinaus in’s freie Feld, ohne sich umzusehen. Sieben junge Bursche allein waren gefangen genommen worden und sie wurden zurückgetrieben auf den früheren Platz, den Angstplatz. „Was in ihrem Innern vorgegangen, kann keine Beschreibung darstellen, keine Sprache aussprechen, keine menschliche Vorstellung fassen. Sie fielen in heißer Todesangst zur Erde nieder; Einer umfaßte mit flehender Geberde die Kniee des Capitains.“

„J’avançai moi-meme entre eux et les grenacliers (ich selbst trat vor zwischen sie und die Grenadiere),“ schreibt Govéan, „dann ließ ich laden und anschlagen. Schossen meine Grenadiere so, wie ich es von ihnen erwartete, so war alles gut; schossen sie anders, nun so fiel ich mit den Unglücklichen, vor denen ich stand und die ich zu retten suchte; die Subordination aber, der Stolz der französischen Armee, blieb jedenfalls unverletzt. Und nun mit einer Bewegung des Säbels commandirte ich: „Feuer!“

Die Grenadiere schossen über ihren Capitain – wie er es erwartet hatte – und über die hinter ihm Knieenden hinweg. Niemand wurde verletzt. Unmittelbar nach der Salve und ehe noch der Pulverdampf sich verzogen hatte, commandirte Govéan rasch: „rechts um kehrt!“ führte, ohne sich aufzuhalten, seine Compagnie nach Naumburg zurück und meldete dort ordnungsgemäß: „die Ordre ist vollzogen.“

Die unglücklichen Sieben, die den Tod so nahe an sich gesehen hatten, wußten nicht, wie ihnen geschehen war, da keine der Kugeln sie getroffen hatte, die Franzosen aber sich entfernten. Lange vermochten sie nicht zu fliehen, kaum aufzustehen und zu gehen. Langsam gelangten sie an einen großen wilden Birnbaum, unter dem ein wildverwachsener Dornenbusch stand. Unter diesem Busche fand endlich Einer der Geretteten, der Sohn des Schullehrers Baum, Worte. „Laßt uns niederfallen,“ sagte er zu den Anderen, „und ein andächtiges Vaterunser beten dafür, daß der liebe Gott uns errettet hat.“ Und die sieben jungen Bursche knieten neben einander nieder und beteten, während hinter ihnen die Flammen in dem Dorfe prasselten.

Auf dem „Angstplatze“ wurde später ein einfaches Denkmal errichtet und alljährlich am 16. Octbr. erinnert eine einfache Feier an jene Rettung, ohne daß man bisher mit Bestimmtheit wußte, wem man dieselbe eigentlich verdankte und warum sie erfolgte. Von jetzt an wird man ganz besonders der echten Mannesthat Govéan’s gedenken, der in seinem Briefe an Großmann also schließt:

„Gern hätte ich von dem nicht gesprochen, was ich selbst in jener unglücklichen Episode gethan habe, aber es war nicht zu vermeiden, da ich berichten mußte, was und wie es geschehen ist. Das freundliche Andenken an eine ganz natürliche That der Menschlichkeit rührt mich tief und ich wünsche mir nun doppelt Glück über mein damaliges Verhalten. … Der Commandant Guigner de Revel, der in Chambery geboren war, starb fünf bis sechs Monate nach jenem Vorgänge zu Thorn an der Weichsel und der Lieutenant Sico, ein Piemontese, verschied vor jetzt etwa fünfzehn Jahren in Metz. Ich selbst stehe am Ende einer langen militairischen Laufbahn, in welcher ich alle Leiden und Schrecken, die der Krieg mit sich bringt, in der Nähe gesehen und oft Gelegenheit gehabt habe mich zu überzeugen, daß er auch zu nutzlosen Härten führt etc. … George Antoine Augustin Govéan, ehemals Capitain der Grenadiere des III. Linienregiments, jetzt pensionirter Oberst vom 13. Linienregimente.“
Diezmann.




Aerztliche Strafpredigten.
Nr. IV.
Gegen daß Nichtuntersuchen und das Nichtuntersuchtseinwollen der Patienten.

„Nein! ich lobe mir einen homöopathischen Arzt, der ist doch sauber und appetitlich, fühlt mir höchstens nach dem Pulse und besieht allenfalls meine Zunge, Sie greifen aber gleich überall hin und Alles an und wollen sogar nach Allem sehen.“ So sprach eine Dame zu mir, und glaubte mich recht tüchtig abgetrumpft zu haben, während sie mir doch gar nichts Schmeichelhafteres sagen konnte. – Denn, das merke sich der Leser, nur der ist ein wirklich wissenschaftlich gebildeter und gewissenhafter Arzt, welcher nicht nur die Kranken selbst, sondern auch die Stoffe, welche dieselben von sich geben, genau untersucht. Hierzu ist ihm aber die Hülfe der physikalischen und chemischen Untersuchungsmethode (das Besichtigen, Befühlen, Beklopfen und Behorchen), so wie das Mikroskop ganz unentbehrlich. – Der Patient, welcher sich der nöthigen ärztlichen Untersuchung nicht unterwirft, ist ein thörichter, gewissenloser Mensch, dem sein Leben und seine Gesundheit nichts gilt. Dieser Vorwurf trifft am meisten Frauen, besonders aus höheren Ständen, die aus ganz unangebrachter Prüderie oder sogen. Schamhaftigkeit dem Arzte im Zimmer kaum den verhüllten Körper zu beklopfen und zu behorchen erlauben, während sie sich doch gar nicht geniren, auf Bällen vor den Augen Vieler zum großen Theile unverhüllt zu erscheinen. Wie viele Jahre leiden nicht manche, der Untersuchung sich widersetzende Frauen, trotz ihrer öfteren, kostspieligen und doch ganz erfolglosen Badereisen und Curen, bei gewissen Krankheiten ganz entsetzlich und werden aller Lebensfreuden und Hoffnungen verlustig, ja lassen nicht selten den Keim des Todes in sich allmählich aufkommen, obschon sie bei genauer Untersuchung und richtiger örtlicher Behandlung in einigen Wochen vollständig geheilt sein könnten.

Schmach und Schande über solche Aerzte, welche des leidigen Gewinnes und der Bequemlichkeit wegen oder überhaupt aus irgend welchen Rücksichten Patienten, besonders aber Patientinnen (was immer für eines Standes) ununtersucht, auf gut Glück hin behandeln. Meine tiefste Verachtung aber hiermit den Aerzten, welche Kranken, ohne sie je gesehen zu haben, brieflich ärztlichen Rath ertheilen. Leider gibt es selbst unter den promovirten Heilkünstlern solche gewissenlose, der öffentlichen Verachtung werthe Wichte, die schon auf die blos vom Patienten bemerkbaren, niemals zur Erkennung des Uebels hinreichenden Krankheitserscheinungen hin par distance Curen unternehmen. Ich begreife nicht, wie in Staaten mit gesundheitspolizeilichen Einrichtungen derartige subtile Todtschläger, die nebenbei sehr oft mit ihrer Charlatanerie den Armen ihr sauer erworbenes Geld aus der Tasche stehlen, geduldet, ja hier und da sogar begünstigt werden können. Denn daß es zur Zeit noch solche unvernünftige Menschen geben sollte, welche behaupten könnten, zur richtigen Behandlung einer Krankheit sei eine durch genaue Untersuchung des Kranken erlangte Kenntniß vom Sitze und von der Beschaffenheit des Uebels entbehrlich, das mag ich zur Ehre des Menschenverstandes nimmer glauben. Geben sich doch sogar manche der aus dem Heilen ein Geschäft machenden, ganz unwissenschaftlichen Laienblödsinnsmediciner, nämlich Homöopathen, geradezu ihrem homöopathischen Principe zum Hohne, den Anschein, als ob sie gerade so wie die wissenschaftlich gebildeten Aerzte ihre Kranken untersuchten. Ich sage, sie geben sich den Anschein, denn könnten sie wirklich untersuchen, dann wären sie keine Homöopathen, weil sie die Homöopathie verachten müßten.

Einige Fälle aus dem praktischen Leben mögen das Gesagte bekräftigen. – Ein seit Jahren Schwerhöriger mit Sausen vor den Ohren hat sein Leiden, nach der Aussage seines Arztes, in Folge von Blutandrang (Congestionen) nach dem Kopfe; es wird ihm deshalb gehörig Blut abgezapft, der Darmcanal (um vom Kopfe dahin abzuleiten) tüchtig auspurgirt und die Kost immer mehr geschmälert. Als endlich der gerade noch wie früher leidende Patient, durch die Cur bleich und mager geworden, selbst auf die Idee kommt: „jetzt habe ich ja bald gar kein Blut mehr, was nach meinem Kopfe dringen kann“, und deshalb andere ärztliche Hülfe sucht, ergibt sich bei Untersuchung des äußern Gehörganges, daß ganz hinten in demselben, dicht vor dem Trommelfelle ein Pfropf von eingetrocknetem Ohrenschmalze sitzt. Nach Entfernung desselben konnte Patient gut hören, und das Summen vor den Ohren war weg. – In einigen andern, ebenfalls leicht zu heilenden Fällen

[400] trug Verstopfung der Ohrtrompete oder Vergrößerung der Mandeln Schuld an ähnlichem und ebenso einfältig behandeltem Leiden.

„Tag und Nacht werde ich von einer entsetzlich juckenden Flechte gräßlich gepeinigt, und noch haben mich weder innere noch äußere Mittel davon befreien können.“ So seufzt ein der Verzweiflung Naher und kratzt sich die Haut blutig. Und was ergibt die genaue Besichtigung des Ausschlages durch das Vergrößerungsglas? Nichts als thierische Schmarotzer (Insekten), nach deren Tödtung das Uebel sehr bald gehoben ist.

An sogen. Hämorrhoidalbeschwerden Leidende werden oft jahrelang erfolglos mit innern Mitteln malträtirt, und aus einem Bade in das andere geschickt. Nachdem so große Summen unnütz vergeudet wurden und lange Zeit das Leben getrübt worden ist, lehrt die Ocularinspection des Darmes, daß ein Geschwür oder eine Geschwulst in demselben die erschöpfenden Blutungen und unerträglichen Schmerzen veranlaßten. In kurzer Zeit erzielt hier eine örtliche Behandlung radicale Heilung.

Einem von Kurzathmigkeit und Husten geplagten Kranken räth der homöopathische Arzt, da er wegen unterlassener Untersuchung der Brust die Ursache dieser Krankheitserscheinungen (nämlich eine Lungenentzündung) nicht kennt, in die freie, frische, kühle Lust zu gehen. Das Uebel verschlimmert sich danach; und was sind die Folgen von diesem schlimmen Rathe? Ein Theil der von Entzündungsproducten verstopften Lunge wird nicht blos für’s ganze Leben unbrauchbar, in Folge von Verhärtung des verstopfenden Entzündungsproductes (was bei warmer Luft in der Regel zerfließt und dann aus der Lunge entfernt wird), sondern es erkranken auch nach und nach, wegen des gestörten Lungenblutlaufes, noch manche andere wichtige Organe, unter denen sich besonders das Herz und die Nieren befinden, so daß auf diese Weise endlich allgemeine Wassersucht entsteht und das zu Anfange heilbare Leiden zum unheilbaren wurde. Was ist nun wohl von einem solchen Heilkünstler zu halten, der nur die auch den Laien in die Augen fallenden Krankheitserscheinungen mit homöopathischen Nichtsen zu heben trachtete, aber gar keine Idee von dem eigentlichen krankhaften Vorgange im Körper unseres Patienten hatte? Sollte er diese Zeilen lesen und verstehen, so nehme er sammt allen seinen, ihre Kranken nicht untersuchenden Genossen hiermit meine tiefste Verachtung entgegen.

Zur Zeit der Cholera sind, sogar unter den Augen ganz ehrenwerther Aerzte, eine Menge Menschen durch Gift (besonders durch Arsenik und Kupfer) hingemordet und mit dem Todtenscheine als an der Cholera Gestorbene begraben worden. Die meisten Giftmorde fallen stets in eine Cholerazeit, weil diese Krankheit fast ganz dieselben Symptome wie die (Arsenik- und Kupfer-) Vergiftung mit sich führt. Nur eine genaue Untersuchung des Entleerten kann hier die Vergiftung von der Krankheit unterscheiden und die Heilung (durch Gegengifte) ermöglichen.

„Eben macht mein Mann das Testament, denn der Brand ist ihm in den Leib getreten.“ Mit diesen Worten empfängt den Arzt die Frau eines schwer kranken Mannes, der schon seit Wochen an hartnäckiger, allen Abführmitteln Trotz bietender Leibesverstopfung, an bedeutender Auftreibung des Bauches und Leibschmerzen behandelt wurde. Und woher dieses Leiden? Ein verschluckter Knochen hatte die Verstopfung des Darmes veranlaßt; nach Entfernung dieses Hindernisses und des angehäuften Darminhaltes vernichtete der Geheilte das Testament.

Bei kleinen Kindern mit sogenannten Hirnkrämpfen wird von solchen Aerzten, die nicht genau untersuchen oder nicht zu untersuchen verstehen, sofort gegen Hirn- oder Hirnhautentzündung mit Calomel und Blutegeln an den Kopf losoperirt und, – da in sehr vielen Fällen jene Krämpfe gar nicht von einem Leiden im Kopfe, sondern von Krankheiten dieses oder jenes Brust- oder Unterleibsorganes herrühren, und nur durch Ueberstrahlung (Reflex) der Nervenreizung vermittelt sind, – gar oft nicht unbedeutend geschadet. Ja geradezu gemordet werden solche kranke Kinder durch die genannten Mittel, wenn Blutarmuth des Gehirns die Ursache jener Krämpfe ist.

Einem jungen Manne soll wegen eines Zungenkrebses nach dem Beschlusse mehrerer Herren Doctoren die Zunge abgeschnitten werden, da führt der Zufall einen jungen rationellen Arzt herbei, der die Zungengeschwulst genau untersucht und in Folge der richtigen Erkennung und Heilung des specifischen Uebels (mittels Jod-Quecksilbers), dem Kranken die Zunge und wahrscheinlich auch das Leben rettete. Hätte das ein Homöopath mit seinem Nichts auch gekonnt? Nimmermehr!

Wie viele von Uebelkeit oder Brechen befallene Menschen schon an eingeklemmten Bruchschäden deshalb gestorben sind, weil der Arzt den schmerzenden Leib gar nicht oder zu spät und ungenau untersuchte, schäme ich mich als Arzt den Laien einzugestehen. Stände es aber in meiner Macht, dann würde jeder Arzt, der durch eine solche Nachlässigkeit oder Unwissenheit Schuld am tödtlichen Verlaufe einer Brucheinklemmung trüge, als Mörder bestraft. Dies ginge auch den Homöopathen so, welche in solchen Fällen anstatt rechtzeitiger chirurgischer Hülfe ihren lächerlichen Hokuspokus in Anwendung brächten.

Welche Nachtheile für die Gesundheit, ja für das Leben, eine ungenaue oder unterlassene Untersuchung bei Frauenkrankheiten nach sich zieht, läßt sich hier nicht weiter auseinander setzen. Verächtlich sind mir die Aerzte, welche ohne genaue Kenntniß des Leidens einer Patientin diese oder jene Cur (besonders gern Franzensbad) anrathen; für prüde Närrinnen erkläre ich aber die Patientinnen, welche sich der ärztlichen Untersuchung nicht unterziehen wollen.

Aus diesen wenigen Fällen, denen ich aber noch eine große Menge anderer anreihen könnte, wird hoffentlich der verständige Leser ersehen, daß das Erste und Wichtigste bei Behandlung einer Krankheit „eine genaue Untersuchung des kranken Körpers von Seiten des Arztes“ sein muß. Da nun, um eine solche Untersuchung anstellen zu können, jahrelanges Studium und Uebung durchaus nothwendig ist, so liegt es wohl auf der Hand, daß nicht jede alte Frau oder jeder mit lebensmagnetischem Hauche curirender Bummler Arzt sein kann. Verstanden?
Bock.




Das Unglück im Hauensteintunnel.
(Schluß.)

Nicht weniger als 500 solcher ohnmächtiger, halbtodter Arbeiter der Rettungsmannschaft wurden den Aerzten während dieser Zeit zur Behandlung gebracht. Sie wurden alle gerettet bis auf die sieben todt aus dem Tunnel gebrachten und die vier todt im Tunnel liegen gebliebenen Unglücklichen. Unterstützt durch die an Ausdauer ihren Männern nicht nachstehenden Frauen der englischen Arbeiter, deren Lebensmanieren ihnen bis jetzt bei der genügsamen Bevölkerung der Umgegend keine besondere Anhänglichkeit zu erwerben vermocht hatten, mit denen sich nun aber aussöhnte, wer ihren hingebenden Eifer sah, unterstützt von diesen bei den Wiederbelebungsversuchen und der nachfolgenden Pflege, vermochten die Aerzte mehr zu leisten, als sie selbst für möglich gehalten. – Der Eindruck der Wiederbelebungsversuche war ein furchtbarer. Die Verpflegung der Verwundeten auf dem Schlachtfelde, mitten im Kugelregen hat weniger Erschreckendes, als das Weilen unter diesen im ohnmächtigen Kampfe gegen einen unsichtbaren und ungeahnten Feind unterlegenen Unglücklichen. Dort Blut und Wunden, aber überall noch Leben, selbstbewußtes, todesmuthiges, pulsirendes Leben; hier zwar keine fürchterlichen Verletzungen, aber überall, wenn auch nur momentaner Tod, oder aber ein Leben, das sich in furchtbaren Zuckungen und Convulsionen windet; dort die Musik dsr Kanonen und Gewehre mit obligaten Trommelwirbeln und Trompetenstößen, hier sinnbetäubende Stille, hie und da unterbrochen von dem Rasseln ab- und zufahrender, mit neuen Opfern beladener Rollwagen, die dem Tode seine Beute auf halbem Wege entrissen; dort endlich ein offener, selbst verwundbarer, hier ein unsichtbarer, aber sicher tödtender Feind. – –

– – Es war Sonntag Nachmittag geworden. Ernst und schweigend bewegte sich ein langer Zug langsam die Windungen der Bergstraße hinan; man geleitete die ersten fünf Opfer der Rettungsversuche nach dem basellandschaftlichen Dorfe Läufelfingen zur letzten

[401]

Die Wiederbelebungsversuche vor dem Tunnel.

[402] Ruhestätte; die beiden andern Opfer der Hülfsbereitwilligkeit waren in Trimbach begraben. Eine ungeheure Menschenmenge von nah und fern hatte sich eingefunden, diesen Unglücklichen – es waren zwei Schweizer, zwei Engländer und ein Würtemberger, drei von ihnen waren Familienväter – die letzte Ehre zu erweisen. Es mußte auch das härteste Herz bewegen, als die Menge der Leidtragenden das weite Grab umstand, welches die Angehörigen dreier Nationen umschloß; selbst des Geistlichen Stimme erstickte fast unter Weinen und Wehklagen, als er seinen trefflichen Vortrag begann, und besonders, als er in ergreifendem Gebete der Bejammernswerthen gedachte, welche noch im Tunnel eingeschlossen, und deren Schicksal noch ungewiß war. –

Die Namen der elf beim Retten selbst Verunglückten, von denen sieben heute begraben, vier noch Vermißte später im Tunnel liegend gefunden wurden, verdienen aufgezeichnet zu werden; es sind: die Engländer Baker, Burns und Geys; der Würtemberger Rathgeb; die Schweizer Aeschmann aus Zürich, Strub und Müller aus Baselland, Bitterli, Moll, Borner und Huri aus Solothurn. – – –

Zwei Tage lang war trotz der versuchten Luftreinigung ein weiteres Vordringen im Tunnel unmöglich gewesen. Inzwischen waren nun die bereits Freitag Morgens in den benachbarten Städten Olten, Aarau, Luzern und Basel bestellten hölzernen Röhren von 14 Zoll Durchmesser zur Herstellung einer wirksamen Ventilation fertig geworden. Sonntag Abends begann man mit Legen dieser Röhren, und vor der Mündung des Tunnels wurde eine Ventilations-Dampfmaschine aufgestellt, welche durch die gelegten Röhren gesunde Luft in das Tunnelgewölbe pumpte. Die Arbeit, mit äußerster Vorsicht betrieben, ging nach Umständen rasch vorwärts, wozu die Einrichtungen im Tunnel, vorzüglich die Pferdeeisenbahnen, sehr wesentlich beitrugen. Alle möglichen Vorsichtsmaßregeln zur Verpflegung der Mannschaft, Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit wurden sowohl von Seiten der Behörden, als von den Leitern der Arbeit, unter denen sich besonders Herr Friedmann, engl. Oberangestellter, Sections-Ingenieur Preßel, Architekt Maring in Basel, Ingenieur Kaufmann und Zschokke[WS 2] hervorthaten, getroffen. – Ein Hoffnungsstrahl, der Montags betreffs der Lage der Abgesperrten aufging, erleichterte die Mühseligkeiten der in Angriff genommenen Operation, steigerte aber noch mehr die Ungeduld der Arbeiter, die Gewißheit wollten über das Schicksal ihrer verunglückten Brüder. Man bemerkte nämlich am besagten Tage diesseits des Schuttes in dem im Tunnel entspringenden und durch den Schutt abfließenden Wasser Blut. Gerne hoffend und glaubend, schloß man daraus, die Abgesperrten müssen gegen die giftigen Gase geschützt sein, und haben zur Fristung des Lebens die mit ihnen verschütteten Pferde geschlachtet. – Eine fernere Hoffnung gründete man stetsfort noch auf das Vertrauen, das man in die zwei Engländer setzte, die sich unter den Verschütteten befanden; Einer von den beiden war schon einmal in England mehrere Tage verschüttet und wurde wiederum gerettet. Es ist nämlich oberster Grundsatz der englischen Mineurs, wenn sie abgesperrt – oder in der Sprache der Bergleute zu reden – „versetzt“ werden, sich zurückzuziehen und, ohne selbst an der Rettung zu arbeiten, diese nur von Außen abzuwarten. Der Theil des Tunnels, in dem sich die Verschütteten befanden, ist vom verschütteten Schacht ab auf etwa 1000 Fuß gewölbt, die übrigen 1500 Fuß sind erst im Stollenbetrieb. Haben sich nun die Abgesperrten auf den Rath der unter ihnen befindlichen Engländer zurückgezogen, und einen der Stollen luftdicht verschlossen, so konnten sie ihr Leben wohl erhalten, da sie Rum, Wasser, Brod, Pferde, eine Kiste voll Kerzen und Oel bei sich hatten und durch die verschiedenen Wasserquellen, von denen drei sehr bedeutend sind, immerhin die nöthigste Luft zuströmte. – Inwieweit diese Hoffnungen begründet waren, werden wir in der Folge sehen. Mehrere Särge, die man bereits in den Tunnel gebracht, zeigten wohl deutlich genug, daß nicht Alle so hoffnungsvoll waren. – –

Dienstag den 2. Juni Nachmittags war man mit den Ventilationsröhren bis zum Schuttkegel vorgedrungen. Die vier bis jetzt noch nicht aus dem Tunnel gebrachten verunglückten Retter waren aufgefunden. Man begann sofort mit der Stollenarbeit zur Durchbrechung des Schuttkegels. Die Arbeit war schwierig, und es wurde nöthig, die Arbeiter nach je einer halben Stunde durch andere zu ersetzen. Auch drang man nur langsam vorwärts, da nur acht bis zehn Mann zugleich beschäftigt werden konnten – die Stollen wurden nur auf eine Höhe von 8 Fuß und eine Breite von 4 Fuß getrieben – und glühender Schutt und mächtige Balken die Arbeit sehr erschwerten. –

Tags darauf, am Mittwoch Vormittag, glaubte man am Schuttkegel durchgegraben zu haben, da man auf einen großen leeren Raum stieß und starker Verwesungsgeruch daraus entgegendrang. Es war jedoch dem nicht also; im Innern des Schuttkegels hatten nämlich die herabgestürzten Balken sich so verrammt, daß es eine Höhle von 6 Fuß Tiefe bildete, und es blieb noch eine Strecke von etwa 7 Fuß zu durchbrechen übrig. Um Mittag war dann der Durchbruch des Stollens so weit vorgerückt, daß Leute aus- und einsteigen konnten. Aber gegen die jenseitige innere Tunnelabtheilung war die Luft so verpestet, daß man noch nicht vordringen konnte. Man rief den Verschütteten zu, kein Lebenszeichen erfolgte; das Klopfen auf die Eisenschienen blieb ohne Antwort; die Töne eines Signalhorns – sie riefen Niemanden wach. – Jetzt ging’s langsam und vorsichtig; die Luft fand einen Ausweg den Schacht hinauf, das erleichterte die Arbeiten. Endlich war der Stollen durchgetrieben.

Hinter dem Schuttkegel hatte sich das nicht ganz abgeflossene Wasser angesammelt und nun eine Tiefe von etwa 2 Fuß erreicht. In diesem Wasser lagen sechs Leichen. Die erste Leiche wurde an den Beinen und am Rumpfe von den brennenden Balken erwischt, bedeckt, zerquetscht und verbrannt; Kopf und Stirn sind im Gebälke gen Himmel gerichtet, Fleisch und Haut sind vom Brande, vom Wasser und von der Gährung zerfressen. Die zweite Leiche zeigt ein Auge innerhalb und eins außerhalb des Kopfes, liegt querüber, das Angesicht gen Himmel gerichtet und litt den Tod durch Erstickung. Die drei folgenden Leichen liegen an- und übereinander, davon der Eine unter den Beiden, die Beiden bis in den Tod sich fest im Arme haltend. Von diesen Beiden richtet der Eine den Blick gen Himmel, der Andere zur Erde. Alle drei haben den Kopf nach Trimbach gerichtet. Der Sechste der Unglücklichen hatte das früher durch Ventilation seinen Dienst leistende Luftrohr aufgerissen, also offenbar die Entdeckung gemacht, daß es sich bei der in Folge des Brandes und Einsturzes erzeugten Luft nicht leben lasse, sein Angesicht auf die bewirkte Oeffnung der Luftrohres gelegt; sein Lebensmittel-Säcklein hatte er noch umgehängt – allein das vom Schutt zertrümmerte Luftrohr leistete den erwarteten Dienst für den Unglücklichen nicht mehr! – – Der unausstehliche Modergeruch erfüllte die Arbeiter in diesem großen Grabe mit wahrem Entsetzen. – Lassen wir die Luftreinigung fortsetzen, welche auch den Schuttkegel wieder entzündet und ein diesmal vorsichtiges, mühevolles Löschen erfordert, und gehen wir nach Trimbach.

Schon war da das gemeinsame Grab für die Leichen auf dem Kirchhofe angefangen, als die Aerzte ihren Befund dahin abgaben, daß die scharfe, ätzende Ausdünstung der Verwesung so vieler Leichen mitten im Dorfe zu dieser Jahreszeit bei den benachbarten Einwohnern schwere Krankheiten erzeugen dürfte. Die Gemeindebehörde beschloß daher, von diesem Kirchhofe abzustehen, und außer dem Dorfe den Todesacker, wo früher die Kirche gestanden, zu benutzen. Schnell begannen hier Schaufeln und Pickel den Unglücklichen eine zehn Schuh tiefe Stätte ewigen Friedens zu öffnen.

Schon vorher ließ man die Holzarbeiter aus der mechanischen Werkstätte in Olten kommen, und sie beeilten sich, die erforderlichen Särge herzustellen. – –

So wenig angenehm es auch ist, im Geiste nochmals den Schuttkegel zu durchkriechen und jene grausenerregende Todesstelle zu betreten, so haben wir’s doch tausendmal leichter als die Arbeiter, welche mit unbegrenzter Selbstbeherrschung das Entsetzen überwinden und hingehen, um ihre zum Cadaver gewordenen Brüder zu suchen, zu ergreifen und durch den engen Stollen zu schleppen, um sie herwärts in die Särge zu legen. – Sind wir nun wieder im Innern, so machen wir die überraschende Entdeckung, daß die Steinkohlenvorräthe nicht verbrannt, ja nie in Brand gerathen sind, wodurch die anfängliche, lange festgehaltene Behauptung, die schlechte Luft sei ein Product der Steinkohlenverbrennung, vollständig geschlagen wird. – In geringer Entfernung von den bereits aufgefundenen sechs Leichen lagen fernere elf; in und vor der Tröknungsstube weitere vierzehn, so daß man hier, unmittelbar hinter dem Schuttkegel, zusammen 31 Verunglückte auffand. Diese, soweit sie nicht schon erwähnt, liegen bald auf dem Gesichte, bald auf dem Rücken, bald lehnen sie am Schutt oder an der Tunnelwand an. Verschiedene Einzelnheiten geben Andeutungen über Zeit und Art ihres Todes. [403] Manche tragen z. B. noch ihre Kerzen in der Hand. Wäre die Luft rein gewesen, so wären die Kerzen ganz verbrannt; da sie aber also nur kurze Zeit gebrannt haben, so war in kurzer Zeit die Lebensluft verschwunden und die Arbeiter starben ebenfalls in kurzer Zeit den Tod der Erstickung am Kohlengas. Ein Stück Brod, das man in der Tasche eines der Verunglückten vorfand, zeigt wohl auch deutlich, daß sie nicht lange Zeit zu leiden hatten, indem ihn sonst der Hunger sein Brod wohl hätte verschlingen lassen. Aus dem ferneren Umstande, daß die Uhr eines der Verunglückten auf 2½ wies, glaubt man schließen zu dürfen, der Tod habe die Verschütteten bereits Donnerstags Nachmittags spätestens um die angegebene Stunde überrascht, indem angenommen wird, der Unglückliche hätte sonst die Uhr gewiß wiederum aufgezogen, da in solcher Lage jedes Zeichen über den Zeitverlauf hoch angeschlagen werden müsse. – Viele waren übrigens mit ihrem Werkzeuge versehen, hielten im Tode noch den Pickel, mit dem sie unzweifelhaft den Schutt hatten wegräumen wollen, der ihnen den Ausgang so unerbittlich verschloß. In der gemeinsamen Noth zeigten die armen Arbeiter überall die herrlichsten Züge von Bruderliebe. Denn auch hier trafen wir eine rührende Gruppe von fünf, die alle einander im Leben und Sterben fest und treu im Arme hielten. – Das mag ein wehmüthiges gemeinsames Schlagen der aneinander pochenden Herzen und ein gemeinsames Verstummen dieser feierlichen Stimmen der Seelen gewesen sein! – – Hier fand man auch den englischen Minirer todt, auf dessen Erfahrungen man Hoffnungen für die Verschütteten gegründet hatte – was mochte daher wohl aus den übrigen 21 hier nicht gefundenen geworden sein? Das war die peinliche Frage, welche die zahlreiche, vor der Tunnelmündung harrende Volksmenge bewegte. Die Einen schwiegen, die Andern jammerten, und viele glaubten durch lautes Schreien dem überschwenglichen Schmerze Luft machen zu können. Und wenn sie glaubten, in einem der hervorgebrachten Särge die Leiche eines lieben Bruders, eines theuren Sohnes zu finden – welch’ entsetzlicher Anblick bot sich ihnen dar! Keiner konnte mehr aus seiner Leibesbeschaffenheit wieder erkannt werden – so verheerend hatte die Verwesung bereits um sich gegriffen. – –

Nachdem zehn Leichen von den benachbarten Gemeinden in Empfang genommen und abgeführt worden waren, wurden die 21 gebliebenen auf 3 Wagen zur Ruhestätte begleitet. Unter Glockengeläute und dem Gebete des Geistlichen wurden die Leichen in dem einen großen Grabe beigesetzt, das bald auch ihre übrigen Brüder aufnehmen sollte.

– – Bis Samstag Morgens 7 Uhr wurde die Luft so weit gereinigt, daß man bis 1500 Fuß hinter den Schuttkegel vordringen konnte. Da man auf dieser langen Strecke nur 2 todte Pferde, aber keinen menschlichen Leichnam mehr fand, so erreichte die Spannung, was man die noch übrige Strecke von etwa 700 Fuß entdecken werde, einen grenzenlosen Grad! Noch 2 Stunden lang wurde auf Tod und Leben Luft gepumpt, bis man dann endlich zu hinterst im Tunnel die übrigen 21, den Erstickungstod gestorben, neben einander liegend todt fand. – Während jene zuerst aufgefundenen in den verschiedensten Stellungen, stehend und liegend und die Werkzeuge in der Hand haltend, vom Tode überrascht worden waren, und die gräuliche Entstellung der Leichen durch die Verwesung die Beruhigung gab, daß sie schon im Anfange gestorben, gaben verschiedene Umstände die Gewißheit, daß diese letzteren, in den innersten Raum Geflüchteten, noch einige Tage gelebt haben, einige wohl gar bis Mittwoch, also sechs Tage lang. Aller Wahrscheinlichkeit nach verließen sie die Feuerstätte, wo ihre Milch- und Theekannen stehen blieben, und wo noch frisches Fleisch auf dem Scheiterhaufen lag, und stiegen die Leiter hinan auf das mit Brettern belegte Gerüst der Mauer. Dahin nahmen sie Kerzen, Oel und etwas Pferdefleisch mit, ihre Lampen hingen sie symmetrisch auf. Ohne Zweifel dachten sie, in der Höhe sei die Luft etwas besser. Mehr und mehr entschliefen; die Uebrigen aßen endlich etwa vier oder fünf Pfund rohes Pferdefleisch, ordneten die Leichen in Reihen und setzten die Reihen selber fort. Es ist rührend, mit welch’ religiösem Sinn der Ordnung und Ergebung die sonst harten Arbeiter, selbst dem Tode verschrieben, ihre verstorbenen Brüder besorgten. In einer Reihe liegen Mineurs, in der andern die Maurer; beide Reihen hatten die Stiefeln ausgezogen und streckten die Füße gegen einander, sind aber noch so entfernt, daß man zwischen den Füßen beider Reihen hindurch gehen kann. Unter dem Kopfe liegt ein Brett und etwas Stroh, die Hände sind gefaltet. Die, welche bald ihren Geist aufgaben, konnten Gott danken, aber die, welche alle ihre Brüder so gesunden Herzens hinsterben sahen und dies ihr eigenes Loos sicher erwarten mußten, litten die Todesschmerzen in zehnfachem Maße. Ein Todter hielt in der einen Hand ein Stück Lehm, in das der Daumen gedrückt war, um die Kerze, die er in der andern Hand hatte, hineinzustecken. Auf allen Gesichtern lag eine stille Ruhe; sie waren schmerzlos eingeschlafen – für immer. Drei Jünglinge: Soland, Hunziker und Schrenk, noch in ungebrochener Blüthe ihrer Lebenskraft, vermochten dem Tode wahrscheinlich am längsten zu widerstehen. Sie müssen erst kurz vor der Auffindung verschieden sein, denn sie zeigten noch ein sehr gutes frisches Aussehen und ihre Glieder waren noch nicht steif. Die Untersuchung durch die Aerzte lieferte das Gutachten, daß sie letzte Mittwoch noch gelebt haben. Zwei hatten sich ausgezogen, ohne Zweifel denkend, ganz nackt fühlen sie den Luftmangel weniger und das Athmen sei leichter. Das letzte Opfer, das seinen Geist aushauchte, war wohl der 25 Jahre alte Schrenk aus Baden. Recht schön von Angesicht, wohlgestaltet und gut gesittet, war er allen ein guter, lieber Camerad. Als man ihn am Sonnabend auffand, waren seine Wangen noch blühend roth, seine Lippen noch frisch und vor dem Munde die Spuren eines kleinen Schaumes. Man wollte seinen Leib noch warm finden und vermuthete, er könnte seinen heißen Todeskampf nur wenige Stunden vorher erst ausgekämpft haben.

Am Samstag Mittag besichtigte eine ärztliche Commission die Todten und sprach sich dahin aus, daß einige am Mittwoch noch gelebt haben dürften. Die von unserm Freunde vorgenommene Section ergab: „Hyperämie des Gehirns, der Lungen und der Leber, mit allen Zeichen der Folgen von Einathmung einer irrespirablen Gasart. Im Magen wurden Speisereste gefunden, also nicht Hungertod. – Die Consistenz der Organe, der Mangel an Zersetzungsgeruch bei der Section und andere Umstände lassen auf kürzlich erfolgten Tod des secirten Individuums schließen. Der Secirte lag übrigens allein, getrennt von den Andern, unterhalb des Gerüstes, und scheint entweder als Ueberlebender sich bei den vielen todten Cameraden unheimlich gefühlt zu haben, oder als Wachtposten zum Aufpassen auf allfälliges Geräusch – während des Schlafes der Anderen – aufgestellt gewesen zu sein.

Nachmitttags 4 Uhr fuhren 35 Arbeiter in den Tunnel, um die Leichen einzusargen und herauszuschaffen, mit welcher sehr schwierigen Arbeit sie erst gegen 8 Uhr Abends fertig wurden. Es war eine ergreifende Scene, als die Rollwagen mit den Särgen bis an die Mündung des Tunnels herausfuhren, wo die amtliche Commission im Scheine mehrerer Fackeln, welche das Gewölbe schauerlich erhellten, die Identität der Todten constatirte. Der Mond war eben aufgegangen und schien durch die Wipfel der Bäume auf die traurige Stätte. Außen stand eine große Volksmenge, darunter viele Angehörige der Verunglückten, deren Jammern und Wehklagen schmerzlich durch die stille Nacht drang. – Die Beerdigung ward der späten Abendstunde wegen auf den folgenden Morgen angesetzt. – – –

Es war ein ergreifender Zug, der am Sonntag die Verunglückten zum großen gemeinsamen Grabe geleitete, das die ersten Opfer des Unglücks bereits aufgenommen hatte. Die Bezirksbehörden von Olten, alle Bauangestellten, sämmtliche Arbeiter und eine ungeheuere Menschenmasse folgten den drei großen Leichenwagen, voran, von 31 Knaben getragen, die schmucklosen hölzernen Kreuzchen, die einzige Zierde für das einzelne Grab, bis alle Namen auf dem gemeinsamen Denksteine eingegraben sind, der diese letzte Ruhestätte bezeichnen wird. Hier angekommen, hielt Herr Professor und Kaplan Bläsi von Olten eine treffliche und ergreifende Grabrede. Sie entsprach der Bedeutung des Momentes und wirkte beruhigend und versöhnend, um so mehr, als er beauftragt war, Namens des Directoriums der Centralbahn die Erklärung abzugeben, daß dasselbe zu Gunsten der Wittwen und Waisen der Verheiratheten und zu Gunsten der Eltern der unverheiratheten Arbeiter, die im Tunnel den Tod gefunden haben, Beschlüsse gefaßt habe, welche der eigentlichen Noth derselben auch für eine entfernte Zeit vorzubeugen im Stande seien. Gleichzeitig mit den Beschlüssen hatte das Directorium und hatten bereits die öffentlichen Blätter die Sammlung von Liebesgaben mit Erfolg angeregt. In Folge dessen ist für die ökonomische Zukunft der Hinterlassenen auf angemessene Weise gesorgt. – –

[404]

Todesstätte der letztem 21 Verschütteten am Stollen.

[405]

Die Beerdigung der letzten 21 Verschütteten.

[406] Die letzte traurige Arbeit war gethan und wir kennen das namenlose Unglück in seinem ganzen erschütternden Umfange.

Wenn Angesichts desselben noch etwas erfreuen und trösten kann, so thut jenes die heldenmüthige Hingebung der Retter und dieses die Theilnahme an dem Unterstützungswerke, das nun der ganzen Nation für die Hinterlassenen der Todten auf dem Schlachtfelde der Industrie überbunden ist.

Es muß für Jeden, der nicht allen edlern Regungen verschlossen ist – und deren sind doch Wenige – wenn er vor diesem tiefen Abgrunde des Leidens und Jammers steht, der wunderbare Todesmuth einfacher, aller höhern Bildung baarer Arbeiter eine Erscheinung sein, die aus dem nur zu oft trüben und bewegten Treiben der Industrie unserer Zeit emporsteigt wie ein Stern, der aus undurchdringlicher Wolkennacht rettungverheißend für den bedrängten Schiffer hervortritt. Vor der Macht der Elemente ist des Menschen Wissen und Können nur zu oft Ohnmacht, aber aus dem Untergange selbst erhebt sich das Ewige in ihm und beurkundet triumphirend seinen göttlichen Ursprung. –

So mildert den theilnehmenden Schmerz an dem Unheile die strahlende Erscheinung aufopfernden Heldenmuthes, die wir in diesen Tagen wahrgenommen haben, und mit Wonne verweilt der tränenschwere Blick bei diesen Rettungsscenen. Und daß das Schweizer-Volk so denkt und wie es handeln wird, das zeigt am besten wohl der Wiederhall, den in allen Thalschaften des Landes die öffentliche Stimme gefunden, welche „am Grabe der Arbeiter“ also sprach:

„Hier ruhen sie nach harten Tagesmühen, gefallen auf dem Felde der Ehre, gefallen im Dienste der ganzen menschlichen Gesellschaft, gefallen für die Verwirklichung der höchsten Idee des Jahrhunderts, den freien Verkehr der Menschenkinder der verschiedensten Nationen, Italiener, Engländer, Franzosen, Deutsche, Schweizer – ein gemeinsames Unglück hat Euch erreicht bei der Arbeit für einen gemeinsamen Zweck.

„Nicht nur habt Ihr im Interesse Aller und bei einem hartverdienten Brod das Einzige, was Ihr hattet, Gesundheit, Kraft und Leben gewagt und – verloren; sondern Euer letzter Herzschlag war gedrückt, gefoltert bei dem Gedanken an eine kranke Mutter, an hülflose Waisen, einen gebeugten Vater, denen Euer kräftiger Arm jetzt fehlt. Elf von Euch haben ihr Leben im Rettungsversuche der Andern verloren und doppelten Anspruch auf Achtung und Dankbarkeit erworben.

„Aus Euerem Grabe erschallt eine Stimme, welche sagt: Auch wir haben Euch eine Gasse gemacht, sorgt für unsere Weiber und Kinder. Ja, Ihr habt uns eine Gasse gemacht, und wir wollen sorgen für Eure Weiber und Kinder. Und dabei wollen wir uns recht innig zu Herzen führen, was wir der „Hand mit den Schwielen“ verdanken; wir wollen sie herzlich schütteln diese Hand, wo wir sie immer im Leben antreffen. Diesen Vorsatz wollen wir uns mit fortnehmen von Euerem Grabe, indem wir Euch nicht besser ehren können, als in der Achtung und Liebe von Euresgleichen.

„Ruhet wohl, müde Leiber, während Eure seligen Geister, wie der Christenglaube lehrt, eine Heimath gefunden haben, welche jedem Verdienste seinen Lohn angedeihen läßt.“ –




Der Telegraph durch’s atlantische Meer.

In der Regel ist vom Lächerlichen zum Erhabenen nur ein Schritt. Es kommen aber auch ungemein viel Fälle vor, in denen das Lächerliche selbst erhaben oder das Erhabene lächerlich ist, daß Beides sich auf eine jammervolle Weise zu Geschichten aufhebt, über die man lachend weinen oder weinend lachen könnte, was man aber Beides nicht vermag, so daß man sich mit einem diplomatischen Achselzucken sauersüß aus der Affaire ziehen muß. Die erhabene Lächerlichkeit kommt am häufigsten in den durch Diplomatie und tiefsinnige Politik verhunzten Beziehungen der Völker zu einander vor. Mit der einen Hand verbindet und befreundet man sie durch Eisenbahnen, Telegraphen, Waaren- und Ideen-Austausch, durch Soll- und Haben-Rechnungen, die in musterhafter Brüderschaft je jenseits Grenzen zwischen den Linien der Conto-Bücher fortlaufen und sich gegenseitig so oft schreiben, wie zärtlich Verliebte und Verlobte; mit der andern Hand stellen sie sich gegenseitig Gensd’armen, Soldatenheere, Grenzwächter, Postvisitatoren, Zöllner, Schlagbäume, Schuß- und Hiebwaffen, Festungen und Kugelhaufen entgegen, und halten einander ihre nationalen Säbel vor die Nase. Mit der einen Hand schlagen sie Völker nieder, um ruinirte rebellische Länder „einzuverleiben“, und geben dabei und für Erhaltung der Unterwürfigkeit und Niederwerfung von Empörungen, für Processe, Gefängnisse, Executionen mehr aus, als die andere, thätige, productive Hand jemals von den ruinirten Völkern und aus dem Handel Vortheil ziehen kann. So geht’s England mit China. So geht es ihm just dieser Tage mit Indien. Sie haben das reichste Land der Erde erobert, ausgesteuert, mit Tortur ausgepreßt, und seit mehr als einem Jahrhundert einen englischen Crösus nach dem andern daraus heimkehren lassen. Man nannte dies: Indien civilisiren und christianisiren. Nun sind aber die braunen, schönen, friedlichen, schwachen Indier zu wüthenden Hyänen gegen ihre Wohlthäter civilisirt und christianisirt worden und in der grimmigsten Empörung gegen alle Europäer, die gemordet werden, wie es irgend geht, just wie die lächelnden, freundlichen Chinesen sich gegen die Engländer wenden, als wären’s Heerden von Heuschrecken und sonstigem Ungeziefer. Im besten Falle kostete ihnen China, Indien und sonstige zu England bombardirte Besitzungen und Colonien mehr, als die andere Hand durch Production und Handel je wieder gut machen kann. Die Conto’s der Ehre und Schande und der nationalen Demoralisation, die stets aus geraubtem Gute hervorgeht, bringen wir dabei gar nicht mit in Ansatz. Am schlimmsten kommt Englands Politik im Widerspruch der wirklichen Interessen mit Amerika weg. Es hat noch stets einen großen Theil seiner 6,000,000,000 Thaler Kriegsschulden vom amerikanischen Kriege her auf dem Halse. Dabei hält Lord Palmerston noch immer Kriegsschiffe in Bereitschaft und läßt überall in den Häfen und Meeren herum renommiren und böses Blut machen, um stets in Kriegsbereitschaft gegen Amerika zu sein. Wenn er auch keinen Krieg anfängt (nicht mit Amerika, wie mit Niemandem, der stark ist), wird doch das Geld verschwendet und böses Blut daraus gemacht. Mit der andern Hand schüttelt man den Amerikanern Freundschaft und gleicht freundschaftlich ungeheuere, stets wachsende Baumwollen-, Zucker-, Leder- und Gutta-Percharechnungen aus.

Damit dies künftig noch schneller gehe, legt man jetzt ein ungeheueres, elektrisches Freundschafts- und Correspondenzband durch den tausendmeiligen atlantischen Ocean. Manche Zeitungs-Salomo’s sehen darin ein Stück Weltgeschichte, das Band des ewigen Friedens, den erhabensten Triumph unserer Civilisation, Wissenschaft und Kunst u. s. w.

Der Telegraphendraht ist ein Wunder, die erhabenste Drahtzieherarbeit dieses Jahrhunderts; aber man darf nicht zu sanguinisch sein, nicht zu erhaben schwärmen, so lange die Diplomaten viel mehr edele und nützliche Metalle zu zerstörenden, Völker entzweienden, Frieden, Freundschaft, Recht, Humanität, Handel und Wandel vernichtenden Zwecken consumiren, als die Friedens- und Freundschaftsinteressen zu Telegraphendrähten und andern Bindemitteln. Da die Palmerston’sche Diplomatie überall in der Welt Kriegsschiffe umherschwimmen und ihre Agenten in jedem Hafen der Welt hat, kann jeden Augenblick ein casus belli, eine Kriegsnothwendigkeit eintreten. Sofort wird es höchster Patriotismus und Heroismus, Eisenbahnschienen und Telegraphendrähte, die dem Feinde nützlich werden könnten, zu zerstören, und die kostbarsten Früchte des Friedens zu vernichten. Auch der atlantische Telegraph ist also nicht sicher und was dessen Sprache betrifft, wird man sich hauptsächlich Börsen-Course und Baumwollenpreise zublitzen. So lange es keine höheren Interessen an beiden Enden des ungeheuern Telegraphentaues gibt, bekommt auch dieses Sprachrohr nichts Höheres zu sagen. Dessen Erhabenheit hängt von den Menschen an beiden Seiten ab. Aber wie weder Dallas noch Palmerston, weder die Engländer noch die Amerikaner sich mit höheren Interessen oder gar Erhabenheit zu thun machen, wird auch ihr neuer großer Freundschaftsdraht viel mit Dingen zu thun haben, die durch ihre [407] unterseeische Blitzreise von tausend Meilen noch nichts Großartiges bekommen.

So viel im Allgemeinen und gegen Ueberstürzung in Beurtheilung des telegraphischen Weltwunders. Wir verkennen dabei das Wunder nicht, und freuen uns der ungeheuern Technik und Industrie, die es schuf. Suchen wir uns eine Vorstellung davon zu machen. Es ist durchweg interessant und erhebend, zu begreifen, wie man’s machte.

Der ungemein dünne, obwohl sehr complicirte Draht, der die alte und neue Welt verbinden soll, wird zwei kolossale Kriegsschiffe füllen, ein amerikanisches und ein englisches, die in der Mitte des atlantischen Oceans jedes ein Ende hergeben, verbinden lassen und dann nach entgegengesetzten Enden ausspinnen werden, bis das eine Amerika, das andere England erreicht. Die amerikanische Fregatte Niagara hat eben ihren Theil in England eingesponnen, mit der andern Hälfte wurde das englische Kriegsschiff Agamemnon in Portsmouth beladen.

Die Art, wie das Telegraphen-Tau in’s Schiff gewickelt ward, ist folgende. Linker Hand am Schiffe hat man eine Art von Ponton-Brücke mit Rädern oben, über welche das Tau läuft, angebracht. Es wird von einer Dampfmaschine im Innern von den Walzen in den Werkstätten der Herren Glaß und Elliot ab- und in das Schiff hineingezogen, wo unten um einen Kegel herum ein dichter Ring von Männern in blauen, wollenen Matrosenhemden sitzt und den rollenden, auf vielen Rädern hinrutschenden Draht so genau ordnen, indem er sich aufwickelt, daß keine Krümmungen, Verwickelungen und Zwischenräume an der Rolle entstehen. Als Schreiber dieser Zeilen das Schiff besuchte (auch interessant wegen seiner Kriegsthaten im schwarzen Meere und der Besatzung, welche noch ganz dieselbe ist, wie sie aus dem Kriege zurückkehrte), waren 230 englische Meilen aufgewickelt. Da man im Durchschnitt täglich etwa 40 Meilen ab- und einspann, bedurfte diese eine Hälfte des Drahtes allein einer fortwährenden Reise und Aufwickelung aus seiner Geburtsstätte in das Schiff von fünfwöchentlicher Dauer.

Die Reserveschiffe, Mittel und Vorsorgen gegen allerhand mögliche Unglücksfälle beim Aussenken des Riesendrahtes in den Meeresgrund sind von sehr durchdachter Art; doch hängt deren Erfolg von den Händen ab, welche in Fällen der Noth zu- und eingreifen müssen. Da wichtige Posten und Aemter in England aber nicht nach dem Maße von Kenntniß und Tüchtigkeit, sondern in Folge von Geburt, Verwandtschaft und Empfehlung vertheilt werden, ist hier nicht geringe Gefahr zu befürchten.

Am 14. oder 15. Juli dampfschrauben sich beide Schiffe nach der Mitte des atlantischen Oceans, wo die beiden Hälften des großen Freundschaftsbandes vereinigt und dann in nobler Concurrenz als ein Ganzes durch das atlantische Meer hin ausgesponnen werden. Jedes wird dazu etwa acht bis zehn Tage brauchen. Das Telegraphen-Tau besteht zunächst aus einem dichten Gewinde von sieben Kupferdrähten in einer festen Hülle von Gutta-Percha, um sie dadurch gegen äußere Einflüsse zu schützen und gegen erdmagnetische Störungen zu sichern. Um den Gutta-Percha-Mantel ist eine feste Schicht getheerten Hanfs gesponnen. Kupferdrähte, Gutta-Percha-Hemd und Hanftheerjacke sind mit einem dichten Eisendrahtmantel bekleidet, um dem Ganzen just für die Zeit des Ausspinnens und Senkens Zähigkeit und Kraft zu geben. Nachher kann der Eisenmantel ruhig verrosten, das kolossale Band bedarf auf dem ruhigen Meeresgrunde dieses Schutzes nicht mehr. Trotz dieser complicirten Zusammensetzung ist das ganze Tau nicht dicker als eine gewöhnliche Waschleine und eben so biegsam. An der Verfertigung der mehr als 50,000 geographischen Meilen Kupfer- und Eisendraht (400 Meilen einfache Länge von Amerika bis England sieben Mal in Kupfer und achtzehn Mal sieben Mal in Eisendraht zu dem äußeren Mantel, der aus achtzehn Schnüren, jede zu sieben Drähten, besteht) haben alle Drahtzieher Englands über ein Jahr mehr oder weniger zu thun gehabt. Sie lieferten ihre Arbeit an die beiden Hauptspinner ab: Newall in Birkenhead und Glaß und Elliot in Greenwich, welche selbst täglich mit Dampf jeder etwa 15 geographische Meilen Draht zogen. Im Durchschnitt kostete jede geographische Meile 600 Pfund Sterling. Das Ausziehen dieser Metallmassen und deren Verspinnung mit den Tag für Tag vierspännig ankommenden Arbeiten anderer Drahtzieher rief ein Leben in Birkenhead und Greenwich hervor, das eben so großartig als neu aussah, da immer wieder Tausende von Neugierigen herbeiströmten, um die unaufhörlich ankommenden riesigen Trommeln von gesponnenem Drahte zu bewundern und zu sehen, wie sie abgewickelt und blitzschnell wieder zusammengesponnen wurden.

Auf das Technische und die vielen wunderbaren Kleinigkeiten und genialen Erfindungen zur Erleichterung der verschiedenen Operationen können wir hier ohne viel Raum nicht eingehen, da wir schon genug zu thun haben, um von der elektrischen und telegraphischen Wichtigkeit dieses Taues eine Vorstellung zu geben. Zunächst ist es schon großartig genug, eine so complicirte Waschleine 2000 englische Meilen lang zu spinnen und sie aus zwei Kriegsschiffen durch das ganze atlantische Meer hin zu legen, um die vor einigen Jahrhunderten noch ganz unbekannte, weite, nur nach langen, schweren Kämpfen erreichbare neue Welt so dicht an die andere zu knüpfen, daß man beim Aufwachen in Berlin, Leipzig, Dresden, Wien, Peterburg u. s. w. bis in die Hinterwälder Amerika’s fragen kann, wie ein Verwandter oder Bekannter dort geschlafen habe, um beim Frühstück schon die Antwort zu erhalten. Wird’s denn aber auch gehen? Wird die dünne Waschleine auf dem Meeresgrunde unbeschädigt ankommen, dort aushalten und die Elektricität in beiden Welten stark genug sein, um in einem Futter hüben und drüben anzukommen, ohne den Athem oder sich selbst ganz verloren zu haben?

Lauter Fragen, deren Beantwortung erst abgewartet werden muß, wird man meinen. Dies ist aber nicht nöthig; der wissenschaftliche Director des ganzen Unternehmens, Mr. Whitehouse, hat sich bereits auf die großartigste und complicirteste Weise mit Mitteln umgeben, um Antwort auf diese Fragen im Voraus zu erhalten. Diese sind bis jetzt alle günstig ausgefallen.

Mr. Whitehouse ist zugleich wissenschaftlicher Director der ganzen einen Elektro-Telegraphen-Compagnie Englands und hat sich als dieser moderne Jupiter des Blitzes dichter mit Drähten und Gewinden umgeben, wie die Spinne mit ihrem Gewebe oder der Seidenwurm mit seinem meilenlangen Coconmantel. Besonders interessant unter diesen Gewinden und Geweben und Instrumenten ist seine Elektricitäts-Kraftwage. Er läßt den elektrischen Strom durch Draht laufen, der um eine Barre weichen Eisens gewickelt ist. Letzterer wird dadurch ein Magnet, der das eine Ende der Wage anzieht und zwar mit einer Kraft, welche durch die Zahl von ganz kleinen, gleichen Eisenkügelchen, die dann das andere Ende der Wage aufhebt und anzieht, auf das Genaueste gemessen werden kann. Dieser „Magneto-Elektrometer,“ wie die Wage genannt wird, hat seine unermeßlichen Vorzüge vor dem bekannten Galvanometer, der unruhig und höchst unsicher mißt, während ersterer ruhig und genau nur so viel Eisenkügelchen anzieht, als die elektricitätserzeugte magnetische Kraft eben tragen kann. Außer dieser feinen Elektricitäts-Kraftwage ist ein Elektricitätsgeschwindigkeits-Meßinstrument sehr wichtig geworden, das zu complicirt ist, als daß wir es ohne wissenschaftliche Voraussetzungen in Kürze beschreiben könnten. Nur so viel, daß dieses Instrument hundertste Theile einer Secunde angibt, so daß elektrische Ströme, die durch je eine zusammengewickelte Masse von Draht, eine bis hundert und mehrere hundert Meilen lang, gehen, der Zeit nach auf das Genaueste gemessen werden können. Mit diesen Instrumenten hat er den Drähten, welche das blitzschnell fragende und antwortende Band zwischen der alten und neuen Welt werden sollen, schon von vornherein befriedigende Antworten auf wichtige Fragen abgenöthigt. Wir bemerken hier nur in Kürze eine der wichtigsten Eigenthümlichkeiten des gigantischen Drahtes. Das innere Gewinde von sieben Kupferdrähten wird nicht als ein bloßer Leitungsdraht wirken, wie unsere gewöhnlichen Telegraphendrähte, sondern als Leydener Flasche, eine Flasche so lang, wie der atlantische Ocean zwischen England und Amerika breit ist. Die Leydener Flasche, welche mit Elektricität gefüllt wird, muß einen isolirenden Mantel haben, der die entgegengesetzten Elektricitäten getrennt hält, bis sie sich an einem verlangten Punkte blitz- und schlagartig vereinigen sollen. Diesen isolirenden Mantel bildet hier der Gutta-Percha-Ueberzug; der innere Kupferdraht den Behälter und Leiter der innern, der äußere Eisendraht und (ohne denselben) das umgebende Meereswasser nehmen die durch die innere gebundene entgegengesetzte Elektricität auf. Der innere Kupferdraht ist beinahe Haarbreit dünn, weil die ganze Leydener Flasche, die er bildet, mit Elektricität gefüllt werden muß, damit sie am andern Ende sich entlade. Wäre er nur um ein Hundertstel eines Zolles dicker, würde das jedesmalige Füllen des Drahtes so und [408] so viel mehr Elektricität fordern und die Herstellung derselben jährlich um viele tausend Pfund theurer werden.

Der Beweis, daß der atlantische Telegraph wie eine Leydener Flasche wirkt, ist mit der Elektricitätswage auf das Klarste geführt worden. Aber was für riesige galvano-elektrische Batterieen werden dazu gehören, um diese über 400 geographische Meilen lange Flasche zu füllen? Schreiber dieser Zeilen schrieb mit dem elektrischen Blitze an sich selbst durch einen 660 englische Meilen langen Draht binnen 9/10 einer Secunde und zwar vermittelst einer Batterie, die aus sieben in verdünnte Schwefelsäure getauchten Zinkstückchen bestand, keins größer, als etwa eine Erbse. Dies geschah in Mr. Whitehouse’s Bureau zum Beweise, daß man mit einer Batterie von 72 Paar Platten, jede von 16 Quadratzoll, von Amerika bis England blitzen und dort noch mit der Kraft schreiben, telegraphiren kann. Dies ist freilich nur dadurch möglich, daß die Leydener Flasche ihre 400 Meilen lang geblitzte und abgeschwächte Elektricität just bis zu Reserve-Batterieen trägt, die, aus drahtumflochtenen Eisenbarren bestehend, die ihnen von der andern Welt erschöpft zugesandte Elektricität wieder so stark machen, daß sie die Telegraphennadeln treiben und bewegen kann. Die Eisenbarre wird durch die Elektricität, welche durch den um sie gewickelten Draht läuft, ein momentaner Magnet. Und diese so erzeugte magnetische Kraft ist es, welche eigentlich die Nadeln treibt. Es ist also eigentlich ein Magneto-Telegraph, welcher das Werk der reiseerschöpften Elektricität thut. Dabei hat sich noch deutlich ergeben, daß galvanische Elektricität als solche geringere Bewegungskraft hat, als magneto-elektrische. Letztere ist schwächer, als erstere, bewegt sich aber viel schneller durch den isolirten Draht, als stärkere directe Galvano-Elektricität. Die correspondirende Kraft zwischen der alten und neuen Welt wird eine magneto-elektrische sein. Dies sind Alles nur Andeutungen ungemein wichtiger Punkte, deren gemeine, wissenschaftliche Erörterung Männern von Fach überlassen bleibt. Auch das Ergebniß kostspieliger Experimente, zu erfahren, wie weit sich das Telegraphen-Tau ausdehnen oder ob es wohl gar reißen könne, wenn es aus beiden Schiffen etwa eine deutsche Meile lang abgewickelt den Merresgrund nicht erreicht haben sollte, geben wir nur im Allgemeinen an. Es wird sich auf die englische Meile etwa zwei Fuß dehnen, von seiner Leitungskraft dadurch aber kaum etwas Merkliches verlieren. Außerdem ist es so genau fabricirt und in seiner Kraft gemessen, daß es sich funfzig Mal mehr dehnen kann, ohne zu reißen oder leitungsunfähig zu werden. Nur eine Befürchtung ist bei dem Riesenwerke noch nicht erledigt: der Einfluß, den natürliche elektrische und magnetische Strömungen, welche in ewiger geheimnißvoller Zuckung als Pulsschlag in der Erde hin- und herwallen, auf das am Meeresboden hingestreckte Sprachrohr ausüben können. Aber man weiß wenigstens, wie man solche Einflüsse antagonistischer und neutralisirender Art überwinden und unschädlich machen kann. Und so haben wir bereits ziemlich hinreichende Gründe, die riesigste That und Schöpfung dieses Jahrhunderts als eine gelungene zu begrüßen.




Blätter und Blüthen.


Zur Frage über die Geistesfähigkeiten der Thiere. In seinem Berichte über den Naturforscher Ampere erzählte Arago:

„Ampere beschäftigte sich vielfach mit der dunkeln Frage über die geistigen Fähigkeiten der Thiere. Anfangs entschied er sich gegen ihre Vernunft, gab jedoch in Folge einer einzigen Thatsache, die ihm ein zuverlässiger Freund erzählte, diese seine Ansicht auf. Dieser Herr war von einem Sturm in eine Dorfschenke getrieben worden, wo er sich ein gebratenes Huhn bestellte. Man bediente sich dort noch des alten, von einem Hunde gedrehten Bratspießes. Der Hund wurde in das Rad gespannt, aber weder Schmeicheln noch Drohungen noch Schläge konnten ihn bewegen, auch nur einen Schritt zu thun. Ampere’s Freund nahm endlich das mißhandelte Thier in seinen Schutz. „Ja wohl, armer Hund,“ sagte der Wirth ärgerlich, „er verdient Ihr Mitleid gar nicht, denn derselbe Auftritt wiederholt sich alle Tage. Wissen Sie, warum der saubere Kerl sich weigert, den Spieß zu drehen ? Er hat sich einmal in den Kopf gefetzt, daß sein Camerad die Arbeit gleichmäßig mit ihm theilen müsse und daß jetzt die Reihe nicht an ihm sei.“ Der Herr bat, man möchte den andern Hund holen, und dieser machte auch nicht die geringste Schwierigkeit, seine Aufgabe zu erfüllen. Nach einiger Zeit wurde er aus dem Rade genommen und sein widerspenstiger College wieder hineingesteckt, der jetzt, nachdem sein Rechtsgefühl befriedigt war, mit wahrem Feuereifer arbeitete. Einen ähnlichen Fall erzählte Herr von Liancour dem großen Arnauld, der die Theorie des Descartes angenommen hatte, daß Hunde bloße Automaten und Maschinen seien, und auf diese Ansicht hin die armen Thiere lebend secirte, behauptend, sie fühlten nichts. „Ich habe zwei Hunde,“ sagte Herr von Liancour, „die abwechselnd jeder einen Tag den Spieß drehen. Eines Tages versteckte sich der eine, an dem die Reihe war, und sein Camerad sollte statt seiner drehen. Da bellte er, wedelte mit dem Schweife und gab dem Koch zu verstehen, er möge ihm folgen, ging hinauf in das Dachgeschoß, zerrte den Faullenzer aus einem Winkel und beutelte ihn herzhaft durch. Sind das Ihre bewußtlosen Maschinen?“ Dem großen Arnauld mag wohl eine Ahnung geworden sein, daß der Bratspieß seine Theorie über den Haufen geworfen hatte.“




Macht des Talents. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war ein Schweizer, Heidegger, die Seele aller Feste und Vergnügungen des Hofes und der Stadt London. Seinem Kunstsinn und seinem Geschick, seinem Witz und seinem Geschmack ward Alles anvertraut. Er war überhaupt ein eigenthümlicher Mann: mitten in den Bergen der Schweiz geboren, hatte sein Genie sich allein Bahn gebrochen und dieses Genie war für ihn in England die Quelle des Glückes. Er wurde der Hauptspaßmacher der Nation und bezog dadurch eine jährliche Rente von 5000 Pf. St. Die Besorgung der Oper und aller Hof- und öffentlichen Feste war ihm übertragen, daher war er gern gesehen und mit allen Großen in Verbindung. – Einst ward in seiner Gegenwart gestritten, welche Nation die erfindungsreichste sei. Man rief sein Urtheil an. „Die Schweizer,“ sagte er; „ich bin ein Schweizer, kam arm nach England, wo ich jetzt jährlich 5000 Pf. St. erwerbe und ausgebe, mache ein Engländer den Versuch, ob er dieses in der Schweiz thun kann!“ – Heidegger war häßlich zum Entsetzen; er scherzte selbst darüber und wettete mit Lord Chesterfield, daß es in ganz London kein häßlicheres Gesicht gebe, als das seine. Man fand endlich eine scheußliche alte Frau. Er gab seine Sache noch nicht auf – setzte die Mütze der alten Frau auf, gab ihr seine Perrücke und Lord Chesterfield hatte seine Wette verloren.




Kleiner Briefkasten. Herrn A. in G. Ihren Anfragen, so wie vielen anderen, welche wegen Einrichtung und Abwartung des Süßwasser- Aquariums theils an die Redaction, theils an Herrn Prof. Roßmäßler ergangen sind, diene vorläufig die Erwiderung, daß in kurzer Zeit von dem Genannten bei H. Mendelssohn in Leipzig in einem besonderen reich illustrirten Buche eine sehr ausführliche Anleitung zur Anlegung und Pflege des Süßwasser-Aquariums veröffentlicht werden wird. Leider kann die Gartenlaube nicht alle jene zum Theil höchst speciellen Anfragen und Wünsche erledigen, welche in dieser Angelegenheit laut werden und welche sich größtentheils im voraus von selbst erledigen würden, wenn die in unserem Artikel „der See im Glase“ gegebene Anleitung pünktlich befolgt würde. –

K. G. in Rbg. Die Ergänzung kam zu spät und hätte jedenfalls zu weitläufigen Gegenerklärungen geführt.

Br. in Wien. Ihr Brief ist uns zugegangen und sehen wir der Einsendung des versprochenen Artikels entgegen.




Mit dem 1. Juli begann ein neues Quartal der bei Ernst Keil in Leipzig erscheinenden Zeitschrift:

„Aus der Fremde,“
Wochenschrift für Natur- und Menschenkunde der außereuropäischen Welt,
redigirt von A. Diezmann.
Wöchentlich ein Bogen mit und ohne Illustrationen. Vierteljährlich 16 Ngr.

Unsere Zeitschrift beschäftigt sich mit Land und Leuten weit und breit, auf dem ganzen Erdenrund. Sie gibt nicht Erdichtetes, sondern Wahrheit, aber, was sie erzählt, bestätigt gar oft den altbewährten Spruch: „Wirklichkeit ist seltsamer als Dichtung.“ Sie gibt nicht trockne Reiseberichte; sie beschreibt vielmehr Erlebnisse in der pikantesten und kleidet ihre Schilderungen in die eleganteste und anmuthigste Form; denn, was gelesen zu werden verdient, soll auch angenehm zu lesen sein. Ihr Feuilleton ist stets reich und neu. – Die große Verbreitung, welche die Fremde seit ihrem kurzen Bestehen gefunden hat, beweist am besten die Gediegenheit des Blattes.

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Aeußere
  2. Olivier Zschokke, Vorlage: Zschoke