Zum Inhalt springen

Die Gartenlaube (1853)/Heft 28

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1853
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[297]

No. 28. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Die Näherin.

(Geschichte aus der „guten Gesellschaft“ Englands.)
Von Heinrich Beta.
(Schluß.)

Der Zukünftige sah die Zukünftige wieder sehr scharf an und frug in strengem Tone: „Halten Sie mich für gottlos, weil ich ein paar Damen grade deshalb besonders hochachte, weil sie mit Ehren und Arbeit ihre Armuth tragen und sich durch ehrliches Verdienst vor der Schande der Armuth schützen? Ich frage mich und Sie: Haben wir etwas gethan, um uns vor der Schande unseres Reichthums zu schützen? Ist es nicht eine wahre Schande, so viel Geld zu haben, als wir, ohne daß wir etwas Besseres damit anzufangen wissen, als Essen, Trinken, Kleider und müßige Lakaien zu bezahlen und uns unter unseres Gleichen gegenseitig abzufüttern? Ich fühle diese Schande. Fühlen Sie nicht auch etwas davon?“

Emilie sah ihren Vetter mit sprachlosem Erstaunen an. Er war röther und schöner geworden. Sie merkte endlich, daß sie ihn liebe, und doch klangen seine Worte in ihr Ohr so roh, so republikanisch, so atheistisch. Sie wußte durchaus nicht, was sie sagen sollte. Die Tante blieb aber vornehm und wußte diesen fremdartigen Ton geschickt wieder heimisch zu stimmen.

„Wir haben Beide die Petition zur Abschaffung der Sklaverei in Amerika unterschrieben,“ sagte Madame Powell.

„Und wie viel bezahlen wir jährlich zur Förderung des Christenthums unter den Heiden?“ frug Emilie.

„Es ziemt uns nicht, damit zu prahlen.“

„Gewiß nicht,“ sagte Custis noch ärgerlicher, „zumal, da Mrs. Brandon näher wohnt, als die Patagonier. Wir wollen wenigstens gegen unsere Mitchristen und Nachbarn, wenn auch nicht christlich, so doch menschlich sein. Doch ich gestehe, daß ich heute sehr ungeschickt bin. Ich habe keine Lebensart, ich komme heute unmöglich wieder in den Ton der guten Gesellschaft, deshalb bitte ich um Entschuldigung und nehme mir die Freiheit, mich für heute den geehrten Damen zu empfehlen. Morgen denke ich als Gentleman auftreten zu können. Good bye!“

„Good bye!“ rief Emilie mit erzwungener Laune. „Good bye! Sie selbst in Ihrem republikanischen Zorne, göttlicher Vetter!“

Die Tante gab nun, nachdem sie allein waren, der [298] Nichte ernstliche Verweise wegen ihrer Unklugheit und ermahnte sie, mit ihrer „höhern Bildung“ durchaus zurückzuhalten, bis sie verheirathet seien. Uebrigens werde er in guter Gesellschaft auch wohl von selbst die Rohheiten, die ihm noch vom Continente her anklebten, abstreifen, so daß kein besonders strenges Pantoffel-Regiment nöthig sein werde.

Emilie hörte aber kaum darauf und dachte ebenso scharf an Miß Brandon, wie ihr „Zukünftiger“ – nur mit entsetzlich verschiedenen Gedanken und Gefühlen. Ihre Augen funkelten vor Zorn und auf ihrer schönen, glatten Stirn schwoll eine Ader hervor. Sie zitterte. Besorgt rief die Tante: „Emilie, was ist Dir?“

„Daß ich nur mit ihr, mit einer Schneidermamsell in Beziehung kommen konnte, daß ich, daß ich – ich – Tante, ich fühle mich namenlos unglücklich.“

„O Kind, das giebt sich. Sie soll wirklich sehr hübsch sein, aber Custis ist ein Ehrenmann; er wird Dir nie Ursache geben, Dich seiner zu schämen, wenn er erst verheirathet ist. Ein flüchtiges Wohlgefallen an einem schönen Gesichte kommt sogar in der Ehe ohne besondere Störung vor.“

„Aber in diesem Stande? Mein Gott, Tante, es ist unmenschlich erniedrigend für mich.“

Die Tante wurde nun ernster und eindringlicher, bis die Zukünftige fest versprach, vornehm, diplomatisch und „naiv“ zu bleiben bis nach der Hochzeit. Doch konnte sie nicht umhin, bald auszugehen und eine Freundin zu besuchen, von deren Fenster aus sie das Haus der Mrs. Brandon übersehen konnte, was sie auch sehr standhaft gethan haben soll, ohne sich durch die Spöttereien um sie her über ihre Zerstreutheit besonders stören zu lassen.

Custis kam zur Verwunderung der Tante denselben Tag wieder und verlangte mit Emilien spazieren zu gehen. Sie wurde in leidenschaftlicher Hast herbeigeholt und war lauter strahlenden Entzücken, als sie erfuhr, man ihr zugedacht war. Sie schwebte in blendender Schönheit an dem Arme des geliebten Jünglings hinaus vor die Stadt und glaubte nur jeden Augenblick Glockentöne zu hören, die durch die Kirche in’s Brautgemach rufen sollten. Custis war freundlich, liebenswürdig, aber befangen. Es wird ihm schwer, anzufangen, dachte sie und spielte von dem Spaziergang auf den Lebensweg an. Plötzlich stand Custis still und machte auf einen Brief aufmerksam, der am Wege lag. „Wie glücklich würde der arme Mann da vorn sein,“ sagte er, wenn Sie den Brief nähmen und recht bescheiden sagten: „Sie haben wohl diesen Brief verloren, mein Herr?“ – Ich glaube, das müsse wunderschön aus einem so rosigen Munde klingen.“

Emilie lachte laut auf und frug: „Was geht denn dem armen Manne mein rosiger Mund an? Lassen Sie Mann und Brief. Wahrscheinlich wird ihn Einer finden und in einen Briefkasten stecken. Haben Sie so große Lust, mich zum Briefträger auszubilden?“

„Das nicht, aber ich möchte Sie nur in diesem einzigen Falle mal als Briefträgerin sehen!“

„Um’s Himmelswillen, Custis! Denken Sie, wenn mir der Mann am Ende einen Penny für geleistete Dienste anböte?“

„So wäre dies vielleicht der erste Penny, den Fräulein verdient haben.“

Emilie zog ihren Arm mit Heftigkeit aus dem ihres „Zukünftigen“ und wurde brennend roth vor Zorn, faßte sich aber schnell wieder, lachte gezwungen, nahm seinen Arm wieder und neckte ihn wegen seinen republikanischen und atheistischen Sonderbarkeiten.

Sie war nun gründlich durchgefallen. Custis wollte blos ihr Wesen, ihre Stimme beobachten, womit sie den Brief zurückgeben würde und dann einen Vergleich anstellen. Jetzt war die Sache viel schlimmer, als die für sie ungünstigste Vergleichung. Er hatte im ersten Augenblicke ihre blendende Schönheit geliebt; jetzt kam ihm diese glatte, kalte, nichtssagende Schönheit, zumal mit dem bei englischen Schönheiten so oft offen stehenden Munde,[1] widerlich, verächtlich vor. Er mußte sich ungemein zwingen, seine schöne Cousine unter den Formen gewöhnlicher Galanterie nach Hause zu bringen, nachdem er den armen Mann, der angeblich den Brief verloren haben sollte, zurückgerufen und ihm nicht nur den Brief, sondern auch einen ganzen Sovereign gegeben habe, ohne seiner Cousine darüber weiter Auskunft zu geben. Sie erschrack dabei sichtlich und hatte eine Ahnung, daß dies eine Prüfung hatte sein sollen, konnte sich aber nicht erklären, wie sie dabei hätte besser handeln können. Ihre vornehme Erziehung ließ sie in dem Aufheben und Ueberreichen des Briefes nur eine gemeine, der guten Gesellschaft unwürdige Handlung erblicken. Sie glaubte deshalb im Stillen, die Prüfung ganz ihrer würdig bestanden zu haben und suchte wirklich vergebens nach einer Erklärung der auffallenden Kälte ihres „Zukünftigen.“ Custis wollte keine „Scene“ machen und blieb deshalb höflich und gütig, ohne die Vorbereitungen auf die seinetwegen veranstaltete „Abend-Partie“ im Geringsten zu stören.

Der Abend kam und mit ihm die Kutschen und die Damen und Herren, die das neugierige Volk selten ordentlich sehen konnte, da stets eine Menge Lakeien mit weißen Strümpfen und Köpfen, schwarzen Leibröcken und schwarzen Epauletten Weg und Aussicht versperrten. Oben grüßten Alle mit besonders bedeutungsvollem Lächeln die Königin und den König des Festes, die dann auch in überraschender Schönheit und Pracht den ersten Tanz eröffneten. Tänzer und Tänzerinnen tauschten später in einförmigem Wechsel. Custis fühlte sich bald so unheimlich und betäubt, daß er hinausging und in einer Art von Trauer das Weite suchte.

Emilie vermißte ihn bald und wurde mit jeder Minute zerstreuter und rücksichtsloser gegen Gäste und Anbeter. Custis fühlte endlich auch, daß seine Abwesenheit auffallen könnte und eilte zurück. Vor der Thür des in Musik und Lichtern und Pracht aller Art gleichsam schimmernden Hauses standen dichte Haufen und stierten aus dem Dunkel in den blendenden Glanz [299] allein und horchten mit Wohlgefallen der rauschenden Musik. Custis drängte sich möglichst unbemerkt durch, konnte aber an einer Stelle durchaus nicht vorwärts kommen. Deshalb machte er einen Umweg, um von einer andern Seite ins Haus zu kommen. Bei seiner Annäherung suchten sich rasch zwei weibliche Gestalten zu verbergen; aber Custis entdeckte noch in einem Lichtstrahle aus dem Hause das süße Gesicht und die sylphenartige Gestalt von Alice Brandon.

Einer unwiderstehlichen Wallung nachgebend, folgte er den rasch sich entfernenden Damen und redete sie in einem zitternden, höflichen Tone an.

„Miß Brandon, wenn ich nicht irre?“

Beide Damen blieben einen Augenblick stehen. Alice verbeugte sich mit einem leichten Lächeln, und sagte wie um Entschuldigung bittend: „Mutter und ich gingen etwas aus, um frische Luft zu schöpfen, und da war es uns sehr angenehm, ein Weilchen der prächtigen Musik zuzuhören.“

Dann gingen sie. Custis begleitete sie und wendete sich an die Mutter: „Mrs. Brandon erinnert sich vielleicht meiner noch in dieser kleinen Stadt, wo wir uns alle kennen. Ich lebte als Knabe in dem Hause von Madame Powell.“

„O ich erinnere mich sehr gut. Ich habe sie einige Male an unserm Hause vorbeigehen sehen, nachdem mir Alice erzählt hatte, wer Sie seien.“

„Dann war ich so glücklich, von Ihnen gekannt zu sein, Miß Brandon?“

„Ich sah Ihren Namen auf dem Briefe, den Sie verloren und ich Ihnen aufhob,“ antwortete Alice, ohne aufzusehen.

„Richtig, das ist wahr. Lassen Sie dieses Couvert als eine Empfehlung für mich gelten, da ich leider keine bessere habe, Miß Brandon.“ Er sagte dies mit einer Aufrichtigkeit, Wärme und Offenheit, daß Alice nicht umhin konnte, ihm in’s Gesicht zu sehen und dann mit tiefem süßen Erröthen die Augen tief niederzuschlagen.

Die Mutter unterhielt sich mit ihm, bis sie vor ihrer Wohnung angekommen waren. Er hoffte, die Mutter werde hineingehen und Alice noch Zeit geben, sie zu einem Privatgespräch einladen zu können. Er war fest entschlossen, ihr sogleich sein ganzes Herz zu öffnen. Aber die Mutter ging nicht und schien zu erwarten, daß er sich verabschieden werde. So gestand er dann mit Freimüthigkeit, daß er sich glücklich schätzen würde, wenn sie ihm erlaubte, mit Alice noch etwas spazieren zu gehen.

„Sie sind sehr gütig, Mr. Custis,“ entgegnete die Mutter etwas verlegen. „Alice ist eine bloße Näherin und Sie von hoher Abkunft und ein reicher Erbe, außerdem erzählte man allgemein, daß heute Abend Ihre Verlobung mit Miß Clifford bekannt gemacht werden würde. So würde ein derartiger Spaziergang sowohl Ihnen unangenehm werden können, als auch Alice, die jedenfalls am Meisten leiden würde. Ihr unbefleckter Ruf ist ihr einziges Capital. Ich halte Sie für zu ehrenwerth, als daß Sie diese Bedenklichkeiten einer Mutter übel nehmen könnten.“

„Im Gegenteil, verehrte Mrs. Brandon, ich achte Ihre Sorgfalt für die Tochter. Sie haben vollkommen Recht.“

„Es freut mich, daß Sie es zugeben. Ich würde mich übrigens glücklich schätzen, wenn Sie einen Augenblick mit einträten.“

„Mit Vergnügen, wenn Sie erlauben. Ich fühle mich so müde und zerstört von Musik und Gesellschaft, daß einige klare, wahre Menschentöne mich sehr erquicken werden.“

Bald saßen sie traulich in dem freundlichen Zimmer. Alice, die ihm auf der Straße so bezaubernd schön erschienen war, gab sich hier wie ein Seraph an Milde, Kindlichkeit und Aufrichtigkeit. Sie erzählte von ihren Kämpfen um’s liebe Leben, von ihres Vaters Krankheit und Tod mit einer solchen Offenheit und Wehmuth, daß er plötzlich einmal aufweinte und ihre Hand ergriff, als wollte er sich zum Troste an sie halten. Endlich erinnerte ihn die Mutter an seine socialen Pflichten. Erschrocken stand er auf und ging davon, kehrte aber für einen Augenblick zurück und bat um Erlaubniß, wiederkommen zu dürfen.

Wie ein Träumender trat er in den großen Tanzsaal, der sich schon sehr gelichtet hatte und nur noch mit Personen versehen war, die Abschied nahmen. Emilie stand in der Mitte einer solchen Abschiedsscene, erblickte ihn, durchbrach wild den Kreis, stürmte auf ihn zu und frug erblassend und erröthend, was mit ihm vorgefallen sei. Er sprach von Kopfschmerzen, freier Luft und mit Worten, die er selber nicht verstand. Sie starrte ihn wild an, brach in einen Thränenkrampf zusammen und stürzte aus dem Saale. –

Am folgenden Morgen sollen sich einige alte Jungfern dieser Stadt schon vor Tagesanbruch besucht haben, theils um die Bruchstücke ihrer Nachrichten gegenseitig zu ergänzen und künstlerisch abzurunden, theils mit Verläumdungspfeilen auf Miß Clifford oder Miß Brandon oder auf Beide zuzuspitzen. Letztere hatte mit der Zeit besonders oft ganze Reihen von Spießruthen (von Zungen) durchzulaufen, nachdem sie mit der Mutter nach London gezogen und in einer guten Damenschule als Schülerin untergebracht worden war. Die Schule sei blos ein Schein, hieß es, namentlich da Niemand etwas von Verlobung und Hochzeit hörte ein ganzes Jahr lang; und Mr. Custis lebte doch auch in London. Vielleicht werde er Miß Clifford doch noch heirathen und dabei für sein Schulkind im Stillen fortfahren zu sorgen. –

Nur einmal wird unsere Geschichte noch dramatisch. Miß Clifford, die seit der Zeit das Capitel der Verlobungen und Verbindungen mit besonderer Genauigkeit las, entdeckte eines Morgens folgende Stelle: „Verehelicht vorigen Donnerstag Vormittag in der Christ-Kirche von Sr. Ehrwürden Dr. D. .. Edward Custis, Esq., mit Miß Alice Brandon, Tochter des verstorbenen Dr. Charles Brandon M. D.

Sie kreischte auf und fiel bewußtlos nieder, muß sich aber wohl mit der Zeit wieder erholt haben, da man sie später wieder lebendig und sogar in großer Schönheit öfter im Hydepark zu London spazieren reiten sah. –

[300] Novellen und Erzählungen haben sich angewöhnt, immer einen oder mehrere Menschen zu guter Letzt auf irgend eine grausame, berechnete Weise umzubringen oder im besten Falle zeitlebens unglücklich zu machen. Leider finden wir in unserer Geschichte alle betheiligten Personen ein ganzes Jahr nach der angedeuteten Heirath in solcher Gesundheit, so glücklich und wohlhabend (am Glücklichsten einen allerliebsten dicken Jungen auf dem Schooße Alice’s, der in seinem Alter von kaum 3 Monaten so groß und altklug aussieht, als könnte er ohne Weiteres Doctor der Philosophie werden), daß wir es nicht über’s Herz bringen können, ihnen an’s Leben zu gehen. Aber was wird aus Miß Clifford? Sie ist heute, wo wir unsere Geschichte schließen, grade bei Mr. Custis und Mrs. Custis zum Thee, der in einem großen Gartensaale ganz besonders gut schmeckt, zumal mit den frischen Krabben. Also auch Miß Clifford? Welch ein dreibändiger Roman liegt in dieser Thatsache? Wenn man nun noch vernimmt, daß Miß Clifford auf einen Besuch zu heute Abend aufmerksam machte und daß ihr Verlobter nicht eher kommen könne, da er als Vormann in einer Maschinenbauerei vor 8 Uhr nicht abkommen könne, und daß er endlich kam in feinstem Anzuge und mit der ruhigsten Sicherheit, eines freien Benehmens voll Selbstgefühl und Zärtlichkeit gegen seine strahlende Braut, so könnte man getrost noch einen vierten Band hinzufügen, wenn der Verleger damit einverstanden wäre. Glücklicher Leser, der du mit ein Paar Seiten weg kommst!

Emilie Clifford hatte nachdenken lernen, wie es wohl gekommen sein könnte, daß eine anspruchslose Näherin in Baumwolle über ihre Schönheit und ihren Reichthum so leicht habe siegen können. Sie dachte an „den Fluch ihres Reichthums,“ ihrer Erziehung und der lächerlichen Vorurtheile ihrer Kreise und dachte und lebte sich so tief hinein und wurde durch eine mit Custis geführte Correspondenz, welche später zur mündlichen Unterhaltung ward, so umgewandelt, daß sie mit Ekel aus ihren bisherigen Gesellschaften floh und bürgerliches Leben, bürgerlichen Fleiß studiren und lieben lernte, darunter besonders ihren jetzigen Bräutigam, einen stolzen König inmitten der Wuth des Dampfes und großer schnaubender Ungeheuer von arbeiteten Rädern, Balken und Cylindern.

Im Oberhause der guten Gesellschaft sprach man vom Untergange Englands, als die Hochzeit von Miß Clifford bekannt ward, im Unterhause aber von dem stolzen Aufsteigen einer neuen Maschinenbauanstalt von 600 Pferdekraft und einer kleinen Stadt daneben für 2000 Arbeiter, die der arbeitende Bräutigam der reichen Miß Clifford bauen ließ.




Das Leben in den californischen Minen.

In Nr. 17 der Gartenlaube versetzten wir den Leser auf einen Augenblick in das „glückliche Thal“, welchen Namen der Mittelpunkt des heutigen St. Francisco noch 1849 führte, und zeigten ihm das wundervolle Erblühen einer Stadt, wie die Geschichte kein zweites Beispiel aufzuweisen hat. Heute folge er uns den Sacramento aufwärts, tiefer in’s Land, dem Schneegebirge zu, um die Goldgräber selbst bei ihrer Arbeit zu belauschen.

Das Goldwaschen mit dem Longtom.

Noch immer sehen wir das alte Drängen und Treiben, wie es 1848 begann, als auf die ersten Berichte über die entdeckten californischen Reichthümer [301] aus fast allen Ländern der Welt Hunderttausende herbeiströmten, um ihre Goldgier an der Quelle selbst zu stillen. Der Wanderzug der Golddurstigen hat sich seitdem getheilt. Für Viele ist jetzt Australien das gelobte Land der Verheißung geworden, allein das schimmernde Gold müßte die Herzen der Menschen weit weniger bestechen, als es der Fall ist, wenn die Zahl der Goldgräber in Californien sich deshalb hätte mindern sollen. Daß es neben wenigen Glücklichen eine viel größere Anzahl gab, die sich in ihren Hoffnungen betrogen sah, hat der magnetischen Anziehungskraft der Goldminen eben so wenig Abbruch gethan.

Erste Untersuchung des Bodens.

Die Umgebungen des Sacramento und San Joaquin, wo der erste Sammelplatz der Goldsucher war, sind zur Zeit so ziemlich ausgebeutet, doch sind dafür tiefer im Gebirge der mehr oder weniger reichhaltigen Gruben noch genug vorhanden. Ohne harte Arbeit ist aber kein Gold mehr zu gewinnen, und die Zeit, wo in wenigen Wochen fabelhafter Reichthum erlangt wurde, ist vorüber. Der thätige, umsichtige und erfahrene Goldgräber schlägt indeß, selbst im ungünstigsten Falle, immer noch seine Kosten heraus. In der Regel vereinigen sich die Einzelnen zu kleinen Gesellschaften von fünf bis sechs Personen, die jedoch jetzt, wo nach und nach die Ausbeutung im Großen durch Dampfmaschinen beginnt, in eine immer ungünstigere Lage gerathen und mit der Zeit zu rein bezahlten Arbeitern der mit großen Capitalien auftretenden Unternehmer herabsinken werden. Die Wucht des Capitals macht sich selbst dort geltend, wo Allen der Reichthum so leicht zugänglich schien.

Das Goldwaschen mit der Wiege.

Von den Ufern des Sacramento weg haben sich jetzt schon die meisten der kleinern Gesellschaften der Sierra Nevada zugewandt. Auf den Wegen, die diesem Gebirge zuführen, begegnet [302] man ihnen oft zu Pferd und zu Esel. Die Ausrüstung dieser Leute ist fast immer die gleiche. Ueber der Schulter hängt die Flinte; im Gurt steckt der beliebte Revolver, eine Art Pistol mit einem Lauf, aus welchem fünf bis sechs Schüsse hintereinander abgefeuert werden können. Hacke, Schaufel, das nothwendigste Küchengeschirr und die unerläßliche Küpe fehlt ebenso wenig. Sobald die Goldgräber in der zum Aufenthalt erwählten Gegend angekommen sind, beginnen sie von der dem Anschein nach günstigsten Stelle Besitz zu nehmen, die damit ihr zeitweiliges Eigenthum wird.

Während die Einen noch die Zelte aufschlagen und wohnliche Einrichtungen treffen, schreiten die Andern sofort mit ihren Werkzeugen zur Untersuchung des Bodens. Zu diesem Zwecke wird vorerst ein Loch von 3, 4–6 Fuß Tiefe gegraben, alsdann die Küpe (eine Art blecherner Schüssel) mit der ausgegrabenen Erde gefüllt, und diese am Ufer eines Flüßchens ausgewaschen. Jenachdem sich die Erde hierbei goldhaltig zeigt, wird nun mit der Arbeit fortgefahren oder an einer andern Stelle begonnen.

Unter Mühseligkeiten aller Art, oft bei einer durch nichts gemilderten wochenlang anhaltenden afrikanischen Gluth, auf die wieder monatlanges kühles Regenwetter, Regen in Strömen, folgt, häufig bei Mangel an Lebensmitteln und Wasser, wird jetzt das Auswaschen der Erde fortgesetzt. Man bedient sich hierzu zweier Instrumente, die unter den Namen „Wiege“ und „Longtom“ bekannt sind. Die Wiege, deren man sich auch in andern Theilen Amerikas von jeher zum Goldwaschen zu bedienen pflegte, besteht aus einem 7–8 Fuß langen Kasten, über dessen gerundeten Boden kleine hölzerne Kloben in der Quere eingenagelt sind. Am obern Ende der Wiege befindet sich ein grobes Sieb, am untern Ende ist sie offen. Das Ganze ruht auf Schaukelbalken.

An einer solchen, immer nahe an dem Ufer eines Flusses oder Baches aufgerichteten Maschine müssen mindestens vier Menschen arbeiten. Der Eine gräbt die goldhaltige Erde aus, der Zweite trägt sie zur Maschine und wirft sie auf das Sieb, der Dritte hält die Wiege durch Schaukeln in anhaltend starker Bewegung, und der Vierte gießt währenddem Wasser darüber. Die größern Steine werden von dem Sieb zurückgehalten, die erdigen Theile spühlt das Wasser schnell fort, die härtern und das Kies rollen nach und nach am untern offnen Ende der Maschine heraus; das Gold selbst, mit einem schweren, feinen, schwarzen Sand vermischt, bleibt hinter den Kolben sitzen. Das so vermischte Gold läßt man alsdann in Pfannen laufen, in denen es der Sonne ausgesetzt bleibt, bis es gänzlich trocken, worauf der Sand einfach weggeblasen wird und das Gold in glänzenden Körnern zurückbleibt.

Das Auswaschen mit dem Longtom erfolgt nahe hin auf dieselbe Weise. Letzteres Instrument wurde an Ort und Stelle von einem Amerikaner Namens Tom erfunden, und da man es gewöhnlich 10–12 F. lang macht, so hat man seinem ursprünglichen Namen das Beiwort „long“ hinzugefügt.

Die frühern enormen Preise für alle Lebensbedürfnisse sind gegenwärtig, mit Ausnahme der Zeit, wo die Flüsse austreten und alle Communication abschneiden, zu einer mäßigen Höhe herabgesunken, so daß sich ein Mann zu 1 Thlr. 10 Ngr. täglich recht gut beköstigen kann. Je tiefer in’s Innere des Landes die Goldgräber aber vordringen, mit desto größern Beschwerden und Gefahren haben sie zu kämpfen, und oft bildet der Tod von wilder Indianerhand den Schlußstein eines vielbewegten Lebens. Ja, eines vielbewegten Lebens! Denn die neue golddürstige Bevölkerung Californiens ist nicht nur aus fast allen Ländern der Erde zusammengewürfelt, sondern sie besteht auch aus einem Gemisch, zu dem alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft ihren Antheil geliefert haben. Kaufleute und Gelehrte, Officiere und Advokaten, Aerzte und Künstler, Handwerker und Matrosen, jeder Stand ist hier repräsentirt. Daneben suchten Alle, die in irgend einem Lande aus diesem oder jenem Grunde Freiheit oder Leben verwirkten, hier eine Freistatt. Das Leben eines Goldgräbers ist übrigens so über alle Maaßen beschwerlich, daß es nur kräftige Naturen ertragen können, und selbst diese sind häufig gezwungen, die mühselige Beschäftigung aufzugeben. Die alten europäischen Gewohnheiten müssen dabei gleich von vorneweg aufgegeben werden, und von einem veredeltern Genuß des Lebens ist keine Rede mehr. Unausgesetzt an seine geisttödtende Arbeit gefesselt, sucht der Goldgräber höchstens im Wein und andern Spirituosen einige fröhliche Augenblicke, und versinkt in vielen Fällen nach und nach in den Zustand thierischer Rohheit. Es muß daher selbst der brave Mann sehr festen Charakters sein und eine große Selbstbeherrschung besitzen, um nach Jahresfrist die Minen eben so sittlich und gebildet zu verlassen als er sie betreten hat.




Das Material zum großen Weltenbaue.

Nur etwa 63 Stoffe brauchte der große Weltenschöpfer, um unsere Erde mit Allem, was auf ihr kriecht, fliegt und liegt, sowie wahrscheinlich auch die ganze Welt aufzubauen, obschon dieselbe so reich an den verschiedenartigsten lebenden und leblosen Gegenständen ist. Zur Zusammensetzung des Menschen und der Thiere reichten schon 15 dieser Stoffe hin, während in den Pflanzen gegen 18 derselben gefunden werden. Man nennt diese, die Grundlage aller Naturgegenstände bildenden Stoffe, welche der Scheidekünstler in keine andern Stoffe weiter zerlegen kann. „Elemente oder Grundstoffe.“ Sie sind in so außerordentlich ungleichem Verhältnisse in der Natur vertheilt, daß die Hälfte derselben nur mit Schwierigkeit aufzufinden ist, während [303] andere in die Zusammensetzung der meisten Körper eingehen. Gewöhnlich besteht aber ein Körper nur aus 2 bis 4, höchstens aus 6 bis 7 Elementen und nur in dem Menschen, sowie in den höhern Thieren und Pflanzen trifft man auf 15 bis 18. – Daß nun aber diese Elemente so sehr mannigfaltige Körper zusammenzusetzen im Stande sind, liegt darin, daß ihnen selbst und auch den Verbindungen mehrerer derselben eine sehr verschiedenartige Anziehungskraft zu einander innewohnt, welche der Chemiker Wahlverwandtschaft, Affinität, nennt, und daß diese Verwandtschaft durch eine Menge von Einflüssen (wie durch Wärme, Licht, Luft, Wasser, Elektricität, Magnetismus u. s. w.) leicht verrändert, verstärkt und vermindert, und ebenso zur Trennung, wie zur Bildung neuer Verbindungen benutzt werden kann. Am deutlichsten zeigt sich die chemische Verwandtschaft bei organischen (belebten, beseelten) Körpern (zu denen der Mensch, das Thier und die Pflanze gehört) und zwar nach deren Tode, denn mit dem Aufhören des Lebens treten die Elemente dieser Körper mit Hülfe von Wärme, Luft und Wasser so auseinander und vereinigen sich wieder zu so ganz andern Körpern, daß auch nicht die geringste Spur von dem Früheren zurückbleibt, obschon auch nicht das kleinste Theilchen davon verloren gegangen ist. Dasselbe ist der Fall beim Verbrennen von Gegenständen und überhaupt bei allen Veränderungen, welche vor unsern Augen vor sich gehen. Der Grund, daß eine so große Mannigfaltigkeit bei der Bildung der vielen Naturgegenstände aus so wenig Stoffen erzielt werden konnte, liegt darin, daß ein ganz kleines Theilchen eines Grundstoffes mehr oder weniger in einem Körper schon eine bedeutende Veränderung im Ansehen und der Beschaffenheit desselben hervorruft.

Die Elemente, von denen nur wenige (4) luftförmig, die meisten fest sind, trennt die Chemie in nichtmetallische und metallische, die ersteren wieder in gasförmige und feste, die letzteren in leichte und schwere (unedle und edle). – A. Zu den nichtmetallischen Grundstoffen gehören: a. luftförmige: 1. der Sauerstoff; 2. der Wasserstoff; 3. der Stickstoff und 4. das Chlor. b. feste: 5. der Kohlenstoff; 6. der Schwefel; 7. der Phosphor; 8. das Jod; 9. das Brom; 10. das Fluor; 11. das Selen; 12. das Bor; 13. das Silicium; 14. das Arsen. – B. Die metallischen Elemente sind: a. leichte Metalle (welche niemals in gediegenem Zustande, sondern immer in Verbindung mit andern Stoffen vorkommen und benutzt werden): 15. Kalium; 16. Natrium; 17. Lithium; 18. Baryum; 19. Calcium; 20. Strontium; 21. Magnesium; 22. Aluminium; 23. Beryllium oder Glycium; 24. Zirkonium; 25. Norium; 26. Yttrium; 27. Erbium; 28. Terbium; 29. Thorium; 30. Lanthanium; 31. Cerium; 32. Didymium; 33. Aridium; 34. Tellur. b. Schwere edle Metalle (welche an der Luft ihren Glanz behalten und meist gediegen angetroffen werden): 35. Platin; 36. Gold; 37. Silber; 38. Quecksilber; 39. Palladium; 40. Rhodium; 41. Iridium; 42. Ruthenium; 43. Osmium. c. Schwere unedle Metalle (die an der Luft ihren Glanz verlieren und nur selten gediegen gefunden werden): 44. Eisen; 45. Blei; 46. Kupfer; 47. Zink; 48. Zinn; 49. Wismuth; 50. Spiessglanz; 51. Mangan; 52. Nickel; 53. Kobalt; 54. Chrom; 55. Wolfram; 56. Molybdän; 57. Tantal; 58. Niobium; 59. Pelopium; 60. Titan; 61. Uran; 62. Vanadin; 63. Kadmium. – Betrachten wir jetzt die wichtigsten dieser Elemente näher.

Der Sauerstoff, das Sauerstoffgas (Oxygen), im Jahre 1774 als Element entdeckt, ist insofern der wichtigste aller Grundstoffe, als derselbe in der Natur der verbreitetste und in der größten Menge vorhandene Stoff ist (er soll 1/3 der ganzen Erde ausmachen), weil ferner derselbe überall, wo irgend Etwas auf unserer Erde entsteht, oder scheinbar untergeht (durch Feuer, Fäulniß u. s. f.), betheiligt ist und weil dieser Stoff hauptsächlich es ist, welcher das Leben des Menschen und der Thiere mit Hülfe des Athmens unterhält, weshalb er auch Lebensluft genannt wird. Sauerstoff heißt er aber darum, weil er zur Bildung von fast allem Sauren beiträgt. – Der Sauerstoff ist ein farb- und geruchloses Gas, welches unter allen Elementen die größte Neigung hat, sich mit andern Körpern zu verbinden; es findet sich vorzugsweise in der atmosphärischen Luft und im Wasser vor und besitzt die auffallende Eigenschaft, daß brennbare Körper in demselben mit ungemeiner Lebhaftigkeit (Schnelligkeit und Helligkeit) verbrennen, obschon er selbst nicht brennt. Man pflegt das Verbinden dieses Stoffes mit einem andern Elemente oxydiren und das Produkt dieser Verbindung Oxyd zu nennen. Wenn z. B. Eisen an der Luft rostet, verbindet es sich mit Sauerstoff, es oxydirt sich und so hat sich dann Eisenoxyd (der Rost) gebildet. Der Akt der Vereinigung des Sauerstoffs mit einem andern Stoffe ist stets von Wärmeentwickelung und oft auch von Lichtbildung begleitet; man nennt diesen Vorgang, wenn sich der Sauerstoff unter Licht und Wärmeentwickelung mit einem andern Körper verbindet, Verbrennung und der Chemiker bezeichnet sogar jede Verbindung eines Körpers mit Saurstoff als ein Verbrennen. Leichter und schneller findet eine solche Verbindung in der Wärme als bei kalter Temperatur statt und deshalb verdirbt auch im Sommer das Aufbewahrte in Küche und Speisekammer weit leichter als im Winter. Dagegen läßt sich aber auch in andern Fällen der Sauerstoff durch die Hitze aus seinen Verbindungen vertreiben und darum kann eine Hausfrau Milch auch im Sommer monatelang gut erhalten, wenn sie nur dieselbe täglich einige Male abkocht und dadurch den Sauerstoff aus der Milch heraustreibt, welcher den Milchzucker in Milchsäure umzuwandeln, die Milch sauer zu machen strebt. – Im menschlichen Körper besorgt der Sauerstoff, welchen wir durch das Einathmen atmosphärischer Luft in unsere Lunge und in das Blut aufnehmen, nicht nur fortwährend die Neubildung aller Gewebe und Organe, sowie die Entfernung alter abgestorbener Bestandtheile (den Stoffwechsel oder das Leben), sondern er verbrennt auch mehrere Stoffe und erzeugt auf diese Weise die Eigenwärme des Körpers. Bei dieser Verbrennung bildet sich ein schädlicher Stoff, die Kohlensäure, welche hauptsächlich durch die Lunge beim Ausathmen aus dem Körper ausgeführt wird. (In No. 16. u. 17. [304] der Gartenlaube ist beim Athmen ausführlich hierüber geschrieben.) Damit nun der Mensch immer die gehörige Menge des zu seinem Leben unentbehrlichen Sauerstoffes einzuathmen habe, ist vom Schöpfer die Einrichtung getroffen, daß die Pflanzen (besonders die grünen Theile derselben und zwar bei Sonnenlichte) Sauerstoff aushauchen und dafür die vom Menschen ausgeathmete Kohlensäure in sich aufnehmen. Man kann deshalb reinen Sauerstoff auch dadurch erlangen, daß man eine Pflanze mit einer Glasglocke überdeckt. – Die, unsere Erde umgebende atmosphärische Luft besteht zu einem Fünftel aus Sauerstoff und ist ein Gemenge aus diesem Elemente mit einem andern gasförmigen Grundstoffe, dem Stickstoffe. Darum sind alle Substanzen, welche mit der Luft in Berührung kommen, dem Einflusse des in ihr enthaltenen Sauerstoffes ausgesetzt und fortwährend in Gefahr von demselben verändert oder zerstört zu werden. Das Verderben der Speisen, das Sauerwerden von Getränken, das Rosten des Eisens, die Bildung des Grünspans am Kupfer, das Gähren, Faulen, Verwesen, Vermodern, Verwittern, Alles sind Erscheinungen, die vom Sauerstoffe der Luft erzeugt werden.

Der Wasserstoff, das Wasserstoffgas (Hydrogen), ebenfalls ein luftförmiges Element und seit 1766 bekannt, ist nach dem Sauerstoffe am reichlichstem in der Natur vorhanden, kommt aber nicht wie dieser frei, als Gas, sondern immer nur mit andern Stoffen, entweder zu flüssigen oder festen Körpern verbunden vor. Wie sein Name schon besagt, bildet der Wasserstoff einen Bestandtheil des Wassers, denn dieses besteht nur aus Wasserstoff und aus Sauerstoff. Diese beiden Stoffe lassen sich auch recht gut aus dem Wasser durch Zersetzen desselben ein jeder für sich darstellen, wie man umgekehrt auch durch das Vereinigen beider Stoffe Wasser erzeugen kann. Die Platin- oder Döbereinerschen Feuerzeuge beruhen auf Bildung von Wasserstoff aus Wasser und aus Entzündung desselben mittelst Platinaschwamm, wobei sich dann wieder durch die Verbindung des Wasserstoffes mit dem Sauerstoffe der Luft Wasser bildet. – Der Wasserstoff ist ein farbloses Gas, ohne Geschmack und Geruch, und das leichteste unter allen Gasen; es ist 14mal leichter als die atmosphärische Luft und kann deshalb am besten zum Füllen der Luftballons verwendet werden. Nähert man demselben eine Flamme, so entzündet es sich und verbrennt mit schwachem Lichte, aber unter Entwicklung großer Hitze; es verbindet sich dabei mit dem Sauerstoffe der Luft zu Wasser. Man verwendet dasselbe deshalb auch zur Verstärkung des Feuers und der Hitze (in der Schmiede, dem Dampfbade); spritzt man nämlich auf glühende Kohlen Wasser, so wird dieses zerlegt, indem sein Sauerstoff mit der Kohle sich verbindet, während das freiwerdende Wasserstoffgas verbrennt und Hitze entwickelt. Eine Vermengung von zwei Theilen Wasserstoff und 1 Th. Sauerstoff führt den Namen Knallgas, weil dieses Gemenge, wenn es mit einem brennenden oder glühenden Körper berührt wird, unter donnerähnlichem Knalle verbrennt (eine Explosion macht) und dabei zu Wasser wird. Beim Verbrennen des Knallgases entwickelt sich eine solche Hitze, wie sie auf keine andere Weise hervorgebracht werden kann. Diese, in den sogenannten Knallgasgebläsen benutzt, macht selbst Kreide so glühend, daß sie ein dem Sonnenlichte ähnliches Licht gibt, welches bei den sogenannten Hydro-Oxygengas-Mikroscopen zur Beleuchtung benutzt wird. – Die Verbindungen des Wasserstoffs mit dem Kohlenstoffe (s. bei diesen), bilden theils brennbare Gase, theils flüchtige Oele. – In den Menschen-, Thier- und Pflanzenkörpern macht der Wasserstoff einen Hauptbestandtheil aus, während er im Mineralreiche weniger verbreitet ist. Die Verbindung des Wasserstoffs mit Chlor bildet die Salzsäure.

Der Stickstoff, das Stickstoffgas (Nitrogen. Azot), seit 1772 bekannt, ist wie der Sauer- und Wasserstoff ein luftförmiges, farb- und geruchloses Element, welches den größten Theil unserer atmosphärischen Luft ausmacht und nur wenig Neigung hat, sich mit andern Körpern zu verbinden. Die Luft besteht nämlich aus einem Gemenge von 4 Theilen Stickstoff und 1 Theile Sauerstoff; wird dieser eine Theil Sauerstoff entfernt und bleibt nur der Stickstoff übrig, so kann in dieser Luft weder ein Feuer brennen, noch auch Mensch und Thier athmen, sie ersticken und daher rührt der Name Stickstoff. Dennoch ist dieser Stoff für uns von der größten Wichtigkeit, weil er einen Hauptbestandtheil derjenigen Nahrungsmittel bildet, welche vorzugsweise zur Ernährung unseres Körpers dienen, wie Fleisch, Ei, Milch, Mehl, Hülsenfrüchte etc., während derselbe im Fette, Zucker, Stärkemehl, Alcohol etc. fehlt. Er findet sich ferner in großer Menge im Salpeter (Nitrum), welcher zur Bereitung des Schießpulvers gebraucht wird, in der Salpetersäure (Scheidewasser), im Ammoniak (einer Verbindung von Wasserstoff und Stickstoff), in der Blausäure und im Berlinerblau; auch hilft er die werthvollsten Arzneien, wie Chinin und Morphin, zusammensetzen.

Das Chlor, seit 1774 bekannt, aber erst 1820 in die Reihe der Elemente gestellt, ist wie die vorigen Stoffe gasförmig, allein es hat eine schwach grünlich-gelbe Farbe und einen eigenthümlichen, erstickenden und Husten erregenden Geruch, auch wirkt es, wenn es eingeathmet wird, sehr nachtheilig auf die Lunge. Dieses Gas kommt niemals frei, im reinen, unverbundenen Zustande vor, obschon es sehr verbreitet und für die Erhaltung des Menschen, sowie für Oeconomie und Gewerbe von der größten Wichtigkeit ist. Die werthvollste Verbindung des Chlors ist die mit Natrium zu Kochsalz, welches einen Hauptbestandtheil des menschlichen Körpers, einen Theil der Erdrinde und einen Bestandtheil des Bodens und Wassers bildet. Das Kochsalz enthält die größte Menge Chlors, denn 100 Pfund desselben enthalten 60 Pfund Chlor. – Außer im Kochsalze findet sich das Chlor auch noch in der Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure) und im Bleichkalke (Chlorkalke). Gegen Pflanzen- und Thierstoffe äußert das Chlor eine schnell zerstörende Wirkung, welche man mit Vortheil zum Bleichen, Zerstören übelriechender Gase und krankmachender Ausdünstungsstoffe benutzt. Außerordentlich leicht vereinigt sich das Chlor mit Metallen und diese Verbindungen, welche meist im Wasser löslich sind, werden Chlormetalle (oder Halöidsalze) genannt. – Das Chloroform, welches in der neuern [305] Zeit so vielfache Anwendung als Betäubungsmittel bei Operationen findet, wird aus Chlorkalk, Alkohol und Wasser dargestellt.

Der Kohlenstoff, Carbogen, ein festes und verbrennliches, aber weder im Wasser, noch Säuren, nur im schmelzenden Eisen lösliches, sonst unschmelzbares Element, bildet den Hauptbestandtheil ebensowohl der gewöhnlichen Kohle, wie auch des Diamants, und stellt, mit etwas Eisen vermischt, den Graphit, das Reißblei (in den Bleistiften) dar. Im Diamant, welcher nichts anderes als krystallisirter Kohlenstoff ist, und ebenso wie Kohle verbrennt (wobei er sich mit dem Sauerstoffe der Luft zu Kohlensäure verbindet), findet sich dieser Grundstoff am reinsten und stärksten verdichtet, während in allen übrigen Kohlenarten mehr oder weniger fremde Beimengungen und eine weit geringere Dichtheit existirt. Ohne Zweifel waren die Diamanten einst im flüssigen Zustande und könnten wir jetzt eine Hitze erzeugen, in welcher der Kohlenstoff flüssig würde, so könnten wir auch sehr leicht aus Kohle echte Diamanten fabriciren. – Der Kohlenstoff ist es nun aber auch, der den menschlichen, sowie den thierischen und pflanzlichen Körper zusammensetzen hilft und sich hier vorzugsweise im Fette, Zucker, Gummi, Stärke, Alkohol findet, der ferner eine hauptsächlichste Quelle der Wärme, sowie des Lichtes und der schwarzen Farbe darstellt. Man nennt ihn in den Pflanzen Pflanzenkohle, (wie die Holz-, Stein- und Braunkohle) und aus thierischen Theilen gewonnen, thierische Kohle. Diese Kohle gewinnt man aber durch das Verkohlen organischer Körper, d. h. durch Erhitzen derselben bei gehemmtem Luftzutritt, durch das Verbrennen derselben bei Mangel an der gehörigen Menge von Sauerstoff (wie in den Meilern). Der Vorgang dabei ist folgender: die Verbindung des Kohlen-, Wasser- und Sauerstoffs, aus welchen Stoffen die organischen Körper hauptsächlich bestehen, wird in der Hitze gelöst und der frei gewordene Wasserstoff verbindet sich nun sofort mit dem Sauerstoffe zu Wasser, so daß dem Kohlenstoff kein Sauerstoff zur Verbindung mehr übrig geblieben und er jetzt für sich vorhanden ist. Die Stein- und Braunkohlen sind aus urweltlichen Pflanzen entstanden, indem vor vielen Tausenden und Millionen von Jahren ganze Wälder durch große Erdrevolutionen verschüttet wurden und das Holz in diesem bedeckten Zustande langsam verkohlt ist. Der Torf ist ein ähnliches, nur der jüngsten Erdschicht angehöriges, kohlehaltiges Gebilde, welches der Pflanzenzersetzung seinen Ursprung verdankt. – Die Kohle dient uns als vorzüglichstes Feuerungsmaterial, sie besitzt ferner, und zwar vorzüglich als Knochenkohle (Beinschwarz, gebranntes Elfenbein) die Eigenschaft, färbende Stoffe aus Flüssigkeiten hinwegzunehmen und wird deshalb in den Raffinerien zur Entfärbung des Zuckers benutzt. Die Holzkohle wird uns dagegen durch ihre Porosität sehr nützlich, indem sie andere Stoffe in ihre Zwischenräume mit Begier aufsaugt. Wenn sie Wasserdampf und Luft in sich aufnimmt und verdichtet, kann eine Erwärmung und Selbstentzündung derselben entstehen. So läßt sich fauliges Wasser durch Schütteln mit frischgeglühter und kleingestoßener Holzkohle von schlechten, übelriechender Stoffen reinigen; deshalb filtrirt man auf Seeschiffen das Wasser, wenn es faulig geworden ist, durch Kohlenpulver und ebenso macht man in Paris, was kein frisches Wasser besitzt, das Seinewasser trinkbar. Daher wendet man auch in Krankenzimmern zerkleinerte Kohle an, um die Luft von schädlichen Ausdünstungen zu reinigen. Dem Branntweine entzieht die Kohle das Fuselöl und dem Biere die Hopfenbestandtheile. Pflanzen- und Thierstoffe werden lange Zeit vor Fäulniß bewahrt, wenn man sie in Kohlenpulver packt oder mit demselben einreibt; aus diesem Grunde räuchert man das Fleisch, um ihm eine Kruste von Kohlenstoff zu geben; deshalb bleibt das Wasser in Fässern, welche im Innern etwas verkohlt sind, lange trinkbar, und darum verkohlt man Holzpfähle, welche in die Erde eingerammelt werden. Von großer Bedeutung ist außerdem die Anwendung der Kohle als Desoxydationsmittel, d. h. um den Oxyden ihren Sauerstoff zu entziehen, indem sie sich mit demselben zu Kohlensäure verbindet. Fast alle Metalle und namentlich das Eisen werden dadurch gewonnen, daß man ihre Oxyde mit Kohle zusammenglüht. Im Schießpulver spielt die Kohle eine Hauptrolle; der Kien- und Lampenruß, überhaupt Ruß, wird aber zu schwarzen Farben verarbeitet. – Im menschlichen Körper dient der Kohlenstoff, welcher hauptsächlich durch die fetten, zuckerigen, stärkemehlhaltigen und spirituösen Nahrungsmittel eingeführt wird, nicht blos zur Bildung der Gewebe und vorzugsweise des Fettes, sondern auch zur Entwicklung der Eigenwärme, indem derselbe durch den Sauerstoff verbrannt und in Kohlensäure verwandelt wird, welche wir dann fortwährend ausathmen (s. Athmungsproceß in Gartenlaube No. 16 u. 17).

Verbindungen des Kohlenstoffes. Unter diesen steht die luftförmige Kohlensäure obenan, sie bildet sich bei der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Substanzen durch die Verbindung des Kohlenstoffes mit dem Sauerstoff, (1 Loth Kohlenstoff und 22/3 Loth Sauerstoff), sie ist es, welche von Menschen und Thieren fortwährend ausgeathmet wird und sich heim Verbrennen, Verwesen und Gähren entwickelt. Die Kohlensäure ist in Wasser auflöslich, und sie ist es, welche dem Biere den perlenden Schaum und dem Champagner, sowie allen sogen. moussirenden Getränken das Brausende verleiht, welche den Sauer-Brunnen ihren angenehmen erfrischenden Geschmack ertheilt und das Brunnenwasser frisch und erquickend macht. Während die Kohlensäure für unsere Magen sich nicht nur nicht nachtheilig, sondern sogar erquicklich zeigt, ist sie für die Lungen ein höchst gefährliches Gas. (S. Athmungsproceß in Gartenlaube No. 16 u. 17.) Denn ebensowenig als ein Licht darin brennen kann, ebensowenig können Menschen und Thiere in dieser Gasart leben; man erstickt, wenn zu viel Kohlensäure in der Luft, in welcher man zu athmen gezwungen, vorhanden ist. Da nun Menschen und Thiere Kohlensäure ausathmen, so wird auch der Aufenthalt vieler Menschen in einem kleinen und verschlossenen Raume für die Gesundheit und das Leben gefährlich. Da ferner Kohlensäure in großer Menge in Kellern, wo Most [306] und Bier oder andere dergleichen Flüssigkeiten gähren, sich entwickelt, so ist der Eintritt in solche Keller, welche lange Zeit verschlossen gewesen sind, nicht ohne Gefahr und es muß deshalb erst der Versuch angestellt werden, ob und wie ein Licht darin brennt. In der Hundsgrotte bei Neapel dringen Ströme von Kohlensäure aus der Erde (Mofetten) und füllen die Höhle einige Fuß hoch mit diesem Gase. Da dieses schwerer als die atmosphärische Luft ist, so zieht sich dasselbe nur auf dem Boden hin und Menschen, welche mit dem Kopfe über diese Kohlensäureschicht hinausragen, können ohne Gefahr in die Grotte treten, während Hunde darin sterben. In Indien ist ein Thal, das sogenannte Giftthal, rings von Bergen eingeschlossen, dessen kohlensäurereiche Luft Menschen und Thiere tödtet, die dasselbe betreten. Man sollte nun glauben, daß sich auch bei uns in der atmosphärischen Luft nach und nach eine zu große, für Menschen und Thiere gefährliche Menge von Kohlensäure anhäufen müßte, da fortwährend beim Ausathmen und bei Verbrennungen, sowie beim Gähren und Faulen Kohlensäure gebildet wird, allein die Pflanzen nehmen so viel davon wieder in sich auf, und hauchen dafür Lebensluft (Sauerstoff) für uns aus, daß nur ein sehr geringer und unschädlicher Antheil von Kohlensäure in der atmosphärischen Luft vorhanden ist. – Das Kohlenoxydgas (Kohlendunst, Kohlengas) ist ebenfalls eine Verbindung von Kohlenstoff mit Sauerstoff, aber mit einer geringeren Menge des Letzteren als in der Kohlensäure. Dieses Gas bildet sich, wenn bei der Verbrennung der Kohle nur wenig Luft zutritt, also beim unvollkommnen und langsamen Verbrennen von Kohlen (mit erstickter Flamme), wie dies in Oefen der Fall ist, wo die Klappe geschlossen und dadurch der Luftzug gehindert wird, ferner wenn Kohlen nur glimmen und die auf denselben sich bildende Asche den Zutritt der Luft erschwert (in Kohlentöpfen). Entzündet man das Kohlenoxydgas, so brennt es mit schöner blauer Flamme und wird dadurch, daß es nun noch mehr Sauerstoff aufnimmt, zu Kohlensäure. Dieses Gas ist, wenn es eingeathmet wird, höchst giftig und die gewöhnlichste Ursache der Erstickung von Menschen, die in einem Zimmer schliefen, in welchem Kohlen brannten. – Kohlenwasserstoffgas heißt die Verbindung des Kohlenstoffes mit Wasserstoff und diese verbrennt mit heller Flamme, weshalb es auch Leuchtgas genannt wird. Vereinigen sich 75 Gewichtstheile Kohlenstoff mit 121/2 Gewichtstheil Wasserstoff, und dies ist der Fall, wenn kohlenwasserstoffreiche Körper bei höherer Temperatur erhitzt werden, so bildet sich das schwere Kohlenwasserstoffgas (ölbildendes Gas), welches in Gasbereitungsanstalten durch Erhitzen von Steinkohlen in verschlossenen eisernen Cylindern gewonnen wird. In diesen Cylindern bleibt dann der sogen. Koak zurück, der aus ziemlich reinem Kohlenstoffe besteht und deshalb ein gutes Brennmaterial ist. Vereinigen sich dagegen, bei niedriger Temperatur, 75 Gewichtstheile Kohlenstoff mit doppelt soviel Wasserstoff, dann entsteht leichtes Kohlenwasserstoffgas, welches auch Grubengas (schlagende Wetter, feurige Schwaden) und Sumpfluft genannt wird, weil sich dasselbe in Gruben von Steinkohlenbergwerken entwickelt und hier, wenn es durch ein Grubenlicht entzündet wird, heftige Explosionen veranlaßt, und weil dasselbe über Sümpfen durch Zersetzung von Pflanzen und Thieren entsteht und dann im Menschen, wenn dieser die Sumpfluft einige Zeit einathmet, bei uns zu Lande das kalte oder Wechselfieber, in heißen Ländern die gefährlichen Sumpffieber erzeugt. Zum Füllen der Luftballons bedient man sich des leichten Kohlenwasserstoffgases, weil dieses um die Hälfte leichter als die atmosphärische Luft und viel billiger als das noch viel leichtere Wasserstoffgas ist. – Der Stahl ist eine Verbindung von Kohlenstoff mit Eisen; mit dem größern Gehalte an Kohlenstoff nimmt die Festigkeit und Härte des Stahls zu.

Schwefel ist ein ziemlich verbreitetes und auch im menschlichen Körper befindliches Element, welches rein (gediegen) in Sicilien und in der Nähe von Neapel gefunden wird, sonst aber gewöhnlich mit Metallen verbunden vorkommt (besonders als Schwefeleisen und Schwefelkupfer). Im Handel erscheint der Schwefel in Gestalt von größern Stücken (als Stangenschwefel) oder als feines gelbes Mehl (Schwefelblumen). Die bekannteste Anwendung des Schwefels ist die zu Schwefelhölzchen und Schießpulver (mit Salpeter und Kohlen), sowie zum Schwefeln der Körbe und Weinfässer (damit der Wein nicht so leicht durch Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft sauer werde). Neuerlich benutzt man den Schwefel zum Vulkanisiren des Kautschuk, weil dieser durch die Verbindung mit Schwefel weicher und von länger dauernder Elasticität wird. – Mit Sauerstoff verbunden stellt der Schwefel das Vitriolöl oder die Schwefelsäure dar; mit Wasserstoff vereinigt bildet sich ein Gas, das Schwefelwasserstoffgas, welches öfters in Cloaken erzeugt wird, wie faule Eier stinkt und sich sehr gern mit Metallen verbindet. Deshalb laufen auch gar nicht selten beim Reinigen der Abtrittsgruben die messingenen Schlösser, sowie die silbernen Löffel und dergl., selbst die mit Bleiweiß gestrichenen Thüren gelblich, bräunlich oder auch schwärzlich an. Dieses Gas ist sehr giftig und hat schon manchem unvorsichtigen Grubenarbeiter den Tod gebracht. – Im menschlichen, thierischen und pflanzlichen Körper trifft man den Schwefel in den eiweißartigen Substanzen an, welche deshalb auch bei ihrem Faulen Schwefelwasserstoffgas entwickeln, und wenn silberne Löffel durch manche Speisen, wie durch Eier und Fische, gelb oder schwärzlich anlaufen, beruht dies auf der Bildung von Schwefelsilber mittels des Schwefelwasserstoffes aus der schwefelhaltigen Eiweißsubstanz.

Phosphor ist als Oxyd in Verbindung mit Kalk (als phosphorsaurer Kalk) in der Natur sehr verbreitet; auch im Menschenkörper wird er in ziemlich großer Menge angetroffen, denn jeder ausgewachsene Mensch trägt etwa 6 Pfund phosphorsauren Kalkes nur in der Masse seiner Knochen mit sich herum, abgesehen davon, daß auch in den eiweißartigen Substanzen (im Gehirn und in den Nerven) Phosphor enthalten ist. Es gelangt aber dieser Stoff hauptsächlich durch die Nahrung aus den verschiedenen Getreidearten in unsern Körper und diese selbst bedürfen deshalb eines [307] Bodens mit phosphorsaurem Kalke. – Der reine Phosphor ist ein gelblicher, durchsichtiger Körper von wachsartiger Härte, welcher im Dunkeln leuchtet und sich in der Luft sehr leicht entzündet, weshalb derselbe unter Wasser aufbewahrt werden muß und zu Streichzündhölzchen benutzt wird. Neuerlich verwendet man denselben auch anstatt des Arseniks zur Bereitung von Rattengift. – Phosphor mit Sauerstoff verbunden stellt Phosphorsäure dar und aus dieser, welche man durch Uebergießen weißgebrannter Knochen mit Schwefelsäure gewinnt, wird erst der reine Phosphor dargestellt.

Das Arsen ist der Grundstoff des weißen Arseniks oder der arsenigen Säure, des Giftmehls oder Hüttenrauches, einer Verbindung von Arsen mit Sauerstoff. – Das Arsen welches auch gediegen, meist jedoch mit Schwefel, Eisen, Kobalt und Nickel verbunden gefunden wird, ist grau und mit farbenspielendem Metallglanze; es entwickelt beim Erhitzen einen starken Knoblauchsgeruch und weiße Dämpfe (d. i. weißer Arsenik). – Der weiße Arsenik ist geruch- und geschmacklos und wird deshalb sehr oft zu Vergiftungen gemißbraucht, die aber sehr bald zu entdecken sind, weil der Arsenik sehr leicht durch die Chemie nachgewiesen werden kann. (Das beste Mittel, um die Wirkung des Arseniks aufzuheben, ist das Eisenoxydhydrat.) Benutzt wird dagegen derselbe als Rattengift, zum Conserviren des Felles ausgestopfter Thiers, zur Bereitung von Stearinkerzen (damit dieselben nicht so leicht zerbrechen) und von Farben, besonders von Schweinfurter Grün (mit Kupfer); auch findet derselbe Anwendung in der Färberei und Glasfabrication, sowie in der Feuerwerkerei (mit Schwefel, beim bengalischen Weißfeuer).

Das Silicium oder Kiesel findet sich nur mit Sauerstoff zur Kieselsäure oder Kieselerde verbunden, aber in den allermeisten Mineralien, so daß dieses Element nach dem Sauerstoffe das verbreitetste auf der Erde ist und die hauptsächlichste Grundlage der Erdrinde ausmacht. Die schönste Form, in welcher die Kieselerde auftritt, ist die der wasserhellen, sechsseitigen Säulen des Bergkrystalls; außerdem bestehen alle Minerale, welche zur Familie des Quarzes gehören und eine große Härte zeigen, wie z. B. der Achat, Amethyst (violett), Carneol (roth), Chrysopras (grün), Rauchtopas (schwarz), der Feuerstein u. s. f. aus fast reiner Kieselsäure, die ferner noch die Hauptmasse alles Sandsteines und Sandes ausmacht. In Verbindung mit Kali, Natron, Kalk, Bleioxyd und Thonerde stellt die Kieselsäure Substanzen dar, aus welchen Glas, Porzellan, Steingut und alle übrigen Thonwaaren verfertigt werden. Auch in den Pflanzen, besonders in den Gräsern und Schachtelhalmen, findet man die Kieselsäure, sowie fast in allen Gewässern eine geringe Menge dieser Säure aufgelöst enthalten ist. Im menschlichen Körper trifft man nur wenig davon in den Haaren und Knochen.

Jod und Brom sind seltenere Grundstoffe, die sich vorzüglich in einigen Salzen und Pflanzen des Meeres, sowie in manchen heilsamen Quellen (Kreuznach, Marienbad, Heilbrunn, Nenndorf, Hall) finden lassen. Beide Stoffe wurden neuerlichst zum Daguerreotypiren benutzt, weil sie mit Silber verbunden gegen das Licht ungemein empfindlich sind. – Jod mit Stärke zusammengebracht, ertheilt dieser augenblicklich eine lebhaft blaue Farbe. Am wichtigsten ist aber das Jod wegen seiner medicinischen Wirksamkeit, die sich vorzugsweise auf die Schild- und Brustdrüse bezieht, weshalb dieses Mittel bei Kröpfen bisweilen gute Dienste thut.

Fluor bildet mit Calcium den Flußspath und mit Alaunerde den Topas; es ist übrigens ein unbedeutendes Element und nur deshalb interressant, weil durch seine Einwirkung auf das Glas dieses matt und angeätzt wird.

Das Bor, ein seltener Stoff, kommt als Borsäure mit Natron verbunden unter dem Namen Borax vor, welcher beim Schmelzen edler Metalle als Flußmittel und zum Grünfeuer benutzt wird.

(B.) 




Aus der Gewerbswelt.

Mitgetheilt von Friedrich Georg Wieck.
Der Glaspalast in Sydenham.
(Schluß.)

In unserm Artikel von voriger Woche haben wir das Aeußere des riesigen Krystallpalastes von Sydenham vor Augen geführt und beschrieben. Treten wir jetzt in dessen Inneres! Davon aber eine Ansicht zu geben, das läßt sich bei unserem beschränkten Raum nicht thun. Wir gebrauchten dazu wenigstens ein Mammouthformat! Selbst das recht leidliche Maß der illustrirten Zeitung möchte dazu nicht ausreichen. Inzwischen trauen wir unseren Lesern und vornehmlich unseren Leserinnen so viel Phantasie zu, daß sie, selbst mit verbundenen Augen, an das Schöne und Herrliche erblicken werden, was zwar bis jetzt noch nicht in der Wirklichkeit im Krystallpalast vorhanden ist, doch von uns mit einigen raschen Federstrichen angedeutet werden soll. –

Das hohe kuppelartig überglaste Querschiff öffnet [308] sich uns wie eine unter dem Himmels-Dome offene Kirche, wenn wir von der Seite des Gartens aus (von der wir mit unserm ersten Artikel eine Ansicht gegeben haben) in die Halle treten.

Diese Riesenhalle, so wie auch der große Mittelgang, der ihn durchkreuzt, mit den Seitengängen und Hallen: sie alle sind mit einer Fülle von Bäumen, Sträuchern, Blumen, Pflanzen ausgeschmückt, geordnet nach den verschiedenen Zonen. Dazwischen befinden sich lebende Vögel in Käfigen, und andere Thiere, ausgestopfte, als wenn sie lebend wären, nach dem Verfahren des königlichen Conservators Plouquet in Stuttgart. Auch die Insekten und Würmer fehlen nicht. Ausgestopfte Fische scheinen wundersam im Wasser zu schwimmen, in Folge einer neuen Methode, die das Leben nachäfft. Die Schmetterlinge wiegen sich auf den Blumen, farbenprangende Käfer, statt wie es bei uns geschieht, aufgespießt an der Wand zu hängen, sitzen auf seltsamen Cactus und Orchideen. Und, damit die Täuschung recht lebendig sei, sieht man ringsum auch Gegenstände aus der unbelebten Natur und der schaffenden Arbeit des Menschen in derselben. „Es sollen – wie man schreibt, nämlich nicht blos die mannigfachsten Formationen der Erdkruste verschiedener Länder, sondern auch die geologischen Schichtungen einzelner besonderer Punkte zur Veranschaulichung gebracht werden. Man wird sorgfältig gearbeitete Modelle zur Verdeutlichung der Arbeiten in Bergwerken, zur Erläuterung von Vulkanen und Erdbeben, und zur Beleuchtung der praktischen Bedeutung der Erdkunde in Bezug auf Anlage von Brunnen, Wasserleitungen, Schächten u. s. w. aufstellen.“ –

Aber auch die Veranschaulichung des Menschen als Bewohner der Erde fehlt nicht. Man sieht plastische Bildwerke der verschiedenen Menschenfamilien in ihrer Pracht und in ihrer Lebensweise mit ihrem Haus- und Ackergeräthe, ihren Waffen, Wohnungen und Gefährt.

Hierzu tritt nun noch die alte und neue Kunst mit den Schöpfungen des Gewerbfleißes.

Alle diese Wunder, die den Geist erheitern und bilden, umringen uns in diesem Palast: man könnte wohl sagen in dieser Welthalle! –

In der Mitte des Querschiffs steigt eine krystallne Wassersäule empor. Links und rechts an den Enden des Mittelganges führen Brücken über Teiche mit lebenden Fischen und seltenen Wassergewächsen. Vom Eismeere steigen wir hinab in die gemäßigte Zone und gelangen über den afrikanischen Wüstensand in die Gegenden des ewigen Frühlings und in die Goldregionen von Australien. So reisen wir elektrisch-telegraphisch. Aber auch wie Mohamed, der in einer Secunde Schlafs Jahrtausende durchlebte, durchwandern wir die Zeitalter sogar die vorweltlichen Perioden und kaum daß wir uns von der Stelle bewegen. Die Mammouth’s, Mastodonten, Megatherier und Saurier und wie die colossalen Gebilde der Urtiere alle genannt werden, stehen um uns. Daneben steckt „die Nadel der Cleopatra“ (ein schöner Obelisk aus Aegypten) und nicht weit davon im Hofe zu Ninive sind die 3000jährigen Halbhochbilder der schöngelockten Assyrier und ihres politischen und häuslichen Lebens aufgestellt. Von Ninive und Nimrud kommen wir nach dem alten Aegypten mit den räthselhaften Sphinxen, Hieroglyphen, Mumien, Apis, Isis und Osiris, ganz anders als wir sie in der Zauberflöte zu sehen gewohnt sind. Von da gelangen wir nach Griechenland, beschauen uns das Parthenon und die Wunderwerke des Phidias. Wir durchschreiten nun das alte Rom, das (nach Schiller) jetzt „mit allem seinen Glanze nur ein Grab ist der Vergangenheit“ und erholen uns vom Taumel der Jahrtausende in der Erfrischungshalle der Alhambra, dem Löwenhof, der in Sydenham erhalten wird, während er in Spanien verfällt. Mit frischen Kräften ausgerüstet, durchschreiten wir gegenüber die mit der Kunst des Mittelalters und der Renaissance geschmückten Hallen. Durch blühende Gebüsche winden wir uns allmälig zu den herrlichen Seidenstoffen und Schals hindurch, die sich links vom Querschiff befinden. Von dort gehen wir zu den nützlichen Wollen-, Baumwollen- und Leinenwaaren über, betreten dann auf der nördlichen Seite die Schauräume für die unendliche Mannigfaltigkeit der Stück- und Kurzwaaren und flüchten uns zuletzt, geblendet von dem, wenn auch falschen doch schönen Glanz der Birminghamer Waaren, angegriffen von dem Gepränge der Waffen und Stahlarbeiten aus Sheffield, entzückt aber ermüdet vom Anblicke der Teppiche, Tapeten, Spitzen, Schleier, Hauben, Hüte und Blumen, bei denen sich unsere holden Begleiterinnen ein wenig zu lange aufhielten, in das Compluvium der pompejanischen Erfrischungshalle.

Hier schwärmen wir einige Minuten von Rosen bekränzten Festessen und Gelagen und begeben uns, des Genusses voll, nicht des Genossenen – denn dieses ist sehr nüchtern gewesen, kraft des Verbots, geistige Getränke zu verabreichen – nämlich des Genusses geistiger Speise voll, durch das Tablinum von Seristyl und das Triclinium zur Treppe, die auf die Gallerien führt. Abgespannt, wie wir sind, wagen wir inzwischen nicht, unsere Begleiter auf dem kühnen Pfade unserer Phantasie zu nöthigen, uns weiter zu folgen und sich alle die auf den Gallerieräumen ausgebreiteten kleinen und großen Unendlichkeiten des Kunst- und Gewerbfleißes zu beschauen. Dort liegen sie zur Schau ausgebreitet in immerwährender Ausstellung, wahrscheinlich aber bei stetem Wechsel, um nicht zu veralten und nicht zu langweilen.

Unsere Wanderung in Gedanken durch den Krystallpalast von Sydenham ist zu Ende.

Wie lange es noch dauern wird, bis jener Palast wirklich in Besitz aller seiner Schätze ist und durchwandert werden kann, ist jetzt noch nicht zu bestimmen, noch viel weniger aber, ob wir ihn je einmal durchwandern werden. –

Wir lassen uns inzwischen an der Phantasie genügen, denn:

„Was sich nie und nirgend hat begeben,
Das allein veraltet nie!“ –





Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Ein kleiner Naturfehler der Königin, der deshalb in einem Theile der guten Damengesellschaft künstlich verzogen wird.