Die Gartenlaube (1870)/Heft 9

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1870
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[129]

No. 9. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Aus eigener Kraft.
Von W. v. Hillern geb. Birch.
(Fortsetzung.)
9. Helione.

Herbst und Winter waren vorüber. Alfred hatte die traurige Eiszeit, während deren er immer im Zimmer bleiben und vom Fenster aus zuschauen mußte, wie Aenny mit den Anderen im Schnee spielte, ziemlich gut überstanden, und sein Vater, der des Knaben Wachsthum alljährlich auf einem an die Wand genagelten Brette bezeichnete, konnte diesmal den Strich zur großen Freude der Familie um einen Finger weiter hinaufrücken. Aber gegen Aennchen kam er freilich nicht auf. Alle Säume hatten dem Riesenmädchen heruntergelassen werden müssen. Sie hatte im März ihren zehnten Geburtstag gefeiert, und doch war sie so groß wie der vierzehnjährige Junge, und ihre Ausgelassenheit kannte keine Grenzen mehr. Nicht genug, daß sie täglich ein paar Stunden regelrecht turnte und ihren Turnlehrer durch ihre Kraft und Ausdauer in Staunen setzte. Da war kein Baum, auf den sie nicht kletterte, kein Graben, über den sie nicht sprang, kein ausgespanntes Wäscheseil, an das sie sich nicht hing und woran sie sich wie eine Glocke hin und her schwang. Alle Abschüssigkeiten, Unebenheiten, Vorsprünge, Ecken und Kanten dieser Welt, an denen sich andere Menschen ängstlich vorbeidrückten, schienen nur dazu da, daß Aenny die Kraft ihrer jungen Muskeln daran erprobe, ungefähr wie junge Hunde an Allem nagen, was hart ist, um dem Reiz der durchbrechenden Zähne zu genügen.

So wuchsen und gediehen die Kinder der Hösli’s. Auch die Fabrik war vollendet; sie glich mit ihren hohen Schornsteinen einer kleinen betriebsamen Stadt mit vielen Kirchthürmen und zwar einer reichen, denn nirgends traf das Auge innerhalb ihres Weichbildes auf Armuth und Elend. Herr Hösli war ein Fürst, der seine Unterthanen glücklich zu machen verstand. Gelingen und Glück zeigte sich rings um ihn her und erschien den Saltens wie eine Zauberei, weil sie die natürliche Ursache desselben nicht kannten, den Fleiß. Nur Einer von ihnen kannte und besaß ihn, es war Alfred. Er war sich im vergleichenden Hinblick auf Alles, was sich seiner jungen Seele in dem eigenen und dem Leben der Nachbarn bot, bewußt geworden, daß Arbeit der Hebel ist, der Alles in Bewegung setzt; er hatte erkannt, daß es heutzutage keine Bedeutung mehr giebt als die der Leistungsfähigkeit, und ein unbezwinglicher Lerneifer – die erste Erscheinungsform eines männlichen Strebens in dem zarten Knaben – bemächtigte sich seiner. Der Candidat hatte ihn nur immer zurückzuhalten, nicht anzufeuern, und selbst in seinen Freistunden gönnte er sich nur eine Erholung, wenn Aenny kam; blieb sie weg – was jetzt öfter geschah als früher, denn der sanfte „vernünftige“ Alfred genügte dem kleinen Kraftgenie nicht mehr –, dann benutzte er die Zeit, wo der Candidat ihn sich selbst überließ, um heimlich weiter zu lernen. Auch hierin wie sonst beim Spielen mußte Tante Lilly herhalten. Sie mußte ihn überhören oder ihm dictiren, wenn er etwas rasch abschreiben wollte, um es besser einzuprägen. So saßen sie an einem herrlichen Junimittage in der Freistunde zwischen Zwölf und Eins beieinander und Lilly überhörte ihn lateinische Vocabeln, ein Ueberhören, welches darin bestand, daß sie Alfred die deutschen Vocabeln und er die lateinische Uebersetzung sagte. Sie hatten zu solch ernsten Beschäftigungen einen Aufenthaltsort gewählt, wo sie stets allein waren, einen alten verwahrlosten Pavillon, am Ende des Gutes, den nie Jemand betrat, weil er hinter dem Hause lag und keinen Blick auf den See bot. Die arme Lilly kam nicht recht mit ihrer Obliegenheit zu Stande, denn es war dunkel in dem Pavillon, dessen von Ranken und Gestrüpp überwachsene Fenster keinen Sonnenstrahl hereinließen, und sie hatten die Thür des Pavillons zugeschlossen, angeblich um des ungestörten Lernens willen, in der That aber nur, weil es Beiden ein behagliches Gefühl war, vor den übrigen Tanten sicher zu sein.

„Alfred,“ sagte Lilly, als die Aufgabe pflichtschuldigst hergesagt war, „ich habe was Gutes, da sieh her!“ Sie zog eine große Schachtel mit Chocolade hervor. „Das darfst Du auch essen; komm, wir wollen’s uns schmecken lassen.“

Alfred drohte ihr lächelnd mit dem Finger: „Tante, Tante – Du vernaschest wieder Dein ganzes Taschengeld! Was würde Tante Bella sagen, wenn sie das wüßte? Da, hörst Du? Sie ruft schon, als ob sie’s gemerkt hätte, daß Du hier etwas Verbotenes treibst.“

Lilly fuhr erschrocken mit der Chocolade in die Tasche, Beide horchten. Es war in der That Bella, aber sie hatte diesmal nicht die zitternde Lilly, sondern Adelheid zu ihrem Opfer auserkoren.

„Adelheid,“ rief sie, „wo bist Du? Adelheid!“

Lilly und Alfred rührten sich nicht in ihrem Versteck und athmeten auf, als die Gefahr vorüber war und Bella’s Stimme in der Ferne verhallte.

Adelheid war eine Strecke über das Gut hinausgegangen, um zu sehen, wie weit der Candidat mit einer Zeichnung gediehen sei, die er auf ihren Wunsch zum nahen Geburtstage des Freiherrn anfertigte.

[130] Auf einer kleinen Landzunge, die ein paar uralte Kastanien beschatteten, hatte er sich niedergelassen und er war so vertieft in seine Arbeit, daß er Adelheid erst bemerkte, als sie schon hinter ihm stand. Er sprang so rasch auf, daß die Mappe, auf der er gezeichnet, ihren Inhalt in einer Menge loser Blätter umherstreute. Erschrocken bückte er sich darnach, aber bevor er sie zusammenraffen konnte, hatte Adelheid eine Zeichnung erblickt, die ihr eigenes sprechend ähnliches Portrait war. Sie entriß es dem Candidaten, ehe er es fassen konnte, und ein holdseliges Erglühen überflog sie, wie ein sechszehnjähriges Mädchen.

„O, Sie haben mich gezeichnet!“ rief sie, „wie unfreundlich, uns das Bild zu verbergen!“

„Es ist ja nur eine Studie, gnädige Frau,“ sagte der Candidat kalt.

„Was heißt das griechische Wort, das Sie darunter schrieben?“ fragte sie.

„Eine Phantasie – weiter nichts, gnädige Frau!“

„Herr Feldheim, warum sind Sie so fremd und zurückhaltend gegen mich geworden?“

Er schwieg.

„Herr Feldheim,“ rief Adelheid mit plötzlichem Entschluß und hob die kleine weichgeformte Hand auf, „diese meine rechte Hand gäbe ich darum, wenn Alles wieder zwischen uns werden könnte, wie es war, wenn wir die alte Unbefangenheit, die alte Herzlichkeit wiederfänden, die uns im Laufe der Zeit abhanden kam! Wüßte ich nur wenigstens, wer von uns Beiden die Schuld daran trägt – Sie oder ich?“

Feldheim schaute über sie weg und schwieg mit einem Ausdruck, als habe er so viel zu sagen, daß er nicht wüßte, wie er es in Worte kleiden solle.

Sie sah es und wartete geduldig auf Antwort, aber die Antwort war ganz im Gegensatz zu der erwarteten ein gezwungenes: „Sie beschämen mich, gnädige Frau!“

„Das heißt, Sie fühlen sich als den schuldigen Theil?“ frug Adelheid.

Jetzt fiel der Blick des Candidaten voll und ernst auf sie, und sie bereute die Lüge, sie demüthigte sich unter diesem Blick und wurde wahr.

„Nein, Herr Feldheim,“ sagte sie, „ich fühle, daß ich die Schuld trage, und doch, wenn Sie wüßten – wenn Sie in meiner Seele lesen könnten, Sie würden mir es nicht anrechnen, gewiß nicht!“

„Ich rechne Ihnen nichts an, gnädige Frau, als die Güte, welche Sie mir, seit ich in Ihrem Hause bin, erwiesen, denn diese ist das Beherrschende, das, was immer die Oberhand behielt in Ihrem Wesen.“

„Ich danke Ihnen für dieses Wort,“ sagte Adelheid, „haben Sie Geduld mit mir. Sie sind ja mein einziger Halt in diesem nichtigen Treiben, an Ihnen will ich mich aufrichten, denn Sie allein sind ohne Fehl unter uns Allen.“

„Gnädige Frau“ sagte der Candidat bewegt, „ich bin nichts als ein Mensch, der seine Pflichten liebt.“

„Und ist das nicht Alles, ist es nicht das Höchste? Liebte Jeder seine Pflichten, wer würde sie dann versäumen? Wo blieben dann Schuld und Reue in der Welt? Und welch traurige Pflichten sind es, die Sie lieben! Wahrlich, ich bewundere Sie! Wo ist die Freude, die Zerstreuung, die Erholung, die Sie sich gönnen, wo der Lohn den wir Ihnen bieten könnten, über den Sie nicht hoch erhaben wären? O Herr Feldheim, schelten Sie mich nicht eitel und zudringlich, wenn ich immer wieder versuche, Ihnen etwas sein zu können, trotz meiner Unvollkommenheit, wenn ich Sie bitte: erziehen Sie mich zu dem, was ich sein müßte, um Ihnen würdig zu danken, um Ihnen einen Schimmer von Glück in Ihr entsagungsvolles Dasein zu bringen.“

Der Candidat lauschte diesen Worten wie einer fernen Musik, die Strenge wich von seiner finstern Stirn und sein Auge ruhte mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf ihr.

Sie lehnte sich an den Stamm einer mächtige Kastanie, die Strahlen der Mittagssonne fielen golden durch das Laubdach auf ihre rothen wilden Locken und durchschimmerten ihre glühenden Augen, mit denen sie zu dem Candidaten aufsah. Ein Tizian, ein Fleisch und Blut gewordener Tizian stand sie vor dem stillen Mann, dem Asceten, und der Hintergrund des Bildes war der blaue See und das schneeige Gebirge, der Vordergrund ein einsames lauschiges Kastanienwäldchen, durch dessen Dickicht kein Auge blickte, als das der kleinen Bachstelze, die auf dem Busche saß und neugierig das Köpfchen drehte. Weder das schöne üppige Weib, dessen unbestimmtes Verlangen gleich dem scheuen Vogel den verschlossenen Mann umflatterte, noch die kleine beobachtende Bachstelze hatten eine Ahnung von dem Sturm, der sich inmitten dieses friedlichen Stilllebens in der starren Brust Feldheim’s erhoben hatte. Hätten die Stürme in einer Menschenbrust nach außen Kraft, den See hätte er aufgewühlt und den Himmel verdüstert. Aber die Schmerzen und Kämpfe einer Seele kann auch nur eine verwandte Seele empfinden und Adelheid war zu weit ab von dem Verständniß des Lehrers, um zu fühlen, was in ihm vorging.

So stand er noch immer unbeweglich und, wie es schien, unbewegt vor ihr, und die Mittagshitze brütete heiße und immer heißere Gedanken in den Beiden aus – ein Schritt, eine Spanne vorwärts und er hatte sie erreicht – eine Hand brauchte er auszustrecken und der Tizian trat aus seinem Rahmen und sank an seine Brust! Und er hatte nie gekostet, was Erdenwonne sei, er hatte nie den nervigen Arm um ein Weib geschlungen, hatte nie die schwellende Kraft des jugendlichen Herzens in einem heißen Kusse ausgeströmt. Am Büchertisch hatte er seine Jugend vertrauert, Sorge und Kummer um eine alte Mutter, die er ernährte, waren die Genossen seiner schlaflosen Nächte und vorwärts eilend auf dem rauhen Pfad der Pflicht hatte er sich nicht Zeit gelassen, eine einzige Blume zu pflücken – nicht eine einzige armselige Blume! Und hier neigte sich ihm zum ersten Male des Lebens üppigste Blüthe zu – er fühlte, daß sie sich ihm zuneigte – und er mußte an ihr vorübergehen, wenn er nicht vor sich zum Dieb werden sollte. O, tausendmal leichter im Schweiß seines Angesichts Felsblöcke aus seinem Wege räumen als diese Rose, die sich ihm bot, zur Seite schieben!

Und sie sah den Kampf lodern in seinen Blicken, sah die verschlossenen Lippen zucken, sah die seltsame süße Feindseligkeit des mit seiner Liebe ringenden Mannes auf seiner Stirne drohen – und ihr Herz schwoll an in unnennbarer Sehnsucht. Alles, Alles war vergessen, der Gatte, der Geliebte – was waren sie Alle gegen diesen Mann in seiner makellosen unnahbaren Hoheit! Und sie lehnte das Haupt wie trunken an den Stamm und schlang ihren weichen Arm um die rauhe Rinde. „Herr Feldheim,“ sagte sie fast flehend und engelhaft schüchtern im Gefühl ihrer Unwiderstehlichkeit, „Herr Feldheim, nicht wahr, was Sie jetzt bewegt, ist nicht Haß gegen mich?“

„Ich Sie hassen!“ rief der Candidat erglühend. „Das konnten Sie nicht im Ernste glauben, und es wäre eine Beleidigung, wollte ich Sie erst des Gegentheils versichern! Sie sind das Märchen meines gedankennüchternen Lebens, ein Wesen so gottbegnadet, wie ich keines sah. Sie fragten mich vorhin, was das griechische Wort heiße, das ich unter Ihr Bild geschrieben. Nun denn, Sie machen mir Muth, es Ihnen zu sagen: es heißt Helione! Die Gelehrten behaupten, wir seien Alle nichts anderes als verwandeltes Sonnenlicht! Bei Ihnen aber hat sich die Wandlung nicht ganz vollzogen, Sie haben noch mehr von dem Urelement an sich als alle Anderen, Sie sind noch lauter Sonnenlicht. Es ist als durchschimmere es Ihren ganzen Körper, als strahle es glühend von Ihnen aus. Wer Ihnen eine Ader öffnete, dem strömte wohl statt Blut Sonnengold entgegen. O Helione, sonnengeborene Frau, kein Staubgeborener kann das Auge auf Sie heften ohne geblendet zu sein! Und dennoch –“

„Und dennoch?“ fragte Adelheid in höchster Spannung. „Weiter, weiter!“

„Und dennoch haben auch Sie Ihre Sonnenflecken, wie das mächtige Gestirn, aus dem Sie hervorgegangen sind! Vergeben Sie das kühne Wort, ich glaube aber, die Güte, welche Sie mir erweisen, nicht besser lohnen zu können, als durch Wahrheit. Eine Lüge wäre zu klein für Sie. Ja, gnädige Frau – es ist manches in Ihnen, was mir Ihr glänzendes Wesen verdunkelt. Es ist dies vor Allem der Mangel an Liebe, den ich an Ihnen nach einer gewissen Richtung wahrgenommen. Sie sind gegen uns Alle so gut, der Fremdeste sonnt sich in Ihrer belebenden Nähe, und nur Einer ist ausgeschlossen aus dem Strahlenkreis Ihres Herzens und darbt und friert im Winter seiner Jahre: Ihr Gatte!“

Adelheid zuckte zusammen.

„Gnädige Frau, Sie haben es in der Hand, mich zu strafen [131] für meine Worte. Ich aber kann nicht anders, Sie haben mir zum ersten Male die Lippen geöffnet, ich muß es aussprechen: ich glaube, Sie wären glücklicher, wenn Sie Ihre Pflichten mit mehr Liebe erfüllten. Daß Sie es nicht thun, ist es, was Sie und Ihre Umgebung elend macht! Seit Jahren sehe ich es blutenden Herzens mit an und auch ihr Sohn beginnt es in seinem Gerechtigkeitsgefühl zu ahnen, daß Ihr Gatte, der edle gütige Greis, Alles entbehrt, was solch altes Menschenherz an Zärtlichkeit bedarf. Umgeben von den launischen zänkischen Schwestern, in steter Sorge um sein Kind, hat er Niemanden, der ihm Freude geben könnte, als Sie. Sie sehen es, müssen es sehen – und haben kein Mitleid! Das, gnädige Frau, ist mir ein unlösbarer Widerspruch in Ihrem sonst so wahren Wesen. Ich weiß wohl, Sie können Herrn von Salten nicht als Gattin lieben – und er fordert das auch sicher nicht. Ein kleiner Theil des Wohlwollens, womit Sie mich und Andere beglücken, würde dem anspruchslosen Greis Wohlthat sein. – Nennen Sie mich nicht undankbar, daß ich Ihre Güte mit solch bitterer Wahrheit lohne, aber eben das Glück, was ich in Ihrer beseligenden Annäherung empfand, ließ mir den communistischen Spruch schwer auf die Seele fallen: ‚Keiner hat ein Recht auf Ueberfluß, so lange noch Einem das Nöthigste fehlt.‘ Ich würde an meinem edeln Herrn zum Räuber, wenn ich den Reichthum, den Sie mir bieten, hinnähme, während er, welcher das erste und heiligste Recht an Sie hat, das Nöthigste entbehrt. Ist es nicht meine Pflicht, Ihnen zuzurufen: ‚Geben Sie zuerst ihm, was ihm gehört, und mir – was übrig bleibt!‘?“

Er schöpfte Athem, als habe er die schwerste Arbeit vollbracht. Adelheid hatte die Stirn an den Baum gedrückt und schwieg. Der Candidat raffte Mappe und Zeichnungen zusammen und sagte leise: „Man wird uns zu Hause vermissen, gnädige Frau!“

Sie winkte ihm stumm mit der Hand sich zu entfernen, er schritt gesenkten Hauptes durch das Gebüsch. Wie eingewurzelt blieb er stehen, der Baron und Wika traten ihm entgegen. Auf der Stirn des alten Herrn malte sich eine matte Röthe der Scham und er streckte in unverkennbarer Bewegung dem Candidaten beide Hände hin, als wolle er damit eine große stumme Abbitte thun für eine Beleidigung, von der Feldheim erst durch die Abbitte eine Ahnung bekam.

Beide Männer standen sich einen Augenblick schweigend gegenüber und hielten sich fest bei den Händen in warmem unausgesprochenem Entgegenkommen. Wika unterbrach die Pause: „Wir wollten Sie zum Essen holen, Herr Candidat, fanden Sie aber so im Gespräch vertieft, daß wir nicht zu stören wagten.“

„Kommen Sie, mein lieber Feldheim!“ sagte der Freiherr und legte im Weitergehen seinen Arm in den des Candidaten. Adelheid hatte sich indeß gesammelt und trat aus dem Dickicht hervor mit glühenden Wangen und gesenkten Wimpern.

„Na, Frau Schwägerin,“ höhnte Wika und wollte sich gleichfalls auf deren Arm stützen „Sie müssen vor der Hand doch noch mit der zänkischen Schwester vorlieb nehmen!“

Adelheid löste mit einer fast königlichen Geberde ihren Arm vom dem Wika’s: „Ich bitte, führe Dich an dem, welchen Du hierher geschleppt, um mich zu belauschen, Verrätherin! Ich habe nichts mehr mit Dir gemein, als den Namen, der mein Fluch geworden!“

„Sieh, sieh einmal,“ grinste Wika, die wieder ganz in ihrem Elemente war. „Die Frau Schwägerin sind ja gewaltig stolz geworden, seit Sie erfahren haben, daß Sie gar aus der Sonne abstammen! Freilich, freilich, solch schöne Complimente können wir anderen ‚Staubgeborenen‘ nicht machen. Ich werde aber Deinen Freunden schreiben, daß man die Briefe an Dich nicht mehr ‚Ihro Hochwohlgeboren‘ – sondern ‚Ihro Hochsonnengeboren‘ adressirt.“

„Wika,“ rief Adelheid außer sich, „bei Euch müßte ein Engel zum Teufel werden! Was ich auch je gefehlt haben mag, tausendfach ist es gebüßt in der Geduld, mit der ich Eure Bosheit ertrug. Hier aber, Wika, ist die Grenze dessen, was ich aushalten kann. Das, was Du in dieser Stunde gehört, laß aus dem Bereich Deiner Quälereien, das bringe nicht mit einem Worte mehr über Deine Lippen – oder ich thue endlich, was ich bisher stets verschmäht, ich suche Schutz gegen Dich bei meinem Gatten.“

Wika erschrak. Es war das erste Mal, daß Adelheid drohte, ihren Mann zu Hülfe zu rufen, und Wika wußte, daß der Freiherr nichts unerbittlicher verurtheilte als Bosheit. Sie schwieg und trippelte athemlos und blinzelnd neben Adelheid her, die so unbelästigt und ungeblendet in dem Brand der lachenden Sonne dahin schritt, als wäre sie wirklich von verwandtem Element.

Der Freiherr war mit Feldheim weit voraus. Er führte sich immer noch an dem jungen Mann und Beide sprachen ernst und angelegentlich miteinander. Sie traten in das Haus, ohne die Damen abzuwarten, und als diese endlich nachkamen, ging Adelheid sogleich auf ihr Zimmer und schloß sich ein. Sie zuckte zusammen, als sie an den Tisch trat, denn da lag ein Brief Egon’s an sie! Mit zitternder Hand erbrach sie ihn, die Photographie eines schönen Mannes fiel ihr daraus entgegen! Sein Bild in diesem Augenblick! Sie war tief erschüttert. Sie warf sich auf die Kniee und erhob wie vor einem Altar flehend die Hände: „Vergieb, vergieb, Egon!“ rief es in ihrer Seele. „An Dein Herz flüchte ich mich zurück – Du, Du nur bist die Liebe, die immer gleiche, die wahre! O Egon, mein Egon – vergieb, vergieb!“ Und sie brach in einen Strom heißer bitterer Reuethränen aus und küßte das Bild, und drückte es an ihren Busen, als wollte sie an dem Bilde gut machen, was sie an dem verbrochen, den es darstellte! –

„Nun?“ fragte im Corridor unten Bella die zornige, schwitzende Wika mit gespannter Erwartung.

„Nichts war’s,“ keuchte Wika, „wir haben sie zu früh aufgescheucht. Sie sind noch nicht so weit mit einander, wie wir es dachten. Hätten wir nur vierzehn Tage länger gewartet, da wäre die Frucht reifer gewesen!“

„Nun,“ meinte Bella mit gefalteten Händen, „so können wir uns wenigstens sagen, daß wir das Seelenheil dieser beiden jungen Verirrten gerettet haben, ohne sie zu vernichten. Sie sind jetzt gewarnt und werden –“

„Ach, geh’ mir mit Deinen Dummheiten,“ fuhr Wika sie an; „was kümmert mich der Adelheid ihr Seelenheil! Den Candidaten will ich aus dem Hause bringen, und nun sitzt er fester als je!“

„O Wika – er ist doch ein Diener Gottes – sei nicht so hart gegen ihn!“

„Ja, nimm ihn auch noch in Schutz! In meine Ohren hab’ ich’s hineingehört, wie er uns zänkische alte Jungfern genannt hat, die dem Alten das Leben verbittern; ein sauberer Diener Gottes das! Ich will’s ihm eintränken, wart nur!“

Da kam Adelheid aus ihrem Zimmer herunter, einen eingelegten Brief Egon’s an ihren Mann in der Hand. Eine gewaltsam unterdrückte Bewegung verrieth sich noch immer, und ihre Augen leuchteten fieberhaft unter den langen Wimpern hervor.

„Ich habe einen Brief von Vetter Schorn,“ warf sie mit gleichgültig sein sollender Miene hin, „er will uns mit meinem Neffen Victor in drei Wochen besuchen.“

„Egon? willkommen!“ rief der Freiherr, der soeben aus seinem Zimmer trat und die letzten Worte gehört hatte. „Ei, das ist ja sehr schön!“

„Du hast doch nichts dagegen, daß er meiner Schwester Sohn mitbringt?“ fragte Adelheid, als wäre dies die Hauptsache an dem Ereigniß.

„Wenn es Dich freut, meine Adelheid – so ist er mir tausendmal willkommen. Victor wird auch ein prächtiger Gefährte für unsern Alfred sein, die Knaben sind ja fast in einem Alter,“ rief der alte Herr und führte Adelheid in das Speisezimmer, wo Feldheim mit Alfred und Lilly wartete.

„Wie gut Du bist!“ flüsterte Adelheid und sah scheu von ihm zu dem Candidaten hinüber, dessen Auge fest und ruhig wie je auf sie gerichtet war. Sie neigte ihr flammendes Gesicht dem Gatten zu und noch einmal streifte ihr Blick den Candidaten.

„Meine Adelheid,“ sagte der Freiherr und zog ihren Kopf an seine Brust. „Mein Weib“ – er hielt inne und verbesserte sich leise, „mein Kind, mein schönes gutes Kind, lege Dich und alles, was Dich drückt, an dies alte Herz – und denke, es sei das Deines Vaters!“ Er wischte eine Thräne ab, die voll in seinen weißen Wimpern perlte, und trat zum Tisch. „Setzen Sie sich heute hierher neben mich, Herr Candidat,“ sagte er und drückte mit seiner blutlosen Hand die pulsirende Rechte des jungen Mannes.




[132]

10. Die Vettern.

Jetzt begann auch endlich einmal im Hause der Salten neues Leben.

Alles war wie verwandelt, Menschen und Gegenstände. Es war ein Putzen und Fegen und Ausbessern bis auf den Grund, denn Graf Schorn sollte den alten Glanz der Salten nicht vermissen, wenn er kam. Wika commandirte den ganzen Tag im Hause herum hinter den Mädchen d’rein, die von Seifenschaum trieften und Alles, was Farbe hielt, unter Wasser setzen mußten. Sogar der leichtsinnigen Lilly, die sonst nie abstäuben durfte, weil sie Alles zerbrach, wurden einige ungefährliche Gegenstände zur Reinigung anvertraut.

Der Freiherr dressirte den ganzen Tag einen neuen Bedienten, der nichts begriff, als daß er bei seinen Uebungen für jedes Glas Wasser, welches er credenzte, ohne es zu verschütten, einen Centime und für jede Platte, die er um den Tisch servirte, ohne Löffel oder Gabel herunter zu werfen, zwei Centimes bekommen sollte.

Bella endlich hatte sich die schwerste Aufgabe gestellt. Sie wollte noch bis zur Ankunft des Vetters einen ganzen Vorrath wollener Leibchen und Binden für das große Johanniterspital, zu dessen Vorstand Schorn gehörte, fertig machen, welchen dann der liebenswürdige Vetter in seinem Koffer oder auch in einem besonderen Koffer portofrei mitnehmen durfte. Wie würde sich der edle Mitbruder in Christo über diese holde Fürsorge und Theilnahme für die Bestrebungen seines hohen Ordens erbauen! Diese Freude mußte ihm um jeden Preis verschafft werden, und die gute Seele nahm sogar sechs arme Tagelöhnerskinder, welche den Vater oder die Mutter verloren hatten, auf ihr Zimmer; die mußten ihr den ganzen Tag stricken helfen, wofür sie ihnen in ihrer christlichen Güte und Barmherzigkeit das Essen gab und sie schöne Bibelsprüche auswendig lernen ließ. So sorgte sie doch auch zugleich für das Seelenheil ihrer kleinen Mitarbeiterinnen an dem wollenen Werke Christi – und wenn eines der Mädchen recht fleißig gewesen – o Freude! dann bekam es – sie kannte keine Grenzen, wenn sie einmal im Wohlthun war – dann bekam es gar eines der hübschen frommen Büchelchen, auf Fließpapier gedruckt, „zur Belehrung und Veredelung der christlichen Jugend“, mit deren Verbreitung ein religiöser Frauenverein die eifrige Bella betraut hatte.

Die kleinen Mädchen dachten wohl manchmal, solch ein warmes Kittelchen für den Winter wäre ihnen lieber! Sie wußten eben nicht, was für ein Unterschied zwischen den Armen eines Vereins, wo Gaben und Geber einregistrirt werden, und den Armen besteht, die ihre Almosen genießen, ohne daß Jemand etwas davon erfährt.

So hatte Jeder im Hause seinen Wirkungskreis, innerhalb dessen er den Empfang des geehrten Gastes vorbereitete, selbst der Candidat und Alfred trieben ihm zu Ehren eifrig die Geschichte der Johanniter, nur Adelheid kümmerte sich um nichts und ging herum wie in einen Traum verloren. In dem allgemeinen Trubel bemerkte es zum Glücke Niemand, nur die wachsamen Augen des Candidaten verfolgten sie unablässig, und gerade ihn vermied sie am ängstlichsten!

Endlich war der Tag der Ankunft Egon’s da. Der Freiherr freute sich auf den großen Vetter und Alfred auf den kleinen. Adelheid ließ sich den ganzen Morgen nicht sehen, „die gnädige Frau machten Toilette“, so oft nach ihr gefragt wurde. Der alte Herr fuhr mit Alfred und dem neuen Bedienten nach Zürich hinein, um die Gäste abzuholen. Die Tanten versammelten sich schon in großer Aufregung im Besuchzimmer, Bella strickte krampfhaft die letzte Binde von einem Dutzend fertig. Wika las noch schnell die Zeitung und Lilly flickte sich am Leibe einen langen Riß in ihrem einzigen Staatskleide zu, der wieder – sie begriff nicht wie – hineingekommen war. Adelheid zeigte sich noch immer nicht.

„Thue mir den Gefallen, Lilly,“ sagte Wika streng, „und wackle nicht immer mit den Zähnen, wenn der Graf da ist. Es ist eine unanständige Gewohnheit.“

„Ja, das ist wahr,“ bemerkte Bella, „besonders bei Tische! Man meint immer, sie fallen Dir einmal auf den Teller.“

Es war die Art der Schwestern, ungewohnte Ereignisse dadurch einzuweihen, daß sie Lilly im Voraus für jede von ihr zu erwartende Ungehörigkeit auszankten.

„Lieber Himmel, wie soll ich’s denn machen,“ warf Lilly schüchtern ein, „wenn mir das Gebiß locker ist und nicht mehr hält?“

„Nein“ schrie Wika, „es hält Dir schon, lüge nicht, aber Du spielst immer mit der Zunge daran herum, wenn Du Langeweile hast, und schiebst es hin und her.“

„Und dabei hast Du beständig den Mund offen wie ein kleines Kind. Man muß sich ja für Dich schämen!“ sagte Bella.

„Laßt mir neue Zähne machen, dann braucht Ihr Euch nicht zu schämen,“ sagte Lilly und verzog weinerlich das Gesicht.

„Trag Dein Geld zu Christus und nicht zum Zahnarzt!“ mahnte Bella streng.

„Zu Christus? Wo soll ich’s denn da hintragen?“ fragte das arme Kind mit einem Anflug sehr gewagten Trotzes.

„Weißt Du ’s nicht, dummes Ding? Gieb’s nur Bella, die hat seine directe Adresse!“ höhnte nun Wika ihrerseits die ältere Schwester. „Ueberdies findest Du in jedem Wohlthätigkeitsverein einen Briefkasten für unseren Herrn Jesus – aber es werden nur Geldbriefe und Werthsachen angenommen.“

„Ich will nur sehen, welche Strafe Gott noch für Dich aufgespart hat, Du giftgeschwollene Lästerin!“ flüsterte Bella und ihre Lippen wurden so fein und dünn wie zwei Messerschneiden, während Wika aus vollem Halse lachte und Lilly ganz heimlich einer kleinen harmlosen Schadenfreude genoß.

„Jetzt kommen sie,“ schrie Wika und deutete nach einem Kahn, der sich dem Ufer näherte. Man hatte von diesem Fenster aus den Blick auf den See frei.

„Schnell die Handschuhe an!“ befahl Bella, steckte ihr Strickzeug in die Tasche, daß es einen dicken Auswuchs an ihrer hagern Gestalt bildete, und zwängte ihre krummen dürren Finger in ein Paar großer Glacés, die sie unter dem Preise gekauft, weil sie Sporflecken hatten. „Lilly, Du ziehst Handschuhe an,“ befahl sie, „ohne Widerrede!“

Lilly fuhr ohne Widerrede in ihre schmutzigen Glacés und bemerkte leider zu spät, daß es ein brauner und ein grauer war.

„Jetzt bemühen sich die Gnädige endlich herunter,“ sagte Wika, die am Fenster Alles beobachtete. „Schön ist das Weib, schön wie die Sünde – das muß ihr der Neid lassen!“

„Ja wohl, schön wie die Sünde,“ betonte Bella mit bekümmerter Miene, „mögen die Engel des Herrn jeden schuldlosen Mann vor ihr bewahren.“

Adelheid schwebte mehr, als sie ging, den Weg über die Kastanienterrasse dem See zu. Sie war wirklich blendend anzusehen. Sie trug ein durchsichtiges weißes Kleid mit kleinen eingewirkten Margueritenblumen und grünen Blättern übersäet. Durch die wild aufgebauschten Locken hatte sie ein flatterndes hellgrünes Band geschlungen, das an der Seite nachlässig von einem Büschel wirklicher Marguerites zusammengehalten war. Was Natur und Kunst thun können, um ein Weib unwiderstehlich zu machen, das war bei Adelheid geschehen und selbst die Mumie Bella durchschauerte eine entsetzensvolle Ahnung von dem Eindruck, den dieser Reiz auf einen Mann mit jungen Sinnen machen müsse.

Den breiten weißen Strohhut trug Adelheid in der Hand; es wäre ja schade gewesen, wegen der paar Schritte die wundervolle Frisur zu verdecken. Ihre wallenden Haare leuchteten weit hin unter dem grünen Kastaniendach. „Helione,“ flüsterten ihr unhörbar zwei Lippen am einsamen Giebelfenster nach. „Helione,“ wiederholten es tausendfach die Lüfte, wo sie ging. „Helione,“ klang das Echo in ihr selbst.

Dort kam ihr Der entgegen, welchem sie Sonne war, und sie ging ihm auf in ihrer ganzen Strahlenpracht, daß er versengt war bei dem ersten Blick, versengt bis in’s Herz hinein. Sie war so prunkhaft und sieghaft in diesem Augenblicke – jede Kraft will sich ja bethätigen, und ihre Kraft war ihre Schönheit und heute machte sie sich wieder einmal geltend. Das Wunder ihrer Erscheinung wirkte auf sie selbst zurück. Sie fühlte den Druck der Luft als eine huldigende Liebkosung. Es war ihr, als umwogten sie die Wellenlinien der eigenen wundervollen Formen wie eine warme wonnige Fluth, in der sie sich schaukelte. So mußte Aphrodite empfunden haben, als sie sich aus dem Schaume des Meeres werden fühlte und ihr göttlicher Leib sie halb noch als Woge umfloß, ehe er sich verdichtete zu dem Urbild aller Körperschöne!

(Fortsetzung folgt.)


[133]
Ein wiedergefundenes Grab.

Es sind in den letzten Decennien dieses Jahrhunderts in Deutschland eine große Zahl von Standbildern und Monumenten errichtet worden, gewidmet dem Andenken solcher Männer, welche sich auf den Gebieten der Wissenschaft und Künste unvergänglichen Ruhm erwarben.

Die Freudigkeit, mit welcher aller Orten zu derartigen Unternehmungen durch reiche Spenden beigesteuert wurde, dürfen wir wohl mit Recht als eine Frucht des auch in weiteren Kreisen neu erwachten Nationalgefühls im deutschen Volke begrüßen, wodurch es möglich wurde, den Manen vieler großer Männer endlich eine Ehrenschuld abzutragen, welche längst als verjährt angesehen werden konnte.

Hundert Jahre ruhte Leibnitz bereits in der Neustädter Kirche zu Hannover, als man daran dachte, ihm, den Ker v. Kersland[WS 1] „die Zierde seines Vaterlandes“ nennt, ein Denkmal aufzurichten; – Luther hat gar drei Jahrhunderte warten müssen, bis man den Ort, wo er einst vor Kaiser und Reich Leib und Leben für das reine Evangelium einsetzte, mit einem würdigen Monumente bezeichnete, und viele Jahre lang war Danneker’s Büste auf der Bibliothek zu Weimar das einzige Erinnerungszeichen an Schiller, den Liebling des deutschen Volkes.

Auch Braunschweig hatte und hat noch manche alte Schuld dieser Art abzutragen. Diese Schuld stammt besonders aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wo der durch hohe Bildung und warme Begeisterung für alles Edle und Schöne ausgezeichnete Herzog Karl der Erste, nach Gründung des Collegii Carolini einen Kreis der bedeutendsten Männer jener Zeit um sich sammelte, eine Epoche, welche mit Recht als die „Morgenröthe der deutschen Literatur“ bezeichnet wird. War es doch Amalie, die in jenem Kreise aufgewachsene Tochter Herzogs Karl, welche die goldene Saat von Braunschweig aus nach Weimar trug, aus der dann unter ihrem und ihres Sohnes Karl August Schutze die große Blüthezeit der deutschen Literatur emporwuchs.

Lessing’s Ruhestätte auf dem St. Magni-Kirchhofe in Braunschweig.

Zu diesem Kreise in Braunschweig gehörten vor Allen: F. W. Zachariä, der geniale Dichter des „Renommisten“, Carl Christian Gärtner, Johann Arnold Ebert, als Dichter und geistvoller Uebersetzer gleich hoch geschätzt, Friedrich Wilhelm Jerusalem, Conrad Arnold Schmid, Anton Leisewitz, der Dichter des „Julius von Tarent“, – Johann Joachim Eschenburg, der Uebersetzer des Shakespeare, – lauter Namen, die einen guten Klang haben. Sie alle ruhen auf den Friedhöfen um Braunschweig; wollte aber Jemand diese Gräber besuchen, wir würden ihm nur wenige davon nachweisen können. Selbst die Denksteine, mit welchen man sie einst bezeichnete, haben ihr Vergessenwerden nicht abwenden können; so ist unter anderen Zachariä’s Ruhestätte auf dem St. Katharinen-Kirchhofe längst eingeebnet, und der des Dichters Namen tragende Sockel seines zerstörten Monumentes dient jetzt, in den großartigen Anlagen des Todtenackers ausgestellt, einer modernen eisernen Vase als Untersatz.

Lessing, obgleich als herzoglicher Bibliothekar in Wolfenbüttel wohnend, gehörte diesem Kreise doch auf’s Innigste an. Denn in Wolfenbüttel, wo ihm jeder Umgang fehlte, „weil er den, welchen er haben konnte, nicht haben mochte“, fühlte er sich sehr vereinsamt, und immer wieder trieb es ihn aus dem „verwünschten Schlosse“ hinüber in die Mitte der ihm geistesverwandten Männer, nach Braunschweig. – Hier starb er auch bekanntlich am 15. Februar 1785, und zwar im Hause des ihm befreundeten Weinhändlers Angott am Aegidien-Markte, der ihm ein Zimmer zum Absteigequartier eingeräumt hatte. Von diesem neuerdings mit einer Denktafel bezeichneten Hause aus setzte sich an einem trüben Wintermorgen der einfache Leichenzug in Bewegung, welcher den großen Denker und Dichter zum St. Magni-Kirchhofe geleitete, auf dem ihm Angott in der Nähe des Platzes, wo er selbst einst zu ruhen gedachte, das Grab hatte graben lassen. Lautlos und mit thränenfeuchten Augen schieden die wenigen Freunde von dem frisch aufgeworfenen Hügel, der dann mehrere Jahre schmucklos dalag, bis [134] Joachim Heinrich Campe, der Verfasser des „Robinson“, denselben mit einem schlichten Steine bezeichnete, der des Verstorbenen Namen, Geburts- und Sterbetag trägt. Zur Errichtung eines anderweiten Monumentes vereinigte sich zwar eine Anzahl von Freunden und Verehrern Lessing’s, aber das Unternehmen fand nur sehr geringen Anklang. So, unter anderen, veranstaltete der auch als dramatischer Dichter durch sein viel gegebenes Lustspiel „Nicht mehr als sechs Schüsseln“ bekannte Schauspieldirector Großmann eine Benefizvorstellung in Kassel, spielte aber Minna von Barnhelm, aller den Zweck der Vorstellung warm empfehlenden Bekanntmachungen ungeachtet, vor leeren Bänken, – und an anderen Orten ging es nicht besser. Aus den so kümmerlich zusammengetragenen Mitteln wurde endlich das Monument beschafft, welches anfangs auf dem Schloßplatze zu Wolfenbüttel aufgestellt war, später aber in das Treppenhaus der herzoglichen Bibliothek versetzt wurde. Es ist aus blauem Blankenburger Marmor mit Lessing’s Reliefbüste aus weißem Marmor und trägt die Inschrift: „G. E. Lessing, Denker, Dichter, Deutschlands Stolz, einst der Musen und seiner Freunde Liebling.“

Blieb auch der Geistes-Heros in Dem, was er gewirkt und geschaffen, unvergessen, sein Grab vergaß man bald. Generation um Generation wurde auf dem St. Magni-Kirchhofe bestattet; die, welche einst den frischen Hügel ihres und der Musen Lieblings mit Lorbeer und Rosen geschmückt hatte, waren selbst zum Frieden eingegangen, und längst schon gehörte der Theil des Kirchhofes, wo Lessing bestattet war, zu der Abtheilung, wo nicht mehr begraben wurde. – Da kam in den dreißiger Jahren, irren wir nicht, von Wien aus, eine Anfrage über Lessing’s Grabstätte. Das für Braunschweig beschämende Bekenntniß, daß außer der allgemeinen Angabe, Lessing liege auf dem genannten Kirchhofe, keine nähere Auskunft ertheilt werden könne, veranlaßte den um die später erfolgte Errichtung des herrlichen Standbildes von Rietschel hochverdienten Dr. C. Schiller, sofort eine Nachforschung anzustellen. Nach wochenlangem vergeblichem Suchen endlich entdeckte man, unter hochaufgeschossenem Gebüsch versteckt, von Dornen und Gestrüpp überwuchert, den moosüberwachsenen grauen Stein, mit welchem einst Campe das Dichtergrab bezeichnet und so vor dem Vergessenwerden bewahrt hatte.

Der St. Magni-Kirchhof, jetzt einer der schönsten Friedhöfe Braunschweigs, ist hoch gelegen; gegen Süden wird er durch einen Fahrweg von dem ehemals Campe’schen, jetzt Vieweg’schen Garten getrennt, dessen prächtige alte Baumgruppen ihm hier als Hintergrund dienen. Nach Westen hin öffnet sich ein freier Blick auf die etwas tiefer liegende Stadt, über deren Häuser und Gärten in nächster Nähe von Lessing’s Sterbehaus und Monument gelegene Aegidien-Kirche majestätisch emporragt. Das Grab des großen Mannes, von dem die Gartenlaube heute eine an Ort und Stelle aufgenommene Abbildung bringt, befindet sich weit ab von dem Theile, wo jetzt begraben wird. Verfolgen wir den den Friedhof durchschneidenden Hauptweg, dann stehen wir fast am Ende desselben vor einer Reihe großer Monumente, welche sämmtlich der einst Lessing befreundeten Familie Angott zugehören; dicht dahinter, von dunkeln Fichten und hohe Linden beschattet, liegt auf dem von immergrünem Epheu umrankten Hügel jener oben erwähnte graue Stein, einfach und schmucklos, aber bezeichnet mit einem Namen, dessen Glanz durch die Jahrtausende strahlen wird.

So gehört denn diese geweihete Stätte, wo „ein Herz in Staub zerfällt, das groß und mächtig einst geschlagen“, wieder zu den Orten, dahin der Braunschweiger den bei ihm einkehrenden Fremden mit Stolz führt und an welcher dieser dann eine Blume oder einige Epheublätter pflückt, um sie als Erinnerungszeichen von Lessing’s Grabe heimzubringen.
C. St.




Holländische Leute.
Von Karl Braun (Wiesbaden).
Nr. 1. Deutsche Träume in einem holländischen Bette. – Im Schillerhause in Weimar. – Mein holländischer Studiengenosse. – Onkel und Neffe. – Das Stoofje. – Ein holländisches Gesellschaftszimmer.

Es war am 31. August. Morgens hatte ich noch in allem Behagen in Wiesbaden meinen Kaffee getrunken und Abends aß ich mit einem durch Fasten verstärkten Appetit in Rotterdam im Hôtel Sanct Lucas ein treffliches Beefsteak. Da die Welt durch Lob und Tadel, durch Belohnung und Strafe, durch Zuckerbrod und Peitsche regiert wird, so konnte ich mich nicht enthalten, dem Oberkellner etwas Schmeichelhaftes über das treffliche Fleisch zu sagen. Er war Holländer; das meiste übrige Personal bestand aus Deutschen. Mit einem triumphirenden Gesicht setzte er mir auseinander, das in den Branntweinbrennereien, wie in Schiedam etc., gemästete Vieh werde alles nach England geschickt, dagegen das auf der Weide gemästete, dessen Fleisch das „leckerste“ sei, das esse der Holländer selbst oder setze es den Gästen vor, die ihm die Ehre erweisen, ihn zu besuchen. Dabei machte er ein so selbstbewußtes und siegstrahlendes Gesicht, als sei er einer von den Meergeusen und habe mir soeben seinen Schutz gegen den grausamen Spanier gewährt. Darauf tauschten wir mit feierlich ernsthaften Gesichtern eine internationale Verbeugung aus.

Was den Viehexport nach London anlangt, so konnte ich mich später von der Richtigkeit der Angaben des Oberkellners überzeugen. Ich fuhr nämlich mit einem der großen Dampfboote der Rotterdamer Compagnie, „Fyenoord“ geheißen, von da nach London. Die Fahrt dauerte von elf Uhr Morgens bis den andern Tag früh neun Uhr. Abgesehen von einem Mißstande, dessen ich noch gedenken werde, ist diese Route nach London sehr zu empfehlen. Die Schiffe sind groß und die Maschine ist gut, so daß das Fahrzeug nicht rollt, das heißt nicht quer von links nach rechts schwankt, eine Bewegung, die weit unangenehmer ist als die Längsbewegung des Schiffes. Prachtvoll ist die Einfahrt Morgens früh von der hohen See herunter in die Themse hinein, während Sonne und Nebel mit einander kämpfen und die stattlichen Gebäude auf beiden Ufern (Woolwich, Greenwich etc.) sowie die Schiffe auf dem Strome, warunter auch das abgetakelte Kriegsschiff, welches jetzt als Hospital für Matrosen aller Nationen (for sailors of all nations) dient, abwechselnd verhüllen und enthüllen. Ich blieb wie gewöhnlich von der Seekrankheit verschont. Gute Nerven und guter Rum, eine contemplative Stimmung und eine horizontale Lage auf Deck sind die besten Mittel dazu. Ich wollte eben als die ersten Opfer der Seekrankheit in mein Tagebuch eintragen: erstens eine junge Governeß, welcher drei Kinder anvertraut waren, die nun durch den Zustand ihrer Führerin förmlich verlassen waren und unserer Fürsorge anheimfielen; zweitens einen jungen Engländer mit so riesenhaften Backenbärten, daß er sie unter dem Kinn in einen geschmackvollen Knoten hätte schlingen und so die Halsbinde sparen können; – da wurde ich darauf aufmerksam gemacht, auf dem Vorderdecke des Schiffes seien schon Hunderte der Krankheit erlegen. Als gewissenhafter Reisender begab ich mich sofort dahin, um mich durch Autopsie zu überzeugen. Und es war so. Die ganze andere Hälfte des Schiffes war angefüllt mit Kälbern, Rindern und Ochsen, die der Holländer in’s Ausland verbannte, weil sie mit den Abfällen der Branntweinfabrication gemästet und deshalb für ihn nicht „lecker“ genug waren. Mag ihnen dies traurige Schicksal, von ihren Compatrioten verschmäht zu werden, zu Herzen gegangen sein oder nicht – so viel ist gewiß: sie hatten die Seekrankheit weit früher bekommen als die Menschen, mitinbegriffen die blonde Governeß und das menschliche Anhängsel des riesigen Backenbartes. In Folge dieses Krankheitszustandes verbreitete das von der Strafe der Auswanderung und Landesverweisung betroffene batavische Rindvieh Ausdünstungen, welche gerade keine ästhetische Wirkungen hervorbrachten; und es ist möglich, daß, da im Uebrigen die See still und die Fahrt schön war, sich die Krankheit nur auf dem Wege der Ansteckung von dem thierischen Vorderdeck auf das menschliche Hinterdeck verbreitet hat.

Ach, was müssen Menschen und Vieh nicht ausstehen, um tagtäglich einen solchen Riesenmagen wie London zu sättigen! Indessen vermehrt man dort wenigstens nicht die Qualen durch Mahl- und Schlachtsteuer, wie dies immer noch in der Hauptstadt der preußischen Monarchie und des Norddeutschen Bundes geschieht. [135] Mahl- und Schlachtsteuer neben einer Communal-Einkommensteuer wie in Berlin, – das ist eine Einrichtung, wie sie nur selten in der Welt zu treffen ist und auf die die Metropole der Intelligenz wirklich stolz sein könnte, wenn sie sich nicht ihrer schämen müßte.

Kehren wir von dieser Abschweifung zurück nach Rotterdam in das Hôtel Sanct Lucas.

Der vornehm-feierliche Oberkellner, den seine Untergebenen Mijnheer anredeten, leuchtete mir die Treppe hinauf zu einem in der ersten Etage gelegenen Zimmer, welches etwa sechsmal so groß war als die in unseren deutschen Hôtels für Passanten bestimmten Zimmer, welche ich „Menschenfutterale“ nenne; denn wir armen Sterblichen werden förmlich hineingepreßt wie Löffel in das Löffelfutteral. Am hintern Ende des großen Zimmers befanden sich zwei durch Vorhänge davon geschlossen gesonderte Schlafräume oder Alkoven, jeder größer für sich als ein deutsches Durchschnitts-Hôtel-Zimmer. Auch die Betten haben dreifach so viel Flächenraum als die deutschen. Ich habe mir oft den Kopf darüber zerbrochen, warum wir Deutsche verurtheilt sind, in schmäleren und kürzeren Betten zu schlafen als die übrigen Völker Europas. In alten Patrizier- oder reichen Bauernfamilien finden wir auch in Deutschland heute noch Bettstellen, welche mehrere Jahrhunderte alt sind und uns durch ihre Dimensionen den Beweis liefern, daß diese Zurücksetzung in der nächtlichen Ruhe, unter welcher wir jetzt im Vergleich zu unseren Nachbarnationen leiden, neueren Datums ist und wir uns ehedem besserer Verhältnisse erfreut haben. Aber heut zu Tage ist es, trotz des Norddeutschen Bundes und seiner Reformen, in der Beziehung wenigstens immer noch schlecht bestellt im deutschen Vaterlande; und die Gelegenheit, diese Existenzfrage zu regeln, welche sich bei dem Gesetz über Maß und Gewicht vielleicht geboten hätte, ist leider versäumt worden.

Während ich in dem geräumigsten Alkoven des Zimmers Nr. 2 in dem Hôtel Sanct Lucas in Rotterdam mich in das ebenfalls sehr geräumige Bett legte, und zwar zunächst einmal quer, um mich zu überzeugen, daß es wirklich auch in der Breite mehr als sechs Fuß maß, dachte ich darüber nach, was ich im deutschen Vaterlande in Betreff räumlich allzusehr beengter Betten „schaudernd selbst erlebt“. Das Schlimmste war in Weimar, also in einer deutschen Residenz, die längere Zeit hindurch den Culminationspunkt des geistigen Lebens der Nation bildete, aber auch nur des geistigen. Es war, wenn ich nicht irre, im Herbste 1862 auf dem Abgeordnetentag oder einer der anderen politischen Versammlungen, in welchen damals das deutsche Volk umging, wie ein Geist, der seinen Körper verloren und ihn noch nicht wieder gefunden hat.

Da die Hôtels der kleinen Residenz nicht ausreichten, um ein paar hundert Fremdlinge zu beherbergen, so hatte ein Local-Comité mit dankenswerther Bereitwilligkeit für Privatwohnungen gesorgt. Ich hatte eine freundliche Wohnung bei einem ehrsamen Barbier am Markte gefunden und war anfänglich wohl damit zufrieden. Aber die Qual ging an, als ich spät in der Nacht zu Bette ging. Unter meiner sterblichen Hülle, die zwei Centner Zollgewicht wiegt, stöhnte das Bette fast so, wie ein allzuschwer beladenes Kameel ächzt. Außerdem hing entweder mein Haupt oder mein Fußgestell über, stets in Gefahr, wie unsere Bergleute sagen: „in’s Freie zu fallen“, und selbst auf beiden Seiten reichte der Raum nicht. Am andern Morgen machte ich meiner Wirthin gütliche Vorstellungen, ob sie mir nicht eine andere, etwas geräumigere Bettstelle beschaffen könne. Die gute Frau sah mich groß an; sie schien mich nicht zu verstehen. Als ich ihr nun unter Aufwand aller Beredsamkeit schilderte, wie wenig die Proportionen des Bettes denen meines ungeschlachten fränkischen Körpers entsprechen, lachte sie und sagte: „Ach, Sie sollten erst einmal das Bette sehn, in welchem der selige Schiller geschlafen, als er noch lebte.“

Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und ging zur selbigen Stunde in das Schillerhaus. Ich fühlte mich beschämt, als ich die elenden Dachstübchen sah, worin unser großer Dichter gewohnt, und das schmale Brett, worauf er geschlafen, und das man meines Erachtens nur mit euphemistischem Unrecht ein „Bette“ genannt hat. Nachdem ich die nächtliche Tortur in Weimar überstanden und meinen politischen Pflichten als deutscher Reichsbürger genügt hatte, reiste ich zu meinem Vergnügen gen Süden. Die schlechten Betten begleiteten mich, so weit die deutsche Zunge klingt, das heißt bis Bruneck an der Rienz in Deutsch-Tirol. Dann überschritt ich die Sprach- und Wasserscheide, die hier durch riesenhafte und phantastische Dolomit-Felsen gebildet wird. Mein nächstes Nachtquartier war in Wälsch-Tirol, in Cortina d’Ampezzo, einem viertausend Fuß über Meer gelegenen Städtchen mit etwa dreitausend Einwohnern, die vom Holzhandel leben, von den „Schwarz-Gelben“ nichts wissen wollen und sich lebhaft der Zeit erinnern, da sie zur Republik Venedig gehörten. Ob sie Recht haben, für diese Zeit zu schwärmen, will ich dahingestellt sein lassen; denn der hohe Rath von Venedig regierte seine Vasallen nicht allzu milde. Gewiß aber ist, daß die Ampezzoer nach Sprache und Sitte Italiener sind und ihre wirtschaftlichen Interessen sie nach Süden und nicht nach Norden weisen. Sie empfinden es daher schmerzlich, daß sie von dem Venetianischen durch eine Landesgrenze getrennt sind. In Cortina d’Ampezzo war sofort das Bette wieder von derselben Ausdehnung, wie hier in Rotterdam. Warum?

Ich nahm in meiner Betrachtung (denn ich hielt es für passend, über diese culturhistorische Frage noch kurz vor dem Einschlafen zu philosophiren) als gewiß an, daß wir auch in Deutschland ehedem geräumige Betten hatten. In den fürstlichen Schlössern, in den wenigen alten und wohlconservirten Patrizier- und Bauernhäusern, welche bis heute übrig geblieben, finden wir sie noch. Der Masse der Bevölkerung aber sind sie abhanden gekommen in dem wirthschaftlichen Ruin, in welchen Deutschland vom sechszehnten Jahrhundert an immer tiefer versank. Wir verloren das Bewußtsein des vornehmen Mannes. Im neunzehnten sind wir wieder in die Höhe gekommen. Wir verdanken es zunächst dem Zollverein und der unzerstörbaren Tüchtigkeit des deutschen Bürgerthums. Aber häuslich eingezwängt sind wir doch vielfach auch heute noch. Und darum ist es Zeit, daß sich auch das deutsche Bürgerthum wieder breit mache, wie es in der That schon längst an Besitz und Intelligenz breit ist. Warum soll es nicht auch in seinen Lebensgewohnheiten wieder auf der Leiter der socialen Ordnung emporsteigen? Sind wir doch in Deutschland überall im Wiederaufstreben, in der Regeneration begriffen. Werde ich, obgleich im Alter schon Ende der Vierzig stehend, es auch noch erleben, daß man in Deutschland, in Weimar, in dem Ilm- Athen, in einem geräumigeren Bette schläft, als unser „seliger Schiller“? …

Deutsche Träume in einem holländischen Bette! – „Und ein Narr wartet auf Antwort,“ sagt Heinrich Heine. – Da ich es aber nach Möglichkeit vermeiden wollte, Argumente dafür zu liefern, daß man mich für einen Narren halte, und da ich ohnehin den ganzen Tag auf der Eisenbahn gefahren war, so schlief ich unter dem Schutze des heiligen Lucas ein, ohne jene wichtigen Fragen auszutragen. – –

Das Hôtel St. Lucas in Rotterdam ist das, was man in Graz in Steiermark auf gut Oesterreichisch „ein durchgehendes Haus“ nennt, womit man dort ein solches solides altes Haus keineswegs beschuldigen will, daß es wild geworden ist, wie ein Pferd, und im Begriffe steht, „durchzugehn“, sondern nur ausdrückt, daß es durch die ganze Häuserinsel hindurch sich erstreckt und sowohl auf die diesseitige, wie auf die jenseitige Straße aufstößt. St. Lucas stößt also mit seiner vorderen Façade auf die Hoogstreet (Hochstraße) und mit der hinteren auf die Torenstreet und den Groenmarkt. Auf letzterem liegt die Lorenzikirche, gewöhnlich die „groote Kerk“ (große Kirche) genannt. Ich glaube, es kam von dieser Kirche, nach welcher hin mein Zimmer lag, das seltsame Glockenspiel, das mich am andern Morgen aus einem erquickenden Schlaf weckte. Bei uns kennt man solche Schnurrpfeifereien nur noch bei Spieldosen. Es klingt merkwürdig feierlich prätentiös und doch dabei so außerordentlich verzopft und verschnörkelt. Aber es ist typisch. Kein richtiger holländischer Kirch-, Glocken- oder Uhrthurm darf seiner entbehren. Und überhaupt hat der Holländer, so ehrbar, gesetzt und phlegmatisch er ist, eine auffallende Liebhaberei an dergleichen kirchlichen Possen und Spielen. Diesen merkwürdigen Gegensatz hatte ich schon als Student kennen gelernt.

Mit mir zusammen studirte auf einer deutschen Hochschule ein junger Mann aus den Niederlanden, dessen Person und dessen Verhalten zu uns ein Vorbild war für das Wechselverhältniß zwischen Deutschland und Holland. Er hieß im Anfange – auf deutschen Hochschulen muß ja Jeder seinen Spitz- oder Kneip- oder Cerevis-Namen haben – „der fliegende Holländer“, weil seine außergewöhnlich langen Rockschöße beim Gehen hinter ihm drein exentrisch flaggenhafte Bewegungen machten. In Holland trugen [136] guter Leute Kind damals lange Röcke, während sie bei deutschen Studenten gar nicht kurz genug sein konnten, obgleich damals die Schützenfeste und die Schützenbrüder-Joppen noch nicht erfunden waren. Mein holländischer Freund studirte Naturwissenschaften, und zwar mit solchem Fleiße, daß er in der That eine, wenngleich etwas bestrittene, Autorität in seinem Fache geworden ist. Mit nicht minderem Eifer befleißigte er sich der deutschen Sprache. Dabei stellte sich aber die seltsame Erscheinung heraus, daß das Deutsche auf der einen und seine Muttersprache von der andern Seite bei ihrer großen Verwandtschaft so in einander überliefen, daß daraus ein Drittes entstand, das weder Deutsch noch Holländisch war. Als er zwei Jahre in Deutschland studirt hatte, kehrte in den Briefen seiner Eltern immer häufiger die Klage wieder, des Sohnes Schreiben nach Hause wimmelten von abscheulichen Germanismen und seien kaum noch zu verstehen. Wir Studenten dagegen wollten uns todt lachen über seine Hollandismen. Er seinerseits aber lachte über unsere Studentenstreiche, über unsere Senioren- und Corps-Convente, unsere Paukereien und Pro-patria-Skandäler, unseren Pauk- und unseren Bier-Comment – Dinge, die wir Alle als echte „Corps-Simpel“ mit der größten Ernsthaftigkeit betrieben, als hinge das Wohl der Welt davon ab. Er hatte im Vergleich zu uns etwas Gereiftes und Altkluges und, wie wir meinten, sogar etwas Altmodisch-Verzopftes. Er hieß deshalb später nicht mehr „der fliegende Holländer“ (denn dieser Cerevis-Name bezog sich doch nur auf eine Aeußerlichkeit, welche sich durch die Scheere beseitigen ließ), sondern, entsprechend seinem seriösen Charakter, „der Onkel aus Holland“ oder schlechtweg der „Onkel“. Dabei hatte aber dieser ernsthafte Onkel manchmal ganz pudelnärrische Einfälle und äußerte die kindischste Freude an studentischem Schabernack. Unter seiner Führung verstopften wir eines Nachts die Abflüsse des Stadtbrunnens, so daß Morgens der Markt unter Wasser stand; wir zogen ein ander Mal durch die nächtlichen Straßen, bewaffnet mit einem Topfe Kienruß und zwei Stangen, an deren einer ein Pinsel befestigt war; den Leuten, welchen wir nicht wohl wollten, klopften wir mit der einen Stange an einem Schlafzimmerfenster, und wenn der Geweckte den Kopf heraussteckte, wurde ihm das Gesicht schwarz angepinselt. Dabei war der Holländer rein des Teufels vor Tollheit; den andern Morgen aber ging der kaum erst so närrische „Onkel“, die Mappe unter dem Arm, in’s Colleg, mit der ganzen ernsthaften Gravität eines Mijnheer. Alle diese Streiche kamen ausschließlich auf unser Kerbholz; er war stets außer dem Bereich eines jeden Verdachts. Sein Betragen beruhte aber durchaus nicht auf Heuchelei, sondern in seinem Charakter lagen unvereinbar diese Gegensätze dicht neben einander, wie wir sie ja auch in dem Mittelalter finden, z. B. in einer und derselben Kirche heute fleischtödtende strenge Ascese, morgen die verrücktesten trunkensten und sinnlichsten Eselfeste. …

Ich befestigte mich immer mehr in der Meinung, daß der „Onkel“ ein Typus seines Volkes überhaupt und namentlich seines Verhaltens zu uns war. Ich glaube ihn hier in Holland stets um mich zu haben. Es geht mir darin, wie meinem Freunde Prince-Smith in Berlin. Er kam 1861 zum ersten Male in den Süden, nach Stuttgart. Er hatte bis dahin nie einen anderen Schwaben gesehen und gesprochen, als den württembergischen Handelsminister von Steinbeis. Nachdem wir einen Tag in Stuttgart miteinander verlebt, fragte ich ihn: „Wie gefällt’s Ihnen denn in dem schönen Schwabenlande?“

„Gut,“ sagte er, „nur kommt mir’s immer vor, als wär’ ich von lauter Herren von Steinbeis umgeben.“

So ging mir’s mit dem „Onkel“ aus Holland. Wirklich betrachteten wir einander so; der Deutsche den Holländer als einen sehr wohlhabenden und recht respectabeln, aber doch etwas wunderlichen und altmodischen Onkel in der Seestadt; der Holländer den Deutschen als seinen in den Flegeljahren befindlichen, etwas abenteuerlichen und leider auch nicht sehr vermögenden, aber hoffnungsvollen Neffen vom Lande, aus dem wohl noch etwas werden kann, der aber zur Zeit noch mehr unangenehme, als angenehme Eigenschaften hat.

Nun ist auf einmal über Nacht etwas aus dem Neffen geworden. Er ist baumlang dem Onkel über den Kopf geschossen und hat in der Welt einen merkwürdigen Credit gewonnen, fast mehr als der Onkel. Der gute Onkel weiß nicht recht, was er dazu sagen soll. Eigentlich freut’s ihn; aber der gottlose Neffe hätte doch, bevor er sich auf so gewagte Geschäfte einließ, zuvor den nächsten Verwandten väterlicher Seits zu Rathe ziehen sollen, es hätte ja doch auch schlecht gehen können; – kurz, der Neffe ist ein frecher Schlingel.

Nun, hoffen wir, daß die verwandtschaftlichen Gefühle obsiegen trotz der bösen Einflüsterungen der holländischen Kreuz-Zeitungs-Partei, an deren Spitze Mijnheer Groen van Prinsterer steht. Diese Partei ist ein Verhängniß für Holland. Sie hat es in wahrhaft unerträgliche Ausgaben gestürzt und kämpft im Namen der Freiheit wider die Cultur, wie die Moskowiter in Rußland. Sie nennt sich die conservative oder „antirevolutionäre“ und kämpft in Gemeinschaft mit den Ultramontanen, an deren Spitze Dr. Nuyens steht (gleich Groen van Prinsterer ein angesehener Historiker), wider die neutrale (confessionslose) Volksschule, welche jedoch glücklicher Weise hier auf einer so sicheren Grundlage ruht, wie irgendwo, nämlich nicht nur auf der eines unzweifelhaft klaren Gesetzes, sondern auch auf der einer localen Selbstverwaltung, die wir in Deutschland und namentlich auch in Preußen, anstatt ewig unsicher experimentirend hin und her zu tappen, einfach zum Muster und Vorbilde nehmen sollten.

Die an sich guten Schulen in Holland tragen doch nicht ganz die erwünschten Früchte. Denn auch auf diesem Gebiete kämpft man im Namen der Freiheit gegen die Cultur, nämlich gegen den Schulzwang. In Ermangelung des letzteren entbehren hier die unteren Volksclassen aller Kenntnisse und jeder Bildung. Dem Fremden, und namentlich dem Deutschen, der in dieser Beziehung verwöhnt ist, fällt die bestialische Rohheit und Zuchtlosigkeit der armen Bevölkerung in einzelnen holländischen Städten schmerzlich auf. Natürlich beeinträchtigt die Unwissenheit auch die Erwerbsfähigkeit. Ich habe in den verschiedenen europäischen Großstädten, namentlich auch in London, viel „Bassermannische Gestalten“ gesehen; auch in Berlin fehlt es ja nicht gänzlich daran; aber solche Proletarier, die mit viehischer Gier über weggeworfene Gemüse-Abfälle herstürzen, habe ich nur in Holland gesehen. –

Die Holländerinnen vermögen bei nur halbwegs kaltem und nassem Wetter – und dies ist in den Niederlanden das vorherrschende – eine uns Deutschen nur vom Markte und von den Verkaufsbuden her in ziemlich primitiver Form bekannte Vorrichtung nicht zu entbehren, welche sie das „Stoofje“ nennen. Es besteht in einem Topfe mit brennenden Kohlen zum Wärmen der Füße. Auch setzt man den Theekessel darauf. Der Topf, das heißt das irdene Gefäß, worin die Kohlen glühen, wird in ein zierliches hölzernes Fußbänkchen (dieses ist eigentlich das „Stoof“) gestellt. Letzteres bildet einen Kasten, welcher, sobald der Wärmestoff darin ist, von allen Seiten geschlossen wird und nur oben, wo man die Füße aufstellt, fünf Löcher hat, durch welche die Wärme ausströmt. Die Kohlen müssen natürlich öfter erneuert werden. Vornehme Damen treiben einen besonderen Luxus mit dem „Stoofje“; es zeichnet sich bei ihnen durch kostbare Holzarten und feine Tischlerarbeit aus. Aber auch die ärmsten Gemüse- und Waschweiber, sowie die Dienstmägde haben ihr „Stoofje“, wenn es auch nur aus glatt gehobeltem Tannenholze gebaut ist. Gesund soll übrigens diese Einrichtung nicht sein. Man schreibt ihr die hier herrschende Schwerfälligkeit im Gehen zu.

Wie unentbehrlich das „Stoofje“ für die Holländerin ist, beweist die Geschichte von zwei Damen aus dem Haag, die sich durch romantische Lectüre (namentlich durch E. L. Bulwer’s Pilger am Rhein) hatten verleiten lassen einen „Zug durch Deutschland“ zu machen. Sie kamen aber nur bis Rolandseck: denn als sie dort, von dem Ritt zur Ruine bei abscheulichem, naßkaltem Wetter in ihr Hôtel zurückgekehrt, von dem Kellner „Stoofjes“ wünschten, um dafür einen verhängnißvollen Stuhl zu erhalten; dessen nähere Beschreibung ich mir zu erlassen bitte, da reisten beide Damen am andern Tage schon in aller Frühe entrüstet wieder nach Hause und schworen, niemals wieder einen Fuß zu setzen in das Land der Barbaren, wo es zwar todte Ritterburgen und lebendige Esel, aber keine „Stoofjes“ gebe.

Während die Damen ihre Füße am Stoofje wärmen, thun es die Herren am Kamin, auch wenn es sonst noch so warm ist, daß man eigentlich kein Feuer nöthig hätte.

Es ist recht behaglich in so einem holländischen Gesellschaftszimmer. In der Mitte des geräumigen und hohen, mit Teppichen belegten Zimmers steht ein großer viereckiger Tisch. Die noch größere, ebenfalls viereckige grüne Decke, die ihn sonst bedeckt, ist dieses Mal abgenommen und ersetzt durch ein viereckiges silbernes [137] Kaffeebret mit seltsam geschnörkelten Rändern. Auf dem Kaffeebret steht ein altes Porcellanservice; je älter, je geschmackloser, je chinesischer oder japanesischer, das heißt verschnörkelter, desto respectabler, vornehmer und schöner. Um den Tisch stehen so viele Stühle, als Damen erwartet werden. Sagen wir einmal: fünf. Die Stühle haben möglichst hohe und gerade Beine, hohe Sitze und hohe steile Lehnen – Alles möglichst eckig, geradlinig und hölzern, so wie man es in Deutschland in alten Rathsstuben noch sieht, und wie es neuerdings wieder Mode werden zu wollen scheint. Der Stuhl und die Lehne aber sind mit einem alten großgeblümten Plüsch überzogen, von solcher Güte und Feinheit, wie man ihn bei uns nicht mehr kennt. Vor jedem Stuhl unter dem großen viereckigen Tische steht ein Stoofje. Jedes Stoofje hat oben fünf Löcher; und die fünf Stoofjes schauen mit großen leuchtenden neugierigen Augen, zusammen mit fünfundzwanzig Augen unter dem Dunkel des Tisches hervor, dessen harrend, was da kommen soll. Neben dem Stuhle der Wirthin steht das Theegeschirr und der blank lackirte Wasserkessel. Auf dem Tische steht außerdem noch ein Kunstwerk, ein schöner großer Elephant. Als Thurm auf seinem Rücken trägt er eine bronzene Petroleumlampe. Der gute Elephant ist aber nicht nur ein Lucifer, ein Lichtbringer, sondern auch „der Töne Meister“, gleich Arion, ein Spender musikalischer Unterhaltung. In seinem kolossalen Körper trägt er statt des Magens eine Spieluhr. Diese ist schon aufgezogen und gestellt; und wenn ihre Zeit gekommen ist, dann wird es losgehn. Zuerst „Wilhelmus van Nassawe“ (ein Lied auf den großen Befreier der Niederlande, Wilhelm den Schweigsamen), dann: „Où peut-on être mieux, qu’au sein de sa famille?“ und zum Schluß: „Ei du lieber Augustin, Alles ist hin.“ Hier verstehen sogar die Spieluhren drei Sprachen. Der gebildete Holländer selbst versteht deren wenigstens vier, nämlich außer Holländisch, Deutsch und Französisch mindestens noch Englisch, oft aber auch Italienisch oder Spanisch.


Stiftsprobst v. Döllinger.


Das Geklimper der Spieluhr und das „Hersagen“ von Gedichten waren noch vor Kurzem Lieblingsunterhaltungen der holländischen Gesellschaft, wenigstens da, wo es etwas langweilig und altmodisch zugeht; und die meisten Holländer finden das auch heute noch amüsanter, als die sentimentalen, gekünstelten Lieder und die Athleten- und Seiltänzer-Bravourstücke auf dem Clavier, welche unsere deutsche Gesellschaft so geduldig über sich ergehen läßt.

Auf dem Kaminsims steht ein großer pechschwarzer Onkel Tom. Seine Schärpe glänzt in Gold, seine Augen in Weiß und seine Nasenlöcher in Roth; er stellt sonach die norddeutschen Bundesfarben und das achtundvierziger Schwarz-Roth-Gold zugleich dar, und würde recht gut zur Realisirung der Versöhnung dieser Gegensätze dienen können, für welche Versöhnung ja Gustav Freytag in seinem Buche über Karl Mathy so lebhaft plaidirt. Der Mohr trägt unter seinem rechten Arm das Zifferblatt der Uhr, die sich in seinem Innern birgt. Er thut dies mit einer Grazie, als wenn es seit Alters die alltägliche Beschäftigung aller Mohren der Welt wäre, Uhren unter dem Arme zu tragen. Den linken stemmt er höchst graciös in die Hüfte. Neben dem Mohren stehen kleine Vasen mit künstlichen bunten Blümchen, mit Glasglöckchen überdeckt.

Im Kamin brennt, obgleich wir erst im August sind, ein mäßiges Torffeuer. Es bildet offenbar nur den Vorwand, daß die Herren sich um das blank polirte glänzende Kamin schaaren, ihm die Beine zustrecken und den Damen halbwegs den Rücken zukehren. Und die Folge davon ist wieder, daß, während die Damen mit dem Thee beginnen, die Herren gleich mit einem sehr „leckeren“ Bordeaux anfangen – offenbar in Folge eines Mißverständnisses, das die gewandte Wirthin jedoch sofort dadurch wieder ausgleicht, daß sie anfangs die Miene macht, als wollte sie nach dem Kamin hin Thee anbieten, dann aber sich unterbricht und verbessert mit den Worten: „Ah, die Herren werden wohl lieber beim Weinstocke verbleiben.“ …




Aus meinem Leben.
Von Capellmeister Dorn in Berlin.
Nr. 2. Erinnerungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy und seine Zeitgenossen.

Zu Anfang des Octobers 1823 kam ich, ein neunzehnjähriger junger Mensch nach Berlin, um hier meine juristischen Studien fortzusetzen, welche ich im Schooße der Königsberger alma mater Albertina ein Halbjahr vorher begonnen hatte. Aber gleich der erste Winter machte mir klar, daß ich wohl mein akademisches Triennium absolviren, nie und nimmer jedoch ein Referendarien-Examen bestehen würde; denn allabendlich gab es für mich musikalische Beschäftigung, und die Collegienhefte nahm ich nur vor, um in’s Collegium zu gehen; in’s Collegium aber ging ich nur, um zu Ende des Semesters ein genügendes Testimonium über fleißigen Besuch an meinen gestrengen Herrn Vormund pregelwärts einsenden zu können. Für musikbedürftige Gesellschaften war ich nämlich à deux mains zu brauchen. Einen Clavierspieler und Accompagnateur wie mich hätte man wohl leicht ersetzt und vielleicht ebenso bald einen tactfesten Solosänger; aber beide in Einer Person, das gehörte schon zu den nicht alltäglichen Erscheinungen, die sich hübsch ausnutzen ließen. Und außer Gustav Reichardt (dem Componisten des „Deutschen Vaterlandes“) und dem sich nur selten in Berlin aufhaltenden Reissiger ist mir auch in unseren damaligen musikalischen Kreisen kein zweites Exemplar dieser hülfreichen Art vorgekommen. – So begann nun für mich eine Reihe musikalischer Privatgesellschaften, wie sie zu jener Zeit in voller Blüthe standen, jetzt aber in Berlin gar nicht mehr anzutreffen sind: kunstgeübte Damen und Herren, die am Fortepiano je nach Bedürfniß ganze Opern oder Oratorien ausführten; vorher gab es Thee, hinterdrein kalte Küche mit Quartettgesang.

An einem Freitage, dem jour fixe in dem Hause meines alten Landsmannes Abraham Friedländer, saß ich am Flügel und

[138] sang mit der talentvollen Nichte des Privatconcertmeisters das bekannte Spohr’sche Duett zwischen Faust und Röschen, als während der Musik eine Unruhe im Nebenzimmer entstand, wie ich sie bei der sonst andächtigen Stille dieser Zuhörerschaft noch nicht kennen gelernt hatte. Eben war ich im schmelzenden „fort von hier auf schön’re Auen“ begriffen, als Röschen ihrem Dorn zuflüsterte: „Felix ist gekommen.“

Nach beendetem Zwiegesange wurde ich mit dem zwölfjährigen Knaben bekannt gemacht, dessen väterliche Wohnung (damals an der neuen Promenade) nur einige Schritte von Friedländer’s Haus entfernt lag. Er entschuldigte sich, durch seinen Eintritt vielleicht den Gesang gestört zu haben, und erbot sich dagegen, das Accompagnement für mich zu übernehmen; „oder wollen wir es abwechselnd thun?“ eine echt Mendelssohn’sche Wendung, die er zwanzig Jahre später einem Fremden gegenüber in gleicher Situation gerade ebenso gemacht haben wird. Obwohl ihn alle Welt damals noch „Du“ nannte, war es doch unverkennbar, welchen Werth selbst die näheren Bekannten auf sein Erscheinen legten. Man kann sich aber auch keine liebenswürdigere Persönlichkeit vorstellen, als Felix Mendelssohn-Bartholdy zu jener Zeit war. Er durfte dergleichen größere Gesellschaften nur selten besuchen; aber wenn er kam, so machte ihm das eifrige Musiciren wahre Freude, und er selbst gab immer mit vollen Händen. Johanna Zimmermann, Friedländer’s Nichte, die früh verwittwete Gattin eines jungen Malers, der beim Baden in Tirol sein Leben eingebüßt hatte, schwärmte förmlich um ihn herum, und der Aermste wußte sich vor ihren zärtlichen Fragen kaum zu retten. Schon damals begleitete er den Gesang in einer Weise, wie sie selbst bei älteren tüchtigen Musikern nur dann gefunden wird, wenn ein ganz specielles Talent für diese besondere Branche unserer Kunst vorhanden ist. Bis dahin hatte ich dergleichen nie gehört; denn die orchestrale Behandlung des Pianoforte schien eine für Königsberg unbekannte Sache, und in Berlin war mir auch noch keine Gelegenheit geworden, diese Fertigkeit an Jemandem zu bewundern. Wenn Einer das Gedruckte so recht con amore nötlich herunterspielte und dabei dem Sänger hin und wieder einhalf, dann war er schon ein respectabler Mann; etwas höher stand natürlich Derjenige, welcher die im Clavierauszug meist sehr dünne Begleitung ad libitum durch Octavenbässe und Vollgriffigkeit zu verdicken wußte.

Aber Leute, die bei allseitiger Bewältigung der technischen Schwierigkeiten ihre Partitur so im Kopfe haben, daß sie darnach die Veränderungen auf dem Pianoforte einzurichten wissen, sind von jeher und sind noch heutigen Tages sehr selten. Ein solcher Phönix war damals schon Felix; und in dem Duett zwischen Florestan und Leonore, welches an jenem Abend Frau Dr. Förster (†) mit dem nachmaligen Münzdirector Klipfel (†) sang, überraschte mich der geniale Orchesterspieler bei der Stelle „Du wieder nun in meinen Armen, o Gott! wie groß ist dein Erbarmen“ durch die in zwei Octaven auseinander gehaltene Baßfigur. Beim Umschlagen der Blätter verfolgte ich jedwede Note, und weil ich damals noch keine Idee davon haben konnte, weshalb er diese vom Clavierauszug abweichende und auffallende Lage gewählt hätte, so bat ich mir hinterher eine Erklärung aus, die denn auch freundlichst gegeben wurde.[1] Es war die erste Belehrung, die ich von Mendelssohn empfing. Wie viel tausendmal mag seit jener Zeit in Berlin das himmlische Duett am Pianoforte gesungen – aber wie selten von einem Clavierspieler in solcher Weise begleitet worden sein!

Durch wen ich eigentlich in das Mendelssohn’sche Haus eingeführt wurde, weiß ich jetzt nicht mehr zu sagen; aber im Winter 1824 bis 25 war ich dort bereits ganz heimisch, d. h. ich stellte mich sonntäglich Vormittags zu den musikalischen Unterhaltungen ein, und wurde außerdem für die Gesellschaftsabende als fester Sänger oder als fixer Tänzer eingeladen. Bei den Matinéen lernte ich nach und nach fast alle Berliner Musiker von Bedeutung persönlich kennen. Die Namen von Männern, wie Lauska (der frühere Clavierlehrer des talentvollen Geschwisterpaares, dessen schönere Hälfte, Schwester Fanni, damals brillanter spielte als ihr jüngerer Bruder Felix), Wollank (Justizrath und Componist vieler weitverbreiteter Lieder, von denen mitunter auch eines gelegentlich an den Sonntagen zu Gehör gebracht wurde) und Karl-Friedrich Zelter – diese drei Namen kennzeichnen beinahe vollständig jene matte Epoche in der Musikgeschichte Berlin’s, während welcher auch nicht ein bedeutendes schaffendes Talent hervortrat, bis fast gleichzeitig (neben dem von Paris herberufenen Spontini) durch drei in ganz verschiedenem Lebensalter stehende Künstler: Ludwig Berger, Bernhard Klein und Felix Mendelssohn, die Aufmerksamkeit der gesammten tonkünstlerischen Welt wieder auf die an der Spree heimischen Größen gerichtet wurde. Nur selten versäumte ich eine jener interessanten Zusammenkünfte an der neuen Promenade, in welchen, außer größeren Pianoforte- Compositionen, die nunmehr unter Berger’s Leitung einstudirt waren, regelmäßig die neuesten Arbeiten des Wunderknaben, zumeist Sinfoniesätze für Streichquintett mit Klavierbegleitung, von einem auserlesenen Häuflein königlicher Kammermusiker executirt wurden.

Professor Zelter, bei welchem Felix die contrapunktischen Studien durchmachte, war natürlich sein eifrigster Zuhörer, aber auch sein strengster Censor; denn ich habe es mehr als einmal erlebt, daß er nach solcher Aufführung irgend eine Variante für nöthig befand, die er ganz laut seinem Schüler andeutete, der dann muckstill die Partitur zusammenpackte, zum nächsten Sonntag umarbeitete und sie in verbesserter Ausgabe nochmals vorführte. – In diesen Räumen war es auch, wo (vor dem Umzug der Familie nach der Leipziger Straße) eine dreiactige komische Oper von Felix bei vertheilten Rollen mit vorgelesenem Dialog am Pianoforte aufgeführt wurde.

Den Text zu diesem „Onkel aus Boston“ hatte ein junger Arzt gedichtet, der später ein berühmter Mann wurde; denn der vor einigen Jahren verstorbene Geheimrath Caspar war bekanntlich eine Autorität in der gerichtlichen Medicin. Von seinem Witz wußte Jeder zu erzählen, der mit ihm in nähere Berührung kam, und ich entsinne mich noch, wie mir Holtei in Riga berichtete, mit welcher geistesfunken-sprühenden Abschiedsrede dieser Caspar den von Berlin nach Tilsit als Oberpostdirector versetzten Rath Nernst aus der literarischen Mittwochsgesellschaft entlassen habe; der Schluß des Sermons aber lautete: „zieh’ hin, und der Tilsiter Friede sei mit dir.“ Nichtsdestoweniger war der amerikanische Onkel ein sehr schwächliches Subject, obwohl die musikalische Composition allen Mitwirkenden ungemein behagte; unter ihnen: Eduard Devrient und seine Braut Therese Schlesinger, ferner Hannchen Zimmermann, die Doctoren Andriessen, Dittmar u. a. m. Aber dennoch wird mir dieser Abend, an welchem ich als Chorsänger Theil genommen, unvergeßlich bleiben.

Nach beendigter Oper gab es das reglementsmäßige Butterbrödchen mit den gebräuchlichen Zuthaten von Sardellen, kaltem Fleisch, Käse und dergleichen. Eben kaute ich in Gemeinschaft mit Eduard Rietz seelenvergnügt unser Deputat herunter, als Felix, der im Saale die Runde machte, um sich noch bei allen Sängern persönlich zu bedanken, an uns herantrat und Erkundigungen einzog, ob wir auch mit Speis’ und Trank versorgt wären; ich zeigte ihm meine Errungenschaft und er fragte mich: „Welches ist Ihr dux (der Führer, das Hauptthema) und welches der comes? (der Begleiter, das Nebenthema).“

„Nun, natürlich behandle ich das Butterbrod als dux.“

„Nein,“ sagte er, „der Gast muß das Bemmchen als comes benutzen.“

Es war die zweite Belehrung, die ich von Mendelssohn empfing.

Während wir noch über seinen artigen Scherz lachten, erschallte Zelter’s Stimme durch den Saal: „Felix, komm’ mal her.“ Und da stand der alte Herr mit dem gefüllten Glase in der Hand und sagte, während Alle hoch aufhorchten: „Felix, bis jetzt warst Du ein Lehrbursche, von heute ab bist Du Geselle, und nun arbeite auf den Meister los.“ Dabei gab er ihm ein Kläpschen auf die Wange, als habe er ihn zum Ritter geschlagen, und nun stürzte die ganze Gesellschaft gratulirend zu den überraschten und gerührten Eltern und zu dem jungen Gesellen, der seinem Lehrer Zelter ein Mal über das andere die Hände drückte. Das war so eine von den Scenen, die man sein Lebtag nicht vergißt. Auf mich aber machte sie solchen Eindruck, daß ich Tag’s darauf an meinen Vormund schrieb und seine Bewilligung erbat, Zelter’s Lehrjunge zu werden, um demnächst auch das Weitere, die höheren Grade, durch ihn zu erlangen. Diese Erlaubniß erhielt ich wirklich; [139] aber wenn zwei dasselbe thun, ist es nicht das Nämliche. Meister Zelter war ein wunderlicher Mann, dem es ganz gleich galt, ob seine Schüler jung oder alt, begabt ober talentlos, Anfänger oder Vorgeschrittene waren; sie wurden Alle, wenn er nicht wie bei Mendelssohn Privatstunden ertheilte, über Einen Kamm geschoren. „Ein Halbjahr hab’ ich’s ertragen, trug’s nicht länger mehr;“ dann ging ich zu Bernhard Klein über, und habe es nie bereut.

Mit der Uebersiedelung der Mendelssohn’schen Familie von der neuen Promenade nach der Leipziger Straße in das Haus, welches jetzt unserer Pairskammer zu ihren contrapunktischen Uebungen eingeräumt ist, erweiterte sich – zumal bei der wachsenden Berühmtheit des Sohnes – der Kreis gesellschaftlichen Umgangs. Zu diesem zählten sich damals die intimeren Bekannten: Rietz, Klingemann, Marx, Franck und Devrient. – Rietz, der ältere Bruder des Dresdener Hofcapellmeisters, war Mitglied des königlichen Orchesters und Mendelssohn’s Lehrer auf der Violine. Fast möchte ich behaupten, daß Felix von keinem seiner Freunde so schwärmerisch geliebt worden ist als von diesem, der ihn wie sein Schatten begleitete und doch an ihm hinaufsah als zu einer höhern Natur, während die anderen Bekannten, welche von Rietz eifersüchtig beobachtet wurden, sich schon einflußreicher dünkten. Er war ernsten und schweigsamen Wesens, von mittelgroßer dürrer Gestalt, begabt mit einer sehr hinreichenden Nase zwischen zwei feurigen Augen, und immer angethan mit schwarzem Frack. Bei dem Anblick dieser beiden Freunde konnte ich nie den Gedanken an Faust und Mephisto los werden, wie wenig Diabolisches auch in ihrer geistigen Disposition lag; Robert und Bertram wäre vielleicht passender gewesen, aber eine solche Verbindung hatten damals Scribe und Meyerbeer noch nicht proclamirt. Rietz machte übrigens eine nur sehr kurze künstlerische Carrière; denn bei einer Aufführung der Olympia verletzte er sich während des Spielens den Nerv am vierten Finger der linken Hand und wurde dadurch für immer invalid. Er starb 1832. Ihm hat Mendelssohn sein berühmtes Octett gewidmet.

Klingemann, der Sohn des wohlrenommirten Braunschweiger Theaterdichters und Directors, machte unter allen genaueren Bekannten Mendelssohn’s den mir angenehmsten Eindruck. Er gehörte zum Personal der Hannöverschen Legation und war dadurch schon auf die feineren gesellschaftlichen Kreise angewiesen. Seine Erscheinung und sein Benehmen hatten etwas durchaus ungesucht Aristokratisches, und im Umgang mit den Damen der Familie zeigte sich so recht seine Ueberlegenheit gegen andere Besucher desselben Hauses. Es ist mir immer so vorgekommen, als sei Klingemann in seinem Urtheil über Felix am gerechtesten gewesen; er vergötterte nicht, es konnte ihm aber auch nicht einfallen zu rivalisiren, denn er componirte nicht; sondern er verhielt sich weder kühl gegen die Vorzüge noch unempfindlich gegen die Schwächen seines viel jüngeren Freundes; und wie sehr er eine der stärksten Seiten des Mendelssohn’schen Talents zu würdigen gewußt hat, bewies er durch die eigens für ihn gedichteten Lieder. Eine Menge poetischer Texte, welche Mendelssohn componirt hat, sind nach und vor ihm von anderen Tonkünstlern ebenso gut, manche vielleicht noch besser, in Musik gesetzt worden; aber noch ist es keinem geglückt, einen Klingemann-Mendelssohn’schen Gesang (gleichsam Zwei Herzen und Ein Schlag) irgendwie zu übertreffen. Zur Dichtung von Operntexten reichten freilich die Kräfte des jugendlichen Gesandtschafts-Secretairs nicht hin; dies jedoch war überhaupt das Gebiet, auf welchem auch der spätere Meister Felix keine Lorbeeren geerntet haben würde, wie sie ihm als Jünger der Kunst schon nach der Hochzeit des Camacho nicht geblüht hatten. An der 1824 gegründeten Berliner musikalischen Zeitung[WS 2] war Klingemann eifriger Mitarbeiter.

Im directen Gegensatz zu dieses seines Collaborators äußerem Wesen stand der Redacteur jenes Blattes, der frühere Kammergerichtsassessor A. B. Marx. Er hatte jedenfalls vor den oben genannten Männern die gründlichste Fachbildung (als Jurist sowohl wie als Musiker) und eine zersetzende Schärfe des Geistes voraus; aber sein damaliger Mangel an Umgangsformen ließ seine wissenschaftliche und dialektische Ueberlegenheit nicht immer von wohlthätiger Wirkung auf die Umgebung erscheinen. Er konnte sich rasch für Person und Sache interessiren, und dann gab es keinen wärmeren und geschickteren Advocaten als ihn. Auf Felix gewann er sehr bald einen großen Einfluß, der dem Papa Mendelssohn zwar hin und wieder unbequem zu werden schien, aber der alte Herr hatte doch seine guten Gründe, das vorläufig sanfte Joch nicht so ohne weiteres abzuschütteln. Marx war, wie gesagt, Redacteur der Berliner musikalischen Zeitung, und bei dem damaligen Mangel kritischer Organe ein nicht zu verachtender Stimmführer, der obendrein von den dazu befähigten Freunden des Hauses nach Kräften unterstützt wurde. Außerdem aber liebte es der alte Mendelssohn selber, zu widersprechen, oder daß man ihm widersprach; und hier fand er dann an unserm Abbé (wie wir ihn mit alphabetisirendem Kalauer titulirten) den rechten Kampfhahn.

Die Mitte zwischen Klingemann und Marx hielt ein Breslauer Kind, der Dr. phil. Franck; er verband die feinsten Manieren – aber zurückhaltender als Klingemann – mit der lebendigsten Unterhaltung – aber minder gründlich als Marx, war sehr reich an Witz und andern klingenden Talenten, stand unabhängiger da als irgend einer der bisher genannten Herren, und konnte sich mit seiner heiseren Stimme ebensogut über die Courmacherei des Einen, wie über das Geradezu des Andern lustig machen. Er hatte ein so gesundes richtiges Urtheil für musikalische Dinge, daß er sehr wohl die Schwächen in Spontini’s Cortez herauszufinden wußte, als er 1826 in der Breslauer musikalischen Zeitung[WS 3] den wüthenden Artikel über jene Oper losließ, welcher eigentlich das Signal eines vollständigen Bruches zwischen Marx und Spontini abgab. Nur hatte er, mit der Brille der Partei bewaffnet, auch einzelne wirkliche Glanzstellen übersehen und das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Spontini aber führte die ganze Opposition auf Mendelssohn’sche Quellen zurück, und existirte schon vorher keine genauere Verbindung zweier so differirender Elemente, so war jetzt jede Annäherung unmöglich geworden.

Im Jahr 1849 fand ich den früher so lebenlustigen Franck als completen Hypochonder hier in Berlin wieder. Er beschäftigte sich aber noch lebhaft mit Literatur, und durch ihn erhielt ich ein damals nur für engere Kreise, wenn nicht gar „als Manuscript für meine Freunde“, gedrucktes Buch, nämlich Wagner’s Nibelungen-Tetralogie. Was hätte wohl sein früherer Intimus, der spätere General-Musikdirector Dr. Felix Mendelssohn-Bartholdy, zu diesem Werke gesagt? Wie hätte der sich überhaupt der wachsenden Wagneromanie gegenüber verhalten? Und würde sie jemals eine solche Ausdehnung gewonnen haben, wenn die Gegner einen noch schaffenden Meister wie Mendelssohn an ihrer Spitze gehabt? Der unglückliche Franck (älterer Bruder des früher in Köln und Bern jetzt in Berlin wohnenden Componisten) hat in London[WS 4] ein fürchterliches Ende genommen. Aber das sind traurige Erinnerungen, und ich schließe lieber den angedeuteten Kreis freudig mit der Nennung des Namens Devrient, dem ich nur bezeugen kann, daß er in seinem unlängst erschienenen Buche über Felix Mendelssohn, soviel mir darüber ein Urtheil zusteht (denn seit dem Jahr 1829 war ich von Berlin abwesend), die lautere Wahrheit mit der nöthigen Discretion berichtet hat. –

Solche Gebäude, wie sie in dem Pariser Quartier St. Germain dutzendweise dastehn, weitläufig angelegte, aber nicht allzu prächtige Palais, denen man eine aristokratische Abkunft oder ein legitimistisches Schmollen ansieht, „rothes todtes liegendes Gestein“, wie die Geognosten sagen; Gebäude, welche durch Vorhöfe von der Straße getrennt und durch Gartenanlagen von der Nachbarschaft abgeschlossen sind; Gebäude, in denen augenscheinlich der ruhige Comfort erbberechtigten Wohlstandes, nicht die marktschreierische Ostentation rascherworbenen Reichthums vorherrschend ist, aus denen man stets erwartet einen hochbejahrten Kammerdiener in kurzer dunkler Hose und langen weißen Strümpfen hervortreten zu sehn – solche Gebäude sind in Deutschland äußerst selten, und in Berlin giebt es deren gegenwärtig nur noch zwei. Sie befinden sich in der Wilhelmsstraße, und das von ihnen den Linden zunächst gelegene gehörte in meiner Jugendzeit dem alten Buchhändler Reimers, einem in der ganzen Stadt durch seine ehrenhafte Gesinnung wie durch seine auffallende Persönlichkeit allgemein bekannten Manne. Jetzt ist es Eigenthum des Staates, und das Ministerium des königlichen Hauses hat hier seinen Wohnsitz und seine Bureaux aufgeschlagen; in dem größten Saal der Bel-Etage aber läßt eine junge excentrische Frau, welche ihre schöne Hand überall im Spiele hat, Wagner’s gewagteste Harmonieen mit erstaunlicher Sicherheit auf einem mächtigen Bechstein erklingen. Damals wohnte in demselben Hause drei Treppen hoch, d. h. unter dem Dache, die bereits erwähnte Wittwe Johanna Zimmermann,

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Der Berliner Rathskeller

[141] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [142] der wir zwar mancherlei Abnormes nachsehen mußten, die aber auch eine durch und durch musikalische Natur war. Bei ihr hatte ich öfters Gelegenheit mit Mendelssohn zusammenzukommen, welcher sich dort in einer zwanglosen und nur aus künstlerischen Elementen zusammengesetzten Gesellschaft ungemein wohl fühlte. In seiner eigenen Familie verkehrten natürlich sehr viele interessante und berühmte Leute (die beiden großen Berliner Wölfe der zwanziger Jahre, der alte Homeride und Pius Alexander, Preciosa’s Vater, fehlten selten am Sonntag Vormittag), dagegen verhältnißmäßig nur wenige Musiker. Zwar fanden die durchreisenden Tonkünstler immer freundliche Aufnahme in dem gastfreien Hause; die einheimischen jedoch waren numerisch sehr schwach vertreten. Es gab gemischte Gesellschaft, und die musikalischen Productionen fanden lauter enthusiastische, aber nur zum kleinern Theil wirklich kunstverständige Zuhörer.

War Felix auch keineswegs unempfindlich gegen Lobeserhebungen, so wußte er doch sehr gut unter diesen zu unterscheiden. Einst traf ich ihn mit Marx auf dem Zimmer bei Dehn; geraume Zeit trieben wir nichts als Narrenspossen, so z. B. die Zusammensetzung menschlicher Figuren aus Aepfelscheiben und Papierstreifen, in welcher Kunst der Jüngste von uns Meister war; dann aber gab er ungebeten bis tief in die Nacht hinein auf Dehn’s altem Instrument, solo oder gemeinschaftlich mit dem als Violoncellisten ausgezeichneten Wirth, eine Menge eigner und fremder Compositionen zum Besten. Und er that es in dieser Umgebung gewiß lieber als an jenem Abend im elterlichen Hause, wo er vor einem großen Auditorium auf dem Wiener Flügel soeben eine Beethoven’sche Sonate vorgetragen hatte, als eine aus dem Kreise hervortretende Dame ihn mit lauter Stimme ersuchte, die Amoll-Fuge von Bach zu spielen.

„Aber bitte, bitte, lieber Felix, den Bach mußt Du uns auf dem phantastischen Engländer hören lassen.“ Es war Rahel, die Gattin Varnhagen’s von Ense, welche sich als Kunstverständige zeigen wollte. Felix that, wie ihm geheißen, sagte aber hinterher zu mir:

„Wenn ich ihr jetzt Czerny’sche Variationen vorgespielt hätte, so würde sie auch die für Bach gehalten haben.“

Solche gemischte Gesellschaft gab es nun bei der Zimmermann nicht; jedes Mitglied dort war gleichzeitig executirend und recipirend, und ich habe Felix nie so schön phantasiren hören wie gerade hier, wo er sicher war von Allen in Allem verstanden zu werden. Seine Improvisation über zwei Themata (das Champagnerlied aus Don Juan und Vivat Bacchus aus Belmonte), womit er einen dieser musikalischen Abende beschloß, ist mir noch heute nach vierzig Jahren lebhaft erinnerlich.

(Schluß folgt.)




Im neuen Rathhauskeller in Berlin.

Anno 1869, am Tage Sanct Placidi, zu Deutsch: des Friedsamen, ward zu Berlin ein gar seltsames Friedensfest nebst Turney gefeiert, von welchem die Chronica dereinst berichten wird: Es waren aber geladen der hochweise Oberbürgermeister, item der weise Bürgermeister, so das Zepter der Stadt führen, sambt denen Räthen des Magistratus und denen Verordneten der Bürgerschaft, so da über dem Stadtsäckel Wacht halten, dazu die Fürnehmsten der Stadt, Kaufherren, Krämer und Meister des Handwerks. Auch die Gewappneten der Presse, je Einer von jeglichem Fähnlein, waren entboten zu ritterlichem Stechen und Lanzenbrechen, so da stattfinden sollte in den unterirdischen Gängen des Rathspalastes. Und kamen Alle und fülleten die Hallen mit Kampfesklirren, Rede und Siegesschrei, und die Wölbungen schalleten von Pauken, Flöten und Geigen. – Und Die, so sich das ganze Jahr bekämpfet, stießen in dasselbe Trinkhorn und thaten sich Bescheid, und die Großherren von der güldenen küsseten sich mit den Khedives von der silbernen Kette. Es waren aber allda aufgepflanzt ganze Legionen von Römern und waren aufgefahren Batterien, darauf standen die Edlen von Roth- und Grünsiegel und die Brauseköpfe der Herren von Mousseux. Und als das Signal gegeben ward zum Angriff, warf sich männiglich auf die Römer und Schanzen, und bekam der Eine einen Stich, der Andere einen Hieb, der Dritte eine Schramme, Etliche aber taumelten und sanken darnieder, Andre hielten sich wacker bis in die tiefe Nacht, und wurden ihrer Viele selig. Und Bischof, Cardinal und Domdechant wurden nicht verschonet, und wurden vertilget sambt den Römern. Requiescant in pace! – Das Blut aber, das da floß, war Rebenblut, vergossen zu Ehren des Friedensbundes, der geschlossen wurde zwischen zwei bisher feindlichen Mächten. Ich weiß davon zu erzählen, denn ich selbst ward am selbigen Tage vom Sieger ernannt zu seinem Hof- und Kellerpoeten und beauftragt, die Friedenshalle zu schmücken mit allerlei Reimlein und Sprüchlein zu Ehren der Unterirdischen.

Wie überall, so standen sich nämlich auch in Berlin zwei Gewaltige gegenüber: der Eine rühmt sich göttlicher Abstammung und behauptet, daß seine Ahnen schon in India, Hellas und Roma hoher Ehren, ja göttlicher Verehrung genossen; der Andre betheuert, daß königliches Blut in seinen Adern rolle. Der Erste hat sich – denn das Incognito lieben alle Fürsten – den romantischen Namen „Prinz Rebenblüth“ beigelegt; der Andre ist geheißen „Fürst Hopfenblüth“.

Als Hoheit Rebenblüth und Durchlaucht Hopfenblüth nun erfuhren, daß die Berliner damit umgingen, ein neues Rathhaus zu erbauen und zu unterkellern, da entbrannte zwischen Beiden heftiger Streit, wem der Grund gehören sollte. Der Prinz behauptete: „Ich bin es, dem die Säulenhallen der Krypten unter den Rathhäusern heilig sind! Mein ist das Reich der Rose und der zwölf Apostel zu Bremen, mein waren die Hallen aller deutschen Städte, schon lange ehe Du geboren warst.“ Und er bekräftigte seine Behauptung durch ein feuriges „per Bacco!“ – Die Durchlaucht entgegnete: „Ich bin der Geist der neuen Zeit: mein sind all’ die Felsenkeller in deutschen Landen, ich einige die Völker in Frieden und habe mein Reich gebreitet binnen wenigen Jahren vom Aufgang bis zum Niedergang. Ich habe Dich siegreich aus dem Felde geschlagen in Baiern, Boheim, ja selbst in Frankreich. Mir gebührt der Keller – auf Cerevis!“

Als sie eben drauf und dran waren, sich blutig zu bekämpfen, erschien bei Prinz Rebenblüth ein Bote mit der Kunde, daß Magistratus von Berlin beschlossen habe, den Keller der Verehrung Bacchi zu weihen und ihn deshalb zu verpachten an die altberühmte Weingroßhandlung der Herren Blohm und Röper.

Triumphirend hob der Prinz das Blatt mit dem Magistratssiegel empor und sprach: „Siehe! mein ist nunmehr das Reich! Aber ich will Großmuth üben, so Du gelobest, Frieden zu halten. Die Hälfte meines Reiches sollst Du zu Lehen tragen von mir und darin herrschen als mein fürnehmster Vasall.“

Der Starke weicht ruhig einen Schritt zurück, dachte Hopfenblüth und beugte sein Knie vor dem Mächtigen, Rebenblüth aber hob ihn empor, küßte seine Wange und sprach: „Laß uns Freunde sein! laß uns gemeinsam die Herzen der Berliner erfreuen, daß sie vergessen der Sorgen und Nöthe, vergessen auch der Steuern, die droben über dem Keller ausgehecket werden! Laß uns einziehen in unser gemeinsames Reich mit Pauken und Trompeten!“ Und also geschah es.

Schauen wir uns den von Wäsemann erbauten Friedenspalast etwas näher an! – Er bildet, von vier Straßen begrenzt, ein ganzes Stadtviertel und hat sich erhoben aus den Ruinen des alten Rathhauses, von welchem Nichts stehen geblieben als die berüchtigte Gerichtslaube. Sie allein trotzt dem Magistrate, auf dessen Wink eine große Menge alter Häuser fallen mußte, auf daß sich das Dichterwort erfülle, daß das Alte stürze und neues Lehen blühe aus den Ruinen.

Unten aber in dem Keller ist neues Leben erblüht, wogt und brandet der Strom der neuen Zeit und viele Tausende tauchen täglich hinab in den kühlen Grund, um neugestärkt wieder emporzusteigen. In einer Länge von dreihundertundzehn und einer Breite von fünfzig Fuß nimmt der neue Rathhauskeller die ganze Front der Königsstraße, von der Spandauer- bis zur Jüdenstraße, [143] also ungefähr den vierten Theil sämmtlicher Kellereien des Rathhauses ein.

Von mächtigen und zugleich graziösen Pfeilern getragene Bogen einigen sich zu einem etwas niedrigen, doch nirgends drückenden Gewölbe. Der erste Schritt, den wir von der Jüdenstraße hinab thun, verräth uns, daß wir in das Reich von Durchlaucht Hopfenblüth eintreten.

Aus Tausenden von Gläsern schäumt und duftet der Gerstensaft (aus der Brauerei von d’Heureuse und Busse), der hier von Herrn Trieske, dem treuen Vasallen der Weingroßmacht, credenzt wird. Der ganze Raum ist durch die Pfeiler in fünf große Quarrés geschieden, zu deren Seiten sich acht Nischen befinden. Hier ist kein Unterschied zwischen Hoch und Niedrig, Seide und Kattun, Geldprotz und Executor, Geheimerath und Schreiber. Kopf an Kopf sitzt hier die Menge, dicht gepreßt, vom frühen Morgen bis zur Mitternacht. Zwanzigmal, ja bisweilen vierzigmal des Tages, kündet das Pochen des Bierschlägels, daß eine neue Quelle, das ist ein neues Faß, angestochen sei, und doch lechzt das Volk ewig nach Erquickung. Es ist schier zu verwundern, wo all’ der Durst herkommt. Eines der vielen Sprüchlein aber, die an den Wänden angebracht sind, belehrt uns darüber: „Ob Seidel oder Töpfchen, ob Kuffe oder Krug, ob Flasche, Maß, ob Schöppchen – – man kriegt doch nie genug.“

Der Kellerpoet ruft den Zechern zu: „Nach alter Sitt’ in durst’ger Mitt’, kommt, trinkt euch aller Sorgen quitt“, denn: „Schon Doctor Luther spricht: Wasser thut’s freilich nicht“; sondern: „Cerevisiam bibunt homines“ und – „Was mir Frau Hebe schänken will – Bier oder Wein – ich halte still!“ – Stillhalten, das ist des wackern Zechers Art. Darum: „Stößt dich der Bock, dann trotze du; wirft er dich um, dann – gute Ruh’.“

Auch zur Lebensweisheit gemahnen die Sprüchlein: „Leerer Kopf und leeres Faß, leeres Herz – wie hohl klingt das!“ – „Was sich zum Geist soll klären, muß kochen erst und gähren.“ Dem einen Traurigen rufen sie zu: „Schlag’ dir die Sorgen aus dem Sinn und denk’ nicht an die Hauskreuzspinn’;“ dem andern: „Im Bier- und Weinhaus denk’ nicht an’s Beinhaus.“

Der Wirth hat sein gutes Gewissen bezeugt durch den Reim: „Wer Bier verfälscht und Weine tauft, ist werth, daß er sie selber – trinkt.“ Er selber schärft dem Bierzapfer ein: „Spritz nit zu viel, du Schuft! Bier will ich, doch nit Luft!“

Am Pfeiler der sechsten Nische lesen wir die Inschrift: „Hier unter starkem Pfeiler, schau, der Grundstein ruht zu diesem Bau. Gott laß ihn ruhn viel’ tausend Jahr und schirm das Rathhaus vor Gefahr.“ Daneben hat der Erbauer, Wäsemann, ein paar Sprüchlein angebracht, auf daß sie seine Feinde und Neider beherzigen mögen: „Allen Menschen recht gethan, ist eine Kunst, die Niemand kann;“ und „Wer will bauen an der Straßen, muß die Leute reden lassen.“

Aus dem Bierlocale gelangen wir in die „Rotunde“, die von einer mächtigen Säule getragen wird. Am Capital derselben befindet sich ein Abguß der wunderlichen Thiergestalten, welche die Säule der alten Gerichtslaube krönen. Die Wände sind mit Frescobildern des Malers A. v. Heyden geziert; sie lassen dem Gersten- wie dem Rebensaft gleiche Gerechtigkeit widerfahren, zum Zeichen, daß es hier gestattet ist, beliebig dem einen oder dem andern zu fröhnen. Die Zweiseelen-Theorie ist hier in schönste Praxis übersetzt: hier ist die Stelle, wo Prinz Rebenblüth und Hoheit Hopfenblüth den Friedens- oder vielmehr den Suzeränetäts-Vertrag abgeschlossen haben.

Das erste Bild hebt uns zum Olymp: „Bacchus, Ganymed und Hebe labten einst der Götter Chor; trink’ der Rebe Saft und schwebe selbst ein sel’ger Gott empor.“ Das zweite Bild führt uns zur Unterwelt der Gnomen: „Flüssig Silber, flüssig Gold schürfen ihr und schlürfen sollt, wie es in krystall’ner Pracht Kobolds Macht an’s Licht gebracht.“ Auf dem dritten Bilde gelangen wir in die Steinzeit: „Die Sündfluth kommt, die Welt ersauft! so sprachen der Heiden Fürsten und tranken die Weine ungetauft mit heidenmäßigem Dürsten.“ Von der Steinzeit in die Weinzeit des ritterlichen Mittelalters ist allerdings ein gewaltiger Sprung; aber der Maler hat ihn gewagt mit dem poetischen Satze: „Amate, da ihr jung noch seid, cantate, so ihr traget Leid; doch ob ihr habt Lust oder Weh, ob jung, ob alt seid – bibite!“ Das fünfte Bild zeigt uns einen Derwisch, einen Chinesen und einen klösterlichen Moabiter: „Mohammed lehrt euch und Confuz, beschaulich lehrt’s euch die Kapuz’: Trink, Menschenkind, fein mit Bedacht, was fröhlich dich und selig macht.“ Das sechste Bild endlich geleitet uns in das Paradies der „alten Burschenherrlichkeit“: „Wenn Lust aus schönen Augen glänzt und Liebe uns den Trank credenzt, dann träumen wir beim Cerevis uns in’s verlor’ne Paradies.“

Aus dem Paradiese aber führt der Weg zur Erkenntniß des Guten und des Bösen, zur Wahrheit, und darum lautet die Inschrift über dem schmalen Gange, der uns das Reich Rebenblüths aufschließt: „In vino veritas.“ Links von dem Gange überblicken wir das Reich des mächtigen Prinzen in seiner ganzen schlummernden Herrlichkeit. Da schlummern sie, die tapfern Niersteiner, Steinberger und Johannisberger und wie die blonden Gesellen sonst noch heißen mögen! da harren des Aufbruchs die feurigen Burgunder, Ungarn und Spanier! da sehnen sie sich im Traume nach Erlösung, die gefesselten Franzosen! Wie pocht das Herz hörbar dem alten Domdechant inmitten von so verschiedenen Seelen! Welch’ stattliche Mannen in diesem Lager! Und wie stolz und selbstbewußt schreitet zwischen ihnen einher der Generalissimus und Kellermeister, Herr Röper! Er kennt Jeden seiner Tapferen mit Namen und jedes Einzelnen Tugenden; er hat ihrer Viele erzogen von Jugend auf bis zum Tage der Reife. Er weiß, was er von ihnen zu halten hat, sobald er sie zu Thaten weckt. Er zittert nicht wie jener mittelalterliche Feldherr vor dem Hahnenschrei; er freut sich, wenn der Hahn am Fasse kräht. Er ist, sagt man, trotz seiner hohen Charge, ein schlichter, braver Mann, ein Feind der Fälscher und – falscher Etiquette.

Zur Rechten des Ganges sind sechs lauschige, elegant eingerichtete Nischen, deren jede mit Sprüchen geziert ist. Wir finden da eine poetische Weinkarte: „Rheingold – Weingold, Maingold – fein Gold, Frankenwein – Gedankenwein, Burgunderwein – ein Wunderwein, Rusterwein – ein Musterwein, Tokayersaft – Befreierkraft, Schaumwein – Traumwein.“ Herr Rebenblüth lehrt uns: „Der Geiz am Saft der Rebe frißt, Geiz aller Uebel Wurzel ist – trink flott, so du kein Geizhals bist!“ Trinke! denn „Moselblüth macht froh Gemüth“, trinke, damit der Frühling einziehe in dein Herz, denn „Beim Maientrank und Liederschall – grüß Gott, grüß Gott, Frau Nachtigall.“ Laß dich umschweben von den Genien des Frühlings: „Guter Geister milder Hauch waltet auch im Kleinen; Augen hat die Rebe auch, auch die Reben weinen.“ Trinke und gedenke dabei deiner Lieben: „All was ihr liebt, all was euch hold, beim Traubengold ihr preisen sollt.“ Bist du geistlich gesinnt und „Quält dich des Durstes Höllenbrand – such’ Hülf’ und Trost beim Domdechant.“ Bist du aber ein Weltkind und „Willst wie ein Kind du fröhlich sein, saug Liebfrauenmilch brav ein.“ Erhebe dich über allen Jammer dieser Welt und denke: „Wer baß singt und trinkt und wirbt, den lehrt die Erfahrung: selbst der grimmste Kater stirbt doch am sauren Harung.“

Zum Ausgange des Kellers müssen wir am Probirstübchen des Kellermeisters vorbei. Wir werfen einen flüchtigen Blick in das Heiligthum und lesen hier über dem Eingange das Sprüchlein: „Das Schlimmste fürchte, hoff’ das Best’; was sich erprobt, das halte fest; laß fahren hin, was dich verläßt; der eignen Kraft trau bis zum Rest; – dann wohl dir auch im engsten Nest!“

So schaut es aus im Reiche der Unterirdischen, darinnen Prinz Rebenblüth und Durchlaucht Hopfenblüth noch lange regieren mögen zum Heile der „Weltstadt“, und darinnen viel Traurige Freude und die Verzagten frischen Muth gewinnen und unsere Enkel sich über die Vergänglichkeit des Irdischen trösten mögen mit dem Worte des Dichters:

„Unsre Väter sind gesessen
Einst bei vollen Gläsern hier;
Unsre Väter sind vergessen
Und vergessen werden wir.“

Rudolf Löwenstein. 




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Blätter und Blüthen.


Ein ostpreußischer Steuerverweigerer. Das im preußischen Abgeordnetenhause genehmigte Consolidations-Gesetz des Finanzministers Camphausen hat auch bei unseren Ostpreußen einstweilen die Furcht vor Branntwein-, Petroleum- und Tabakssteuer beseitigt, und damit ist gleichzeitig die Aussicht auf Steuerverweigerung und Steuerverweigerer geschwunden. Der in den Zeitungen früher so häufig erwähnte Rittergutsbesitzer und Mitredacteur des in Litthauen erscheinenden „Bürger- und Bauernfreundes“, Reitenbach zu Plicken bei Gumbinnen, darf somit bis jetzt als der letzte, aber doch nicht als der einzige Steuerverweigerer Ostpreußens angesehen werden.

In dem südöstlichen Theile Ostpreußens liegt an dem romantischen Ufer des größten Binnensees der Provinz, dem Spirdingsee, das Städtchen Rhein. Zu den Bürgern desselben gehörte vor wenigen Jahren auch der hier ansässige Schiffsrheder H., ein Mann, der seinen Mitbürgern der zu jeder Zeit an ihm wahrgenommenen heitern Laune und des unverwüstlichen Humors halber lange noch im Gedächtniß bleiben wird. In den ersten fünfziger Jahren war H. als Besitzer des bei Rhein gelegenen Gutes J. dem Bankerott nahe. Glücklicherweise fand sich noch zu rechter Zeit ein Käufer, bei welchem Kaufgeschäft dem Verkäufer eine freilich nicht sehr bedeutende Summe übrig blieb.

Mit diesem Gelde beschloß H. auf dem Spirdingsgewässer und den nach dem Spirding führenden, vom Staate angelegten Canälen, welche die Städte Angerburg, Lotzen, Rhein, Nikolaiken und Johannisburg durch eine Wasserstraße verbinden, eine bis dahin hier mangelnde Dampfschifffahrt einzurichten. Da indeß das beim Verkaufe der Besitzung erübrigte Geld hierzu lange nicht ausreichte, wandte sich H. an die königliche Regierung zu Gumbinnen und bat um einen Vorschuß von achttausend Thalern. Er rechnete umsomehr auf die Erfüllung seiner Bitten als es ihm bekannt war, daß die Regierung schon seit einiger Zeit dem Projecte der Dampfschifffahrt auf den genannten Gewässern ein lebhaftes Interesse zugewandt hatte.

Leider hatte man indeß den Unternehmer in Gumbinnen als einen eifrigen Demokraten denuncirt, welcher bereits im Jahre 1848 hartnäckig die Steuern verweigert hatte. Demzufolge erhielt H. von dem damaligen Regierungspräsidenten v. Byhrn einen abschlägigen Bescheid, welcher gleichzeitig die Bemerkung enthielt, daß H. als Steuerverweigerer nie auf eine Staatshülfe rechnen dürfe. Mit diesem Bescheide begnügte sich H. jedoch nicht, sondern traf sofort Anstalt, um nach Berlin zu reisen und dem Minister v. d. Heydt sein Anliegen vorzutragen. Doch auch dem Minister war die politische Gesinnung des Bittstellers schon bekannt geworden, und in einem nicht viel versprechenden Tone äußerte derselbe während der Audienz: „Es bleibt mir unbegreiflich, wie Sie, mein Lieber, es wagen können, als Steuerverweigerer um eine Unterstützung zu bitten.“

„Excellenz!“ erwiderte H. unbetroffen, „allerdings habe ich Steuern verweigert, bin indeß fest überzeugt, Sie hätten es in meiner Lage ebenso gemacht.“

„Herr!“ rief ihm der Minister etwas barsch zu, „wie meinen Sie das? –“

„Excellenz!“ entgegnete H. ruhig und gefaßt, „wenn man keinen Heller in der Tasche hat, so bleibt wohl nichts Anderes übrig, als Steuern zu verweigern.“

Aus dem Gesichte des Ministers entschwand nach dieser Antwort die strenge Amtsmiene, Se. Excellenz konnten sich kaum des Lachens enthalten, und das Resultat der Audienz war die Bewilligung der erbetenen Unterstützung von achttausend Thalern, in Folge dessen sehr bald darauf das Dampfschiff „Masovia“ das Spirdingsgewässer durchkreuzte. –

Nicht lange darauf besuchte König Friedrich Wilhelm der Vierte die Provinz Ostpreußen, bei welcher Gelegenheit derselbe auf der Reise von Rhein nach Johannisburg das Dampfschiff „Masovia“ zur Fahrt über den Spirding benutzte. H. befand sich als Eigenthümer des Schiffes während der Fahrt unter der Begleitung des Königs und hatte das Vergnügen, Sr. Majestät vorgestellt zu werden. Der König richtete unter Anderm an den Schiffseigenthümer auch die Frage, in welcher Art sich die Dampfschifffahrt auf dem Spirdingsee rentire.

„Halten zu Gnaden, Ew. Majestät,“ erwiderte H., „leider nicht in der erwünschten Weise. Mein eifrigstes Bestreben, mich des mir von der Regierung Ew. Majestät erzeigten Wohlwollens würdig zu zeigen und die mir verliehene Unterstützung zurückzuzahlen, ist mir bis jetzt nicht gelungen.“

Der König wandte sich nach dieser Antwort gegen den ihm zur Seite stehenden Oberpräsidenten der Provinz Preußen, v. Eichmann, und bemerkte unter sarkastischem Lächeln: „Eine fatale Sache für den Staat, wenn man Steuern verweigert und Vorschüsse zurückzuzahlen nicht im Stande ist.“

Wie man später hörte, soll die erhaltene Unterstützungssumme als ein königliches Geschenk an H. überwiesen worden sein; ein Beweis, daß der königliche Herr auch gegen Steuerverweigerer Nachsicht zu üben wußte.

J. A. D. 


Eine Streitfrage. Vor länger als zehn Jahren bildete sich in Berlin ein Comité zur Errichtung einer Goethe-Statue; dasselbe nahm Gelder in Empfang, veranstaltete Sammlungen etc. Zu diesem Zwecke gab der Theaterdirector Franz Wallner ein Benefiz, bei welchem er sich der Mitwirkung Dawison’s versicherte, bei dem er die Kosten aus eigenen Mitteln trug und vermittelst dessen er ein ganz namhaftes Capital an das Comité zur Herstellung einer Goethe-Statue ablieferte. Seit einem Decennium aber hat das Comité nicht das geringste Lebenszeichen von sich gegeben, von einem Goethe-Monument ist keine Rede und die Verwendung des Geldes ist ein tiefes Geheimniß, da alle Aufforderungen an die Empfänger desselben fruchtlos blieben. Unter diesen Umständen hält sich Herr Director Wallner vollkommen berechtigt, über die Summe nebst aufgelaufenen Zinsen, die er zu einem bestimmten Zwecke gegeben, der nicht eingehalten wurde, anderweitig zu verfügen, und hat den Unterstützungsverein der „Berliner Presse“ ermächtigt, das Capital zu Gunsten seiner hilfsbedürftigen Mitglieder zurückzufordern, und namentlich zweihundert Thaler davon für einen braven, durch langwierige Krankheit erwerbsunfähigen tüchtigen Schriftsteller bestimmt. Es fragt sich nun:

1) Hat der Geber das Recht, nach zehn Jahren das Geld zurückzufordern, wenn es nicht nur zu dem gegebenen Zwecke nicht verwendet wurde, sondern wenn auch nicht die geringste Aussicht vorhanden ist, daß dies je geschehen wird?

2) Ist das Comité verpflichtet, diese für einen bestimmt ausgesprochenen Zweck in Empfang genommenen Gelder zurückzustellen, eventuell darüber Rechenschaft abzulegen?

Da im Verein „Berliner Presse“ darüber verschiedene Ansichten obwalten, das sogenannte „Goethe-Comité“ aber sich in hartnäckige Auskunftsverweigerung hüllt, so wäre eine Beantwortung obiger Fragen von competenter Seite im Interesse des oben genannten Unterstützungsfonds sehr wünschenswerth.




Ein alter Kämpfer für die Freiheit auf religiösem Gebiete und mit klarem verständigem Blick in die unabweisbaren Forderungen der Gegenwart ist Joh. Jos. Ignaz von Döllinger, dessen Portrait wir heute unsern Lesern bringen. Sein Name ist erst in den jüngsten Tagen aller Orten wieder genannt worden in Folge der entschiedenen, auf die unwiderleglichen Sätze der Vernunft und der Geschichte gegründeten Abwehr, welche er den wahnwitzigen Infallibilitätsgelüsten der römischen Curie zu Theil werden ließ. Freilich ist er mit dieser schon früh genug im Widerstreit gelegen, und wir erinnern in dieser Beziehung nur an die 1861 von ihm gehaltenen Vorträge, worin er die Möglichkeit und selbst Wahrscheinlichkeit einer Säcularisirung des Kirchenstaates und die Folgen, die sich daraus für die katholische Kirche ergeben würden, rückhaltlos besprach, und an die 1863 vor der katholischen Gelehrtenversammlung zu München gehaltene Rede über die „Vergangenheit und Gegenwart der katholischen Theologie“, welche ihm in Rom und Deutschland heftige Angriffe der jesuitischen Partei zuzog. Noch in Aller Gedächtniß ist Döllinger’s Auftreten gegen die Encyklika und den Syllabus, und daß sein Name mit dem von so außerordentlichem Erfolg begleiteten Buche „Der Papst und das Concil, von Janus“ in engste Verbindung gebracht wurde, ist bekannt. Seine neueste Kundgebung gegen das Unfehlbarkeitsdogma rief zahlreiche Zustimmungsadressen aus allen Theilen Deutschlands hervor, von denen wir nur Breslau, Braunsberg, Bonn, Prag nennen wollen. Bemerkenswerth ist dabei, daß sich unter den vierundzwanzig Universitätsprofessoren der eben genannten rheinischen Stadt und unter den dreizehn Universitätsprofessoren Prags, welche ihre Uebereinstimmung mit Döllinger aussprachen, je fünf Theologen befanden, welche alle als entschiedene Katholiken gelten und von denen viele im Jahre 1869 die Gratulationsadresse an den Papst unterschrieben haben. Dieser Umstand bezeugt, wie richtig gerade in der katholischen Welt das Auftreten Döllinger’s beurtheilt worden ist, dessen Persönlichkeit den Beweis dafür giebt, daß man ein sehr guter Katholik sein und die sinnlosen fanatischen Uebergriffe der römischen Curie und der sie leitenden jesuitischen Partei dennoch verdammen kann.




Ueberzeugung oder Heuchelei? Der viel besprochene Prediger Schulz in Berlin, der leider noch immer Seelsorger in Bethanien ist, hielt in diesem schönen Krankenhause am 10. October 1866 gelegentlich der Stiftungsfeier die Festrede, in der er unter Anderem Folgendes wörtlich sagte: „Dies Haus ist nicht in dem Sinne gebaut, wie andere Krankenhäuser, in denen die Kranken durch ärztliche Hülfe geheilt werden sollen. Eine Heilung durch die ärztliche Kunst giebt es überhaupt nicht, ebensowenig eine Heilung durch die Kräfte der Natur. Was die Wissenschaft dazu sagt, weiß ich nicht, ist auch ganz gleichgültig. Alle Krankheit ist Strafe für die Sünde und kann daher nur durch directe Einwirkung von Gott, welche man nur durch Gebet und Buße erflehen kann, beseitigt werden.“ Solcher Corruptheit oder Bosheit entsprechend war es denn auch, daß Herr Schulz Kranken, die vor ihrer Entlassung Herrn Dr. Wilms für Operation und Behandlung ihren Dank ausgesprochen hatten, dies sehr ernstlich verwies. Sie hätten sich nicht zu bedanken gehabt, das war in solchen Füllen der herbe Refrain, da nicht jenes Arztes Kunst, sondern nur seine (Schulz’s) Gebete sie geheilt hätten. Dies sind Thatsachen, herausgerissen aus einer ganzen Schaar ähnlicher Dinge, die dem Schreiber dieser Zeilen aus authentischer Quelle vorliegen. Die von der Regierung angestrengte Untersuchung über die in Bethanien ausgebrochene Krankenhaus-Epidemie, die zum Theil als eine Folge des dort getriebenen Frömmlerunwesens angesehen werden darf, wird noch merkwürdige Dinge zu Tage fördern.
G. in Berlin. 


Berichtigung. Durch ein Versehen, das wir lebhaft bedauern, ist unter die in Nr. 6 der Gartenlaube gebrachte Illustration „Großvatersspielen“ ein anderer Name gekommen, als der des wirklichen Künstlers. Die anmuthige Zeichnung, die gewiß den Beifall unserer Leser gehabt hat, rührt vielmehr von Herrn Emil Schuback in Düsseldorf, was wir hiermit ausdrücklich zu berichtigen bitten.


Inhalt: Aus eigener Kraft. Von W. v. Hillern. (Fortsetzung.) – Ein wiedergefundenes Grab. Mit Abbildung. – Holländische Leute. Von Karl Braun (Wiesbaden). Nr. 1. – Aus meinem Leben. Von Capellmeister Dorn in Berlin. Nr. 2. Erinnerungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy und seine Zeitgenossen. – Im neuen Rathhauskeller zu Berlin. Von Rudolf Löwenstein. Mit Abbildung. – Blätter und Blüthen: Ein ostpreußischer Steuerverweigerer. – Eine Streitfrage. – Ein alter Kämpfer. Mit Portrait. – Ueberzeugung oder Heuchelei? – Berichtigung.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Für Musikverständige füge ich die Notiz hinzu, daß Beethoven an dieser Stelle die Contrabässe ausnahmsweise acht Töne tiefer als das Violoncell hingeschrieben hat, daß sie also um zwei Octaven tiefer erklingen müssen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. John Ker of Kersland; Vorlage: Kers v. Kersland
  2. Dorn meint hier die Berliner allgemeine musikalische Zeitung
  3. Artikel von „F.“ in Nr. 24, S. 189/190 der Berliner allgemeinen musikalischen Zeitung; ein Breslauer Periodikum dieses Namens gab es zumindest damals nicht.
  4. tatsächlich in Brighton