Die Gartenlaube (1870)/Heft 32

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1870
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 32. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Die Thurmschwalbe.

Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)
10.

Graf Ulrich sah seine Gäste an der Mittagstafel wieder. Er begann mit dem Vicomte sofort von dem zu reden, was ihm seit der Unterredung mit dem Pastor Demeritus im Sinne lag.

„Sie bemerkten neulich, Herr Vicomte,“ sagte er, „ich müsse froh sein, daß eine Cousine des verstorbenen Grafen von Maurach nicht mehr unter den Lebenden sei, weil sie sonst die Erbin der Herrschaft geworden wäre. Ist dem wirklich so? Ich habe immer in meinem elterlichen Hause in Linz, wo mein Vater als kaiserlicher Kreishauptmann lebte, gehört, ich sei der Erbe, sobald der Lehnsvetter zu Maurach die Augen schließe; ich habe darauf hin lustig gelebt, mein bischen väterlich Gut verthan und meine Gläubiger darauf vertröstet. Könnte es denn wirklich möglich sein, daß eine neue Gesetzgebung mich um irgend einer alten Schachtel von Muhme willen, an welche Niemand gedacht hat, um all dies Recht brächte, mich und – meine armen Gläubiger?“

Der Vicomte nickte.

„Ich fürchte, daß dem so ist, Herr Graf,“ versetzte er. „Das Lehnswesen ist aufgehoben; die bloßen lehnsrechtlichen Erbansprüche fallen weg nach dem französischen Gesetze und zwar ohne alle Entschädigung. Anders ist es mit den Fideicommissen. Hier fallen die darauf gegründeten Erbrechte auch fort; jedoch erhält der erste Anwärter, dem vor der Aufhebung des Fideicommisses bereits ein jus quaesitum, wie die Juristen das nennen, zur Seite stand, eine Entschädigung …“

„Wie genau Sie das wissen – ich wollte, Sie wüßten auch, wo jene Muhme oder Cousine des letzten Grafen, die im Stammbaum durchstrichen ist und die, wenn sie noch lebte, mich aus meinem Recht verdrängen würde, eigentlich geblieben, wo und wie und in Folge welcher Abenteuer sie eigentlich zu Grunde gegangen ist! Dies ganz genau zu erfahren, wäre mir doch eine Beruhigung, müßte ich auch dabei zu meinem Schmerze vernehmen, daß die theure Verwandte irgendwo grausam um’s Leben gekommen, etwa aus dem Harem des Großtürken in den Bosporus versenkt, im Tower zu London wegen Hochverraths geköpft; von einer Horde Buschmänner am Cap aufgefressen, oder von Seeräubern in die Sclaverei des Deys von Algier verkauft worden sei, oder auf welche Art sonst das Leben der theuren Alten ein Ende gefunden haben mag!“

„Sie wissen in der That nichts darüber, Herr Graf?“ sagte aufhorchend der Vicomte.

„Nichts, als daß mir mein Vater gesagt, sie sei als junges Mädchen schon verschollen, mit einem Musikanten oder Schauspieler durchgegangen, und dann irgendwo in der Welt verdorben und gestorben.“

„Es wäre freilich gut, etwas Gewisses darüber zu erfahren,“ sagte bedächtig und fast mit sorglicher Miene der Vicomte.

„Und was würden Sie thun, wenn solch’ eine Verwandte nun mit Erbansprüchen vor Ihnen auftauchte?“ fragte Melusine.

„Ah … das wäre sehr arg,“ versetzte Graf Ulrich. „Ich müßte schon etwas thun, sie unschädlich zu machen! Ich müßte sie zum Beispiel heirathen!“

„Das ginge doch nur, wenn sie jung, von Ihrem Alter wäre,“ warf Melusine ein – „und wenn sie es wollte …“

„Wenn sie jung wäre?“ unterbrach Graf Ulrich sie – „nein, dann just ginge es nicht!“

„Und weshalb dann nicht?“

Graf Ulrich lachte, als er antwortete: „Das sehen Sie nicht ein? Wenn sie alt wäre, wär’s ein ehrlicher Handel: ich verkaufte mich ihr, für die Herrlichkeit Maurach mit Schloß, Acker, Wiese, Wald und den Kohlenzechen, die sie mir zubrächte. Sie hätte mich, ich ihren Reichthum! Keiner wär’ da übervortheilt. Anders wär’ es, wenn sie jung und hübsch wäre. Dann wäre aller Vortheil auf meiner Seite; und für eine solche demüthigende Lage würde ich danken. Nimmermehr!“

„Aber wenn sie selber Ihnen entgegenkäme und Ihnen diese Lösung der schwierigen Situation anböte?“

„Das ist nicht denkbar, meine verehrte Cousine … mir kommen die Frauen nicht entgegen; ich bin nicht von jener liebenswürdigen Männersorte, Gott sei Dank nicht; welcher die Frauen entgegenkommen! Die, welche ich besitzen will, muß ich mir erobern und das ist mir weitaus lieber! Sie glauben mir nicht?“

„Was? Daß die Frauen Ihnen nicht entgegenkommen?“

„Nein, nein,“ rief Ulrich lachend aus; „das glauben Sie mir von Herzen gern; nur nicht, daß ich im Stande, sie mir zu erobern!“

„Es kommt darauf an, was Sie unter ‚erobern‘ verstehen. Daß Sie ruchlos genug sind, irgend ein Mädchen mit Gewalt zu entführen …“

„O, das wäre schändlich,“ fiel Graf Ulrich mit angenommener Entrüstung ein; „nein, nein, unter ‚erobern‘ verstehe ich; ein stolzes widerspänstiges kaltes Herz unterjochen, es zwingen, sich zu ergeben …“

[498] „Wie könnt’ ich sagen, daß ich nicht glaubte, Sie vermöchten das,“ unterbrach ihn rasch Melusine, „da ich nicht das Mindeste von all’ den schönen und achtungswerthen Künsten verstehe, in deren Besitz ehrgeizige junge Helden Ihrer Art sich unüberwindlich fühlen!“

Es lag etwas Gereiztes, Heftiges in den Antworten Melusinens, was Ulrich nicht entging und ihm eine gewisse Freude zu machen schien.

„O, fordern Sie diese Künste nicht so ironisch heraus!“ rief er übermüthig. Dieser Uebermuth aber schien Melusine vollständig zu empören.

„Weshalb nicht?“ antwortete sie mit flammender Zornesröthe. „Es scheint mir nicht, daß es schaden könnte, wenn diese Künste einen Lehrer bekämen!“

„Wünschen Sie das? Reden Sie: wünschen Sie, diese Lehre geben zu können? Sie müssen wissen, daß in mir kein größeres Verlangen ist, als alle Ihre Wünsche möglichst bald erfüllt zu sehen, und deshalb …“

„Sie machen doch meine Tochter gar zu verlegen, Herr Graf,“ fiel hier der Vicomte, seine innerliche Entrüstung unter dem sanftesten und mildesten Tone bergend, ein, während er nach einem kurzen Blick in Melusinens erröthende Züge sehr ernst den Grafen ansah. „Sie machen meine Tochter doch gar zu verlegen durch solche Neckereien.“

„Ich bin tausend Meilen weit davon entfernt, mir herauszunehmen, sie necken zu wollen,“ entgegnete rasch einfallend Graf Ulrich. „Was ich sagte, war mein voller Ernst – ich möchte alle Ihre Wünsche so rasch erfüllt sehen, wie ohne Zweifel der erfüllt werden würde, von dem eben die Rede ist – gesetzt, ich ginge darauf aus, Ihre Eroberung … aber ach,“ unterbrach er plötzlich seine Rede, „ich sehe, ich gerathe durch dies Alles bei Ihnen in die tiefste Ungnade. Enden wir es, – es sei denn, Sie wollten wirklich meine Betheuerung auf die Probe stellen. Und warum wollten Sie es nicht? Geben Sie mir einen Befehl, nennen Sie einen Wunsch, den ausschweifendsten, den Sie wollen, und Sie werden sehen, daß ich ihn erfülle – das Schwierigste, das Unmöglichste …“

Melusine, die mit seinen Reden gründlich zu ärgern Graf Ulrich, wie es schien, eine eigenthümliche Gabe hatte, versetzte bitter, in höchst ironischem Tone: „Wohl denn, so lassen Sie sehen, was solche Rodomontaden werth sind – so thun Sie etwas Unmögliches …“

„Ich brauche nur zu wissen, daß Sie es wünschen. Geben Sie es an! Wir haben keine Felsen, von denen ich Blumen für Sie holen, kein Meer, aus dem ich Ihnen Perlen bringen kann, also überlass’ ich es Ihrer Phantasie …“

„Gut denn,“ rief spöttisch und boshaft Melusine aus, „so stehlen Sie Ihrem edlen Großherzog Murat seinen Säbel, mit dem er so breitspurig klirrt und rasselt, und legen ihn mir morgen als Huldigung zu Füßen; ich will Ihnen dann glauben, daß Sie Wunder thun können.“

„Pest!“ sagte Graf Ulrich lachend … „das ist freilich eine halsbrechende Aufgabe! Und gleich morgen wollen Sie ihn? Doch, Sie sollen ihn haben!“

Melusine zuckte die Schultern, der Vicomte aber fiel ein: „Ach, Ihr seid Kinder, Du sowohl, wie unser verehrter Wirth und Gönner; kehren wir zu unserem Thema zurück, zu jener verschollenen Verwandten! Hätten Sie gar keine Mittel, der Sache auf den Grund zu kommen, Herr Graf? Giebt es unter den Beamten dieser Herrschaft, unter den älteren Einwohnern des Dorfes nicht Leute, die Anhaltpunkte geben könnten, an welche sich Nachforschungen knüpfen ließen? Der verstorbene Graf Walram muß doch Menschen gehabt haben, die ihm näher standen, als andere, denen er Vertrauen schenkte; man müßte sie ausfindig machen … ich selbst bin gern erbötig, mich zu erkundigen, um Sie zu unterstützen, die Angelegenheit klar zu stellen …“

„Sie sind sehr gütig, Herr Vicomte,“ antwortete Graf Ulrich zerstreut und, wie es schien, nichts von dem auffallenden Eifer des Vicomte, über die Sache Licht zu bekommen, bemerkend. Doch fügte er nach einer Pause hinzu: „Das Nächstliegende ist, daß ich Frau Wehrangel ausforsche; ich bin überzeugt, daß, wenn irgend Jemand, Frau Wehrangel mir Aufschluß geben kann, wenn sie will.“

„Will? o, es ist ihre Pflicht, zu reden, wenn sie etwas darüber mitzutheilen hat,“ sagte der Vicomte ganz erhitzt „Die Frau muß wissen, was davon für Sie abhängt, und wenn sie es nicht weiß, so ist es doch sehr leicht, es ihr begreiflich zu machen!“

„Sie haben Recht, Herr Vicomte,“ entgegnete Graf Ulrich, „ich werde noch heute in ihren Thurm hinaufgehen und mit ihr reden. Joseph, geh’ hinüber und kündige der Frau Wehrangel meinen Besuch an!“

Der Graf bat Melusine mit einem fragenden Blick, die Tafel aufheben zu dürfen, und stand auf. Er verabschiedete sich bald darauf von seinen Gästen, ohne auf seinen Vorsatz, sie im Walde und auf seiner Herrschaft umherführen zu wollen, zurückzukommen. –

„Der Mensch ist zu, zu übermüthig und roh,“ sagte der Vicomte verdrießlich, als Graf Ulrich gegangen war, zu seiner Tochter. „Du thust Unrecht, ihm so die Stirn bieten zu wollen, Du solltest vorziehen, ihn reden zu lassen, was er mag.“

Melusine schwieg; sie sagte sich, was ihr Vater ihr bemerkt, ja selber; aber es war etwas in ihr, was stärker war als sie, sie konnte nicht schweigen ihm gegenüber; noch niemals hatten Reden, die doch nur die thörichten und vermessenen Worte eines übermüthigen jungen Mannes waren, sie so innerlich gereizt und gezwungen, ihnen den Widerpart zu halten; als ob dies nicht die unnützeste, thörichtste Anstrengung von der Welt gewesen!

„Und welch’ grenzenloser Leichtsinn es ist,“ fuhr der Vicomte fort, „sich gar nicht nach den eigentlichen Bedingungen umzusehen, unter denen er dies Erbe hier angetreten hat! Es wäre ja schrecklich, wenn gar noch jene Verwandte des alten Grafen Walram lebte, wenn sie eines Tages plötzlich auftauchte …“

„Ach, wie wäre das zu befürchten!“ sagte Melusine. „Wenn sie unter den Lebenden wäre, sie hätte sich sicherlich längst gemeldet –“

„Bist Du dessen so gewiß? Es sind seit des Grafen Tode erst Monate verflossen, nicht mehr. Ist es nicht möglich, daß, wenn sie lebt, sie an irgend einem Orte lebt, wo die Nachricht dieses Todes noch nicht bis zu ihr gedrungen ist? Es wäre auch für uns ein entsetzlicher Querstrich …“

„Weshalb, mein Vater?“ versetzte Melusine ihn groß anschauend. „Es wäre für uns auch beruhigend. Wir, die wir unser Recht als eine Sache betrachten, welche wir die Pflicht haben zu vertheidigen, müssen auch bereitwillig weichen, wenn ein Anderer ein besseres vertheidigt, und müssen vollständig damit einverstanden sein!“

„Aber wir dürfen beklagen, daß nicht unser Recht das bessere ist!“

„Mag sein! Mir würde, hoffe ich, die Klage nicht sehr tief aus dem Herzen kommen“ entgegnete Melusine.




11.

Am Nachmittage hatte Melusine ihrem Vater vorgeschlagen, zusammen einen Spaziergang durch das Dorf und die Gegend zu machen; als der Abend herabsank, kehrten Beide heim, und während der Vicomte sich in’s Haus begab, wandte sich Melusine der Terrasse unter den Kastanien hinter dem Schlosse zu, um sich da in der milden und lauen Abendluft eine Weile allein ihren Gedanken zu überlassen.

Sie setzte sich auf eine Steinbank, aber sie blieb nicht lange allein. Sie sah den Grafen Ulrich aus der Thür, welche in den Thurm führte, kommen … er kam also erst jetzt von seiner Unterredung mit Frau Wehrangel zurück. Diese Unterredung mußte für ihn keinen sehr beruhigenden Inhalt gehabt haben, denn er ging gegen seine Gewohnheit langsam, das Haupt zu Boden gesenkt, die Hände auf dem Rücken gekreuzt. Als er Melusine wahrnahm, kam er rasch auf diese zu.

„Sie haben die Frau Wehrangel gesprochen und haben Mittheilungen von dieser erhalten?“ fragte Melusine.

„In der That,“ versetzte er, sich neben der jungen Dame niederlassend.

„Sie konnte Ihnen Aufklärungen geben, die, wie es scheint, sehr ernster Natur waren?“

Graf Ulrich antwortete nicht gleich, er kaute auf seiner Unterlippe; dann fragte er plötzlich brüsk: „Sagen Sie mir, ist Ihnen ein Mann bekannt, welcher Lohoff heißt?“

„Lohoff,“ versetzte Melusine nachdenklich, „– Lohoff – der Name tönt mir allerdings bekannt …“

[499] „O gewiß,“ sagte Graf Ulrich mit einem Tone des Scherzes, der bei der ganzen Stimmung, in welcher er schien, etwas Erzwungenes hatte. „Sie müssen ihn kennen, denn er ist Ihnen hierher gefolgt … nur Ihnen!“

„Mir … ein fremder Mann?“

„Ein Ihnen nicht fremder Mann, Sie sagen es selbst ...“

„Nur der Name ist mir nicht unbekannt; ich glaube, es hat sich einmal ein solcher Mann meinem Vater vorstellen lassen … er ließ Beziehungen zu unserer Familie voraussetzen. Wenn Sie wünschen, will ich meinen Vater danach fragen; ich glaube, es waren sogar Warnungen in seinen Aeußerungen …“

„Warnungen? Wovor?“

„Ich … entsinne mich dessen in der That nicht mehr,“ gab Melusine stockend zur Antwort.

„Seltsam!“ versetzte Graf Ulrich. „Ich glaube, es giebt Menschen, die nicht ruhen, wenn sie nicht bei Anderen Unruhe und Aufregung hervorrufen, sich aufdrängen, ihrem lieben Nächsten Steine in den Weg werfen oder Händel erregen können, das Alles, ohne daß es ihnen etwas nützt!“

„Es ist das freilich eine sehr unangenehme Menschensorte,“ versetzte Melusine. „Sie sind mir vor Allem verhaßt. Ich liebe,“ fuhr sie mit einer gewissen bedeutsamen Betonung fort, „die stillen, ruhigen, friedfertigen Naturen, denn ihnen allein kann man vertrauen, und sie allein sind starke Naturen.“

„Sind Sie dessen so sicher? Ich meine, auch die unruhigen und kriegerischen Naturen könnten sehr stark sein!“

„Nein – stark ist nur, wer einfachen Willens ist. Und das ist nie der Unruhige, Streitsüchtige. Solche Menschen sind gährende, in sich unklare Geschöpfe.“

Graf Ulrich sah mit einem wie betroffenen Blick in ihr Gesicht. „Ich glaube,“ sagte er dann, „Sie sagen das mir zum Gehör!“

„Wie kommen Sie zu dem Gedanken, Herr Graf?“

„Herr Graf! Wie ceremoniös und kalt das lautet, meine Cousine! Und ich meine, der Gedanke liegt nicht fern! Ich habe nicht bemerkt, daß Sie just gegen meine Fehler blind seien, und da mich Ihr Wort von unklaren Geschöpfen stark an das erinnert, was mir einst ein guter frommer Hans von einem Cameraden, der in unserm Regimente den getreuen Eckard zu machen pflegte, vorzupredigen pflegte …“

„So glaubten Sie, ich wolle die Predigt fortsetzen? Wenn ich auch nicht fürchten müßte, meine Predigt wirke gerade so wenig wie die Ihres frommen Cameraden, so wäre ich dennoch weit entfernt davon …“

„Das thut mir leid,“ fiel Graf Ulrich ein; „denn wenn Sie sich zu einer Predigt gegen mich herabließen, meine schöne und stolze Cousine, so würde mir das sehr angenehm sein, weil ich sofort eine Nutzanwendung daran knüpfen könnte, die Sie sehr beschämen würde.“

„Die mich beschämen würde?“

„So ist es. Ich würde Ihnen antworten: Sie haben vollständig Recht, ich habe alle diese Fehler und noch weit mehr; aber wie sollte ein junger Mensch, der, sich selbst überlassen, unter Soldaten aufwuchs, anders geworden sein? Wenn er unklar ist, so kommt es daher, daß ihm das klärende Element in seinem Leben fehlte! Das aber bringen ja nur die Frauen hinein. Nun haben Sie aber selbst gesagt oder eingeräumt, daß mir die Frauen nicht entgegenkommen. Also ist es deren Schuld. Wie wäre es, wenn Sie das gut machten? Sie würden das klärende Element schon in mich hineinbringen; und so predigen Sie nicht blos, sondern helfen – bleiben Sie hier, bleiben Sie bei mir, und Sie sollen sehen, wie klar es bald in mir werden wird!“

Der Graf hatte diese Worte in demselben Tone des Scherzes gesprochen wie alles Andere, doch unverkennbar mit derselben Gezwungenheit des Scherzes, wie er alles Andere gesprochen.

Melusine war dabei tief erröthet. Sie sah ihn wie mit einem Blicke tiefer Empörung an; ihre Lippe zuckte, als sie antwortete: „Sie sind, wie Sie sagen, unter Soldaten aufgewachsen, Herr Graf, und deshalb muß man Ihnen schon etwas nachsehen; reden wir endlich im Ernst! Sie wollten die Güte haben, mir zu sagen, was Frau Wehrangel Ihnen …“

„Was Frau Wehrangel mir mitgetheilt?“ rief Graf Ulrich, leise die Farbe wechselnd. „Nein, meine verehrte Cousine, ich beabsichtigte durchaus nicht, Ihnen zu sagen, was diese gute Dame mir anvertraut hat, so merkwürdig und unerwartet es auch ist, und in eine so wunderliche Lage … aber da verrathe ich schon zu viel, denn ich habe das allerstrengste Schweigen verheißen müssen. Also bleiben wir bei unserem Thema. Sie weisen also den Vorschlag, den ich Ihnen eben machte, gründlich zurück? Nun ja, wie sollt’ ich mich darüber wundern! Hab’ ich Ihnen nicht selbst gestanden, daß ich bei Frauen keine andere Hoffnung habe, als sie zu erobern?“

„Wie macht man das, Frauen, die man beleidigt hat, zu erobern?“

„Beleidigt hat? Habe ich Sie durch meine Werbung beleidigt? Das habe ich nicht gewollt. Wenn das geschehen, so ist daran nur unser verschiedener Standpunkt schuld. Sie sehen mich von einem anderen Standpunkte aus an, als ich mich selber. – Da liegt’s. Es wird wohl immer so sein, wenn ein Mann von einer Dame einen Korb bekommt. Sie denkt: wie konnte der Mensch so kühn sein, um mich zu werben! Er denkt: wie konnte sie so unvernünftig sein, mich abzuweisen! Und so fühlen sie sich Beide beleidigt und thaten doch am besten, Beleidigung gegen Beleidigung aufgehen zu lassen. Wenn Sie sich dazu bereit erklären, will ich Ihre Frage beantworten.“

„Ich bin nicht im Entferntesten begierig genug auf Ihre Beantwortung meiner Frage, um eine solche Erklärung zu geben,“ entgegnete sie scharf.

„Dann muß ich also ohne sie und trotz der Härte, womit Sie mich mißhandeln, fortfahren,“ versetzte Graf Ulrich spöttisch. „Wie man es macht, eine Frau zu erobern? Man läßt sich durch alle Zeichen der Antipathie, die sie uns giebt, nicht abschrecken; man verzeiht ihr alle Demüthigungen, die sie über uns ausgießt; man giebt ihr Beweise tiefer Leidenschaft; man stößt ihr die Ueberzeugung ein, daß sie sich dieser Leidenschaft nie mehr werde entziehen können, und indem man ihr so den Muth des Widerstandes lähmt, vollführt man ihretwegen, nur um ihr zu gefallen, Dinge, Thorheiten, welche sie rühren!“

„Als ob Thorheiten die Frauen rührten!“ fiel Melusine achselzuckend ein.

„Gerade sie!“ rief Graf Ulrich aus; „nur müssen sie recht großartig, recht gründlich thöricht sein …“

„Sie irren, Herr Graf, und ich meine, ich habe Ihnen eben noch den Beweis davon gegeben, daß ich wenigstens zu solchen Frauen nicht gehöre!“

„Sie mir? Wodurch? inwiefern?“

„Sie müssen doch sehen, daß die Thorheit, welche Sie eben begingen und die an Gründlichkeit doch nichts zu wünschen übrig ließ, mich völlig ungerührt gelassen hat.“

„Welche Thorheit – ach, die, daß ich Ihnen meine Hand anbot! Das hat Sie freilich sehr ungerührt gelassen; dies Zeugniß kann ich Ihnen nicht vorenthalten; aber ich kann nicht einsehen, daß das etwas beweist. Es war eben keine Thorheit – es war vielleicht das Allervernünftigste, was ich in meinem Leben gethan habe –“

„Schwerlich,“ sagte Melusine kalt; „aber,“ fuhr sie, sich erhebend, fort, „da Sie, wie ich sehe, nicht so vernünftig werden wollen, von etwas Anderem zu reden, so muß ich mich wohl zurückziehen, um Sie ungestört dem Gedanken über ein Thema zu überlassen, das Sie so fesselt.“

„Sie wollen mich verlassen ohne die geringste Hoffnung, daß mir von alle der aufregenden Arbeit, welche mir jetzt bevorsteht, etwas erlassen werde, keine von diesen zwölf Herculesarbeiten, zu denen ich mich jetzt entschließen muß … Sagen Sie mir wenigstens, daß es mit zwölfen genug sein soll, also jetzt noch elf, da ich um Ihretwillen eine große Thorheit, nach Ihrer Auffassung, soeben schon begangen habe!“

Melusine entzog sich diesem halb in scherzhaftem, halb in bitterem Tone vorgebrachten Geplauder, indem sie kühl lächelnd sagte: „O, es war mit der einen Thorheit schon übergenug!“ und ging davon.

Ulrich blieb auf der Bank sitzen und schaute ihr nach. Dann fuhr er mit der Hand über seine Stirn und stampfte mit dem Fuße auf den Boden.

„Der Teufel hole sie alle, diese Weiber! Ist’s nicht genug, daß mir diese Frau da oben im Thurm ihre verrückte Geschichte gesagt hat, die mich in eine verzweifelte Lage bringen – muß dieses hochmüthige Geschöpf da mich auch noch innerlich um und um kehren! Wie zornig sie mich abwies! Mich, den Grafen von [500] Maurach, das bettelarme Geschöpf! Und wenn sie nun gar noch erführe, wenn ich ihr sagte, was ich seit einer Stunde weiß: daß ich im Grunde just so bettelarm bin, wie sie auch … nichts, als ein wegen seiner Schulden und thörichten Streiche vom Regimente weggejagter Rittmeister! … Verdammte Entdeckung! Die Sache konnte gar nicht querer kommen! Aber mag sie! Soll ich darum verzichten? Nun und nimmermehr. Ich habe renommirt wie ein Thor vor ihr, und eher stürbe ich, als daß das Ende von diesem Allen wäre, daß sie mich verachtete! Ich fühle, daß ich in Raserei verfallen könnte, wenn dies schöne stolze hochmüthige Geschöpf, das mich mit jedem ihrer Worte herausfordert, über mich triumphirte!“

Er sprang auf und ging langsam sinnend in’s Schloß, in sein Zimmer; hier öffnete er eine Cassette, an der er sich mit Papieren, die er hineinlegte, zu schaffen machte. Dann schritt er eine Zeitlang in dem Raume auf und ab und befahl endlich Joseph, das Abendessen seinen Gästen auf deren Zimmer zu serviren, da er den Abend allein bleiben wolle. Als Joseph diese Botschaft drüben in dem Fremdenzimmer ausgerichtet und sich wieder entfernt hatte, bemerkte der Vicomte:

„Nach dem, was Du mir von den Reden unseres Wirthes mittheiltest, ist dies ein wenig auffallend. Es müssen sehr wichtige Aufschlüsse sein, die der Graf erhalten hat, wenn er vorzieht, allein zu bleiben, um darüber nachdenken zu können! Er habe das allerstrengste Schweigen verheißen müssen, sagte er Dir?“

„So ist es, mein Vater.“

„Ich möcht’ um die Welt gern wissen, was er von der alten Dame erfahren hat. Und was diese Frage nach einem Herrn Lohoff, von der Du mir sagtest, zu bedeuten hat! Ich erinnere mich des Menschen sehr wohl. Es war in Hamburg, im Hause des Spielpächters von Dobberan, dessen Kindern ich Unterricht gab. Dieser Lohoff war während der Saison einer seiner Croupiers – was er den Winter über in Hamburg trieb, weiß ich nicht. Er näherte sich mir mit großer Zuvorkommenheit und verstrickte mich in ein langes Gespräch, wobei mir auffiel, daß er sich sehr für den großen Adel unter den Emigranten zu interessiren schien und dann sehr viel nach unseren früheren Verhältnissen und nach unseren Verbindungen zu fragen begann. Es stieg mir endlich gar der Verdacht auf, daß er mich sondiren wolle, ob ich unsere Anrechte auf diese Herrschaft Maurach kenne und später im rechten Augenblick – der Graf Walram lebte ja damals noch – geltend zu machen gedenke.“

„Sprachst Du nicht damals davon, daß er Dich habe vor etwas warnen wollen?“ fragte Melusine.

„Warnen? Nun ja, ich denke so, vor deutschen Processen nämlich. Jedenfalls schien er eine versteckte Absicht zu haben. Dieser Argwohn machte, daß ich von da an den Berührungen mit ihm auswich – ich habe dann nicht mehr an ihn gedacht. Und jetzt beginnt der Graf von ihm zu reden! Weißt Du, welche Sorge mir kommt? Daß dieser Mensch aufgetaucht ist, um den Grafen wider uns einzunehmen; daß er uns ihm denuncirt, als Leute, die sich bei ihm unter heuchlerischer Maske eingeschlichen, um ihn zu verdrängen und zu verderben …“

„Das wäre entsetzlich!“ flüsterte Melusine. „Ich ertrüge es gar nicht, so vor ihm dazustehn. Mein Gott, welche Demüthigung!“

„Du hast Recht, es wäre eine furchtbare Situation für uns! Würde er uns glauben, daß wir ja zunächst nur gekommen um der Mittel willen, nach Frankreich heimzukehren und dort zu dem Unsrigen zu kommen?“

„Gewiß nicht, gewiß nicht!“ rief Melusine verzweifelt aus. „Was würde dieser böse Mensch nicht von uns glauben! Vater, ich bitte Dich, laß uns lieber abreisen, lieber weiter fliehen, als uns dem auszusetzen! O, der Aufenthalt wird mir unerträglich hier …“

„Ich bitte Dich, mein Kind, wie könnten wir einen so übereilten Entschluß fassen, bevor wir wissen, daß unsere Behauptung gegründet ist, bevor irgend etwas Weiteres uns andeutet …“

„Mein Gott, mein Gott,“ fiel Melusine ein, „sollen wir denn das abwarten, sollen wir uns solchen Andeutungen aussetzen? Daß der Graf allein sein will, wie er eben uns hat melden lassen, ist das nicht schon Andeutung genug? Und dann … dann …“

„Du sprichst nicht weiter – was willst Du sagen?“

Melusine brachte es nicht über die Lippen. Es war ihr der Gedanke durch den Kopf geschossen, daß Ulrich’s Werbung von vorhin, in der sie einen für sie beleidigenden Uebermuth gesehen, einen mindestens sehr tactlosen Scherz, eine ernstere Bedeutung gehabt habe … daß Graf Ulrich bereits erfahren, welches Recht sich an Melusinens Hand knüpfe, daß er sich dies und diese Hand sofort zu sichern gesucht – sie ward nun doppelt empört darüber, ihr ganzes Herz kehrte sich um bei diesem Gedanken … aber sie fühlte sich nicht im Stande, selbst mit ihrem Vater darüber zu reden … ihr Vater hätte sie ja ohnehin gar nicht verstanden; wie konnte sie ihm begreiflich machen, was in ihr lag, was sie in dem roh übermüthigen Betragen gerade dieses Mannes, dem sie von allen auf Erden just am meisten hätte imponiren und Achtung abzwingen mögen, so unsäglich kränkte?

So schwieg sie. Es war ja auch für den Abend zum Abreisen zu spät, und morgen konnte sie von Neuem davon beginnen und den Vicomte dafür zu gewinnen suchen. Dieser aber begann davon zu reden, daß ihre Sorge im Grunde doch sehr kindisch sei, daß, wenn dieser fremde Mensch, nach dem Graf Ulrich Melusine gefragt, auch etwas Genaueres über ihr Anrecht auf die Herrschaft Maurach wissen sollte, was doch sehr unwahrscheinlich war, er gar kein erdenkliches Interesse daran haben konnte, den Grafen darin einzuweisen … und damit beruhigte der Vicomte sich endlich so glücklich, daß auch Melusine zuletzt einen Theil dieser Sorge schwinden fühlte.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Trost in blutiger Zeit.

Die Brandfackel des Krieges ist über Nacht und unerwartet von frevelhafter, verbrecherischer Hand in unsere segensreichen, fruchttragenden Gefilde geschleudert worden, und die Göttin der Verheerung, in ruchlosem Uebermuth wachgerufen, erhebt ihr bleiches, todbringendes Medusenhaupt. Wie ein Wolf naht der Feind zu räuberischem Ueberfall unseren Grenzen, zu deren Schutz im Augenblick, da wir diese Zeilen schreiben, die Völker Deutschlands mit der nämlichen Begeisterung und mit der nämlichen Einmüthigkeit, die einst dem Oheim des gegenwärtigen Franzosenkaisers den Untergang bereiteten, sich unter ihre Fahnen schaaren, um – wenn es einen gerechten Gott im Himmel giebt, bald und siegreich wieder heimzukehren. Aber die wogenden Kornfelder harren umsonst der Arme, die ihre goldene Gabe in Empfang nehmen sollen, die Fabriken stehen müßig, die Maschinen ruhen, entlassene Arbeiter hungern und an dem verwaisten Heerde trauert die Frau um den aus dem Kreise der Familie gerissenen Gatten, die Schwester um den Bruder, die Braut um den Geliebten, die Mutter um den Sohn. Wie Gespenster eilen an ihrem Auge alle die Schrecken vorüber, die der Krieg in seiner unbarmherzigen Wildheit entfesselt, und der Schall der Kanonen, der Wehruf der Verwundeten und das Stöhnen der Sterbenden trifft in qualvollen Träumen ihr Ohr.

Diesen Martern der Seele gegenüber, die kaum minder schwer zu tragen sind, als die körperlichen Leiden der wirklich vom Schwert oder der Kugel Getroffenen, bieten wir heute einen Trost – einen geringen zwar, aber doch immerhin einen solchen, weil er in der Erkenntniß besteht, daß in demselben Maße, wie die Schrecken und Verwüstungen des Krieges durch die unausgesetzte Erfindung neuer und immer furchtbarerer Zerstörungsmittel sich vermehrten, auch die Civilisation und Humanität auf Mittel und Wege sann, das Unheil so viel als möglich zu beseitigen und das dadurch hervorgerufene Elend zu mildern. Freilich – wir müssen das gleich hier bekennen – steht die Hülfe noch immer in keinem Verhältniß zu dem entsetzlichen Verderben, sie wird es auch nie zu solcher Vollkommenheit bringen können, ihr größter Segen wird nur einen kleine Theil des tödtlichen Unheils zu mildern, zu lindern, zu erleichtern vermögen, das sich in ungemessenem Maße über die Schlachtfelder ergießt. Trotzdem aber ist mit dem größten Danke anzunehmen, was diese Hülfe bietet, und schon Tausende haben

[501]

Uebungen der Sanitätsmannschaften vor den Mitgliedern des internationalen Vereins.
Nach der Natur aufgenommen von H. Lüders.

[502] den Segen der „Internationalen Hülfsthätigkeit im Kriege“, von der wir hier sprechen, gepriesen.

Dies wird jetzt noch mehr der Fall sein, nachdem alle die zahlreichen internationalen Hülfsvereine, die sich, aus Männern und Frauen bestehend, seit dem italienischen Kriege in allen Ländern Europas gebildet und sich die Hülfsleistung für verwundete und kranke Krieger zur Aufgabe gestellt haben, im vorigen Jahre zu Berlin für den engeren Anschluß an die militärischen Sanitätsbehörden und für Zusammenfassung aller derartigen Bestrebungen im Vaterlande sich aussprachen.

Daß den Regierungen die Mitwirkung der Hülfsvereine auf dem Schlachtfelde nur willkommen sei, hatten dieselben schon früher zugestanden, und zwar wohl im Hinblick auf die gänzlich veränderte Kriegführung, welche die mit den verderblichsten Zerstörungswerkzeugen ausgerüsteten Heere vermittelst der Eisenbahnen rasch auf einen Punkt zu werfen, den Krieg zu localisiren und die Entscheidung fast in so viel Tage zusammenzudrängen vermag, als man sonst Jahre brauchte. Als eine natürliche Folge der neuen Verhältnisse mußte der Mangel an einem ausreichenden Sanitätspersonal anerkannt werden, welches, wenn auch noch so gut geschult und entwickelt, den gesteigerten Ansprüchen nicht mehr genügt, so daß nothwendiger Weise die Privathülfe für solche Fälle eintreten muß. Dieselbe besteht denn auch zum großen Theile in der Unterstützung des Pflegedienstes nach dem Kampfe bei dem Transport der Verwundeten und Kranken und in den Lazarethen, in der Herstellung und Unterhaltung von Reservelazarethen und in der Anlegung von Haupt- und Filialdepôts. Um die eben genannten Zwecke sicher zu erreichen, beschloß man auf der vorjährigen Berliner Conferenz selbständige Ausbildung von Krankenpflegerinnen, anhaltende Uebung und Erprobung derselben in der Armeekrankenpflege, Auswahl und Ausrüstung eines Hülfskörpers thatkräftiger Männer für die Zwecke des Vereins, Anschaffung leichter Krankenzelte, von Baracken und Tragbahren, und es steht zu hoffen, daß alle diese Maßregeln schon jetzt unseren wackeren Truppen im reichsten Maße zu Gute kommen werden.

Nicht genug hervorzuheben ist, daß man die Vereinsthätigkeit in allen Beziehungen planmäßig den amtlichen Verfügungen und Maßregeln unterzuordnen beschloß, und überhaupt nach allen Seiten der Wichtigkeit der Sache gerecht zu werden suchte. So wurde für die Verwundeten des Sanitätspersonals im Fall der Erwerbsunfähigkeit und auch für ihre Hinterbliebenen eine Pension in Aussicht gestellt, außerdem aber noch der Wunsch ausgesprochen, die Badeorte und Heilanstalten mit ihren Kranken den Kriegslazarethen und den in der Schlacht Verwundeten gleichstellen. Als dringendes Bedürfniß erkannte man eine strenge Polizei auf dem Schlachtfelde zum Schutz der Todten und Verwundeten vor Plünderung und Mißhandlung. Daneben wurde an geeignete Mittel gedacht, um die Identität der Verwundeten und Gefallenen festzustellen, sowie die Nothwendigkeit betont, die Vorschriften der Genfer Convention möglichst zu verbreiten und namentlich den Kriegern zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. Dieselbe setzt bekanntlich in der Hauptsache fest, daß das gesammte Personal und Material, welches im Kriege zur Heilung und Pflege der Kranken und Verwundeten gebraucht wird, so wie Alles, was damit zusammenhängt, als neutral angesehen und weder zu Kriegsgefangenen gemacht, noch als Beute angesehen werden soll. Als gemeinschaftliches Erkennungszeichen für Alle, welche diesen Schutz genießen, ist das rothe Kreuz im weißen Felde gewählt.

Ein bedeutungsvoller Antrag wurde bei der Versammlung der internationalen Hülfsvereine im vorigen Jahre auch von dem berühmten Chirurg Professor Langenbeck mit den Worten eingebracht: im Falle des Krieges stellen die am Kriege nicht betheiligten Mächte eine der Größe ihrer Armeen entsprechende Anzahl von Militärärzten zur Verfügung der kriegführenden Parteien, um dieselben für den Dienst der Verwundeten in den Lazarethen zu verwenden. Zur Motivirung sagte unter Anderem der geniale Arzt: „Wenn Sie meinen Antrag verwerfen, so wird der nächstfolgende Krieg, und läge er in noch so großer Ferne, die ärztliche Hülfe nach der Schlacht ebenso unzureichend finden, und das Elend nach der Schlacht ebenso groß, wie in den bisherigen Kriegen dasselbe ohne Ausnahme gewesen ist.“

Als höchst ersprießlich wird sich der in verschiedenen Städten, wie Berlin, Leipzig etc. unternommene Bau von Baracken erweisen, und darum hat man gelegentlich der mehrerwähnten Conferenz mit Recht dem vom Berliner Frauenlazarethverein gegründeten neuen Barackenlazarethbau die größte Aufmerksamkeit und eingehende Besichtigung zugewandt; es ist dies eine jener Einrichtungen, die zuerst von den praktischen Amerikanern in’s Leben gerufen, anfänglich bemängelt, später aber die allgemeine Anerkennung gefunden hat, nachdem man sich überzeugt, daß die luftigen Baracken die wünschenswerthesten Resultate liefern und besonders dem Ausbruche des gefürchteten Hospitalbrandes, der Eitervergiftung etc. vorbeugen. Das kleine Augusta-Hospital des Frauenlazarethvereins, das erst am Ende des vergangenen Jahres vollständig fertig und der öffentlichen Benutzung übergeben worden ist, befindet sich hinter dem Charitégebäude im Invalidenpark, rings von lauschigen Bosquets umschlossen, und kann ein Muster unter den Krankenanstalten Berlins genannt werden. Nach den Plänen und Angaben des verdienstvollen Geheimraths Esse ausgeführt, vereinigt es in seinem Pavillon mit künstlerischem Geschmack alle Vortheile des Baracken- und Zellensystems. An sich nicht groß, bietet es im heißen Sommer, wo besonders die genannten Krankheiten drohen, ein bequemes Unterkommen für sechszig bis siebenzig Kranke, versehen mit allem möglichen Schutz und Comfort: Einrichtungen zu Bädern, amerikanische Rohrbrunnen, ausgezeichnete Ventilationsapparate, Waschhaus und selbst eine kleine Capelle für den Gottesdienst. Ein nach demselben Systeme angelegtes Krankenhaus befindet sich, wie schon erwähnt, gegenwärtig auch in Leipzig im Bau.


Die höchste Befriedigung nach jeder Seite boten zu Berlin auch die damals veranstalteten Uebungen einer mit hundertfünfundsechszig Krankenpflegern und fünfzehn Lazarethgehülfen formirten Krankenträger-Compagnie, welche auf dem Artillerie-Exercirplatze unter Oberleitung des Majors von Schmeling und des Oberstabsarztes Dr. Roth von den Gardefüsilieren ausgeführt wurden. Man fingirte dabei ein imaginäres Kampffeld nach stattgefundenem Gefecht. Die commandirten Soldaten bedeckten als angenommene Verwundete den Boden, während die Art der Verwundung durch einen angeklebten Papierstreifen angedeutet wurde. Die Sanitätsmannschaft setzte sich mit ihren Apparaten in Bewegung, Patrouillen wurden unter ihren Führern formirt, die Tragen und Wagenbahren fertig gemacht, und bald eilten die Abtheilungen ihren hingestreckten Cameraden zu Hülfe, während andere in der kurzen Zeit von zehn Minuten ein Zelt für den Verbandsplatz aufrichteten und die sonst nöthigen Vorbereitungen zur Aufnahme der scheinbar Verwundeten trafen. Dieselben wurden sorgfältig wie im Kriege behandelt, der erste Verband sogleich angelegt, der Transport nach den Ambulancen mit aller gebotenen Rücksicht ausgeführt, wie die beigegebene Illustration zeigt.

Eine zweite Uebung war von gleichem Interesse, indem dabei angenommen wurde, daß die Sanitätsmannschaft nicht zur Stelle und die Soldaten gegenseitig auf sich allein angewiesen seien. Hier wurden zu Schienen die Seitengewehre, zu Nothverbänden die Taschentücher und zu Tragen die Gewehre mit dem darüber gebreiteten Mantel verwendet. Tornister und Patrontaschen unterstützten die Lage der zerschossenen Glieder.

Der Transport scheinbar Verwundeter auf der zunächstgelegenen Stettiner Eisenbahn von Berlin bis Bernau bildete die Fortsetzung dieser lehrreichen Vorstellungen. Die auf den Ambulancen Verbundenen wurden in besonders hierzu eingerichteten Waggons gelagert, um sie in den rückwärts gelagerten Feldlazarethen zu bergen. Es kamen dabei drei Systeme in Anwendung. Für das erste war ein Personenwagen vierter Classe eingerichtet, dessen bequeme Eingänge sich auf der Kopf- und Stirnseite befanden. Die Tragbahren wurden hier parallel mit den Längsseiten, je zwei übereinander, in dazu angebrachten Vorrichtungen und vermittelst Kautschukringen eingehängt, an jeder Seite drei, so daß ein solcher Wagen bequem zwölf Verwundete aufnehmen kann. Man erkannte diesem Systeme den Preis zu, während die beiden anderen, wozu ein bedeckter Güterwagen benutzt wurde, weniger befriedigten.

„Ich kann nur wünschen,“ äußerte der König bei jener Gelegenheit zu Mitgliedern der internationalen Hülfsvereine, „daß der Fall Ihrer Wirksamkeit, sowohl im Kriege als bei Landesnothständen im Frieden, noch recht lange, lange nicht eintreten möge; käme aber eine solche Heimsuchung, so hoffe ich Ihre Bemühungen von verdientem Erfolge belohnt zu sehen.“

[503] Diese „Heimsuchung“ ist nun gekommen – wie wir am Anfange unseres Artikels sagten, über Nacht, rasch und unerwartet. Aber mitten unter den vielen Beweisen von Opfermuth und Opferfreudigkeit, welche uns die letzten Tage schon brachten und welche die kommenden Wochen noch bringen werden, wird die „internationale Hülfsthätigkeit im Kriege“ mit ihrer Hingebung, ihrer Furchtlosigkeit vor dem Tode und mit dem einzigen Bemühen, Wunden, die eine fremde, mörderische Hand geschlagen, zu heilen, nicht die letzte Stelle einnehmen. Ihre Bemühungen „werden von dem verdienten Erfolge begleitet sein“, und als Lohn wird sie den Dank der Kranken, den Segen der Sterbenden und die Anerkennung des ganzen Landes ernten.




Vom Gedächtniß.
Von Ewald Hecker.
Fassungs-, Behaltungs- und Herstellungsvermögen. – Sinneswahrnehmungen und Vorstellungen. – Von der Nahrung des Geistes und deren Verarbeitung (Assimilation). – Vom Gesetz der Ideenverbindung. – Die Mnemotechnik oder Gedächtnißkunst. – Gedächtnißverse und andere Gedankenbrücken. – Herr von Schnabelewopsky in Verlegenheit. – Scheinbare Abnormitäten. – Der Rechenkünstler Dahse.

Unter allen geistigen Fähigkeiten nimmt unzweifelhaft das Gedächtniß einen wichtigen Rang ein; denn es ist die Grundlage alles geistigen Lebens und Schaffens. Wir verstehen unter Gedächtniß zunächst die Fähigkeit unseres Geistes, von einmal aufgenommenen Eindrücken gewissermaßen Spuren und Ueberreste festzuhalten und daraus allmählich das Material zu bilden, aus dem unser geistiges Leben sich entwickelt. – Wir sehen aber bald ein, daß dies Material für uns nur dann einen Werth haben kann, wenn wir auch wirklich fähig sind, dasselbe zu benutzen, das heißt wenn wir in jedem Augenblick diese Bilder und Reste früherer Eindrücke uns zugänglich zu machen und sie wieder vor das Auge unseres Geistes zu bringen im Stande sind. Deshalb gehört zum Gedächtniß in zweiter Reihe das sogenannte Reproductionsvermögen oder die Erinnerungskunst.

Kant stellt drei Factoren des Gedächtnisses auf, indem er sagt: „Es gehört dazu erstens, daß man etwas in das Gedächtniß fasse; zweitens, daß man das Gefaßte im Gedächtniß behalte; drittens, daß man das Behaltene leicht reproduciren könne.“ Wir können auch in der That diese drei Factoren des Gedächtnisses oft klar von einander unterscheiden, da sie in verschiedenem Grade der Ausbildung und Stärke mit einander vermischt sind. So ist bei manchen Menschen das Fassungsvermögen besonders stark ausgebildet. Dieselben können beispielsweise nach einmaligem Hören sofort eine ganze Reihe von Versen recitiren, die jedoch schon nach kurzer Frist wieder vollständig aus ihrem Gedächtniß entschwunden sind, weil das Behaltungsvermögen nicht entsprechend stark war. In anderen Fällen bedarf es einer häufig und gleichförmig wiederholten Erregung, um den Geist zum Auffassen einer Vorstellungsreihe zu bewegen; aber hat er sie einmal gefaßt, dann behält er sie auch für ewige Zeiten. Ganz unabhängig davon kann endlich das Reproductionsvermögen in verschiedenem Grade entwickelt sein. Es giebt Menschen, die eine Sache im Grunde recht gut wissen, aber nicht im Stande sind, sich bei vorkommender Gelegenheit derselben schnell zu erinnern. Ich glaube, viele meiner verehrten Leser werden wohl schon in der Lage gewesen sein, daß ihnen ein Name oder sonst ein Wort, von dem es ihnen unzweifelhaft war, daß es im Schatze des Gedächtnisses ruhte, nicht zur rechten Zeit einfallen wollte. Dasselbe schwebt, wie man zu sagen pflegt, auf der Zunge, und doch will es sich nicht unserem geistigen Auge zeigen; wir können es nicht wiedergeben; daß aber das Wort uns wirklich nicht ganz entfallen ist, lernen wir am besten daraus erkennen, daß es uns dann oft plötzlich scheinbar zufällig wieder zur Erinnerung kommt.

Ich glaube, es wird nicht uninteressant sein, wenn wir den einzelnen Kräften, aus denen das Gedächtniß sich zusammensetzt, etwas näher auf den Grund gehen und die Bedingungen kennen zu lernen suchen, auf denen diese wunderbare Eigenschaft unseres Geistes beruht.

Das Gehirn als das Organ, an welches alle unsere geistigen Verrichtungen geknüpft sind, steht mit der Außenwelt durch die sogenannten Sinnesnerven in Verbindung. Diese bilden den Weg, auf dem in die ursprünglich leeren Blätter des Gehirns sozusagen die ersten Zeichen und Chiffern eindringen, aus denen allmählich das gewaltige Buch des Geistes sich gestaltet. Alles, was wir denken und wissen, hat einmal seinen Eingang in’s Gehirn auf dem Wege der Sinnesnerven gefunden (nihil est in intellectu, quod non antea fuerit in sensu), und wir können es, wenn wir die Entwicklung eines kindlichen Geistes aufmerksam betrachten, Schritt für Schritt verfolgen, wie sich aus den „Sinneswahrnehmungen“ allmählich die „Vorstellungen“ bilden, die in immer sich steigernder Fülle den Inhalt des geistige Lebens ausmachen. Doch wir lernen dabei auch erkennen, daß es kein bloßes Eintragen des todten Buchstaben ist, sondern daß der Buchstabe lebendig wird im Geiste und daselbst als eine Kraft weiter wirkt und schafft.

Wir wissen es, daß sich im Grunde jede Erregung unserer Sinnesnerven auf eine Bewegung zurückführen läßt: das Licht, das den Augennerv in Thätigkeit setzt, gilt dem Physiker als Wellenbewegung des Aethers; der Schall, der unser Ohr trifft, als Bewegung kleinster Lufttheilchen etc. Diese Bewegungen nun, so können wir uns etwa vorstellen, dringen in freilich unbekannter Form auf dem Wege der Nerven in’s Gehirn, kommen aber nun hier nicht etwa zur Ruhe, sondern wirken auf die vorhandenen Vorstellungsmasse, dieselben mit in den Kreis der Bewegung hineinziehend, bald abstoßend, bald anziehend, je nach ihrer Natur – und schaffen so aus sich selbst und den vorhandenen neuen Vorstellungen, die mit den alten in tausendfache Beziehungen getreten sind. Wir können, so materiell es auch klingen mag, den Act der geistigen Auffassung einer Sinneswahrnehmung vielleicht am besten veranschaulichen, wenn wir ihn mit der Aufnahme und Verdauung eines leiblichen Nahrungsmittels vergleichen. Die Sinneswahrnehmungen sind in der Thät für den Geist Nahrungsmittel in jedem Sinne des Wortes, und es wird unser Vergleich um so weniger anstößig sein, da unserem Sprachgebrauche ja der Ausdruck „Verdauen“ auch von geistigen Eindrücken wohl geläufig ist.

Die leibliche Nahrung wird in tausendfach verschiedener Form unserem Organismus dargeboten; doch wissen wir, daß in derselben Gestalt, wie er sie eingenommen, der Organismus seine Nahrung nicht verwerthen und in sich aufnehmen kann. Zuerst muß der Magen sein Amt verrichtet und, nach der Zerstörung der Form, die Nahrungsmittel in ihre elementaren Bestandtheile zerlegt und diese wiederum durch besondere (chemische) Einwirkungen zur Aufnahme zubereitet haben. Dann erst beginnt die wirkliche Aufnahme, die sogenannte Assimilation der Nahrung, d. h. ihr Uebergang in Fleisch und Blut, wobei vor Allem das eine Gesetz hervortritt, daß von den verschiedenen Bestandtheilen des Nahrungsmittels jedes Gewebe den für dasselbe geeigneten Stoff anzieht und sich zueignet, während es die anderen abstößt. Der Muskel nimmt die Eiweißstoffe, der Knochen die phosphorsauren Salze, der Nerv und das Zellgewebe die Fetttheile für sich in Anspruch etc. – Ein ganz ähnliches Bild zeigt nun auch die geistige Assimilation. Der Sinneseindruck, der als „Wahrnehmung“ uns zum Bewußtsein kommt, wird zuerst, wie man sagt, seiner Sinnlichkeit entkleidet und wird zur „Vorstellung“. Es beginnt damit der großartige Zersetzungsproceß, indem sich die Wahrnehmung in ihre einzelnen Bestandtheile, das Bild des Gegenstandes in seine einzelnen Eigenschaften auflöst. Unbewußt und ohne unser Zuthun geht diese Arbeit vor sich und ebenso, wie die Bestandtheile der leiblichen Nahrung hier- und dorthin zu verschiedenen Geweben ihren Weg nahmen, zu denen sie eine chemische Verwandtschaft zeigten, so werden auch die einzelnen Bestandtheile einer Wahrnehmung hier- und dahin in unserem Geiste zerstreut und gehen Verbindungen mit ähnlichen schon vorhandenen Vorstellungen ein. Wenn wir einen Kirchthurm vor uns erblicken, so löst sich unbewußt das Bild in seine einzelnen Eigeschaften auf und die Vorstellungen von „hoch“, „spitz“, „schmal“ etc. werden in uns erregt, indem diese unserem Gegenstande beiwohnenden Eigenschaften gewissermaßen von den bezüglichen Stellen unseres Vorstellungscomplexes angezogen werden. Es erwachen dabei gleichzeitig alle die Vorstellungen wieder in uns, die [504] sozusagen für dieselbe Rubrik schon jemals einen Beitrag geliefert haben. Es fallen uns beispielsweise bei Assimilation der Eigenschaft „hoch“ hohe Berge, lange Menschen und dgl. ein.

Die Verbindungen, die eine Wahrnehmung bei ihrer geistigen Assimilation auf diese Weise anknüpft, sind aber unendlich zahlreich, denn außer der Eintheilung nach Eigenschaften bilden auch die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung, die gleiche Oertlichkeit und andere tausendfache Beziehungen Banden zwischen den neuen und den schon vorhandenen Vorstellungen. Es sind diese Verbindungen gewissermaßen die Befestigungsmittel, mit denen eine Vorstellung sich in unserem Geiste festklammert, und die eigenthümliche Entstehung der Vorstellungsverbindungen erklärt uns das unserem Denken zu Grunde liegende Gesetz der sogenannten Ideenassociation. Die Fäden, die sich bei dem allmählichen ersten Entstehen der Vorstellungen in unserem Geiste ausspannen und mit einander verknüpften, dienen bei der Wiedergabe der Gedanken als Leitschnur, woran sich dieselben in bestimmter Aufeinanderfolge (nach den Gesetzen der Ideenassociation) aufreihen, und sind ferner gewissermaßen die Zugseile, an denen wir jederzeit das Material zum Fortspinnen unserer Gedanken in reicher Fülle herbeiziehen können. Sie sind endlich auch die Hülfsfäden des Gedächtnisses. Ich erwähnte schon, daß uns beim Anblick eines Gegenstandes ein anderer, der mit ähnlichen Eigenschaften ausgestattet ist oder zu ihm sonst in irgend welchen Beziehungen steht, ohne unser Zuthun einfällt. Darauf beruhen gewisse Kunstgriffe, die wir anwenden, um unser Gedächtniß zu unterstützen und besonders dem Reproductionsvermögen zu Hülfe zu kommen. Wir suchen den uns momentan entfallenen Vorstellungen (meist sind es wohl Namen oder Zahlen, um die es sich handelt) auf irgend einem der genannten Verbindungswege beizukommen, die sich bei der Aufnahme der betreffenden Vorstellung bildeten; wir nehmen bald diesen, bald jenen Faden als Leitungsschnur zu Hülfe. Will ich mich beispielsweise auf den Namen einer Person entsinnen, so suche ich mir zunächst die Verhältnisse zurückzurufen, unter denen ich mit derselben in Beziehung getreten bin; ich suche mir Augenblicke oder Orte zu vergegenwärtigen, wo ich etwa den Namen habe nennen hören oder selbst genannt habe. Wenn alle diese Wege mich nicht zum Ziele führen, so gehe ich endlich der Reihe nach die Buchstaben des Alphabets durch. In der Regel stutze ich bei einem Buchstaben und weiß oft ganz genau, daß mit diesem der Name anfängt, der mir dann auch einfällt oder erst nach noch weiteren Combinationen der Buchstaben wieder zur Erinnerung kommt. Diese bis in’s Allerkleinste gehende Verbindung einer Vorstellung mit solchen kaum zum Bewußtsein kommenden Bruchtheilen einer anderen muß in der That wunderbar erscheinen.

So giebt es aber unzählige Methoden zur Unterstützung des Gedächtnisses in der angegebenen Weise. Man hat dieselben sogar in einem besonderen Kunstzweige unter dem Namen Mnemonik oder Mnemotechnik vereinigt. Der Erfinder oder Begründer dieser Kunst soll der griechische Dichter Simonides sein. Derselbe, so wird berichtet, war einst bei einem reichen Manne zu Gaste geladen. Ueber Tisch wurde er plötzlich von einem Sclaven herausgerufen, weil zwei Freunde ihn zu sprechen wünschten. Kaum war er aus dem Gemach hinausgetreten, als mit lautem Getöse die Decke desselben einstürzte und alle Gäste unter ihren Trümmern begrub. Nachdem man nun den Schutt hinweggeräumt hatte, um die Leichen der Erschlagenen zu bestatten, zeigte es sich, daß dieselben derart zerschmettert und verstümmelt waren, daß selbst die nächsten Angehörigen die Ihrigen nicht mehr herauserkennen konnten. Da soll nun Simonides das Hülfsmittel gefunden haben, dadurch, daß er sich zu erinnern suchte, auf welchem Platze und in welcher Reihenfolge die Gäste bei Tische gesessen, die Namen der Einzelnen der Reihe nach zu bestimmen.

Dieses Beispiel zeigt uns eine Art der Mnemonik, wie sie wohl Jeder von uns, unbewußt, daß er damit in eine „Kunst“ hineinpfusche, schon auf eigene Hand geübt hat. Es handelt sich dabei um das Behalten und Reproduciren einer Reihe von Worten oder Namen, die unter sich absolut in keinen näheren Beziehungen stehen, um eine natürliche Gedankenbrücke zwischen sich zu bilden. Man sucht nun gleich beim Behalten auf verschiedene Weise diese Brücke künstlich zu errichten. Zuweilen hilft man sich dadurch, daß man die Worte (freilich nicht immer ohne Anwendung einiger Gewalt) in Verse bringt und so an dem Faden des Silbenfalles und Reimes dem Gedächtnisse zugänglicher aufreiht. Wer erinnert sich beispielsweise nicht aus seiner Quartanerzeit der herrlichen Verse, wie: Viele Wörter sind aus is masculini generis: Panis, piscis, crinis, finis, ignis, lapis, pulvis, cinis etc – In anderen Fällen sucht man aus den Anfangsbuchstaben der zu merkenden Worte thunlichst ein Wort zu bilden, was manches Mal recht gut gelingt. So kann man zum Beispiel die vier vom Fichtelgebirge entspringenden Flüsse Main, Eger, Naab und Saale nach dem lateinischen Worte Mens recht gut merken, wie sich auch die vier Monate, welche nur dreißig Tage haben (April, Juni, September, November) nach dem aus ihren charakteristischen Anfangsbuchstaben zusammengesetzten Worte Apjunseno dem Gedächtnisse leicht einprägen. Vor Allem aber leistet diese Methode gute Dienste, wo die Zahl der zu merkenden Worte größer ist. Die Namen der neun Musen zum Beispiel kann man, selbst wenn man sie einzeln kennt, nicht leicht der Reihe nach hersagen; man vergißt bald diese, bald jene. Mit Hülfe der aus ihren Anfangsbuchstaben gebildeten lateinischen Worte tum peccet bringt man sie leicht alle zusammen (Terpsichore, Urania, Melpomene, Polyhymnia, Euterpe, Kalliope, Klio, Erato und Thalia). In ganz ähnlicher Weise bildet man kurze Sätze, deren einzelne Worte mit denselben Buchstaben der Reihe nach beginnen wie die zu merkenden. Ich erinnere nur an den bekannten Satz: „In Richter’s Ofen liegen junge Palmen“, der zum Behalten der sechs Sonntage vor Ostern (Invocavit, Reminiscere, Oculi, Lätare, Judica, Palmarum) als willkommenes Hülfsmittel dient.

Eine andere, die sogenannte topographische Methode, haben wir bei dem Beispiel des Simonides schon erwähnt. Ihre Vorzüglichkeit findet außerdem in der Thatsache ihre Bestätigung, daß man Verse und dergleichen, die man zu lernen hat, leichter behält, wenn man sich stets die Stelle vergegenwärtigt, an der sie in dem betreffenden Buche stehen. Die Methode, zwei sinnliche Eindrücke durch Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung miteinander zu verknüpfen, findet in wirksamer Weise auch in den Kinderfibeln ihre Anwendung, wo durch Bilder den Worten Nachdruck gegeben wird. Doch ist man gerade bei dieser Methode in Absurditäten und Lächerlichkeiten verfallen. Wenn z. B. in Bruno’s Universalhistorie ein brennendes Herz den Namen des Schriftstellers Livius bedeuten soll, indem das brennende Herz als Symbol der Liebe durch die Aehnlichkeit des letzteren Wortes mit dem Worte Livius dieses dem Gedächtniß nahe legen soll, so sind solche Ausschreitungen natürlich nur geeignet, die ganze Kunst der Mnemonik in Mißcredit zu bringen. Denn schließlich hat man daran, wie man sich eine Sache merken soll, mehr zu behalten, als an der Sache selbst. Und in Hinblick auf solche Extravaganzen erscheint freilich das verwerfende Urtheil Kant’s gerechtfertigt, welches sagt: „Von dieser Art des Memorirens hat man keine glücklichen und guten Regeln gegeben. Das Meiste läuft auf Albernheiten hinaus – und in dem Kopfe eines Wahnsinnigen kann es nicht schlimmer aussehen, als in dem Kopfe eines ingeniös memorirenden.“ – Heinrich Heine hat ebenfalls die Kunst der Mnemonik mit seinem alles zersetzenden Witze bespöttelt, indem er in den „Memoiren des Herrn von Schnabelewopsky“ vom kleinen Simson erzählt: „Er konnte nicht leiden, daß man in seinem Zimmer auch nur das Mindeste verrückte; er wurde sichtbar unruhig, wenn man dort auch nur das Mindeste, sei es auch nur eine Lichtscheere, in die Hand nahm. Alles mußte liegen bleiben, wie es lag. Denn seine Möbel und sonstigen Effecten dienten ihm als Hülfsmittel, nach den Vorschriften der Mnemonik, allerlei historische Data oder psychologische Sätze in seinem Gedächtnisse zu fixiren. Als einst die Hausmagd in seiner Abwesenheit einen alten Kasten aus seinem Zimmer fortgeschafft und seine Hemden und Strümpfe aus der Commode genommen, um sie waschen zu lassen, da war er untröstlich, als er nach Hause kam, und er behauptete, er wisse jetzt gar nichts mehr von der assyrischen Geschichte und alle seine Beweise für die Unsterblichkeit der Seele, die er so mühsam in den verschiedenen Schubladen ganz systematisch geordnet, seien jetzt in die Wäsche gegeben.“

Es kann wohl kaum geleugnet werden, daß gewisse Menschen von Geburt an in Folge besonderer Beanlagung, d. h. angeborener Entwickelung ihres Gehirns, einen höheren Grad geistiger Fähigkeiten besitzen, als andere, so daß sich die Einen durch eine angeborene Schärfe des Verstandes, Andere durch üppige Phantasie, wieder Andere durch angeborene Gedächtnißstärke auszeichnen. Ich möchte jedoch glauben, daß in vielen Fällen die besondere geistige Kraft erst durch specielle Uebung und Ausdauer erworben oder [505] ausgebildet ist, und besonders in den Fällen, wo wir eine ungewöhnliche Stärke des Gedächtnisses vorzüglich nach einer Richtung hin entwickelt sehen, derart, daß gewisse Dinge leicht, andere dagegen schwerer aufgefaßt werden, liegen meiner Ansicht nach vorwiegendes Interesse, besondere Aufmerksamkeit oder ausdauernder Fleiß gerade für diese Dinge als Ursache der einseitig entwickelten Gedächtnißstärke zu Grunde.

Wer für Zahlen oder für Verse oder für Verwandtschaftsbeziehungen und dergleichen ein vorzüglich gutes Gedächtniß hat, der hat sich sicherlich gerade damit besonders gern und oft beschäftigt und sich das Behalten und Erlernen besonders angelegen sein lassen. Gerade die hervorragendsten Fälle von Gedächtnißstärke für specielle Gegenstände, wie das Beispiel des bekannten Rechenkünstlers Dahse, der mit einem eminenten Zahlengedächtniß begabt war, scheinen mir die Richtigkeit meiner Ansicht zu beweisen. – Bei Dahse (über dessen Leistungen Professor Jessen ausführlich berichtet) hat sich nicht einmal eine angeborne Neigung zum Rechnen gezeigt, vielmehr ist ihm, wie er versicherte, das Rechnen anfangs so schwer geworden und so zuwider gewesen, daß er deshalb mehrmals hinter die Schule gelaufen und dafür bestraft worden sei. Darauf habe er sich besondere Mühe damit gegeben und seine Neigung dazu sei in demselben Maße gewachsen, in welchem er bemerkte, daß es ihm leichter wurde.

Die außerordentliche Fertigkeit im Rechnen und das enorme Zahlengedächtniß glaubt er selbst durch Uebung erworben zu haben, indem er in einer langen Reihe von Jahren sich fast ausschließlich damit beschäftigt hat.

Ich darf wohl annehmen, daß den meisten Lesern der Gartenlaube der Rechenkünstler Dahse, der in den fünfziger Jahren in Deutschland herumreiste und sich mit seinen erstaunlichen Leistungen im Rechnen etc. producirte, aus eigener Anschauung bekannt ist. Deshalb will ich nur die eine Leistung, die sein Zahlengedächtniß betrifft, nach Jessen’s Mittheilung hier anführen. Dahse sagte eine Reihe von hundertachtundachtzig Ziffern, die er durch Addition ihm gegebener Zahlen selbst berechnet hatte, ohne Weiteres vor- und rückwärts her und gab auch außer der Reihe jede beliebige Zahl (z. B. die 25ste, die 80ste etc. auf Verlangen schnell und sicher an. Das Hersagen der langen Zahlenreihen vor- und rückwärts machte auf die Anwesenden einen solchen Eindruck, daß manche es nicht aushalten konnten und weggehen mußten, weil ihnen die dazu erforderliche Geistesanstrengung erdrückend zu sein schien. Dahse versicherte mir aber lächelnd, daß gar keine besondere Anstrengung damit verbunden sei. Ja, diese Leichtigkeit im Aufnehmen und Behalten von Zahlen ging sogar so weit, daß Dahse beim Gehen, ohne daran zu denken oder ohne es auch nur zu wollen, stets die Schritte zählte, die er machte, und somit in jedem Augenblick angeben konnte, wie weit er gewandert sei.

(Schluß folgt.)




 Wider Bonaparte!
 Von Emil Rittershaus.

Ein einig’ Deutschland! Ach, wie lang’ begehrt,
Wie oft ersteht in unsrer Träume Dämmern! –
Nun droht der Fremdling deutschem Hof und Herd,
Und es ist da! Nun muß das Frankenschwert

5
Mit einem Schlage uns zusammenhämmern!

Die Söhne Deutschlands sind von mancher Art,
Doch seit der Mutter Schmach geboten ward,
Giebt’s keinen Grenzstrich mehr auf unsrer Karte,
Da kennen wir nur einen Schrei der Wuth

10
Und einen Kampf auf’s Messer, bis auf’s Blut!

Nur einen Wahlspruch: Nieder Bonaparte!

Nicht jenem Frankreich deutschen Haß und Groll,
Das gern mit uns der Freiheit Banner trüge,
Deß’ Blut in den Decembertagen quoll! –

15
Dem Frevler gilt’s, den Gott verderben soll,

Dem Corsen, jener menschgeword’nen Lüge!
Den Rom verwünscht, das er zu Boden trat,
Dem er zerstampfet seiner Freiheit Saat,
Der sich den Eid brach mit der feilen Lippe,

20
Für ihn Vernichtung! Seine Stund’ ist da!

Für ihn ein Ziel nur, eins: Sanct Helena
Für ihn, für ihn und seine ganze Sippe!

Jahrzehnte hat die feige Welt gebebt
Vor jedem Runzeln seiner Augenbrauen –

25
Ihr Fürsten, die ihr heut’ das Schwert erhebt,

O, dreimal Weh’ euch, wenn ihr Frieden gebt,
Bevor im Staub wir jenen Einen schauen!
Der Völker Blut ist kostbar überaus!
Um keiner Krone willen Kampf und Strauß!

30
Doch ruft wie heut’ das Vaterland um Rache,

Wer böte freudig nicht sein Letztes dar? –
Wir legen alles gern auf den Altar,
Doch nur für ganze, nicht für halbe Sache!

Wer noch im Busen trägt ein deutsches Herz,

35
Dem muß es schlagen heut’ für unser Ringen! –

Kein Weinen um der Trennung bitt’ren Schmerz,
Den Segen jedem, der mit scharfem Erz
Den deutschen Namen will zu Ehren bringen!
Und wär’ entfernt ein Bruder noch so weit

40
Von uns – das Höchste gilt’s! – in dieser Zeit

Kämpft er im Geiste mit in unsern Reihen!
Mit uns, mit uns, was deutsche Sprache spricht!
Kein Deutscher wider uns – in das Gesicht
Des Judas müßte jeder Teufel speien! – –

45
An unsern Rhein hast du die Hand gelegt

Und Hohn geboten uns, dem deutschen Volke,
Dem Volk’, das nie um Ruhmsucht sich geregt!
Wenn dich der Sturm nicht von der Erde fegt,
Dann lebt kein Rächer über Stern und Wolke,

50
Napoleon! – Der Republiken zwei

Hast du getödtet! Horch, der Racheschrei
Steigt aus den Fiebersümpfen von Cayenne!
Dir folgt der Wittwen und der Waisen Fluch! –
Zum Sieg’ voran, du deutsches Fahnentuch,

55
Und wenn das Blut auch d’rum in Strömen ränne!


Den Lohn empfängst du, Corse! Ja, du mußt! – –
Die in der Jugend Kraft als Leichen lagen,
Gemordet für des Cäsars Herrscherlust
(Auch Kaiser Max mit der zerschoss’nen Brust!) –

60
Sie stehn vor Gott, um Einen zu verklagen.

Mit diesem Einen macht die Rechnung glatt
Das deutsche Schwert! – Wohlan denn, Blum’ und Blatt
Des Sommers mag das heiße Herzblut färben!
Wir sterben gern den Tod für’s Vaterland !

65
Auf, nach Paris! Den Degen in die Hand!

Komm, Corse, komm! – Zum Siegen oder Sterben!




Einer der Unversöhnlichen!

Im Haag bewegte sich am Morgen des 28. Juni vom sogenannten „plaats“ aus ein stattlicher Leichenzug nach einem der Friedhöfe der holländischen Residenzstadt; der Himmel war mit düsteren Wolken bedeckt und häufige Regenschauer ergossen sich mit nur kurzen Unterbrechungen über die Häupter der dem Zuge folgenden Menge. Es wurde ein Mann zu Grabe getragen, der mit dem edelsten Herzen und der reinsten Gesinnung für die erhabenste Idee, das Glück und die Freiheit seines Vaterlandes, gekämpft hat, dessen Leben eine ununterbrochene Kette von Täuschungen und schmerzlichen Entbehrungen bildete und der, ebenso wie jener [506] unbeugsame Römer Cato, bis zum letzten Athemzuge seinem Glauben und seiner Ueberzeugung treu, in fremdem Lande, fern vom schönen Vaterlande, die lebensmüden Augen schloß.

Es war Armand Barbès, dem viele aus Frankreich herübergekommene Republikaner und eine beträchtliche Anzahl der Haag’schen Bevölkerung die letzte Ehre erwiesen.

Im Frühjahr 1830 kam ein junger Mann zu Etienne Arago, der damals Director des Vaudeville war; derselbe war aus dem südlichen Frankreich gekommen und brachte einen Empfehlungsbrief eines Freundes an Arago mit, in welchem der letztere aufgefordert wurde, den Ueberbringer ebenso zu empfangen, wie den Schreiber des Briefes selbst.

„Wohlan mein Herr!“ sagte Arago. „Die Freunde meiner Freunde sind auch die meinigen. Sie kommen wohl nach Paris, um Paris und ohne Zweifel hauptsächlich unsere Theater zu sehen? Sie wünschen Zutritt in’s Vaudeville? ich werde dafür sorgen, daß Ihr Name noch diesen Abend in die Liste derer eingetragen wird, welche jederzeit freien Eintritt haben.“

„Bürger!“ sagte der junge Mann mit der unnachahmlichen Grazie des südlichen Accents, „ich bin nicht nach Paris gekommen, um Paris zu sehen. Ich bin jung; aber mein Name, mein Vermögen, mein Leben, das ist’s, was ich Ihnen bringe, und ich möchte dieses der Republik weihen!“

Er hat dieses Versprechen gehalten; der Preis war ein hoher: beinahe siebenzehn Jahre seines Lebens brachte er im Gefängnisse, sechszehn in der freiwilligen Verbannung zu!

Armand Barbès war auf der Insel Guadeloupe am 18. September 1809 geboren. Sein Vater war ein katholischer Geistlicher gewesen, hatte aber während der großen Revolution die Mönchskutte mit dem Secirmesser vertauscht, studirte Medicin, ging dann nach Guadeloupe, wo er sich durch seine ausgezeichnete Praxis ein bedeutendes Vermögen erwarb. Eine reizende Creolin, die er in einer schweren Krankheit behandelt, reichte ihm die Hand; so kehrte er im Beginn der zwanziger Jahre nach Frankreich zurück und kaufte sich ein kleines Gut, Fourtou, wo er der Erziehung seiner Kinder lebte.

Von diesen ging Armand nach Paris, um die Rechte zu studiren und schon im Jahre 1837 sehen wir ihn als Mitglied der geheimen Gesellschaft der Jahreszeiten und mit seinem Freund Bernard, der am 28. Juni mit gebrochener, von Thränen erstickter Stimme das letzte „Adieu, Barbès!“ ihm in’s Grab nachrief, stand er bald an der Spitze des geheimen Bundes, in welchem noch die unverfälschte Tradition der Principien von 1789 und 1793 fortlebte, dem die Republik als Ziel und höchstes Ideal vorschwebte, und der in der Erreichung dieses Zieles vor keinem Mittel zurückschrecken zu dürfen glaubte. Dem Erbtheil der romanischen Race gemäß, jener unerbittlichen, schnurgeraden, vor keinen Folgen zurückweichenden Logik, zog man auch hier die letzten Consequenzen der Revolution und ihrer Extravaganzen, und als Ideal schwebte hier der unglückliche Cajus Gracchus der französischen Revolution, Baboeuf, vor, jener überzeugungstreue und fanatische Schwärmer, der den Neubau der menschlichen Gesellschaft nur auf der Grundlage der Gütergemeinschaft für möglich und erfolgreich hielt.

Man hat es Barbès zum schwersten Vorwurf gemacht, daß er auf solche Abwege gerathen und die Realisirung der communistischen Ideen, an denen jede Republik scheitern muß, für möglich gehalten hat. Es ist wahr, er hat der Sache der Freiheit dadurch nur geschadet; aber er war kein gewöhnlicher Communist, und wenn die Propheten und Anhänger dieser Lehre sonst in erster Linie ihren Privateigennutz verfolgen und die communistischen Principien zu ihren Gunsten in Anwendung gebracht wissen wollen, so fand bei Barbès das gerade Gegentheil statt: er war bereit, sein Vermögen und seinen Besitz zu Gunsten des allgemeinen und gemeinschaftlichen Besitzes zu opfern; mit offenen Händen hat er zu Hause in Frankreich und in der Verbannung der Noth und der Armuth unter die Arme gegriffen. „Fourtou,“ sagte er, „ist mir ein lieber kleiner Winkel der Erde, auf dem ich erzogen worden bin und an den sich heute noch meine theuersten und lieblichsten Erinnerungen knüpfen. Es gehört – um mich des nichtsnutzigen Ausdrucks des gegenwärtigen Rechts zu bedienen – unserer Familie, und wir werden dasselbe so lange behalten, bis wir es nicht etwa hergeben, sondern nur der menschlichen Gesellschaft zurückerstatten!“ Barbès war Communist, sofern es sich um das Darbringen von Opfern, um das Geben, nicht um das Nehmen handelte. Ein Idealist in des Wortes edelster und bester Bedeutung hat er nie mit den wirklichen Verhältnissen des Lebens gerechnet; er setzte sich über sie hinweg, er sah die Welt vor sich, nicht wie sie war, sondern wie sie sein sollte. Dies war sein Fehler, sein Verbrechen, oder wenn man will, seine Tugend.

Die Welt kennt den Maiaufstand in Paris vom Jahre 1839. Die bleierne Ruhe der politischen Stumpfheit lag nicht nur über Frankreich, sondern über ganz Europa ausgebreitet, die letzten Zuckungen der Revolution von 1830 hatten dem regelmäßigen Pendelschlag eines sich eben nach seiner Bequemlichkeit einrichtenden bürgerlichen Lebens Platz gemacht, kein Mensch dachte an eine Revolution – als von einem der Pariser Quais aus eine bewaffnete Bande sich auf den vor der Conciergerie aufgestellten Posten warf, bald aber den heranrückenden Truppen weichen mußte. Barbès war der Anführer dieser improvisirten Revolution gewesen; er hatte die Franzosen reif für die republikanische Staatsform gehalten; ein großer Theil der Pariser Bevölkerung erfuhr aber erst am andern Morgen, was geschehen war! Verwundet und gefangen wurde er vor den Pairshof gestellt, wo er angeklagt wurde, den Lieutenant Drouineau, der factisch unter den Salven der Insurgenten überhaupt gefallen war, erschossen zu haben. Die Rede, die er vor seinen Richtern hielt, charakterisirt den Mann besser als Alles.

„Ich erhebe mich nicht,“ sagte Barbès, „um auf die Anklage zu antworten; ich werde überhaupt auf keine der an mich gestellten Fragen mehr antworten. Wäre außer mir Niemand angeklagt, so würde ich überhaupt das Wort gar nicht ergriffen haben, denn ich stehe ja nicht vor Richtern, an deren Gewissen ich appelliren kann, sondern vor Menschen, die über einen Feind und einen politischen Gegner zu Gericht sitzen. Der 12. Mai hat Ihnen eine große Menge Gefangener überantwortet und hinsichtlich dieser habe ich nur eine Pflicht zu erfüllen. So erkläre ich denn, daß keiner der Bürger, die mit mir am 12. Mai, Mittags um drei Uhr, den bewaffneten Angriff unternahmen, wußte, um was es sich eigentlich handelte. Sie waren vom Comité der ‚Gesellschaft der Jahreszeiten‘ zusammengerufen worden, ohne über das Motiv der Zusammenberufung unterrichtet zu sein; sie glaubten, daß es sich nur um eine Revue handeln würde; erst als sie sich auf dem Platze versammelt hatten, als sie mit Munition versorgt waren, – gab ich das Signal zum bewaffnete Angriff. Die gefangenen Bürger sind also nur die Opfer meiner Verführung; ich, ich allein bin der Schuldige; sie sind unschuldig! ich glaube, daß diese Erklärung Ihnen genügen wird. Noch einmal erkläre ich daher, daß ich das Haupt der Verschwörung war, daß ich den Kampf vorbereitet und begonnen habe, daß auf mir also allein die ganze Verantwortlichkeit liegt. Wenn ich ein Wort über die mir zur Last gelegte Beschuldigung, den Lieutenant Drouineau getödtet zu haben, verliere, so thue ich dies nicht, um mich Ihnen gegenüber zu vertheidigen, denn Sie sind ja meine politischen Gegner und haben mein Urtheil schon vorher gesprochen, sondern, damit mein Land es hört. Ich bin dieser That weder fähig, noch schuldig; hätte ich diesen Officier wirklich getödtet, so wäre es im offenen und ehrlichen Kampfe geschehen; ich bin kein Meuchelmörder, es ist dies eine niederträchtige Verleumdung, mit der man einen Soldaten der Demokratie vernichten will.“

Aus diesen Worten leuchtet in der That ein ungewöhnlicher Edelmuth hervor; Barbès nimmt alle Schuld auf sich, um das Leben und die Existenz seiner Genossen zu retten, und als ihn der Präsident des Gerichtshofes, Pasquier, auffordert, Rede und Antwort zu stehen, erwiderte er kalt: „Wenn der Indianer besiegt und gefangen ist, so schweigt er, und stumm bietet er seinem Feinde das Haupt zum Scalpiren hin.“ Erst nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden fand Pasquier die richtige Antwort darauf, und in der folgenden Sitzung sagte er zu Barbès: „Sie haben sich allerdings wie ein echter Wilder benommen,“ worauf Barbès ihm die schneidenden Worte erwiderte: „Die Wilden sind nicht die, welche schweigen und sich scalpiren lassen, sondern die, welche scalpiren!“

Trotz des überwältigenden Eindruckes der Rede Barbès’, trotz der glänzenden Beredsamkeit seiner Vertheidiger, Emanuel Arago und Dupot, wurde Barbès zum Tode verurtheilt. Der Eindruck, den das Todesurtheil auf die Pariser Bevölkerung hervorbrachte, war ein geradezu erschütternder: es wiederholten sich die Scenen jener Tage, als der erste Consul den ruhmbedeckten General Moreau zum Tode verurtheilen ließ, als fünfzigtausend wie durch einen [507] Zauberschlag in Paris verbreitete Placate die Bevölkerung aufforderten, nicht zu dulden, daß der edelste Bürger Frankreichs ermordet werde. So auch hier. Wie auf ein gegebenes Zeichen schlossen sich alle Läden, dreitausend Studenten der Rechte und der Medicin zogen entblößten Hauptes auf die Place de Concorde, um Gnade für den Verurtheilten zu erbitten; Victor Hugo, die Gelegenheit einer Geburt und eines Todesfalles in der königlichen Familie ergreifend, sandte noch um Mitternacht dem Könige die herrlichen Verse:

„Par votre ange envolée ainsi qu’ une colombe!
Par ce royal enfant doux et faible roseau!
Grâce encore une fois! Grâce au nom de la tombe!
     Grâce au nom du berceau!“


(„Wie eine Taube floh Dein Engel Gott entgegen,
Ein Fürstenkind ruht zart und schwach im Arme Dir –
Ueb’ Gnade Du darum, Gnade! des Grabes wegen
 Und um der Wiege willen hier!“)


Der König, gerührt, ließ dem Dichter sagen: „Von mir hat er Gnade, ich muß sie nur noch von meinen Ministern bekommen.“ Es war dies freilich keine Kleinigkeit, denn diese, vor Allem der Marschall Soult, verlangten die Hinrichtung von Barbès; aber er setzte seinen Willen durch; Barbès wurde begnadigt zu – lebenslänglichem Gefängniß!

Es ist bekannt, daß Madame Roland, vom Revolutionstribunal zum Tode verurtheilt, um die Gunst bat, ihre letzten Gedanken am Fuße des Schaffotes niederschreiben zu dürfen. Man hat ihr diese Gunst versagt; aber Barbès sagt uns so beredt und schön, wie kein Anderer, was er in den Tagen gefühlt und empfunden, welche zwischen dem Urtheilsspruch und der unverhofften Begnadigung verflossen. Diese Schrift hat den Titel: „Zwei Tage zum Tode verurtheilt“; in einfacher, ungekünstelter, aber gerade deshalb den Stempel der Wahrheit an sich tragender Sprache berichtet er uns über die letzten nach seiner Berechnung ihm noch vergönnten Stunden. Wir können uns nicht versagen, unseren Lesern Einiges daraus mitzutheilen. Der edle Charakter Barbès’ erscheint in einem um so strahlenderen Lichte.

Am 12. Juli 1839 war das Urteil gefällt worden und den grausamen Bestimmungen des französischen Strafgesetzbuches gemäß wurde der Verurtheilte sofort in die Zwangsjacke gesteckt, Hosenträger, Halsbinde, Alles, womit man etwa einen Selbstmord begehen könnte, wurde ihm weggenommen: Barbès raucht ruhig seine Pfeife. „Ich empfand kein anderes Gefühl, als das einer leisen Erregung der Energie und eines gewissen Stolzes, daß ich dazu berufen war, für meine Sache zu sterben.“ Er denkt nach über das gewichtige ‚Vielleicht‘, er beginnt sich Vorstellungen zu machen über den Himmel, er steigt mit seinen Gedanken wieder zur Erde herab, und sie befinden sich wieder in ihrem heimischen Elemente, in der solidarischen Einheit und Gleichheit des menschlichen Geschlechtes. „Indessen lag ich ruhig in meinem Bette; noch wenige Augenblicke trennten mich vom Aufgang der Sonne, ein matter Schimmer zog sich an dem Stückchen Himmel, das ich vom Fenster meines Gefängnisses aus sah, hin; einer meiner Wächter, der vielleicht glaubte, daß ich schlafe, seufzte tief auf: ‚der Unglückliche,‘ sagte er zu seinem Cameraden, ‚er schläft! Hätte ihn doch die Kugel, die ihn verwundete, getödtet!‘

Ich ließ in meiner Erinnerung gerade die einzige Hinrichtung, der ich in meinem Leben beigewohnt, vorüberziehen, die blassen Züge des Verurtheilten, seine schlotternden Beine tauchten vor mir auf! Nein, tausendmal nein! Dieser Tod, dem ich jetzt entgegengehe, ist der Sache, der ich diene, viel nützlicher! – – Der Tag bricht an. Jeden Augenblick gewärtig, vom Henker abgeholt zu werden, denke ich an meine Schwester, an meinen Bruder, an Frankreich! Ich nehme Byron zur Hand, und mein Auge fällt auf die herrliche Stelle: ‚die, welche für eine heilige Sache sterben, gehen nicht unter; sie vermehren nur die erhabenen Ideen, die endlich triumphiren und die Welt zur Freiheit führen.‘ Wunderbare Fügung des Schicksals! Der Tag, an dem ich sterben soll, ist der 14. Juli; am 14. Juli vor fünfzig Jahren wurde die Bastille eingenommen! … Der Gefängnißdirector besucht mich: ‚Erhalten Sie sich Ihrer Sache und Ihrer Partei!‘ sagt er zu mir. Ich erwidere ihm: ‚Das einzige Mittel, um in diesem Augenblicke meiner Sache zu dienen, ist dies, daß man mir den Kopf abschlägt; bin ich todt, dann bin ich eine Macht, und dann erst werde ich meinen Feinden zu schaffen machen, und diese Gefahr will ich ihnen nicht ersparen; was diese fünf Fuß Fleisch betrifft, die Sie vor sich sehen, so wissen Sie, daß Gott nicht mit den Feigen ist!‘.“

Die Nachricht seiner Begnadigung ließ ihn kalt; seine Schwester besuchte ihn, und als ihr der Gefängnißdirector sagte: „Ihr Bruder hatte nicht die mindeste Furcht,“ da antwortete das heldenmüthige Weib: „Das war es auch nicht, was mich beunruhigte; ich wußte wohl, daß er ebenso ruhig das Schaffot bestiegen hätte, als wenn er nach Fourtou gereist wäre!“

Vom 12. Mai 1839 bis zum 25. Februar 1848 saß er im Gefängnisse von Nimes; die Februar-Revolution öffnete die Thür seines Kerkers und erhob ihn zum Range eines Obersten der Nationalgarde.

Wieder war es der Monat Mai, der für ihn verhängnißvoll werden sollte. Enttäuscht durch den Verlauf, den die Revolution genommen, appellirte er wieder an die Waffen und an die Gewalt, unternahm einen bewaffneten Angriff auf die constituirende Versammlung und proclamirte für sich mit wenigen Anhängern auf dem Stadthause die wahre und echte Republick. Am 16. Mai wurde er verhaftet und zur Deportation, was mit lebenslänglichem Gefängniß gleichbedeutend war, verurtheilt. In der Anklageacte fand sich eine Reihe der unwahrsten und lächerlichsten Beschuldigungen: er habe Paris in Brand stecken und der Plünderung preisgeben wollen; er hätte die Rolle Robespierre’s gespielt und den Befehl zur Anfertigung von fünfzig Guillotinen schon ausgefertigt etc. Barbès fand es auch diesmal unter seiner Würde, auf die albernen Fragen, die ihm vorgelegt wurden, zu antworten.

Bis zum 9. October 1854 – also sechs Jahre und drei Monate – saß er im Gefängnisse von Belle-Isle, und hier war es, wo er seine Schrift „Zwei Tage lang zum Tode verurtheilt“ schrieb. Seine Freiheit erhielt er diesmal durch Napoleon den Dritten! Als man ihm die Nachricht davon brachte, sagte er wie aus einem Traume erwachend: „So, man hat also in Frankreich einen Kaiser? Ich habe nichts von ihm verlangt!“

Er weigerte sich auf das Entschiedenste, die kaiserliche Gnade anzunehmen, und als sich trotz seines wiederholten Verlangens die Thüren seines Kerkers für ihn nicht mehr öffneten, reiste er nach Paris. An den Director des damals officiellen „Moniteur universel“ richtete er sofort nach seiner Ankunft folgenden Brief:

„Mein Herr! Ich komme soeben in Paris an, und ich ergreife die Feder mit der Bitte, die folgenden Zeilen in Ihr Journal aufzunehmen. Der Director des Gefängnisses von Belle-Isle hat am 5. d. M. einen kaiserlichen Befehl erhalten, dessen Motive ich nicht untersuchen will, da es nicht meine Gewohnheit ist, die Handlungsweise meiner Feinde zu verdächtigen. Als ich die Nachricht vernahm, da übermannte mich der unnennbare Schmerz des Besiegten, und so lange es mir möglich war, weigerte ich mich, mein Gefängniß zu verlassen. Ich wende mich deshalb an Sie, mein Herr, um desto lauter und deutlicher verstanden zu werden. Was geht es denn denjenigen, der gar kein Recht auf mich hat, überhaupt an, wenn ich mein Vaterland liebe oder nicht? Steht nicht immer der zweite December zwischen mir und ihm? Da er meiner persönlichen Würde zu nahe getreten ist, so halte ich es als loyaler Feind für meine Pflicht, der Welt gegenüber offen zu erklären, daß ich aus allen meinen Kräften gegen die soeben mit mir in Scene gesetzte Maßregel protestire. Ich werde daher noch zwei Tage in Paris bleiben, damit man mich in’s Gefängniß zurückbringen kann; verstreicht dieser Termin, dann werde ich nächsten Freitag Abend freiwillig in’s Exil gehen.

Paris, 11. October 1854, zehn Uhr Morgens.

A. Barbès.“ 


Man ließ ihn in Ruhe. Er wandte sich zuerst nach Spanien, später nach Brüssel und, von hier ausgewiesen, nach dem Haag, das er seit dieser Zeit nicht mehr verlassen hat. Seine Gesinnungsgenossen, Victor Hugo und seine beiden Söhne, Louis Blanc, Bernard, Rochefort besuchten ihn hier öfters; angesehen und geachtet von der Bevölkerung, unter welcher er lebte – denn das Unglück hat immer etwas Ehrfurchtgebietendes – wohlthätig gegen Arme und Hülflose, denen er mit vollen Händen gab, lebte er seinen Studien und der Pflege seiner durch die langen Gefängnißjahre zerrütteten und geschwächten Gesundheit. Der Zufall wollte es, daß er der sogenannten „Gevangenpoort“ gegenüber wohnte; jenem Gefängnisse der beiden Brüder Jan und Cornelius de Witt, jener unbeugsamen und eifersüchtigen Wächter der republikanischen [508] Staatsform der Niederlande, die jenes Gefängniß nur verließen, um vom Pöbel in Stücke gerissen zu werden! Seine Kräfte schwanden dahin, und als ihn ein Sohn Victor Hugo’s einige Tage vor seinem Tode besuchte, sagte er ihm: „Ich werde die Republik nicht mehr erleben; Ihr könnt sie sehen; bewahrt sie dann gut!“

Jene Schrift: „Zwei Tage lang zum Tode verurtheilt“ schließt mit den Worten: „Ein junger Mann voller Kraft ging ich in den Kerker, und jetzt … o Gott! befürchte keine ungerechten Vorwürfe! Ich glaube mehr als je an die Herrlichkeit deiner Satzungen. Aber sollte die unserem theuren Lande auferlegte Prüfung in diesen Tagen ein Ende nehmen, dann, o Herr! bitte ich dich, dein Auge auf mich zu richten. Meine Arme sind abgemagert, meine Stimme hat die Kraft verloren und mein Gedanke ist eine in meinem Gehirn langsam erlöschende Lampe; aber mein Herz und meine Seele, das weißt du, sind die eines willigen Menschen, und ehe ich dieses Leben verlasse, möchte ich noch jene letzte große Schlacht zwischen Recht und Unrecht mitmachen und das Schwert schwingen im Namen der Gleichheit und Freiheit Frankreichs!“

Er sollte sie nicht mehr erleben, diese große Schlacht; er starb – am Kaiserreich. Von den sechszig Jahren, die er gelebt, brachte er mehr als zweiunddreißig in der Gefangenschaft und im Exile zu; das waren die Dienstjahre und die Wunden dieses tapfern und unerschrockenem Soldaten der Demokratie!

Die Leichenrede am Grabe hielt sein alter Gesinnungsgenosse Louis Blanc. „Was spricht man doch von freiwilliger Verbannung,“ sagte er, „wie wenn es einen Zwang gäbe, der mächtiger wäre als der, welchen das höchste Gut des Menschen, ein ruhiges Gewissen, ausübt? Kann man die Verbannung von Barbès in der That eine freiwillige nennen? Nein, gewiß nicht; denn er wurde ja nicht besiegt … der Sieg der Verfolgten besteht ja gerade aus der Reihe ihrer Niederlagen!“

So ruht er nun in dem Lande der Geuzen, der Witt und Oldenbarneveldts; es war ein bitteres Gefühl in seiner Todesstunde, daß er in fremder und nicht in Frankreichs Erde begraben werden sollte.

Was das Aeußere Barbès’ betrifft, so war er eine hohe, achtunggebietende Gestalt; eherne, stark markirte Gesichtszüge, eine hohe Stirn, buschige Brauen, unter denen ein blitzendes Auge wohnte, das ebenso mit unheimlichem Feuer leuchtete, wie mit treuherziger

Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen.

[509]

Karte vom Kriegsschauplatz. Grenze durch - - - - - bezeichnet.

[510] Gutmüthigkeit blickte; ein starker Vollbart, halb grau, halb blond – eine Erscheinung, wie wir uns die unbeugsamen und starren Anhänger ihrer Ueberzeugung und ihres politischen Glaubensbekenntnisses vorzustellen pflegen. Es war eine hochherzige, edle Natur; mag er in der Wahl seiner Mittel auch gefehlt haben, so steht die Reinheit seiner Absichten über jede Anfechtung erhaben da, und darum wird sein Name in der Reihe der „Unversöhnlichen“ immer mit Ehren genannt werden.
Th. W. 




Der letzte Krieg um den Rhein.
Nr. 1. Aus der Stadt des achtzehnten October.

Es war Nachts zehn Uhr. Und so spät noch Licht in der Sacristei der Thomaskirche? Die äußere Thür nur angelehnt – es wird keine Sünde sein, leise näher zu treten. Die Stimme des Geistlichen ist vernehmbar, tief bewegt, und das Schluchzen bittersten Weinens begleitet sie oft. Hier ist kein Geheimniß, es ist eine kirchliche Handlung, die keine Zeugen scheut. Ja, es war eine Trauung! Die Braut im Schmuck des Kranzes, der Bräutigam feldmäßig marschbereit im Landwehrwaffenschmuck. Und auf der nächsten Kirchenbank wimmerte, den Kopf in die Hände gepreßt, ein altes Mütterchen. Da schlossen Zwei den Bund für die Ewigkeit im Augenblick, wo der Ruf des Vaterlandes sie vielleicht für immer auseinanderreißt. Die feierliche Handlung war vorüber, selbst bis in’s tiefste Herz erregt, schied der Geistliche mit seinen Segenswünschen von dem Paare, und zwischen Mutter und Gattin schritt der Wehrmann in das laute Wogen der Straßen hinein, dem Bahnhof und dem letzten Trennungsschmerze zu.

Und solcher Trauungen hat Leipzig in wenigen Tagen über fünfzig in seinen beiden protestantischen Hauptkirchen und in der katholischen Kirche erlebt. Wer hätte in solchen kleinen Gruppen, wie sie aus den Gotteshäusern herauskamen mit den verweinten Augen und im Schmerz des Scheidens im innigseligsten Augenblick des Lebens aneinandergeschmiegt, Brautpaare wiedererkannt! Wahrlich, wer eine solche Hochzeit gehalten, hat’s wohl verdient, daß öffentliche Theilnahme nie von ihm weiche! –

Wie noch nie in unserem lieben Heimathlande hat diesmal die Eintracht auch den weltlichen und geistlichen Behörden die Hände frei gemacht von den Fesseln hemmenden Gesetzes und Herkommens. Noch ehe die Ministerien die öffentliche Erlaubniß zu Trauungen ohne Aufgebot für die in’s Feld ziehenden Wehrleute und Soldaten ertheilt, hatten die Geistlichen die Nothwendigkeit der Maßregel erkannt und vorher in Ausübung gebracht. Denn das Herz und die Noth trieben die Verlobten mit gleicher Gewalt zum Altar, und das Kriegsgebot duldete nicht erst das gesetzliche Aufgebot; an dessen Stelle trat ein „Ledigkeitseid“. Selbst der Glaube ließ sich keinen Unterschied aufdringen. Katholische Bräute und Bräutigame eilten der ersten besten protestantischen Kirche zu, als ob sich’s von selbst verstände, daß in dieser Zeit vor Gott Alles gleich sei! O krönte auch diesen reinen Volksglauben der Sieg im Vaterlande! – Nichts bedurfte das Brautpaar, als der Mann die Marschordre, die Braut die Einwilligung der Eltern, und in nicht seltenen Fällen mußte diese telegraphisch beschafft werden. Der Mangel an Taufscheinen konnte kein Trauungshinderniß mehr sein. Auch an keine Stunde band sich der heilige Act. Der Geistliche stand jede Stunde dazu bereit und, wie wir gesehen haben, bis in die späte Nacht segnete er noch die herbeieilenden Paare.

Das Jahr 1813 ist in Deutschland wiedergekehrt, das Wunder der Einigung des ganzen Deutschlands ist, nach einem halben Jahrhundert vergeblichen, oft blutigen Ringens, in wenigen Tagen geschehen – und entschlossen zum Kampf bis zum vollendetsten Sieg steht die gesammte Nation vor ihrem letzten Krieg um den deutschen Rhein!

Vergönnen wir heute, nach fast vier Wochen, uns einen Rückblick auf den Anfang der großen Bewegung, wie er uns in Leipzig, der alten Schlachtenstadt, vor Augen trat. Ist’s auch nur das Bild der Begeisterung in einer Stadt, so wird es, weil überall in gleicher Weise hervorgetreten, doch ein Gesammtbild unserer Nationalerhebung im Kleinen bieten, und, was vielleicht betont werden darf, eben in Leipzig.

Am vierzehnten Juli fiel der erste unheimlich rothe Schein auf den idyllischen Frieden unserer Schlachtenebene. Aus französischem Ministermunde erfuhr die erstaunte Welt, daß die spanische Krone Preußen und Deutschland, ja vielleicht Europa den so theuer bewaffneten Frieden kosten werde. Schon der folgende Tag bestätigte das Unglaubliche; der Krieg ist erklärt, beginnen soll der Kampf der zwei gewaltigsten Kriegsmächte Europas und der blühende Garten unseres Vaterlandes zum Schlachtfelde werden. Und wie steht die Nation vor dieser furchtbaren Zukunft?

Der Umschwung der Geister, der Aufschwung der Herzen von diesem Augenblick an gehört zu den Wundern der Weltgeschichte. Jede Brust athmete auf wie von schwerem Alp befreit, der sie seit Jahren gepreßt: endlich eine Erhebung ohne jeden Hemmschuh der Seele, eine Erhebung des ganzen Menschen, des ganzen Volkes! - Noch vor vier Jahren zerriß uns ein Bürgerkrieg, in welchem von dem halben Deutschland jeder Sieg als eine Niederlage beklagt, jede Niederlage als ein Sieg begrüßt wurde. Und jetzt?

Schon diese eine Stadt allein zeigt uns das ganze in einem Gefühl glückselige deutsche Volk! Wo sind Nationalliberale, wo Fortschrittler und Conservative? Ja, geradezu Unerhörtes: die Studenten, in ihrem Parteitreiben allen Jammer Deutschlands mit Jugendüppigkeit überbietend, sich gegenseitig bekämpfend, ja oft genug beschimpfend und erniedrigend, seit fünfzig Jahren nie zum Frieden gekommen, – die Studenten mit und ohne und aller Farben ein Herz und eine Seele, alle kampfbereit für das plötzlich einige Vaterland gegen den einen bis in den Tod verhaßten Feind.

Selbst der Gletscher unserer Alpen ist ein Bild dieser Bewegung. Wie er alles Unreine aus sich herausstößt und von sich wirft, so verfährt der patriotische Drang dieser Zeit gegen jedes unreine Element in unserem öffentlichen Leben, und so hat er nicht geruht, bis einer zum Ekel vaterlandsverrätherischen Zeitung durch die Verhaftung des Redacteurs ein vorläufiger Stillstand geboten war.

Steigt heute nicht Arndt wieder auf von den Todten, hören wir nicht Körner’s Ruf, donnern an unser Herz nicht Rückert’s geharnischte Sonette wie heute erst geschaffen? Und auch Schiller tritt in die Reihen der führenden Geister seines Volks. Das neue Theater faßte die Menge kaum, die zur Aufführung des „Wilhelm Tell“ strömte. Das war kein Schauspiel mehr, das war die dichterische Feier des mit beispielloser Frechheit herausgeforderten deutschen Nationalgefühls. So wie in diesen Weihestunden hat noch nie Schillers mannesstolzer Geist zu seinem Volke gesprochen. Wie in diesem Augenblick aus den Wogen des Tages herausgegriffen wirkten die Sprüche:

„Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben!“

„Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern,
In keiner Noth uns trennen und Gefahr!“

„Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt –“

Und zu einer Mahnung an die Millionen Deutscher in aller Welt wurde des sterbenden Attinghausen letztes Wort:

„Seid einig, einig, einig!“

Das volle Herz geht über, es strömt in Reden und Gesängen daheim, es strömt in Adressen in die Ferne aus. Die Bürger richten sie von der „Guten Quelle“, einer zur politischen Börse erhobenen Lieblingswirthschaft der Leipziger, aus an die Könige von Preußen, Sachsen und Baiern, die Studenten an ihre Jugendgenossen in Süddeutschland und in Oesterreich. Viele Studenten folgen ihrer Fahnenpflicht zum Heere. Ihnen und Allen, die im Geiste mit ihnen sind, giebt der Rector der Universität (Friedrich Zarncke) einen Abschiedscommers in der Tonhalle. Wohin ist da wieder die alte Scheidewand gekommen zwischen Burschen, Philistern und Knoten? Alte und junge Bürger saßen zwischen den Studenten und Professoren und Alle fühlten sich als deutsche Männer und Jünglinge, innig vereint im Glück über das Zusammenleben in so großer Zeit.

Die öffentliche Stimmung wurde in wenigen Tagen aus der brausenden Begeisterung in das ernste stille Wirken des Bürgers [511] übergeführt, während auf Plätzen und Märkten, Bahnen und Heerstraßen fortan der Soldat herrschte.

Ganz anders, als ehedem, wo der Bote mit den Einberufungsordres gemüthlich zu Fuß ging, sah man diesmal die Boten unserer Gerichtsämter hoch zu Roß aus allen Thoren Leipzigs davon jagen. Und im selben Tempo, ohne Rast und dennoch ohne Hast, geschahen die Musterungen und Einstellungen.

Am Mittwoch (zwanzigsten Juli) machte der Roßplatz seinem Namen Ehre. Für Reiterei, Artillerie und Train hatten sich die nöthigen Pferde zur Musterung gestellt. Auch hier der neue Fortschritt: Gleichheit vor dem Gesetz wie Gleichheit vor der Gefahr. Früher war kriegsdienstfrei, wer’s bezahlen konnte, jetzt muß selbst das vornehmste, geliebteste Pferd sich neben den Ackergaul in Reih’ und Glied stellen, der betreßte Reitknecht und der blaukittelige Fuhrmann sitzen auf ihren Rossen nebeneinander. Und als ein solcher mit seinem dürren Gaul daherkam und von der Heiterkeit der bunten Volksmenge begrüßt wurde, genügte seine einzige Bemerkung: „Respect, meine Herren, der da ist ein Franzosenfresser!“ – um seinem Rößlein das beste Zeugniß auszustellen.

Am Donnerstag und Freitag trat endlich, nach all’ der freudigen Erregtheit, die dunkle Seite des Kriegs aus den stillen Winkeln des Hauses, wo sie bisher gejammert, heraus auf die Straße, hervor an die Sammelplätze. Wer an den Thoren der Stadt oder den Aussteigehallen unserer Bahnhöfe harrte, der konnte Bilder malen vom stillen, sich verkriechenden Weh bis zum laut austobenden Schmerz der Trennung. Saht Ihr das arme Weib mit ihren fünf kleinen Kindern? Sie wollte das geliebte Haupt des Mannes und Vaters nicht aus der Umschlingung lassen. „O Gott im Himmel, heute gehst Du fort und morgen haben wir keinen Bissen Brod mehr!“ Da ward geholfen, und nicht nur ihr allein. Denn nicht blos, daß der armen Frau manche schöne Gabe in die Hand floß, das Bessere kam aus einem Mannesmund, der allen anwesenden Landwehrmännern und verheiratheten Soldaten es zusicherte, daß ihre Lieben die sorgsamste Pflege aus freier bürgerlicher Dankespflicht finden würden. Bedenkt, wie wohl Das den Vaterherzen unterm Waffenrock thun mußte, und haltet Wort!

Wenn auch mit dem höchsten Entzücken, dennoch nicht ohne Zähneknirschen überschaut man die Schaaren, die Blüthe unserer Nation, die der Möglichkeit der Vernichtung entgegengeführt wird. Jeder Beruf ist hier vertreten, ob wir zum Schützenregiment auf dem Roßplatz oder zu den Jägerbataillonen am alten Theater, ob zu den Artillerieregimentern auf dem Fleischerplatz oder zu den Reiterregimentern auf dem Königsplatz eilen; überall die frischeste Mannes- und Jugendkraft, hier bei den Handwerker- und Proviantcolonnen, wie dort bei den Pionnier- und den Trainbataillonen. Und überall, wo die Cameraden bei einander stehen, zeugt Auge, Hand und Mund von der Heldenhaftigkeit, die nur in einem braven Herzen wurzelt. Da ist redliche Zuversicht in die eigene Kraft und feste Siegeshoffnung, da ist bei aller Kampflust Mannesernst und bewundernswürdiger Opfermuth!

Die schönsten Beispiele stehen uns vor Augen. Wer jubelt ihnen nicht zu? Auf dem Wege vom Königsplatz zum Petersthor sehe ich einen jungen Mann in voller Reiseausrüstung dahereilen. Ein Bekannter streckt ihm die Arme entgegen. „Was, Du, Du auch hier? Woher kommst denn Du?“

„Direct von England. Wo steht mein Bataillon?“

„Dort am Roßplatz.“

„Gottlob, ich komme noch zurecht!“

Und fort rennt er, direct von England, zu seinen Kampfgenossen. –

Und dort wieder ein Anderer, von seinen Freunden begrüßt, ein Leipziger Buchhändlerssohn. Aus der angenehmsten, glänzendsten Geschäftsstelle in Turin riß er sich los, ohne eine etwaige Einberufungsordre abzuwarten. – Ein Landmann im nahen Dorfe Lindenau, selbst einst sächsischer Soldat, hat vier Söhne zu den Fahnen geführt, und wahrlich, kein Spartaner, kein Römer konnte stolzer auf diese Ehre sein, wie dieser deutsche Mann!

Ein Leipziger Blatt (die „Deutsche Allgemeine Zeitung“) ruft „unseren ausrückenden Kriegern“ einen Gruß zu. Sie sagt unter Anderm: „Leider war es dem sächsischen Soldaten - seit jener Schlacht von Jena, wo er tapfer, aber unglücklich an der Seite preußischer Bundesgenossen für ein deutsches Interesse kämpfte - nicht mehr vergönnt, in einen großen vaterländischen Kampf zu ziehen, in welchem sein ganzes Herz mit der Sache hätte sein können, für die er focht. – Jetzt zum ersten Male steht er unter einer Fahne, der nicht blos sein soldatisches, sondern auch sein patriotisches Herz voll und ganz entgegenschlagen kann. Die erbetene Ehre, mit in erster Linie der großen einigen deutschen Armee zu fechten, ist ihm gewährt worden, und er wird diese Ehre zu verdienen wissen.“

Ja, nicht mehr „Norddeutsche Bundesarmee“, sondern „das deutsche Heer“ heißt officiell von nun an die Streitkraft des einigen Vaterlandes.

Und um die Erinnerung an das große Jahr Dreizehn vollständig zu machen, hat des Reiches Schirmherr auch „das eiserne Kreuz“ wieder als Tapferkeitszeichen erneut. Das alte hat keine sächsische Brust schmücken können, aus Ursachen traurigsten Andenkens; möge das neue eiserne Kreuz der Stolz vieler Sachsen zur Ehre Deutschlands werden!
Friedrich Hofmann. 




Die unschuldige Ursache. Wenn wir heute das Bild des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen in unserem Blatte bringen, so geschieht dies weniger darum, weil wir hoffen dürfen, unsere Leser mit demselben jetzt noch zu überraschen als vielmehr der Vollständigkeit wegen und um in unseren Berichten und Bildern aus der so reich bewegten Gegenwart das Portrait desjenigen nicht vermissen zu lassen, dessen Name als Vorwand und Ausgangspunkt zu einem verbrecherischen in seinen Folgen unberechenbaren Krieg benutzt und so für immer auf das Innigste mit der Geschichte unseres Vaterlandes verknüpft wurde. Die Geschichte, wie Prim dem Erbprinzen Leopold die Königskrone der spanischen Nation angeboten und wie der Prinz dieselbe abgelehnt hat, nachdem ihre Annahme von dem Corsen auf Frankreichs Thron als Kriegsfall erklärt worden, ist bekannt; ebenso bekannt ist, wie Napoleon trotzdem in eitler Lüge und Niedertracht den von ihm gewollten Krieg heraufzubeschwören verstand, und wie ihm das deutsche Volk mit dem einmüthigen Rufe antwortete: „Nach dem Rhein!“ Wir brauchen auf diese Ereignisse, in deren Mitte wir noch stehen, hier nicht näher einzugehen und wollen an dieser Stelle auch nicht untersuchen, warum die Spanier, nachdem sie doch der immer fruchtlosen Jagd auf einen Nachfolger Isabella’s schon längst müde sein könnten, sich nicht kurzweg zur Republik zu entschließen vermögen. Vielleicht aber hätte man ihnen zur Berufung des Erbprinzen Leopold wirklich Glück wünschen können. Denn derselbe ist, wie man versichert, von Haus aus nach humanen und freiheitlichen Gesinnungen erzogen. Geboren am 22. September 1835 gehört er der älteren Linie Hohenzollern an, deren an Würtemberg und Baden grenzende Besitzungen Hechingen und Sigmaringen bekanntlich 1849 von Preußen mediatisirt worden sind. Er liebte es von jeher, seine Zeit mit philosophischen und historischen Studien auszufüllen, und folgte dieser Neigung selbst während seiner militärischen Laufbahn, die er, nunmehr seit neun Jahren mit der Prinzessin Antonie von Portugal verheiratet, als Oberst à la suite des ersten preußischen Garderegiments beschloß. Daß seine Bereitwilligkeit, dem Rufe der spanischen Nation zu folgen, in Paris solche Aufregung verursachte, könnte fast befremden, da der Prinz durch seinen Großvater, der mit der Prinzessin Antoinette Murat verheiratet war, sowie durch seinen Vater, der mit einer Tochter der Prinzessin Stephanie von Beauharnais vermählt gewesen, mit dem französischen Hofe eng verwandt ist. Immerhin verdient die angesichts der auflodernden Kriegsfackel sofort von ihm gegebene Verzichtleistung volle Anerkennung, wenn es auch nicht gelang, dadurch das entsetzliche Unglück eines Krieges zu verhüten. Wir aber vertrauen den prahlerischen Reden, den Chassepots und der Kugelspritze der Franzosen gegenüber auf die Wahrheit der an diesem Orte und in dieser Einfachheit doppelt erhabenen Worte, die zu Leipzig auf dem „Napoleonstein“ zu lesen sind: „Der Herr ist der rechte Kriegsmann; Herr ist sein Name.“




Bevor wir die erste Quittung der bei uns für die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute eingegangenen Gaben veröffentlichen, geben wir, obgleich nach unserer Bekanntmachung in Nr. 45[WS 1], des vorigen Jahrgangs nicht mehr dazu verpflichtet, ausgesprochene Wünsche berücksichtigend, nachstehend einen Schlußbericht über die letzteingegangenen noch nicht speciell quittirten Beiträge

für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes.

Lehrer Müller für die Schule zu Heckelberg 1 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf; aus Ottilienhof bei Papenheim in Ostpr. durch L. T. 1 Thlr. 18 Ngr.; Sammlung der Redaction der Peiner Zeitung in Stadt- u. Amtsbez. Peine 125 Thlr. 15 Ngr. 3 Pf; G. B. in Schleitheim (Ct. Schaffhausen) 2 Thlr. 21 Ngr.; ein Niederbayer 2 Thlr. 27 Ngr. 5 Pf; G. P. Lanz u. Co. in Genua 9 Thlr. 2 Ngr. mehrere Mitglieder des deutschen geselligen Vereins Eintracht in Pest-Ofen durch G. Nadler 157 Thlr. 24 Ngr. 5 Pf. (290 Fl. ö. W.); E. in Königsberg, Neum. 1 Thlr.; G. v. Gauger in Szelo Fjuschino 4 Thlr.; von Deutschen in Milwaukee 434 Thlr. 6 Ngr.; Ueberschuß der Humboldt-Feier in Columbus (Ohio) durch Dr. J. B. Schüller 40 Thlr.; F. S. in Paris 2 Thlr.; von einigen Deutschen in Tiflis durch F. B. Culitz in Leipzig 78 Thlr.; eingegangen bei der. Exped. des Gunzenhauser Anzeigeblattes 1 Thlr. 21 Ngr. 5 Pf.; Sammlung unter den Deutschen in Santa Fe, Neu-Mexico, durch D. Bernhard Koch 129 Thlr. 20 Ngr. (126 Doll. 50 Cent.); Sammlung in den Schulen zu Soltau durch Rector G. Meyer 11 Thlr.; Sammlung in Thorn durch Buchhändler E. Lambeck [512] 27 Thlr. 20 Ngr.; von einer Preference-Gesellschaft in St. Petersburg 4 Thlr. 5 Ngr. (5 Rubel); H. u. T. M. aus Whm. 3 Thlr.; Pfarrer Neuhaus 6 Thlr.; Ferd. Hergert in Buenos Ayres 10 Thlr.; Ungenannt in Kindelbrück 1 Thlr.; Ch. T. in Oberstein 2 Thlr.; deutsche Arbeiter in Chaux de Fonds u. Locle durch O. Treskow 4 Thlr. 1 Ngr. 2 Pf.; Ertrag eines Symphonie-Concerts des Musikchors des 1. westpr. Grenadier-Regim. Nr. 6 durch Capellmstr. W. Appold in Posen 44 Thlr. 2 Ngr. 5 Pf.; M. D. 3 Thlr.; C. Tansi u. A. Waller in Pankora 2 Thlr. 21 Ngr. 5 Pf. (5 Fl. österr. W.); von Schülern der ob. prot. Schule in Rheingönheim durch Lehrer Grübel 1 Thlr; Expedition der neuen mitteldeutschen Zeitung in Cassel 6 Thlr.; O. Lippoldt in Chicago 10 Thlr. (10 Doll.); M. v. R. in Paris 1 Thlr.; Reinertrag einer Theatervorstellung von Mitgliedern des Lesevereins in Göllheim (Pfalz) 16 Thlr.; Theodor Kirchhoff in San Francisco 10 Thlr..; ein Leser der Gartenlaube in Kreisitz 7 Ngr. (Briefmarken); Major v. J. in M. 5 Thlr.; G. E. S. in Neustadt a. O. 3 Thlr.; von in Charkow lebenden Deutschen durch A. Junkelmann 53 Thlr.; aus Iburg, nach bestandenem Examen 2 Thlr.; Hugo u. Fanny 1 Thlr.; G. Dukmann in Charkow 5 Thlr.; die Arbeiter der Steingutfabrik zu Schlierbach-Wächtenbach 9 Thlr. 3 Ngr.; Jacob Heim in Nürnberg 5 Thlr.; ein Abonnent in Freiburg i. B. 1 Thlr.; aus Nordhausen 1 Thlr.; N. N. in S. 10 Thlr.; Sammlung unter einigen Deutschen in Lodz 34 Thlr. 7½ Sgr.; R. v. F. in München 6 Thlr.; in Meyerhöffer’s Hotel in Stallupönen gesammelt 5 Thlr. 3 Sgr.; von den Fabrikarbeitern der Glasfabrik Rauscha 11 Thlr. 2 Sgr.; Unbekannt 1 Thlr.; das Amts- und Arbeitspersonal des Berg- und Hüttenwerks Achthal 13 Thlr. 21 Sgr. 5 Pf.; J. W. aus S. bei S. 1 Thlr.; Ueberschuß der Humboldt-Feier in San Francisco 273 Thlr. 15 Sgr. (40 Pfd. St.); der Thalia-Verein in San Francisco 65 Thlr. 29 Ngr. (9 Pfd. St. 13 Sh.); Gemeinde Sitzenkirch (Baden) durch Pfarrer C. Gräbener 1 Thlr. 4 Ngr. 2 Pf.; Paulinus in Sagan, Erlös aus den in Wittenberg ausgestellt gewesenen Spirituosen 4 Thlr. 10 Ngr.; vom deutschen dramatischen Verein „Thalia“ in Newark 50 Thlr.; Sammlung des Bamberger Tageblatts durch J. N. Reindl 41 Thlr. 25 Ngr.; Sammlung durch S. Lublinski in Johannisburg 18 Thlr.; aus Neustadt a. d. H. 17 Ngr. (1 Fl. rh.); Josef Lex in Salzburg 1 Thlr. 4 Ngr. (2 Fl. rh.); L. Grünewald in Edesheim 1 Thlr.; C. M. in M. 2 Thlr.; E. B. in Hoboken 3 Thlr. 6 Ngr. (3 Doll. Pap.); Gebr. Rieß 2 Thlr.; in einer Spielgesellsch. in Frankfurt a. M. gesammelt 2 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf.; M. B. (aus Rußland) 12 Thlr. 12 Ngr. 5 Pf. (15 Rubel Pap.); Sammlung durch T. Egermann in St. Petersburg 75 Thlr. 20 Ngr. (92 Rub.); H. Y. in Z. 2 Thlr.; A. Steidler in Rahwa (5 Doll.) u. C. A. Schramm in Brooklyn (2 Doll.) 8 Thlr.; durch J. C. Ulrich in Riedlingen (Würtemb.) gesammelt 22 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf.; Sammlung des Schichtmeister Schwartz in Kotterbach (Ungarn) 25 Thlr. 22 Ngr. (47 fl. ö. W.); Expedition des Anzeigeblattes in Schotten 15 Ngr. 1 Pf.; Sammlung des Herausgebers des „Welt-Boten“ in Allentown, Pa., Verein. Staaten von Nordamerika, B. J. Treler, 786 Thlr. 13 Ngr.

Summa sämmtlicher Eingänge 7810 Thlr. 3 Ngr. 9 Pf.
Der Rest dieser 7810 Thlr. 3 Ngr. 9 Pf. ist, mit Ausnahme der in diesem Jahre erst eingegangenen 742 Thlr. 13 Ngr., bereits am 21. December vorigen Jahres dem Central-Comité in Döhlen übermittelt worden.
Die Redaction der Gartenlaube. 


An unsere Leser!

Der Kampf des einigen Deutschlands gegen Frankreich hat begonnen, und unserer gerechten Sache kann der Sieg nicht fehlen! Dieser Sieg will aber mit der äußersten und allgemeinsten Opferfreudigkeit errungen sein.

Wie tief auch die Erbitterung über den französischen Kriegsherrn, dessen Kaiserreich die Lüge ist, und die Verachtung gegen eine Volksvertretung von Bedientenseelen und eine von solchen Händen am Gängelbande geführte Nation in jedem deutschen Herzen pocht, so sagt uns doch der Verstand, daß wir diesen Feind in seiner kriegerischen Fähigkeit nicht unterschätzen dürfen, sondern daß die zwei gewaltigsten Gegner Europas dem blutigsten Kampfe des Jahrhunderts entgegengehen.

Darum sehen wir auch, daß unsere sämmtliche waffentüchtige Mannschaft bis zur Landwehr und den Ersatzmannschaften hinauf zu den Fahnen gerufen ist.

Dieser Marschbefehl schließt ein Thor von Elend auf! Denn er reißt den Gatten vom Weibe, den Vater von den Kindern, den Ernährer vom häuslichen, nur durch seinen Fleiß gewärmten Herd.

Hier ist die allererste Hülfe nöthig! – Hier gilt’s nicht nur der augenblicklichen Noth und dieser nur nothdürftig steuern, nein, hier gilt’s, daß die allgemeine Liebe die des Vaters und Gatten ersetze, damit dem scheidenden Manne das Herz unter dem Waffenrocke, das der Jammer über das Verlassen der Lieben schon tief genug drückt, wenigstens frei sei von der ärgsten Sorge um sie. Unsere Soldaten müssen überzeugt sein, daß die Ihrigen in Gottes und braver Bürger Hut stehen; sie müssen mit der Beruhigung das Leben dem Feinde entgegentragen, daß selbst ihr Tod für die Ihrigen wohl der größte Schmerz, doch nicht das größte Unglück werden könne.

Diese Liebes- und Dankespflicht für unsere verehelichten Kämpfer erfordert aber die energischeste Zusammenraffung aller Kräfte. Keine Stunde darf versäumt werden! Wie wackere Männer von Stettin ihren Pommerischen Mitbürgern, so rufen wir durch die Gartenlaube allen Deutschen zu:

„Für’s Vaterland die Herzen auf, die Truhen auf! Jetzt ist Euer Herz geöffnet – so zaudert nicht. Vertagt eine Schuld nicht, die Ihr heut’ lösen könnt. Gedenket, wie Eure Väter, Eure Mütter das Theuerste, was sie besaßen, einst freudig dahingaben, vom Finger den goldenen Ehering, vom Haupte den wallenden Haarschmuck. Und sie waren arm gegen uns, sie waren ausgesogen durch dasselbe Räuberthum, das jetzt mit blutgierigem Geheul sich gegen unsere Grenzen heranwälzt. So laßt uns nicht kargen. Was frommt uns der eitle Tand, wenn das Vaterland in Stücke geht! Gold für Eisen!

Jeder Ort, jede Stadt muß es sofort für eine Ehrensache erklären:

die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute,

welche trotz redlichsten Fleißes doch keinen Sparpfennig für Tage der Noth zurücklegen konnten, in ihre sorgsamste Obhut und Pflege zu nehmen. Schande über jede Bürger- und Bauernschaft, die diese Ehrenpflicht nicht erfüllte!

Für arme Ortschaften, für welche das Opfer unerschwinglich sein sollte, hat aber der Glücklichere zu sorgen, und so achten wir nicht die Bitte, sondern die Mahnung an alle unsere Leser im Vaterlande, vor Allem aber auch an die treuen Landsleute in der Fremde dies- wie jenseits der Meere, jetzt als Deutsche ihre Schuldigkeit zu thun! Zu ihnen dringt die „Gartenlaube“ oft von allen deutschen Zeitschriften allein vor, und darum erbietet sie sich auch, alle Vaterlandsopfer aus Amerika, wie aus Rußland, aus Australien, wie aus England, von den fernsten Inseln des stillen Oceans, wie aus Ungarn, Italien und allen Ländern, welche deutscher Culturhöhe ihre Anerkennung nicht versagen, zu empfangen, öffentlich zu quittiren und zu ihrer Bestimmung an die betreffenden Behörden und Vereine in ganz Deutschland zu befördern.

Wir eröffnen die Sammlung mit folgenden Beiträgen:

A. Wiede 25 Thlr., Dr. Fr. Hofmann 3 Thlr.; H. Oelschläger 3 Thlr.; Dr. A. Fränkel 3 Thlr.; Lina 10 Thlr.; Melanie 5 Thlr; einige Markthelfer des Keil’schen Geschäfts 5 Thlr.; Redaction der Gartenlaube 100 Thlr.; Professor Bock 20 Thlr.; Ed. Kauffer 3 Thlr.; Aarland 5 Thlr.; Gradinar 1 Thlr.; P-p 3 Thlr.; Schuwardt 1 Thlr.; Heinr. Doerge 5 Thlr.; Hoehme in Zwoenitz 5 Thlr.; C. F. Sußmann 3 Thlr.; A. Bernsdorff 3 Thlr.; Adolf Gumprecht 15 Thlr.; Albert Traeger 5 Thlr.; Karl Reißenberger, Student aus Siebenbürgen, 1 Thlr.; Buchb. Wolfram 5 Thlr.; August Wiede 5 Thlr.: Sidonie Wiede 3 Thlr.; F. H., Lehrer, 10 Thlr.; C. Lange 2 Thlr.; Knorr 2 Thlr.; Fräulein Poller 10 Thlr.; Frau N. 5 Thlr.; Geschwister N. 2 Thlr.; C. N. 20 Thlr.; Dr. Ferdinand Stolle 5 Thlr.; Marie für ein bereits vor 5 Jahren schlafengegangenes deutsches Herz 1 Thlr.; Ella, die Letzte auf der zweiten Bank, 3 Thlr.; Hp. 5 Thlr.; Kl. 10 Thlr.; „Deutschland über Alles“ aus Bockau 10 Thlr.; Ch. A. M. T. Fr. 5 Thlr.; Carl, Bertha, Marianne in Dresden 3 Thlr.; ein armes Dienstmädchen 5 Ngr.; der erste Wiener Turnverein für die ersten Verwundeten 80 Gulden; B. Kl. L. 10 Thlr.; Frau A-n 4 Thlr.; Adv. Kind 25 Thlr.; Pauline v. Hoffmann 50 Thlr.

Gruß in alle Fernen, wo man mit uns ausruft: „Deutschland über Alles!“

Leipzig, den 18. Juli 1870.
Redaction der Gartenlaube. 

Nicht zu übersehen! Wenn auch unsere Berichterstatter und Specialartisten bereits an den muthmaßlichen Kriegsschauplatz abgegangen sind, so können wir zu unserm lebhaftesten Bedauern heute doch noch keine Beiträge derselben bringen, da die vorliegende Nummer noch in den Tagen der Mobilmachung in die Presse gegangen ist. Wir bitten dies mit der großen Auflage des Blattes zu entschuldigen und werden das Versäumte in den nächsten Nummern nachzuholen wissen.
Die Redaction.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 46