Die Gartenlaube (1873)/Heft 50

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1873
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[803]

No. 50.   1873.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Der König auf Besuch.
Historische Novelette.
(Fortsetzung.)

Nach dieser grimmigen Auslassung trocknete sich der Mann den ihm in dicken Tropfen auf der Stirn stehenden Schweiß.

„Er scheint eine schöne Art von Neuigkeiten mitgebracht zu haben, Herr Gevatter,“ äußerte die Frau Castellanin nach einer Pause des Erschreckens. „Er ist ja ganz hin.“

„Bin’s, Frau Gevatter, bin’s,“ lautete die Antwort des erschöpften Mannes … „Neuigkeiten zum Gottes Erbarmen. Komme da zu meinem Vetter, dem Hoffourier, sind da Alle in Angst und Bestürzung. Ist nämlich ein Officier vom König Friedrich gestern bei unserer Frau Königin Majestät mit dem Gesuch erschienen, den Schlüssel zum geheimen Staatsarchiv herauszugeben. Hat also ein Schurke verrathen, daß es in die an der Königin Appartements stoßenden Gemächer gebracht worden sei. Gott lasse des verdammten Ischarioth’s Zunge verdorren! Der Königin Majestät hat’s rund abgeschlagen, so flehentlich auch der Officier gebeten hat; ja, wie die Hofdame Feilitzsch erzählt, soll er sogar fußfällig sie beschworen haben, sich nicht der Gewalt auszusetzen und lieber die Sache in Güte geschehen zu lassen.

‚Eher mein Leben als die Schlüssel!‘ hat die hohe Frau geschworen, und der Officier hat darauf zur Antwort gegeben:

‚Gott ist mein Zeuge – ich habe Alles gethan, um Schlimmes von Ihrer Majestät abzuwenden.‘

Das Zeugniß hat ihm die königliche Frau auch gegeben und ihn belobt seines edlen Benehmens willen.

Während mir das der Vetter Hoffourier in der Garderobe erzählt, wird draußen auf dem Gange ein Getrappe laut, als käme ein Bataillon in Sturm angerückt.

‚Jetzt werden sie Gewalt gegen unserer Königin Majestät anwenden,‘ schrie der alte Heintschke, der Portier, und es war auch so. Zwölf Mann in voller Armatur mit Corporal und Lieutenant faßten Posto in der Garderob’. Draußen auf dem Gange standen ebenso viele, das Gewehr beim Fuß; dann kam der Stadtcommandant, Generalmajor von Wylich, und ließ sich als im Auftrage seines Herrn, des Königs Friedrich, bei der Königin melden. Was da zwischen der hohen Frau und ihm besprochen worden, kann ich freilich nicht sagen; aber Gutes war es sicher nicht, denn wir, die wir zitternd und lautlos in Erwartung dessen standen, was da geschehen werde, hörten der Königin Majestät Stimme sehr laut:

‚Nein, nein! Ich weiche nur der Gewalt.‘

Darauf öffnete der Generalmajor die Thür und rief seine Soldaten hinein. Er und der Lieutenant entfernten die mit allen Kräften widerstrebende hohe Frau von der verhängnißvollen Thür, während einer der Mannschaft, seines Zeichens jedenfalls ein Schlosser, dieselbe mit eisernem Werkzeug aufsprengte. Nun setzten die Soldaten auf dem Gange die Gewehre zusammen, schleppten die in Ballen zusammengebundenen Acten und Documente in den Hof hinunter und luden sie dort auf ein paar bereit gehaltene Wagen; dann wurde Ruhe. Wir waren mehr todt als lebend. … Dergleichen Gewaltthat ist doch noch niemals geschehen. Der alte Heintschke sagte mit Thränen in den Augen:

‚Das ist nur der Anfang … was werden Die erlebt haben, die auch’s Ende sehen!‘“

„Es ist zum Gottes Erbarmen,“ wehklagte die Bettfrau.

„Und dabei bläst Der da drüben die Flaute,“ eiferte Herr Nehemia Drill grimmig. „Ist das nicht g’rad’ so, als wenn der Satan den armen Seelen, die er verschlingen will, noch zuguterletzt einen Rutscher aufspielt?“

„Hat der Herr Gevatter noch mehr solche triste Neuigkeiten?“ fragte die Castellanin.

„Wo man jetzt hinhört, erfährt man Schlimmes, Frau Gevatterin,“ antwortete der Gärtner. „Das, was ich beim Besuch meines Vetters, des Hoffouriers, Schreckliches erlebt, hatte mich so angegriffen, daß mir ganz elend zu Muthe war. Ich mußte daher, um mich nur ein wenig wieder zu erholen, zu meinem alten Schulcameraden Röder gehen, der den Leipziger Weinkeller an der Pirnaischen Gasse hat. Nun ja, die alten Stammgäste waren da, aber der Humor von sonst nicht. Um jedes Behorchen unmöglich zu machen, hat Röber seinen Kellerjungen oben an die Treppe postirt, der, wenn ein Fremder, ihm Unbekannter in den Keller hinab will, nur an einer Schnur zieht, die mit einer Klingel unten, wo die Gäste sitzen, in Verbindung steht. Klingelt’s, so hört gleich aller verfängliche Discours auf. Bei mir klingelte es nicht, denn ich bin da ein alter Bekannter. Wie ich mein Erlebniß in unserm Königsschlosse erzählt hatte, denke ich doch, die Leute werden närrisch vor Gift und Galle über diese Gewaltthat gegen unserer Königin Majestät.“

„Läßt sich begreifen,“ meinte Herr Nehemia, voll Zorn seinen schwarzen, untadelhaft gewichsten und kunstreich in zwei nadelspitzgleich gedrehte Enden auslaufenden Schnurrbart rücksichtslos behandelnd.

Der Gärtner hatte noch mancherlei über die Stimmung der Dresdener zu berichten, unter Anderem: König Friedrich’s [804] Manifest bei seinem Einmarsche in Sachsen, in welchem er sagte, er wolle dieses Land nur zu seiner Sicherheit während seines Krieges gegen Oesterreich in „Depôt“ nehmen, hätte thatsächlich schon durch das gewaltsame Gebahren der einrückenden preußischen Colonnen gegen die Bevölkerungen der Städte und Dörfer so viele Widersprüche erlebt, daß Niemand an die preußische Sammethand glaube, die es abgefaßt. Die allgemeine Meinung gehe dahin, das Beste an dem Manifeste bestehe darin, daß es sich gut lesen lasse, damit sei aber auch Alles gesagt, und was die Zukunft bringen werde, müsse man erst sehen. Ein Pröbchen von dieser Zukunftserrungenschaft habe er, der Gevatter Gärtner, mit eigenen Augen gesehen, als er den Leipziger Weinkeller verlassen. Ein Trupp preußischer Soldaten habe einen der königlich sächsischen Jagdjunker in der Pirnaischen Gasse verfolgt, der sie sich mit gezogenem Hirschfänger vom Leibe gehalten und sich glücklich in eines jener alten Häuser gerettet habe, deren Hintergebäude auf einer andern Gasse einen Ausgang besäßen.

„Welches Glück, daß wir zuverlässig wissen, Doris’ Bruder sei bei unseres Königs Majestät im Lager!“ sprach die Frau Castellanin. „Da Er, Herr Gevatter, den von den preußischen Soldaten Verfolgten mit eigenen Augen gesehen hat, so wäre es thöricht, wollten wir uns um den Junker Willi kümmern und grämen, obschon ihm tolle Streiche zuzutrauen sind. Wie käme er auch aus dem Lager hierher? Ist ja nicht denkbar.“

„Nun, Frau Gevatter, das wäre das Wenigste. Dem Junker Willi sieht ein Ritt ventre-à-terre mitten durch die preußische Vorpostenkette gar nicht unähnlich. Bei solchen Sprudelköpfen, wie Der einer ist, gehört das Abenteuerlichste so recht in die eigenste Natur hinein; aber da ich den von den Soldaten – Gott weiß, wegen welchem Conflict – Gehetzten mit eigenen Augen, wenn auch nicht sein Gesicht, sondern nur seine Figur gesehen habe, so dürfen wir uns keine Angst des Willi’s wegen machen. Kenne ihn ja genau. Täuschung ist da gar nicht möglich. Hm, war unserer gnädigsten Frau Gräfin Protégé. Sie hat seine Reitkunst oft bewundert. Es gab keinen Hengst, und wär’s der widersetzlichste, unbändigste gewesen, den er nicht so zusammengeritten hätte, daß er lammfromm wurde. Deswegen hat ihm unsere gnädigste Frau Gräfin auch den Cäsar geschenkt, ein Capitalpferd, das keinen andern Reiter als ihn im Sattel duldet. Wie verschieden Geschwister doch sind! Fräulein Doris ist so sanft, so still …“

„Stille Wasser sind aber tief, Herr Gevatter,“ fiel die Castellanin ihm in’s Wort. „Sie macht freilich nicht viel Wesens von sich und ist die Sanftmuth selbst; aber das geringste Unrecht, wenn es auch nur Andere trifft, empört sie, und ehe man es sich versieht, lodert sie in Feuer und Flamme auf.“

„Wo ist sie denn?“ fragte Jener.

„Oben im Dachkämmerchen … da liest sie, zeichnet und stickt. Ist mir sehr lieb, daß ihr das Dachkämmerchen so sehr gefällt. Habe große Sorge gehabt, daß sie es abscheulich finden werde, und zu meinem Erstaunen ist’s gerade das Gegentheil. Mir ist’s ganz recht, habe da einen Kummer weniger.“

„Ja, wie verschieden der Gusto ist!“ stimmte Jener bei.

Thaddäus kam mit der Meldung an’s Fenster, die Auffahrt sei vorüber, die letzte Equipage abgefahren.

„Da gehst Du also mit mir hinüber und trinkst Deinen Kaffee,“ commandirte seine würdige Großmutter, und der Gevatter Gärtner erklärte, dasselbe thun zu wollen. Dann verließen Beide, weil sie zusammen in dem andern Hause wohnten, die Frau Castellanin, welche Herrn Nehemia einlud, seinen Kaffee bei ihr einzunehmen, was der treffliche Heiduck für eine große ihm zu erweisende Ehre ansah und deshalb wohlgefällig seine strammen Schenkel streichelte.

„Später, Herr Nehemia, spüre Er einmal drüben im Palais herum, ob der König ausgeritten … geschieht ja vielleicht wie gestern und vorgestern heute wieder zur Nachmittagszeit. Will die Fenster von der Martha abreiben lassen. Es soll nicht heißen, daß die Preußen im Palais Mosczynski schmutzig gesessen hätten. Die Ehre unserer gnädigsten Gräfin kommt da in’s Spiel.“

Herr Nehemia war vollkommen damit einverstanden.

Während der Gevatter Gärtner und die Bettfrau mit ihrem Enkel in das andere Haus hinübergingen, saß Fräulein Doris von Liebenau in dem schon erwähnten Dachkämmerchen über der Wohnstube der Frau Castellanin. Es schien in der That eine seltsame Laune der jungen Dame, den durch nichts anheimelnden Aufenthalt in einer engen Dachkammer, deren Wändeanstrich ein sehr vergrautes Kalkweiß zeigte, angenehm zu finden, und würde auf deren Schönheitssinn einen bedeutenden Zweifel geworfen haben, wenn sie wirklich an diesem engen unschönen Raume ein Wohlgefallen gefunden hätte. Indeß Dem lag etwas ganz Besonderes zu Grunde, was für jeden Anderen ein Geheimniß blieb, und zwar ein Geheimniß ihres jungen Herzens.

Wenn sie an dem kleinen Schiebefenster dieser Kammer saß, konnte sie nämlich durch einen schmalen Raum, den die vielzweigigen Aeste der Bäume in gerader Richtung freiließen, die unverkümmerte Ansicht des Palais genießen, und dies war der Grund, daß sie diese lange Schlippe, wie die Magd Martha die Kammer nannte, als ganz passend für sich zum ungestörten Lesen, Zeichnen und Sticken fand.

Als sie zum ersten Mal, um einen Raum für sich allein in dem niedrigen Hause zu suchen, an das Schiebefenster trat, sah sie zu ihrer größten Ueberraschung drüben am Portal, wo die beiden Schildwachen auf- und niederschritten, einige Officiere stehen, und ihr helles, scharfes Auge unterschied sogleich Einen unter ihnen, den sie kannte und dessen sie oft gedachte. Vor einem Jahre hatte sie mit ihrem Bruder Willi, dem königlichen Jagdjunker, mit Erlaubniß der Gräfin Mosczynska, eine Reise nach Berlin gemacht, wo die einzige Schwester ihrer lange schon verstorbenen Mutter lebte, eine sehr bemittelte Dame, welche beide Geschwister zu ihren Erben eingesetzt hatte.

Es konnte nicht fehlen, daß eine so hübsche junge Dame, welche zur Herrin eines für damalige Begriffe ganz erheblichen Vermögens von fast zwanzigtausend Thalern geworden, eine bedeutende Anziehungskraft auf heirathslustige Cavaliere ausübte, und so kam es, daß kurz vor ihrer Abreise nach Dresden Doris und ihr Bruder zum Besuche einer Gesellschaft geladen wurden, den sie nicht abschlagen konnten. Es waren auch mehrere Officiere in der Gesellschaft, und einer derselben machte durch seine edle Persönlichkeit und durch die gebildete Weise seiner Unterhaltung mit ihr einen sehr guten Eindruck auf sie. Er besaß nichts von dem anmaßenden Wesen seiner Cameraden und ward ihr von ihrem Bruder Willi ganz besonders empfohlen als ein wahrhafter Cavalier. Es hätte dieser Empfehlung nicht bedurft, denn im Stillen gestand Doris es sich zu, daß dieser Herr Major ihr außerordentlich gefiel, und freute sich der Bemerkung, daß seinerseits auch derselbe Fall in Bezug auf sie stattfand. Die Liebe hat Fühlhörner, die jede seelische Berührung schnell empfinden und sie dem Herzen und Gemüth mit der Schnelligkeit des Blitzes mittheilen. Es schien, als ob der Major einem solchen blitzähnlichen Durchzucken eines derartigen Gefühls ebensowenig wie Doris widerstehen könne. Dieses stille Gefallen aneinander wurde durch einen Hauptmann auf häßliche Weise gestört. Durch bedeutenden Weingenuß erhitzt, suchte er den Major aus Doris’ Nähe wegzudrängen, weswegen Dieser ihn daran erinnerte, daß es besser für ihn sein werde, wenn er für diesen Abend die Gesellschaft schleunigst verlasse, denn er befinde sich in einem Zustande, wie er für keinen respectablen Officier passe. Die Folge dieser Warnung war ein Duell, das, am andern Morgen auf Säbel ausgefochten, dem Major eine leichte Armwunde, dem Hauptmann aber einen Hieb über den Kopf eintrug, der, da er ihn längere Zeit dienstunfähig machte, als ein Sturz mit dem Pferde im Rapport gemeldet wurde, um das Duell vor dem Könige zu vertuschen.

Doris war mit ihrem Bruder nach Dresden zurückgereist; aber die Erinnerung an den Major hing nicht vom Raume ab, der zwischen den beiden Residenzstädten lag. Sie hatte sich in ihr Herz eingenistet, und darum war Doris so freudig überrascht, als sie ihn am Portale des Palais unter den anderen Officieren stehen sah. Das enge schmale Dachkämmerchen mit dem Schiebefenster erschien ihr plötzlich so begehrenswerth, daß sie der Frau Castellanin erklärte, hier gefalle es ihr.

Sie hatte es sehr beklagt, daß der Justizrath, welcher zur Schlichtung verschiedener Wirren, welche bezüglich der Auszahlung von ihrem und Willi’s Erbtheil entstanden waren, es zu deren Beseitigung für nöthig befunden hatte, der Frau Gräfin vorzustellen, daß es unumgänglich erforderlich sei, daß Doris in Dresden zurückbleibe, da es jedenfalls ihrer Unterschrift unter [805] Vollmachten und derlei gerichtliche Documenten bedürfen werde, um den bereits fast ein Jahr dauernden Proceß schnell und für immer zu beenden. Die in Dresden allgemein herrschende Ueberzeugung, daß die den sächsischen Truppen zu Hülfe kommende kaiserliche Armee den Preußen eine totale Niederlage beibringen werde und die Geschlagenen dann Sachsen verlassen müßten, bewog die Gräfin, auf die Trennung von Doris einzugehen und diese der Fürsorge der Frau Castellanin, so zu sagen, auf die Seele zu binden. Daß das Palais Mosczynski zum königlich preußischen Hauptquartier erwählt werden könnte, lag freilich außer dem Bereiche aller Vermuthung, indeß das Ungeahnte brachte der jungen Dame wunderbarer Weise das Glück einer Ueberraschung, welche sie jede Unannehmlichkeit ihrer Lage als Exmittirte ganz und gar vergessen ließ.

„Wenn der Major wüßte, daß ich hier bin,“ sagte sie zu sich, „gewiß er suchte mich auf. Ja, das würde er thun. Wie soll er es aber erfahren?“ An seiner Unkenntniß von ihrer Anwesenheit scheiterte also ihr stiller Wunsch, ihn wieder sprechen zu können. Und – sie erschrak nicht wenig bei dem Gedanken – er gehörte ja zu den Feinden! Das erschien ihr für den ersten Moment als ein ungeheurer Fels des Anstoßes, indeß dieser Fels – das war gewiß sonderbar – wurde immer kleiner; er sank förmlich in Nichts zusammen in ihrem Denken. Ueber ihr hübsches freundliches Gesicht flog bald ein seelenvergnügtes Lächeln und sie tröstete sich mit dem allerdings erquickenden Gedanken: „Er ist ja nicht im Kriege mit mir. Sein König geht mich nichts an, und ’s wird ihm keine Rosen tragen, daß er solchen Wirrwarr zwischen uns mit seinem Kriegstumult gebracht hat.“

Die Auffahrt war vorüber. Alles wurde still vor dem Palais; die Schildwachen am Portale wandelten ihren ruhigen Schritt auf und nieder; auch nicht einmal ein königlicher Diener war mehr zu sehen, und die Flötentöne, die zuweilen an den vorhergehenden Tagen von drüben herüber drangen, waren heute nur am Morgen hörbar gewesen. Anderthalb Stunden waren so vergangen, als Reitknechte mehrere stattliche Pferde vorführten und aus dem Portale einige Officiere heraustraten. Ein Blick genügte Doris, um zu erkennen, daß der Bewußte nicht darunter sei. Deswegen flößte die Erscheinung dieser Herren ihr kein Interesse ein; sie bemerkte nur noch flüchtig, daß die Schildwachen das Gewehr präsentirten. Dann blickte sie auf ihre Stickerei nieder.

Von Arbeitslust war aber keine Rede bei ihr, und als sie unten am Hause der alten Martha Stimme sagen hörte: „Sorge sich doch die Frau Castellanin nicht! Ich werd’s schon machen … ’s soll kein Stäubchen an den Fenstern bleiben“ … da hatte Doris die Gewißheit, daß, wenn sie ihn auch nicht gesehen, weil sie gleich wieder auf ihre Arbeit niedergeblickt hatte, der König doch mit ausgeritten sei. Jetzt konnte sie also einen Spaziergang im Parke machen, wo sie durch die Jahre daher ja jeden Baum, jede Ruhebank kannte, und hatte nicht zu befürchten, der preußischen Majestät zu begegnen, die es liebte, mit ihren Windspielen daselbst zu promeniren.

„Wollen Sie ein wenig in den Park gehen, Fräulein Doris?“ fragte die Castellanin, die eben im Begriff war, der Magd nach dem Palais hinüber zu folgen.

„Ach ja, man bekommt das Sitzen satt.“

„Natürlich, und jetzt haben Sie Luft. Der Nehemia hat mir gemeldet, daß der preußische Groß-Mogul ausgeritten sei, und da will ich in aller Eile ein wenig die Fenster abreiben lassen. Der Wind hat die kleinen Regenschauer heut in der Frühe da angetrieben, und das sieht schlecht aus. Auf Wiedersehen, Fräulein Doris! Bleiben Sie nicht zu lange! Jetzt wird’s zeitig düster.“

Das Fräulein schlug den vom Gebüsch nach außen verdeckten Fußpfad längs der Umgrenzungsmauer ein und sah sich bald unter den hochstämmigen Bäumen des Parkes.




3.

Auf der östlichen Seite des Palais, von welcher sich die prächtige Aussicht auf das Elbhochland dem Auge darbot, rieb Martha die Außenseiten der Parterrefenster ab, auf denen die vom Winde angetriebenen Regentropfen ihre Spuren zurückgelassen hatten. Vor diesen Fenstern befand sich ein sehr breiter Altan, von dem ebenso breite Stufen, vielleicht fünf oder sechs, hinabführten zu den Kastanien- und Lindenalleen, welche sich gleich Strahlen in den das Gebäude umgebenden Park hineinzogen. Von dem erwähnten Altane, auf den eine Glasthür aus einem der Zimmer führte, genoß man in gerader Linie die bereits erwähnte Fernsicht mittelst eines breiten Durchbruchs durch den Park und die Umgrenzungsmauer. Ein sogenannter Hasensprung vor der dadurch entstandenen Mauerlücke machte das Eindringen in den Park vom Wege außerhalb unmöglich, weil er nicht nur sehr breit, sondern auch sehr tief war.

Die Elbhochlandsberge, von der Nachmittagssonne beschienen, boten ein prächtiges Bild dar, denn der ebenfalls lichtdurchhauchte Ferneduft, aus dem sie hervorragten, lieh diesem schönen Naturbilde den heiteren Grundton einer Verklärung, wie sie in nördlichen Gegenden nicht so gar selten zur Erscheinung zu kommen pflegt. Die Frau Castellanin hatte für diese Schönheit keine Empfindung, dagegen gab sie sehr sorgsam auf Martha’s Beschäftigung Obacht und sagte gelegentlich: „Husche Sie doch nicht so leichtfertig darüber hin, Martha! Was ist denn das für ’ne Art zu arbeiten?“

„Die Frau Castellanin sind heute ordentlich preußisch,“ murrte die Magd. „Habe doch sonst meine Sache immer zu Ihrer Zufriedenheit gemacht, und heute findet Sie überall was zum Tadel heraus, gerade als wäre die preußische Majestät Ihr Herzblatt.“

„Solche dumme Rede lasse Sie mich nicht wieder hören, Martha! das sage ich Ihr,“ eiferte die Vorige erzürnt. „Kümmere mich den Kukuk um die preußische Majestät, die ich noch mit keinem Auge gesehen, seitdem sie hier ist; aber ob dieser König ein gern gesehener oder ein widerwillig angesehener Gast unserer gnädigsten Frau Gräfin ist, bleibt sich für uns gleich. Hier gilt’s die Ehre unserer Herrin, und übrigens ist er ein hoher Herr, der allen Anspruch auf die größte Rücksichtnahme unsererseits bei seiner Bedienung hat. In dem Punkte verstehe ich keinen Spaß. Merke Sie sich das! Er soll nicht denken, daß ich, die Frau Castellanin, eine so despectirliche Frauensperson sei, die Sitte und Anstand nicht beachtet, weil er als Feind hier ist.“

Während dieses Zwiegespräches war die auf den Altan führende Thür von innen geräuschlos geöffnet worden und ein Mann in einem einfachen, jeder Bordürung entbehrenden braunen Rocke, kurzem dunkelem Beinkleid, grauseidenen Strümpfen und Laschenschuhen, auf dem gepuderten Kopfe einen kleinen Dreispitz ohne allen Ausputz, herausgetreten. Das durch ihn verursachte geringe Geräusch entging dem Ohr der Frau Castellanin, weil sie in ihrer die Magd betreffenden Zurechtweisung sehr eifrig war, weshalb der zwischen der geöffneten Thür stehen Gebliebene ihre letzte Rede ganz genau gehört hatte. Kurze Zeit darauf wendete sich die Frau Castellanin zurück, um die bereits abgeriebenen Fenster einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen, und erblickte den Mann. Für den ersten Moment erschrak sie.

„Nun, nun, Frau, thue Sie nicht, als sähe Sie in mir den Beelzebub vor sich!“ sprach der Mann. „Ich thue Ihr nichts zu Leide.“

„Das glaube ich schon, Er sieht mir auch gar nicht darnach aus, Jemand Böses zufügen zu wollen,“ antwortete die Castellanin. „Nein, nein, ich erschrak nur deshalb, weil mir’s entfallen war, daß der König ausgeritten, und dachte, Er wär’s, Herr; aber jetzt sehe ich’s deutlich, daß ich eine Thörin gewesen … Er ist nicht der König.“

„Woran sieht Sie das?“

„Je nun, Er ist gar nicht so angekleidet, wie man ihn mir beschrieben hat.“

„Das mag treffen … Sie ist sehr klug und hält etwas auf das Sprüchwort: Kleider machen Leute.“

„Und das täuscht selten – das kann der Herr glauben.“

„Merk’s.“ Der Mann sah auf das Elbhochland hinaus und sagte dann: „Das ist hier ein prächtiges Besitzthum. Solche Berge haben wir in der Berliner Umgegend nicht.“

„Wenn man hier bei uns von Berlin und überhaupt von Brandenburg redet, nennt man’s: des heiligen römisch-deutschen Reiches Streusandbüchse.“

Ueber des Mannes scharf markirtes Gesicht lief ein leichtes Lächeln.

„Er ist wohl ein Berliner?“ fragte die Castellanin.

„Ja, ein ganz richtiges Berliner- und noch dazu ein Sonntagskind.“

[806] „I, sehe der Herr ’mal an! Das ist ja ganz interessant. Er ist wohl beim König im Dienst?“

„Nun, das gerade nicht; aber …“ da der Sprechende einen Schritt auf den Altan vortrat, so wurde bei dieser Gelegenheit die Flöte sichtbar, die er bisher in der fast soldatisch an seiner rechten Körperseite angelegten Hand wie ein kleines Gewehr aufrecht stehend trug.

„Nun weiß ich’s auf einmal, wer der Herr ist,“ schaltete die Castellanin vergnügt ein.

„Das wäre?“

„Ein Musicus, stimmt auch mit Dem, was der Nehemia, unser Heiduck, erzählte, ganz überein. Sein König will Concerte hier geben, und da hat er den Herren von Berlin nachkommen lassen. O, wenn ich nur einmal A weiß, das B kommt nachher von selber. Er ist also hier …“

„Zu Besuch,“ berichtigte Jener, auffallend heiter werdend. Nach kurzer Pause fügte er hinzu „Zum Immerhierbleiben wird sich’s nicht machen.“

Die Frau Castellanin schien diese Aeußerung als einen Ausdruck des Bedauerns anzusehen. Ihr Blick ruhte sehr wohlgefällig auf dem Manne. Er hatte so etwas Respectables an sich, so etwas Ruhiges in seinem Benehmen, das ihr imponirte. „Ich höre die Flautuse sehr gerne spielen,“ hob sie nach ganz kurzer Pause an. „Wenn sie gut geblasen wird … und könnte Er das nicht, hätte Sein König Ihn gewiß auch nicht nachkommen lassen … wenn sie gut geblasen wird, geht mir’s ordentlich in Seele und Herz hinein. Ach, Unsereins weiß das Schöne zu würdigen. Wie heißt denn der Herr, wenn ich fragen darf?“

„Fritz.“

„Ist das ein seltsamer Zufall! Meiner seligen Schwägerin ihres Onkels Stiefbruder hieß Fritze.“

So ruhig und ernst das Gesicht des Berliner Musicus auch sich zeigte, so ließen seine Züge doch ein Zucken wahrnehmen, das mit dem Wetterleuchten am nächtlichen Himmel zu vergleichen war. Wie bei dieser Naturerscheinung die hochgespannte Elektricität sich kund giebt, so verrieth das Zucken in den Gesichtszügen des Mannes das Vorhandensein eines elektrischen Stromes, desjenigen der Lachlust, die er jedoch beherrschte. „Ja, es ist überhaupt merkwürdig mit den Namen,“ sagte er. „So haben sie mich in meiner Familie der Unterscheidung wegen mit der Nummer Zwei belegt.“

Diese Aeußerung ging spurlos an der Frau Castellanin vorüber; sie schien sie nicht verstanden zu haben. Dagegen haftete aber ihr Blick mit sichtbarem Wohlgefallen auf dem in großer Ruhe vor der Thür auf dem Altan Stehenden. Nach einer ganz kurzen Pause hob sie an: „Nun, Herr Fritz … Er erlaubt’s doch, daß ich ihn bei seinem Namen nenne?“

„Warum nicht? Sie thut nur das, was alle Welt thut.“

„Freilich, freilich, jedem Topf seinen Henkel, jedem Menschen seinen Namen … da kann keine Irrung vorkommen. Wer ich bin, will ich dem Herrn mit ein paar Worten offenbaren. Ich bin die Frau Castellanin hier und seit anderthalb Jahren Wittwe. ’s ist ein seelenbetrübender Stand, wenn man von Natur und durch Bildung ein gefühlvolles Herz hat. O Gott!“ Sie strich sich mit der Schürze über die Augen hin und redete dann, nachdem sie auf den ihr Zuhörenden einen prüfenden Blick geworfen, sehr eifrig weiter: „Vorher meinte der Herr Fritz: Zum Immerhierbleiben würde es sich nicht machen. Nun, es könnte sich aber doch machen.“

„Wie das?“ fragte Jener mit sichtbarer Ueberraschung.

„Sehe Er, mit Seinem König wird’s bald Matthäi am Letzten sein. Aus Böhmen her rückt ein großer General-Feldmarschall mit einem ungeheuren kaiserlichen Heere in Sachsen ein, um sich mit unserer Armee zu vereinen, und dann Gnade Gott Seinem König! Er kommt rascher nach seiner Brandenburger Streusandbüchse zurück, als er in unser Land eingerückt ist. Da wird’s heillos zugehen und zuletzt … na, das kann Er sich ja denken, Herr Fritz, was das Ende ist. Zuletzt wird er froh sein, wenn er seine Flautuse und seinen Sand behält, denn ’s Andere geht für ihn in die Brüche.“

Dieses Calcül schien den Zuhörenden ganz starr zu machen. „Woher weiß Sie das?“ fragte er.

„Unsereins hat Connexionen, Herr Fritz,“ antwortete die Gefragte mit einem Anflug von Stolz. „Kann Ihm nur diesen Wink geben. Möchte Ihn nicht gern in’s Unglück rennen sehen. Bleib’ Er hier! rathe es Ihm. Er kann ja hier ebenso gut die Flautuse blasen, kann Kammermusicus werden … verspreche Ihm, mit meiner gnädigsten Gräfin Seinetwegen ein verständiges Wort zu reden. Sie ist die rechte Hand von Seiner Excellenz dem Herrn Premier, Reichsgrafen von Brühl, und … unter uns gesagt: Der regiert’s Land, und meine Gnädigste … regiert ihn. Da könnte Er, Herr Fritz, doch sagen: Sein Besuch habe Ihn auf einen grünen Zweig gebracht … ’s giebt hier manche gefühlvolle Seele, die die Flautuse gern hört. Laß Er Das nicht aus den Augen!“

„Nein, nein, werd’s überlegen. Für jetzt Adieu, Frau Castellanin … à revoir!

Der Berliner Musicus stieg, seinen Dreispitz vor ihr lüftend, die Stufen hinab und schritt langsam eine der in den Park führenden Alleen entlang. Frau Marianne schaute ihm nach. Er schlug einen Fußpfad ein, welcher, zwischen den mannigfaltigsten Baumgruppen hindurch, dem Innern dieser großen grünen Welt zuleitete. Der Mann ging langsam, und als er ihrem Blicke entschwand, sprach sie vor sich hin: „Der Nehemia ist doch eigentlich keine rechte Partie für mich … freilich ein kräftiger, stammhafter und nebenbei sogar ein ganz hübscher Mann; aber … ich bin doch viel zu gebildet, um darauf allein Werth zu legen; der Herr Fritz hat da einen gewissen Vorzug, ist Künstler, das wiegt schon etwas auf. Und was er für wunderbar große, schöne Augen hat! Der Augen wegen kann man sich schon in ihn verlieben … Nehemia hat so kleine Augen und zwinkert damit, als schiene ihm die Sonne hinein.“

Die strenge Controle, unter der sie die an den Fenstern beschäftigte Martha gehalten, zeigte sich von der Einwirkung der neuen Bekanntschaft, welche Frau Marianne gemacht hatte, außerordentlich gelockert, denn sie ging an den Parterrefenstern hin, ohne ihnen nur einen Blick zuzuwenden. Sie spazierte langsam ihrer Wohnung zu, sehr gedankenvoll über die Kunst, die Flautuse zu blasen.

(Fortsetzung folgt.)




Der Meistersinger von München.


Daß die Genies vom Himmel fallen, ist ein Glaube, der früher alleinseligmachend war, in der Jetztzeit aber zu den völlig überwundenen Standpunkten gehört. „Wunderkinder“ und „phänomenale Erscheinungen“ begafft man nicht mehr mit ehrfurchtstummer Bewunderung, sondern betrachtet sie heutzutage mit mißtrauischem Kopfschütteln, und die in regelmäßigen Intervallen auftauchenden neuen „Sterne am Kunsthimmel“ werden von unseren kritischen Astronomen erst durch scharfe Ferngläser fixirt, um zu erkunden, ob ihr scheinbarer Glanz nicht etwa nur ein nebelhafter Flimmer ist, ob die „Sterne“ sich nicht am Ende als Irrlichter erweisen; und bei dieser Gelegenheit ist schon Mancher „aus den Wolken gefallen“. Es hat sich eben allgemein die Ueberzeugung befestigt, daß allein mit der „angeborenen Genialität“ recht wenig zu erreichen ist, und sehr treffend bemerkt Oskar von Redwitz in jenem an einen jungen Dichter gerichteten Brief, den die „Gartenlaube“ kürzlich veröffentlicht hat: „daß das Feuer des besten Talentes endlich erkalte, wenn nicht tüchtiges Holz des Lernens nachgelegt wird.“ Die gegenwärtige Kritik begnügt sich nicht mit den „goldenen Aepfeln“ einer hervorragenden Naturbegabung, sie verlangt auch die „silbernen Schalen“ einer kunstmäßigen planvollen Ausbildung. Unablässige Strebenskraft, ernsthafte Arbeit fordern wir heutzutage von Jedem: wir verlangen sie von den Helden der Weltbühne und verlangen sie von den Helden der Bühnenwelt, wir verlangen sie von dem Dichter, der durch die Töne der Sprache wirkt, und verlangen sie von dem Sänger, der durch die Sprache der Töne uns ergreift.

[807]

Franz Nachbaur.
Als Walter von Stolzing in der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“.

Franz Nachbaur, der unzweifelhaft bedeutendste Wagnersänger der Gegenwart, zeigt uns in seiner Lebensentwickelung recht deutlich die segensvolle Macht solches ernsten Kunststrebens, wie wir es in obigen Zeilen gefordert haben. Steil und dornenvoll war der Weg, den Franz Nachbaur zurückzulegen hatte; beschwerliche Schicksalsfügungen drohten ihm oft jeden Fortschritt zu versperren; Schranken des Vorurtheils stemmten sich ihm einschüchternd entgegen, und verführerische Lebensaussichten wollten ihn später auf glattere Seitenpfade hinweglocken. Aber mit strenger und unverrückbarer Charakterfestigkeit verfolgte Nachbaur seine Bahn. Jedem Zugwind des Mißgeschicks hielt die Vestaflamme der Kunstbegeisterung Stand, die unauslöschlich in ihm [808] loderte, und mancher hochtrabende Musenjünger, der dem bescheiden Strebenden vorausgeeilt war, verlor sich später in virtuosenhaften Extratouren und Capriolen, während Nachbaur mit festem und sicherem Schritt auf dem Kunstpfade immer weiter vorschritt. Wenn man auch von ihm wie von keinem Zweiten sagen kann:

Ihm schenkte des Gesanges Gabe,
Der Lieder süßen Mund Apoll,

so darf man dennoch behaupten, daß er seine ungewöhnlichen Erfolge vielleicht weniger den seltenen, ihm verliehenen Naturgaben verdankt, als der künstlerischen Meisterschaft, Reife und maßvollen Berechnung, mit welcher er diese Gaben verwerthet. Ein Anderer mag das hohe C mit größerer Nonchalance heraustrillern und ein Dritter mit größerer Stimmgewalt sein „Zitt’re. Byzantia!“ in die erschrockene Welt posaunen. Niemand aber wird den Münchener Sänger an musikalischer Sattelfestigkeit, dramatischer Gestaltungsgabe und künstlerischer Verständnißinnigkeit überragen. Alle theatralischen Coulissenkniffe und Taschenspielerkünste verschmäht Nachbaur; keusch und innig schmiegt sich sein Gesang den Absichten des Componisten an, und nur dadurch gelingt es ihm, auf das Publicum eine so überwältigende Wirkung auszuüben und von der Kritik eine durch kein „Wenn“ und „Aber“ geschmälerte Anerkennung einzuernten.

Welche „Carrière“ der Künstler gemacht hat, beweisen recht deutlich zwei Theaterzettel, die vor uns liegen. Der eine ist aus dem Jahre 1856 und in dem französischen Provinzialstädtchen Colmar gedruckt, wo damals eine deutsche Künstlertruppe „mimte“. Ganz bescheidentlich, auf der letzten Zeile, finden wir in dem Personenverzeichniß der Oper – es war „Guillaume Tell“ von Rossini –:

Ein Fischer …… Mr. Nachbaur.

Der andere Zettel lautet nun freilich etwas anders „Leipziger Stadttheater, 25. Januar 1873. Mit aufgehobenem Abonnement: Achte Gastvorstellung des königliche bairischen Hof- und Kammersängers Franz Nachbaur aus München: Die Meistersinger von Nürnberg … Walter von Stolzing: Herr Nachbaur …“

Wohl mancher mag eine so rapide und glänzende Carrière mit neidischen Augen betrachten; aber nur Wenigen werden die Schwierigkeiten bekannt sein, welche der Sänger zu überwinden hatte, bevor er überhaupt erst in den sichern Hafen einer sorgenfreien Lebensstellung einlief.

Franz Nachbaur wurde am 25. März 1835 auf Schloß Gießen im württembergischen Oberamte Tettnang beim Bodensee geboren. Die musikalische Ausbildung, die ihm in seiner Jugend zu Theil wurde, war außerordentlich dürftig, und vor dem schläfrigen Publicum einer Dorfkirche mag zuerst seine Stimme ertönt sein. Im Jahre 1854 schickten ihn seine die Landwirthschaft betreibenden Eltern auf die Baugewerkschule nach Stuttgart, wo er neben dem Polytechnicum auch fleißig das Theater besuchte, und hier erwachte in ihm zuerst mit Allgewalt – wohl hauptsächlich durch den Einfluß Sontheim’s, der damals noch in vollster Jugendkraft stand – die Neigung zur Musik. Das Platen’sche Wort:

„Dem ergiebt die Kunst sich völlig, der sich völlig ihr ergiebt,“

schrieb sich Nachbaur damals in’s Herz, und keine Opfer, keine Mühseligkeiten scheute er, um sich Sängerberuf vorzubereiten. Selbst durch betrübende Mißerfolge ließ er sich nicht entmuthigen, und als sein Plan, am Stuttgarter Hoftheater eine Stelle als Chorist mit fünfzehn Gulden Monatsgage zu erlangen, an dem entscheidenden Machtwort des Chordirectors gescheitert war, nahm er den Wanderstab zur Hand, um mit leeren Taschen und vollem Herzen in die weite Welt hinauszupilgern.

1856 fand er ein Engagement beim Director Schumann in Basel mit einer Monatsgage von fünfzig Franken – heute verdient der Sänger an einem einzigen Abend das Dreißigfache. Mit der Schumann‘schen Truppe führte Nachbaur in Dürftigkeit und Kümmerniß ein elendes Wanderleben, bis der unternehmungslustige Director auf die unglückliche Idee kam, mit seiner ganzen Gesellschaft in Paris deutsche Opernvorstellungen zu geben, um dort natürlich nach kurzer Zeit – Bankerott zu machen.

Die armen Sänger sahen sich jetzt „auf’s Trockene gesetzt“: ohne Subsistenzmittel, ohne gewinnbringenden Wirkungskreis, mit keinem weiteren Vermögen als dem Metall in ihrer Stimme, auf das aber kein Leihhaus etwas borgen wollte! Es mußte ein Verzweiflungsschritt geschehen, um die Gesellschaft vor dem Armenhaus oder Spittel zu retten, und so wurde denn beschlossen, daß die vier jüngsten Choristen ein Quartett bilden, in den Bierhäusern Abends singen und die eingesammelten Sous unter die hungernde Gesellschaft vertheilen sollten. Nachbaur, als Jüngster, gehörte natürlich auch diesem Quartett an, und so war denn aus dem theaterbegeisterten Polytechniker, der mit heißblütigen Hoffnungen ausgezogen war, ein gottserbärmlicher Bänkelsänger geworden, der mit jedem Sou noch einige Grobheiten und mürrische Redensarten mit in Zahlung nehmen mußte.

Schon hatte der unglückliche junge Mann dieses Vagabundenleben einen Monat lang durchgemacht, schon drohte ihn der leichtherzige Jugendmuth zu verlassen, der ihn bisher allein in seinen kläglichen Tagen aufrecht erhalten hatte, als ihm ein glücklicher Zufall Befreiung und goldene Zukunftshoffnungen wieder zurückbrachte. In einem Kaffeehaus, wo er soeben mit seinen drei stimmtüchtigen Leidensgenossen concertirt hatte, erblickte ihn ein Herr, der ihn schon bei seinem ersten Engagement in Basel kennen und schätzen gelernt hatte. Es war der Banquier Alphons Passavant, der zuerst Nachbaur’s Stimmfond erkannte und sich durch den Naturalismus seiner Darstellungsweise nicht beirren ließ. Passavant nahm sich mit seltenem Edelmuth des strebsamen Sängers an, ließ ihm systematischen Gesangsunterricht ertheilen und schickte ihn zu Lamberti nach Mailand.

Es folgen jetzt zwei Jahre des ehernen Fleißes und des unermüdlichen Lerneifers. Als technisch vollendeter, wenn auch noch nicht hinreichend stimmkräftiger Sänger, kehrte Nachbaur 1859 aus Italien zurück und nahm ein Engagement am Hoftheater zu Hannover an. Doch schon 1860 verließ er diese Bühne, da sich ihm in Prag eine ungleich vortheilhaftere Stellung am Landestheater darbot. Hier gestaltete sich seine Lebensstellung immer freundlicher und glücklicher. In einem anregungsreichen, gesellig heiteren Kreise von Freunden, die sich Nachbaur nicht nur durch seine bestechende Kunstbegabung, sondern noch viel mehr durch seine herzgewinnende persönliche Liebenswürdigkeit erworben hatte, gewann der Sänger alle Jugendheiterkeit und quellende Lebensfrische wieder, die er in dem Mißgeschick der vorausgegangenen Jahre verloren hatte. Und vollends glücklich fühlte er sich, als er sich 1863 verheirathete und sich so ein frieden- und freudenvolles häusliches Asyl gründete. Es war dies keine von den heutzutage so oft vorkommenden Künstlerehen, die rasch geschlossen, rascher wieder gelöst werden, vielmehr legte Nachbaur durch sein Ehebündniß den Grundstein zu einem Familienglück, in welchem er, wie er selbst eingesteht, nach den berauschenden Triumphen in der großen Welt erst die wahre und volle Herzensbefriedigung findet.

Auch gesanglich vervollkommnete sich der Künstler in Prag immer mehr. Sein Spiel nahm an Feuer und Lebendigkeit zu; sein musikalisches Verständniß vertiefte und verfeinerte sich; seine Stimme gewann von Tag zu Tag an Schmelz, Biegsamkeit und Fülle, und als er am Schluß des Jahres 1863 ein Engagement am Darmstädter Hoftheater annahm, stand er bereits als ein meisterhafter, erfolggewisser Künstler da. Doch legte sich Nachbaur nicht auf das bequeme Polsterbett der Selbstzufriedenheit, unermüdlich studirte er weiter, und bereicherte durch solchen Riesenfleiß derart sein Repertoire, daß es gegenwärtig an siebzig große Opernrollen umfaßt.

Nach einigen glänzenden Gastspielen in Wien, Berlin und München nahm er 1867 ein lebenslängliches Engagement am Münchener Hoftheater an. Hier eroberte er sich mit einem Schlage die Herzen des Publicums und den Beifall der angesehensten musikalischen Autoritäten durch seine geradezu vollendete Wiedergabe der schwierigen Rolle, in welcher ihn unser heutiges Bild zeigt, der Rolle des „Walter von Stolzing“ in der damals neuen Oper von Richard Wagner: „Die Meistersinger von Nürnberg“. Alles wirkte hier zusammen, um das Publicum zu den begeisterungsvollsten Beifallsbezeigungen hinzureißen: die selbst in den klippenreichsten Passagen musikalisch tadelfreie Durchführung der Rolle, der bestrickende Zauber seiner in allen Registern gleichermaßen wohllautenden und sympathischen Stimme, die naturwüchsige Unmittelbarkeit und Unbefangenheit, Herzlichkeit und Wärme seiner Auffassung, seine überaus vortheilhafte Bühnenerscheinung, die edle Grazie seiner Bewegungen und endlich die siegesgewisse Ueberlegenheit und Ruhe seines Auftretens [809] Richard Wagner selbst, der bekanntlich sehr wählerisch und schwerbefriedigt ist und mit seinem Beifall kargt, umarmte nach der Vorstellung den Künstler in überströmendem Enthusiasmus vor den Augen aller Mitwirkenden, und der kunstsinnige König von Baiern würdigte von diesem Augenblick an den glücklichen Sänger seiner ganz besonderen Aufmerksamkeit und Gunst.

Nachbaur war jetzt endlich, nach tapferem und unverdrossenem Ringen, auf der lichtvollen Höhe des Künstlerthums und des Ruhmes angelangt. Durch mannigfaltige Gastspiele in Karlsruhe, Frankfurt, Dresden, Prag, Weimar, Königsberg, Riga, Leipzig etc. errang er sich immer neue Triumphe und ehrenvolle Auszeichnungen. Der König von Baiern und der König von Württemberg verliehen ihm hohe Orden; in Darmstadt und Weimar errang er sich die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, und als er von Leipzig aus, wo er bei seinem letzten Gastspiele einen wahren Enthusiasmus erregte, einen Ausflug nach Gotha machte und dort den Manrico im „Troubadour“ sang, war der Herzog Ernst so außerordentlich begeisterungsgehoben und entflammt, daß er den Künstler nach beendigter Vorstellung auf der Bühne beglückwünschte und mit dem Verdienstkreuze des Sächsisch-Ernestinischen Hausordens schmückte.

Die eigenartigen Vorzüge des Künstlers Nachbaur haben wir bereits mehrfach zu charakterisiren versucht. Erstaunlich ist noch besonders seine seltene Vielseitigkeit, da er in allen Operngattungen gleich ausgezeichnete und technisch vollendete Leistungen aufzuweisen hat: als „Lohengrin“, „Tannhäuser“, „Walter von Stolzing“, als „Raoul“, „Prophet“, „Robert der Teufel“, als „Arnold“ in Rossini’s „Tell“, als „George Brown“ (weiße Dame), als „Manrico“, als „Postillon von Lonjumeau“, als „Faust“ – überall ist er ein Anderer in Betreff der dramatischen Charakteristik und Derselbe in Betreff des künstlerisch ausgearbeiteten, wahren Meistergesanges.

B.




Aus dem Lebens- und Leidensbuche eines Dichters.
Nach handschriftlichen Quellen. Von Adolf Strodtmann.


Von allen Dichterheroen unserer classischen Periode hat neben Lessing, Goethe und Schiller keiner sich bis auf den heutigen Tag ein so bleibendes Andenken im Herzen der Nation bewahrt wie Gottfried August Bürger.

Seine „Lenore“, sein „Lied vom braven Manne“, die ergreifende Ballade „Des Pfarrers Tochter von Taubenhain“, das lustige Märlein „Der Kaiser und der Abt“ leben in Jedermanns Munde. Durch ihre Volksthümlichkeit führen sie heute noch wie vor hundert Jahren in Gemeinschaft mit den Schiller’schen Balladen unsere Jugend zuerst in das Wesen und Verständniß der Dichtkunst ein, und wie manche deutsche Jungfrau hat beim Erwachen der ersten Liebesgefühle sich an den süßen Klängen der Molly-Lieder berauscht und über des Dichters Lust und Leid wie über ein selbsterlebtes Geschick gejauchzt und geweint!

Aber es sind nicht allein die innere Wahrheit, der duftige Schmelz und die zaubervolle Melodie dieser Lieder, sondern es ist ebenso sehr der tragische Verlauf seines Lebens, was dem Dichter von jeher die Theilnahme aller Herzen zuwandte. Wenn jemals Leben und Poesie sich nahezu vollständig deckten, wenn je ein Dichter den Stoff zu seinen Liedern den thatsächlichsten Anlässen seiner äußeren und inneren Erlebnisse entnahm, so war das bei Bürger der Fall. Ein vollkommenes Verständniß und eine gerechte Würdigung seiner Werke setzen daher bei ihm, mehr als bei jedem Andern, eine genaue Kenntniß seines Lebens voraus. Diese sichere Kenntniß hat uns bisher gefehlt, denn den bisherigen Biographen Bürger’s stand nur ein verhältnißmäßig geringes Material zu Gebote. Ein günstiger Zufall hat vor einem Jahre den gesammten literarischen und brieflichen Nachlaß Bürger’s in meine Hände geführt, und durch allseitige freundliche Unterstützung meiner Nachforschungen ist es mir möglich gewesen, die Lücken desselben aus öffentlichen und Privatsammlungen, aus Staats- und Familienarchiven der Art zu ergänzen, daß das ganze Leben des Dichters sich in klarster Beleuchtung enthüllt. Es steht nicht zu befürchten, daß das hellere Licht, welches auf sein Leben fällt, den Zauber seiner Dichtungen zerstören oder die warme Theilnahme für seine Persönlichkeit im Geringsten abschwächen werde. Im Gegentheil, wenn das schöne Wort der Frau von Staël, daß Alles verstehen Alles verzeihen heißt, in irgend einem Falle als wahr gelten darf, so wird die genauere Kenntniß von Bürger’s Schicksalen, von den schweren Prüfungen und Kämpfen, welche er zu erdulden gehabt, unser Urtheil selbst über seine Verirrungen nachsichtiger und milder gestalten.

Ich glaube den Wünschen der Leser und Leserinnen der „Gartenlaube“ zu entsprechen, wenn ich vor dem Erscheinen des Bürger’schen Briefwechsels und der nach neuen Quellen bearbeiteten Biographie aus vergilbten Papieren Einiges über die Beziehungen des Dichters zu seinen beiden ersten Frauen und deren Familien berichte.

Nach einer toll verstürmten Universitätszeit war der vierundzwanzigjährige Jüngling fast direct von der Studentenbank als Justizamtmann des von Uslar’schen Gesammt-Gerichts Altengleichen nach dem einsamen Dorfe Gelliehausen verschlagen worden. Welche Kämpfe es ihn gekostet, sich in den Besitz seines Richterstäbchens zu setzen, hat unlängst Karl Goedeke in seiner actenmäßigen Darstellung der vom Obristen Adam Henrich von Uslar angezettelten Kabalen erzählt. Es ist hier nicht der Ort, des Breiteren zu schildern, wie dem armen Dichter ein Amt, das er mit den besten Vorsätzen und dem regsten Arbeitseifer antrat, durch die fortgesetzten Chicanen mehrerer seiner zahlreichen Principale nach und nach völlig verleidet ward, wie er sich mit diesen, mit dem boshaften Lästermaule des Pastors Zuch, mit den Gaunereien der Werber und hunderterlei anderen Widerwärtigkeiten herumschlagen mußte, wie er genöthigt war, jahrelang auf die Auszahlung seines kargen Gehaltes zu warten, wie er hierdurch und durch seinen gutherzigen Drang, fremde Noth zu lindern, von Anfang an tief in Schulden gerieth. Sein Unstern fügte es, daß er gleich bei seiner Ankunft in Gelliehausen die nahe Bekanntschaft des feingebildeten, aber übelberufenen württembergischen Hofraths Ernst Ferdinand Listn machte, eines leichtfertigen Schuldenmachers und herzlosen Ränkeschmieds, über dessen Schicksalen und verbrecherischen Handlungen immer noch ein gewisses Dunkel schwebt. So viel erhellt aus vorliegenden Documenten, daß er in früheren Jahren die Gerichtsamtmannsstelle zu Altengleichen bekleidet hatte und seit seinem Abgang von diesem Posten in sehr zerrütteten Vermögensverhältnissen lebte. Er verstand trefflich die Kunst, seine Bekannten auszubeuten und seine arglistigen Pläne unter der Maske einschmeichelnder Freundlichkeit und offenherzigen Biedersinns zu verbergen. Dabei besaß er ein vornehmes, aristokratisches Wesen, das den Meisten, die mit ihm in Verkehr traten, imponirte. Hatte doch auch der mißtrauisch vorsichtige Großvater Bürger’s die Caution von sechshundert Thalern, welche er für seinen Enkel auf Anfordern der Herren von Uslar hinterlegte, nirgends sicherer als in den Händen des Hofraths Listn aufbewahrt geglaubt. Ja, Bürger selbst, dem es an jeglicher tieferen Menschenkenntniß gebrach, ließ sich durch die heuchlerische Zuvorkommenheit des schlauen Gesellen alsbald vollständig umgarnen. Wie sein Amtsvorgänger Eggeling, wohnte er anfangs in dem Listn’schen Hause, und er holte sich, bei seiner Unerfahrenheit in Geschäftssachen, über die oftmals schwierigen und verworrenen Rechtsangelegenheiten Rath bei dem gewandten Rabulisten, der ihn zu eigenem Vortheil mehr als einmal auf bedenkliche Irrwege verlockte.

Gegen Ende Januar 1773 entwischte der stark verschuldete Mann seinen ihn ringsher bedrängenden Gläubigern nach Hannover, wo er nun Geldmittel aufzutreiben hoffte. Er blieb monatelang fort und überließ Bürger die Sorge, den ritterlichen Beschützer der Frau Hofräthin zu spielen, die drohende Execution abzuwenden und aus eigener Tasche die Mittel zur Bestreitung des Haushalts, wie zur Bestellung der Aecker und des Gartens herbeizuschaffen. Kaum in Hannover angelangt, wußte er dem mitleidigen Dichter seine Noth in einem verzweiflungsvollen Schreiben so rührend vorzuspiegeln, daß dieser ihm sofort den [810] ganzen Rest seiner Baarschaft sandte und dadurch in die schlimmste Verlegenheit gerieth. Bekanntlich wurde er durch den Hofrath Listn schließlich nicht allein um mehr als siebenhundert Thaler betrogen, sondern dieser machte sich obendrein später, als er ihn nicht mehr ausbeuten konnte, zum dienstwilligen Werkzeug seiner erbittertsten Gegner.

Die Hofräthin war nach allen Zeugnissen eine ungewöhnlich geistvolle, schwärmerisch exaltirte Frau, eine „schöne Seele“, die viel Sinn für Poesie besaß und manchen jungen Dichter zu blenden und zu fesseln wußte. Gemmingen, Zachariä und J. M. Miller haben sie besungen. Karl Friedrich Cramer, mit dessen Mutter sie befreundet war, und der sich ihr und ihrem Gatten vielfach gefällig erwies, beehrte sie in der damals üblichen Hainbundsprache mit dem stolzen Titel einer „Adlerin“, lernte aber später ungünstiger von ihr denken. Boie, der sie ebenfalls in einem Gedichte gefeiert und ihr die größte Hochachtung zollte, erklärte die Briefe, welche sie an Gemmingen geschrieben, vielleicht für die besten, welche in deutscher Sprache vorhanden seien, ein Urtheil, das die wenigen, sehr unorthographischen Briefe der Dame, welche mir zu Gesicht gekommen, allerdings nicht bestätigen. Dabei war sie eine enthusiastische Verehrerin Lavater’s und behauptete schon in gesunden Tagen, in Verkehr mit der Geisterwelt zu stehen. Die „Lenore“, welche im Sommer 1773 entstand, machte so starken Eindruck auf ihr Gemüth, daß sie nach Anhörung einiger Strophen in die höchste Aufregung gerieth und Nachts nicht zu schlafen vermochte. Der Umgang mit ihr spornte Bürger lebhaft zu dichterischen Arbeiten von eigenartigem Gepräge an.

„Meine freundliche engelgute Wirthin,“ schrieb er schon ein Jahr früher am 18. Mai an Boie, „ermuntert mich recht oft, ein Frühlingslied zu singen, welches eine eigene, von allen bisher gesungenen verschiedene Wendung hätte.“ Und am 2. August schreibt er demselben Freunde: „Das Frauenzimmer, welches Ihre ganze Hochachtung vereinigt, soll einst meine Genossin in den paradiesischen Lauben werden, und eine neue Art von Gesang, so ich mir zu bilden beschäftigt bin, dieser schönen Seele hinfort geweyhet seyn. Denn wo ist eine ihres Geschlechts, die einer Engelseele so ähnlich wäre?“

Das am 17. December desselben Jahres verfaßte Gedicht „An Agathe. Nach einem Gespräch über die Unsterblichkeit“ ist in der That ganz von der seraphischen Verzückung durchhaucht, in welcher die seltsame Schwärmerin Trost und Ersatz für die prosaischen Leiden des Alltagslebens suchte.

Trotz der überschwänglichen Sprache dieses Liedes und jener Briefstelle veranlaßt uns nichts zu der Annahme, daß Bürger der um viele Jahre ältern Frau, der „honetten Matrone“, wie sie Cramer in seinen Briefen zu nennen pflegt, mehr als eine enthusiastische Freundschaft und ein sympathisches Mitgefühl gewidmet hätte. Auch erkrankte sie schon im Sommer 1773 und verfiel im Herbste desselben Jahres in einen unheilbaren Irrsinn, dessen trübe Nacht selten durch lichte Intervalle unterbrochen ward. Der tägliche Anblick ihrer Leiden verdüsterte mehr und mehr Bürger’s Gemüth, und im November mußte sich endlich der Hofrath zur Rückkehr bequemen, um die Sorge für seine Gattin, welche bis dahin allein seinem jungen Freunde zur Last gefallen war, mit demselben zu theilen.

In dieser traurigen Zeit bot der häufige Umgang mit der Familie des Amtmanns Karl Leonhart zu Niedeck dem Dichter die einzige Erquickung. Die erste Bekanntschaft mit dem Vater vermittelte der Umstand, daß Bürger vor demselben auf Befehl der hannoverschen Regierung am 31. December 1772 den vorgeschriebenen Huldigungseid ablegte. Der Amtmann Leonhart hatte eine sehr zahlreiche Familie. Aus erster Ehe besaß er vier Söhne und drei Töchter, welche, mit Ausnahme eines früh verstorbenen Knaben, noch sämmtlich am Leben waren. Nach dem Tode der ersten Frau, einer geborenen Schädeler, heirathete der Vater, wie es scheint, gegen Ende der sechziger Jahre des vorigen Säculums eine gleichnamige Verwandte, vielleicht eine Schwester derselben, die Wittwe eines Dr. Strecker, welche ihm noch zwei im katholischen Glauben erzogene Stieftöchter, Franciska und Wilhelmine, zuführte. Der Amtmann Leonhart war ein braver, rechtlicher Mann, der in seinem gastlichen Hause allezeit offene Tafel hielt und durch seine joviale Gutherzigkeit bei Jedermann beliebt war. Die Einkünfte seines den Geschäften nach ziemlich unbedeutenden Amtes bestanden hauptsächlich in dem Gewinn, den er aus den weiten, fruchtbaren Ländereien seiner fiscalischen Pachtstelle zog; aber der kostspielige Haushalt und die langmüthige Nachsicht, welche er seinen unbemittelten Schuldnern erwies, bewirkten, daß er mit der Zahlung der stipulirten Pachtsumme an die Regierung oft Jahre lang im Rückstande blieb. Er liebte die Jagd, das L’hombrespiel und ein fröhliches Gespräch beim Glase Wein in anregender Gesellschaft; um das Uebrige machte er sich wenig Sorgen. Seine Knaben und Mädchen wuchsen ohne strenge Aufsicht und ernstlichen Unterricht frei und wild heran; ihren trefflichen Anlagen wurde kaum die nothdürftigste Pflege zu Theil, und sie hatten es nur der eigenen Tüchtigkeit zu danken, wenn ihre Geistes- und Herzensbildung sich dennoch über das Durchschnittsmaß der Menge erhob.

Bürger, der seit dem Sommer 1773 das Amthaus zu Niedeck häufig besuchte, fühlte sich bald heimisch in diesem geselligen Kreise. Ihn fesselte die unverdorbene Natürlichkeit, das herzliche Wesen dieser anspruchslosen Menschen, zu denen er sich mehr und mehr hingezogen fühlte, je drückender ihm der Aufenthalt im Listn’schen Hause ward. Sein intimer Verkehr mit denselben veranlaßte Boie im October des Jahres zu der Bitte, der Freund möge ihm doch den Namen eines der Mädchen zur Niedeck für die Subscriptionsliste zu Klopstock’s „Gelehrtenrepublik“ schaffen, denn „an Mädchen fehlt’s, und die zieren die Rolle“. Als der Amtmann Leonhart gegen Ende Januar 1774 seinen Geburtstag feierte, wußte Bürger dieses Familienfest sinnvoll dadurch zu erhöhen, daß er die Frau Amtmännin und sämmtliche Kinder bei Ueberreichung ihrer Geschenke kleine Gedichte hersagen ließ, die er in Gemeinschaft mit seinem Freunde J. M. Miller verfaßt hatte. Die noch erhaltenen Verse, welche er für das zehnjährige römisch-katholische Stieftöchterlein schrieb, lauteten recht artig:

„Vater, nimm dies Blühmchen an,
Weil ich sonst kein Opfer habe,
Sieh den Wehrt der kleinen Gabe
Minder, als des Herzens an.

Bester Vater, o wie lieb,
O wie lieb hab ich Dich, Vater!
Zweyter, zärtlicher Berather
Meiner Kindheit! O wie lieb! –

Mutter Gottes, sprich für mich,
Sprich für mich zu Deinem Sohne,
Daß er diesen Vater lohne!
Mutter Gottes, sprich für mich!“

Wahrscheinlich fand die Verlobung Bürger’s mit der zweitältesten der Leonhart’schen Schwestern an eben diesem Tage oder kurz nachher statt, und wenige Wochen später verließ der Dichter sein „Bedlam“ in Gelliehausen, wo er weder Ruhe noch Rast hatte, um sein Hüttchen unter den freundlichen Gesichtern auf der Niedeck zu erbauen. Dorothea (geb. 5. Octbr. 1756) – oder wie sie sich stets in ihren Briefen unterschreibt, Dorette – war ein hübsches siebzehnjähriges Mädchen, mit feinen, regelmäßigen Zügen, klein und zierlich gebaut, heiteren und doch sinnigen Gemüthes, von sanft gefälligem Charakter, etwas phlegmatisch vielleicht, aber jetzt in ihrer frischen Jugendblüthe strahlend vor Glück und Zärtlichkeit. Sie las viel und gern, besonders Romane und Schauspiele, ja, sie hatte nicht blos ein lebhaftes Interesse an poetischer Lectüre, sondern sie warf gelegentlich auch wohlgesetzte Verse auf’s Papier, wie das anmuthige Lied „Muttertändelei“, welches im Göttinger Musenalmanach für 1780 unter ihrem Namen erschien und später von Bürger in die Sammlung seiner eigenen Gedichte aufgenommen ward. Es ist ein Irrthum, zu wähnen, daß er sie niemals, oder nur ein kurzes Weilchen geliebt hätte. Es dürften wohl alle seine Briefe aus dem Jahre 1774 bezeugen, daß er mit einer schwärmerischen Gluth an ihr hing, ja, daß er seine Freunde und die ganze Welt über seine Minne vergaß. Der edle Vater Gleim hatte ihm zur Verbesserung seiner Lage die Annahme einer Gerichtshalterstelle bei dem Geheimrath von Asseburg auf Moisdorf empfohlen, zu welcher er ihn in Vorschlag gebracht. Die Bedingungen waren günstig und stellten nicht allein eine sorglose Existenz, sondern auch hinlängliche Muße zu dichterischen Arbeiten in Aussicht; nur sollte sich Bürger verpflichten, zwei Jahre lang nicht zu heirathen, da das Haus noch nicht fertig war. Dieser Aufschub dünkte seinem leidenschaftlichen Herzen unerträglich; er schlug ohne Besinnen die Stelle aus.

[811] „In den Armen eines Mädchens, welches mich zum ewigen Gefangenen gemacht hat,“ schrieb er dem väterlichen Freunde, „beantworte ich Ihren Brief. Und wenn ich auch an des Kaisers Thron, ja in ein Paradies gerufen würde, so hielte mich doch der Arm, der mich jetzt umschlingt, zurück, dem Rufe zu folgen. Die Welt hat für mich, wie für den Liebenden, dessen Geschichte uns Rousseau beschrieben, nur zwei Theile, den, wo Sie ist, und den, wo Sie nicht ist. Jener ist der himmlische Freudensaal und dieser das dunkle Jammerthal. Ich sollte meines süßen Mädchens noch zwei Jahre entbehren? Das wäre ja eine angstvolle Ewigkeit! Immer solle demnach der Vorhang nieder und verschließe meinem Blick die Aussicht auf Glück und Ehre!

Minnesold läßt Amt und Ehren,
Goldnen Sporn und Ritterschlag.
Lässet ohne Neid entbehren,
Was der Kaiser geben mag.
Ehre lacht nicht halb so hold,
Als der Minne Freudensold!“

„Wißt Ihr‘s schon, Freund,“ heißt es in einem gleichzeitigen Brief an Boie, „daß ich mich hier verplempert habe? Vermuthlich

Bürger‘s Wohnung in Wölmershausen.
Nach einer Zeichnung von Otto Peters.

wird der hundertzüngige Ruf auch für dieses Histörchen ein Zünglein übrig gehabt haben. Sehen Sie, mein liebster Boie, endlich haben wir denn auch die Schuld der Natur bezahlen und uns bis zum Heirathen verlieben müssen. – Ach, da kommt sie her, die Minnigliche, die mein Herz mit allen ihren Tugenden und Fehlern, so wie sie da ist, über Alles in der ganzen weiten Welt liebt. Mag sie doch Andern nichts sein, mir ist sie Alles.

Jeder Minner hat die Seine,
Und die Seine lobe, wer da will!
Mag er doch in gleichen Weisen
Seines Herzens Huldin preisen!
Nur die Meine lass‘ er mir!
Lobt er dort, so lob‘ ich hier.“

Scherzhaft lautet die Gratulation des Grafen Friedrich Leopold Stolberg: „Und Sie armer Adler sind verliebt! O paaren Sie sich geschwind! herzlich freue ich mich, daß Sie ein liebes Mädchen gefunden haben! eya, wäre ich auch da! Sie wissen, was Salomon von einem guten Weibe sagt: Sie ist lieblich wie ein Rehe und holdselig wie eine Hinde, oder, wie Michaelis übersetzen würde: sie ist lieblich wie eine Ricke und holdselig wie ein Schmalthier.“ – Gleim widmete „Der Freundin Herrn Bürger‘s, in seine Seele gesungen von dem Verfasser,“ nachstehendes Schäfergedicht:

Zwei schöne Tage sind verloren,
Ich sahe meine Doris nicht.
In ihrer Pracht sah ich Auroren,
Ich sahe Cynthien und Floren
Und Hespers stilles Silberlicht,
Und meine Doris sah ich nicht –
Zwei schöne Tage sind verloren.

Ach hätt‘ ich diese Tage wieder,
Verleben wollt‘ ich sie mit ihr.
Mit ihr fäng‘ ich Auroren Lieder,
Die Grazien und ihre Brüder,
Die Liebesgötter alle hier
Um sie herum gewänn‘ ich mir –
Ach hätt‘ ich diese Tage wieder!“

So sehr fühlte sich Bürger beseligt im Genusse der vollen Liebeswirklichkeit, daß ihm jedes Wort und Lied im Vergleich zu derselben arm erschien. Boie hatte erwartet, die Muse des Freundes werde sich nun zu erhöhtem Aufschwunge gespornt sehen. „Aber,“ frug er vorwurfsvoll, „begeistert Sie die Liebe zu keinem Gesange? Sie hätten die Liebe feurig singen müssen, oder kein Dichter kann‘s! Sie wissen doch:

Il faut n’écrire des vers amoureux
Que sous les yeux de sa maîtresse.

Fragen Sie nur Ihr Mädchen, ob sie nicht auch gern ein Lied hätte!“

Bürger antwortete dagegen: „Sie werden es, mein lieber Boie, ganz natürlich finden, daß ich jetzt täglich an Sie schreiben und zu Ihnen nach Göttingen kommen will, und doch Beides nicht bewerkstellige. Wenn das so fortgeht, so sterbe ich den Musen, der Freundschaft und der ganzen Welt noch ab, um nur allein der Minne zu folgen. Ich kann jetzt nichts als lieben; lieben beim Entschlummern, lieben beim Erwachen, lieben in Träumen. Verse mag und kann ich jetzt gar nicht machen. Alle Ideen fliegen in Rauch auf; und einen Reim bin ich so wenig vermögend zu finden, daß mich dünkt, die ganze Welt hätte keine zwei Wörter, welche sich reimten.“ Auch der Graf Christian Stolberg wunderte sich, daß Bürger nicht „sein Mädchen und die Freuden des ersten Kusses“ besang. „Aber liebster Adler – warum so stille? ich hatte gehofft, daß die allmächtige Liebe Sie recht fruchtbar beseelen würde, daß Ihnen Ströme von Liedern entfließen und Sie Ihr Mädchen wie Petrarca besingen würden, aber stumm wird er nach der Liebe.“

Nach der Vermählung Bürger’s mit seiner geliebten Dorette – die Hochzeit wurde am 22. Oktober 1774 in dem stattlichen [812] Saale des Amthauses zu Niedeck gefeiert – kehrte endlich der Geist der Lieder zurück. Schon am 1. December erhielt Boie von dem jungen Ehemanne, der seine Freunde nun nicht länger zu vernachlässigen versprach, ein schönes Lied: „Das neue Leben“, welches in hymnenartigem Jubel die glücklichste Erfüllung seiner Liebesträume aussprach:

„Liebe! deine Wunderkraft
Hat mein Leben neu geboren,
Hat zu hoher Götterschaft
Mich hienieden schon erkoren!
Ohne Wandel! ewig so!
Ewig jung und ewig froh!“

Die Zeugnisse Boie’s, Goekingk’s und anderer nahen Freunde, denen Bürger sein ganzes Herz erschloß und die im vertrautesten Verkehre mit ihm blieben, stimmen darin überein, daß seine Ehe mit Doretten in der ersten Zeit eine durchaus glückliche war, und daß die Flamme seiner Liebe erst später erkaltete. Boie suchte und fand mehr als einmal Erheiterung und Erholung bei dem jungen Ehepaare, und Goekingk weiß in seinen Briefen an Bürger nicht herzlich genug von dessen „Dortheychen“ zu reden. „Mein kleines Weib, das beste, sanfteste, redlichste Geschöpf unter der Sonne,“ schrieb der Dichter im Sommer 1775 an Gleim, „hat mir vor wenigen Wochen ein kleines Mädchen mit Lebensgefahr geboren. Weib und Kind sind meine ganze und einzige Freude.“ Und um dieselbe Zeit richtet er an Boie die Frage: „Saget, Freund, wie fängt man’s wohl an, um glücklich zu leben? Das ist, um zu seinen Bedürfnissen Geld zu haben? Schimpfen hin, schimpfen her auf den glänzenden Koth! lauter moralische, poetische Albernheiten! Manche können freylich bei seinem Ueberfluß unglücklich seyn, aber weit mehrere sind es durch seinen Mangel. Ich, zum Beyspiel, wüßte nicht, was mir sonderlich abginge, wenn ich, meiner Schulden entladen, zu meinen – gewiß nicht großen – Bedürfnissen ein Hinreichendes hätte.“

In dem ersten Jahre seiner Ehe wohnte Bürger mit seiner jungen Frau in einem (jetzt abgebrochenen) Nebengebäude des Niedecker Amthauses, dessen Ostseite von einer riesigen Doppellinde beschattet war. Der eine Stamm des prächtigen Baumes mußte leider unlängst gefällt werden, weil er vor Alter morsch geworden war und den dahinter stehenden Holzschuppen zu zertrümmern drohte. Am Hause lag ein großer, wohlgepflegter Garten, in dessen gemauertem Bassin damals Goldfische unter dem Strahle einer Fontaine umherplätscherten. Der Garten ist fast noch ganz in demselben Zustande erhalten; eine Partie links am Ende an der Landstraße nach Duderstadt, von acht himmelhohen Pappeln umsäumt und unten mit dichtem Rosengebüsche bepflanzt, wird in alten Schriftstücken schon vor mehr als hundert Jahren, wie heute noch, „der Rosenberg“ genannt. Auch eine dichte Laube von Hainbuchen und eine ungeheure Linde auf der rechten Seite des Gartens, deren Aeste sich mit dem Laubwerke eines epheuumrankten Syringenbaumes zu einer herrlichen Laube verzweigen, werden oft der Ruheplatz des jungen Ehepaares gewesen sein. Der hochgelegene Garten gewährt eine herrliche Aussicht nach den Gleichen mit ihren alten Burgtrümmern; an hellen Tagen sieht man deutlich den Brocken und den Rabensberg in der Richtung von Ellrich und Walkenried. Zu Füßen des Gartens senkt sich ein tannenbewachsener Abhang hinab, welcher den Namen „das Bürgerthal“ führt und in dessen Mitte sich eine grottenartige Felsbank befindet, die Bürger selbst während seines Aufenthaltes zu Niedeck in den weichen Randstein gehauen haben soll. Erst am 21. September 1775 bezog er das neuerbaute Haus des Bauern Henrich Andreas Kreps zu Wöllmershausen, in welchem das verhängnißvolle Geschick seines Liebesromans mit der Schwester seiner Frau, der vielbesungenen „Molly“, ihn ereilte. Dieser Liebesroman wird der Hauptgegenstand des nächsten Artikels sein.




Der Funke in’s Pulverfaß.
Geschichtliche Jubelskizze von Fr. Hofmann.


Wird unsere Illustration, die an sich ohne Kunstwerth ist, als Ehrenbild der Gründung eines der mächtigsten Reiche der Welt gelten? Gewiß nicht! In der That hat sie von Haus aus das Gegentheil bedeuten sollen: ein Schmähbild auf den Widerstandskampf der englischen Colonien Nordamerikas gegen König und Parlament von Großbritannien. Darum ist ein Act der Volksjustiz, das Betheeren und Federn eines königlichen Zollbeamten, dem geschwärzte Unmenschen „Thee“ eingießen und mit Strick und Prügel drohen, carrikirt in den Vordergrund gestellt, während die geschichtliche That des Bostoner Theesturms, welche den „Funken in‘s Pulverfaß“ des nordamerikanischen Befreiungskrieges warf, in den Hintergrund verlegt ist. Das Bild ist im Jahre 1774 in London gemalt; das Betheeren und Federn des Zollbeamten geschah erst vier Wochen nach dem Theesturme, mochte aber der englischen Auffassung noch entsetzlicher erscheinen, als dieser, dessen Folgewichtigkeit damals noch nicht zu erkennen war. Daher trägt es auch nur die Unterschrift. „The Bostonians paying the excise-man or tarring & feathering.“ (Wie die Bostoner den Zolleinnehmer mit Theeren und Federn bezahlen.) Auch daß man als den Galgen, unter welchen der Gefederte eine Zeitlang gestellt wurde, einen Freiheitsbaum Liberty-Tree), wie sie damals in den Städten häufig errichtet wurden, in das Bild brachte, ist ein Beweis mehr für die bezeichnete Bestimmung desselben. Trotz alledem hat es seine Stelle unter den Geschichtsbildern der „Historischen Gesellschaft“ in Boston gefunden und feiert nun die hundertjährige Wiederkehr des großen Tages mit, den es verhöhnen sollte.

Der „Bostoner Theesturm“, oder, wie amerikanische Geschichtschreiber sagen, die „Bostoner Theegesellschaft“, bildet zwar, als nächste Ursache kriegerischer Feindseligkeiten, den Anfang des nordamerikanischen Befreiungskrieges, der nach achtjährigem Kampfe (1775–1783) mit der Anerkennung der „Vereinigten Freistaaten von Nordamerika“ endete. Mit gleichem Rechte erkennen wir aber in dem Bostoner Theesturme die Explosion, die nach zehnjähriger Gährung der sich feindlichen Elemente im Staatskörper der Colonien erfolgte. Diese „Krisis“, wie im Hinblick auf den Erfolg George Bancroft diese Zeit als den Ausgang der Staatskrankheit in Genesung bezeichnet, unseren Lesern in raschen Zügen darzustellen und mit der entscheidungsvollen Nachtarbeit der „Bostoner Theegesellschaft“ zu schließen, ist die Aufgabe dieses Artikels.

Der amerikanische Theil des „Siebenjährigen Krieges“, ein Abzweig des Vernichtungskampfes, den England, als Preußens Bundesgenosse, damals gegen Frankreichs Flotte und Seehandel führte, hatte die englische Macht auf dem nordamerikanischen Festlande außerordentlich erweitert und gefestigt. Im Frieden von Paris zwischen England und Frankreich am zehnten Februar 1763, dem der zu Hubertusburg zwischen Preußen und seinen Gegnern am fünfzehnten folgte, erhielt England die ehedem französischen Besitzungen Acadien (Neu-Schottland), Canada und Cap Breton, gab zwar Havanna an Spanien zurück, verband aber dafür Florida und alle ehemaligen spanischen Gebiete auf der Ostseite des Mississippi mit seinen Colonialländern, die fortan auf dem Festlande nirgends durch einen überlegenen Feind in ihrem Aufblühen gestört werden konnten. Die Colonien aber hatten redlich mitgefochten und durch ihre Tapferkeit und große Opfer das Glück verdient, dessen sie sich freuten.

Der Krieg hatte jedoch ungeheure Summen verschlungen. Die Schulden Englands waren bis auf hundertsechsundvierzig Millionen Pfund Sterling gestiegen, und die Last drückte schwer auf die Steuerpflichtigen. Da lag wohl der Gedanke nahe, die Einkünfte des Staats durch Auflagen auf die amerikanischen Colonien zu vermehren.

Dies geschah schon am 5. April 1764 durch die sogenannte Zuckeracte. Gemäß derselben wurden Zucker, Syrup, Molassen, Kaffee und Indigo, alle Weine außer den französischen und alle ostindischen seidenen und halbseidenen Tücher mit einer Abgabe belastet, die einem Verbote dieses Handels gleich kam.

Diese Maßregel war nach der bisherigen Behandlung der Colonien außerordentlich unklug, denn sie wurden stets rücksichtslos ausgenutzt für die britischen Handels- und Industrievortheile und bildeten den profitabelsten Markt für das Mutterland, das den stiefmütterlichen Charakter zu unverhüllt sehen ließ.

[813] Man hatte in England nicht bedacht, daß ein Krieg, wie er in Amerika geführt worden war, kühne und streitbare Männer erzieht. Hatte schon vor dem Kriege die Nothwendigkeit, sich der englischen Ausbeutung nach Möglichkeit zu entziehen, zum Schmuggelhandel verleitet, so nahm dieser nun eine wahrhaft großartige Gestalt an, und die neue Maßregel dagegen, daß alle britischen Seeofficiere auf der amerikanischen Station als Zollbeamte beeidigt und somit zur Untersuchung jedes Schiffes berechtigt wurden, machte das Uebel nur ärger.

Das folgende Jahr brachte eine noch stärkere Überraschung, denn am 22. März 1765 setzte eine Parlamentsacte die Einführung des Stempelpapiers in den Colonien durch. Eine zweite gleichzeitige Acte legte den Colonien die Verpflichtung auf, königlichen Truppen, die in den Casernen und Forts nicht untergebracht werden könnten, Quartier und Naturalleistungen zu gewähren.

Wie gegen die Zuckeracte brach auch gegen die Stempelacte in allen Theilen der Colonien die gleiche Entrüstung sich Bahn. In der Volksvertretung von Virginien legte Patrick Henry feierlich Protest gegen die Stempelacte ein. Mit hinreißender Beredsamkeit schilderte er die Uebergriffe und Rechtsverletzungen Englands. „Cäsar,“ so rief er, „hatte seinen Brutus, Karl der Erste seinen Cromwell, und Georg der Dritte –“

„Hochverrat! Hochverrath!“ unterbrach ihn der Sprecher; aber Henry fuhr nach einer Pause fort:

„– und Georg der Dritte möge sich jene Beispiele zu Nutz machen!“

Am ersten November, an welchem die Stempeltaxe in Kraft treten sollte, läuteten in vielen Städten die Trauerglocken. In New-York wurde die Stempelacte statt mit dem Wappen des Königs mit einem Todtenkopf bedruckt und mit der Unterschrift „Englands Thorheit und Amerikas Untergang“ in den Straßen vertheilt. In Massachusetts verbrannte man eine Menge Stempelbogen und schlug das Bildniß des Stempelmeisters an den Galgen. Es fehlte auch nicht an wilden Tumulten. Aber alle derartigen Demonstrationen machten in England weniger Eindruck als der stille Widerstand, der sich in ernsterer Weise vorbereitet hatte. So standen plötzlich viele Gerichtshöfe leer, weil die Parteien sich lieber friedlich vorher einigten, als später zur Anwendung des Stempelpapiers gezwungen zu sein. Den wichtigsten Schritt wagte aber die Vertretung von Massachusetts: ein vom Sprecher des Unterhauses unterzeichnetes Rundschreiben lud die gesetzgebenden Körper aller übrigen Provinzen ein, auf den ersten Dienstag des October Abgeordnete nach New-York zu einem allgemeinen Congreß zu senden, „damit die Regierung des Mutterlandes nicht ferner einzelne Bitten und Vorstellungen höre, sondern in den Beschlüssen dieser Versammlung die Stimme der vereinigten Colonien erkenne.“

Dieser Congreß wurde von achtundzwanzig Abgeordneten, und zwar von Massachusetts, Rhode-Island, Connecticut, New-York, New-Jersey, Pennsylvanien, den niederen Grafschaften am Delaware, Maryland und Südcarolina beschickt und dauerte bis zum 25. October. Sein Resultat war eine Erklärung der Rechte und der Beschwerden der Colonien, die in Bittschriften von ebenso fester als ruhiger Haltung an das britische Parlament abgefertigt wurden. Ebenso ernstwirkend war der Beschluß, die Colonien in ihren Bedürfnissen vom Mutterland möglichst unabhängig zu machen und die eigene Gewerbthätigkeit zu beleben. Endlich bildete sich ein Verein von Männern, zunächst in Connecticut und New-York, „zur Aufrechterhaltung der britischen Constitution in Amerika“, mit einem Ausschuß, der die angesehensten Männer zur Theilnahme einlud und der in kurzer Zeit außerordentlich an Einfluß auf die Colonien gewann. Die Mitglieder dieses Bundes nannten sich „Söhne der Freiheit“.

Diese unverhohlene Stimmung im amerikanischen Volke erregte auch in England Bedenken bis in die höchsten Kreise, und dieser Umstand und die Bitten der ängstlich gewordenen englischen Kaufleute und Gewerbtreibenden vermochten endlich den König, am 18. März 1766 in feierlicher Sitzung im Westminster die Stempelacte wieder aufzuheben, – freilich nicht ohne die Erklärungsbill (declaratory bill), welche Großbritannien das Recht zusprach, „die Colonien in jeder Hinsicht zu beherrschen und ihnen Gesetze zu geben.“

In Amerika war die Freude über diesen friedlichen Sieg groß, jedoch von kurzer Dauer, denn der Anspruch der „Erklärungsbill“ blieb unvereinbar mit dem bisherigen Verfassungsleben der Colonien, das in den einzelnen Provinzen nach dem Muster des Mutterlandes gebildet, also auf möglichste Selbstregierung begründet war. Daher konnte auch ein Hauptkämpfer dieser Zeit, Samuel Adams aus Boston, welcher sich den Ehrentitel „Cato Nordamerikas“ erworben hat, früh die Unmöglichkeit der Abhängigkeit Amerikas von England erkennen, und so widmete er sein ganzes Leben dem Kampf für die Unabhängigkeit.

König Georg hatte die Aufhebung der Stempelacte als „ein unheilvolles Zugeständniß“ beklagt; man suchte nun um so eifriger die Amerikaner zur Bezahlung einer Steuer zu vermögen, denn sobald sie eine bezahlt hatten, mußten sie sich jeder Besteuerung fügen, hatten sie das Recht zum Widerstand verloren. Das wußten alle Engländer, aber ebendeswegen auch alle Amerikaner, und darnach handelten nun beide Theile bis zum unvermeidlichen Bruch.

Gleich im nächsten Jahre, 1767, bedachte das Parlament im schönen Monat Mai Amerika mit einer Steuer auf Thee, Glas, Papier und Malerfarben. Die Abgabe war absichtlich verführerisch gering und der Ertrag derselben sollte angeblich zu den Gehalten der Statthalter, Richter und anderer Beamten der Colonien bestimmt sein, – also im Lande bleiben. Dennoch antworteten die Kaufleute von Boston und ganz Massachusetts auf diese Acte mit dem Beschluß, fortan gar keine englischen Waaren, wenige ganz unentbehrliche ausgenommen, einzuführen bis dieser Zoll wieder aufgehoben sei. Um aber nicht allein zu stehen, sondern alle Colonien durch ein geistiges Band zu verknüpfen, stiftete Samuel Adams sogenannte „Correspondenz-Bureaux“ in den bedeutendsten Städten, die sich von allen Vorkommnissen und nothwendigen gemeinsamen Beschlüssen eiligst Nachricht gaben und von den „Söhnen der Freiheit“ auf das Eifrigste bedient wurden.

Da Boston immermehr als Revolutionsherd erkannt wurde, so benutzte die Regierung einen Tumult, der wegen eines von den Zollbeamten aufgebrachten Schleichhandelsschiffs ausgebrochen war, zur Besetzung der Stadt mit zwei Regimentern Soldaten und des Hafens mit einer Fregatte und einigen anderen bewaffneten Schiffen. Mitten in die Erbitterung darüber fiel eine neue empörende Nachricht von London. Der Geschäftsträger von Massachusetts in London, der berühmte Benjamin Franklin, hatte eine verleumderische Correspondenz des Statthalters Hutchinson und des Unterstatthalters Oliver über Massachusetts an‘s Licht gezogen und die Entfernung beider von ihren Posten verlangt. Dafür hatte der Kronanwalt Wedderburne ihn auf das Schimpflichste behandelt und einen Aufwiegler und den gefährlichsten Feind Englands genannt – denselben Mann, welchen Pitt als „die Ehre Englands und der Menschheit“ pries.

War man nun auf neue Gewaltmaßregeln von England gefaßt, so mußte es die äußerste Ueberraschung bereiten, als nach einem vom Minister Lord North am 5. März 1770 dem Parlament vorgelegten Antrag die Besteuerung Amerikas von 1767 wieder aufgehoben wurde. Den Grund dazu hatten allerdings nicht Liebe und Güte, sondern die bittere Erfahrung dictirt, daß die englische Kaufmannschaft in Folge des Widerstandsbeschlusses der Colonien im Jahre 1769 für siebenhundertvierundvierzigtausend Pfund Sterling weniger an Waaren nach Amerika eingeführt hatten, als früher; ebenso schwer hatten die Zollcassen gelitten. Um aber das Princip zu wahren und wohl in der Hoffnung, durch die Geringfügigkeit der Abgabe dennoch zum Kauf zu verlocken, belegte man nur den Thee mit einem Zoll von drei Pence (vierundzwanzig Pfennige preußisch) für das Pfund. Und wirklich lag jetzt die Gefahr nahe, daß die Lockung gelang; wenigstens führte man in den südlichen und mittleren Provinzen wieder englische Waaren ein, wenn auch noch mit Ausnahme des Thees. Eine Schwäche konnte die andere nachziehen; da galt es: Aufraffen! Samuel Adams, die Correspondenzbureaux und die „Söhne der Freiheit“ wandten alle Mittel der Beredsamkeit an, um die Widerstandskraft zu erneuen, und abermals ging Massachusetts mit seiner Hauptstadt Boston muthig und opferbereit voran und empfand auch die ersten Gewaltschläge. In Boston war es am 5. März 1770 zu einem Straßenkampf mit dem Militär gekommen. Es war Blut geflossen, gab Todte und Verwundete. Am andern Morgen versammelte sich das Volk in

[814]

Wie die Bostoner einen Zollbeamten bezahlen, d. h. theeren und federn.
Einzige bildliche Darstellung aus der Theesturmzeit, jetzt im Besitz der „Historischen Gesellschaft“ in Boston.

[815] der sogenannten „alten Kirche“ im südlichen Theil der Stadt und zwang durch seinen Beschluß den Statthalter, die beiden Regimenter, die in Boston lagen, in das Fort Williamsburg zu verlegen. Eine feierliche Bestattung der Gefallenen vermehrte die Erbitterung und die Hartnäckigkeit des Volks.

Um den Beschluß des Königs Georg, daß der Theezoll das englische Recht der Besteuerung Amerikas zu repräsentiren habe, durchzuführen, griff man zu einer List, zu welcher die große Noth der Ostindischen Compagnie mit ihrem Theehandel zwang. Sie hatte jährlich zwei Millionen vierhunderttausend Pfund Sterling für ihr Monopol an die Regierung zu zahlen, und nun lagerten nicht weniger als siebenzehn Millionen Pfund Thee in ihren Magazinen, denen der Hauptmarkt, Amerika, verstopft war. Sie erbot sich, gegen Aufhebung des Theezolls, der Regierung den doppelten Ertrag desselben vergüten zu wollen. Vergeblich. Dagegen ward der Compagnie gestattet, den Thee unversteuert auszuführen, und so konnte den Amerikanern das gewohnte und längst bitter entbehrte Labsal zu Spottpreisen dargeboten werden. Diese Verlockung war zu groß. Die Kaufleute an vielen Küstenorten weigerten sich, jetzt noch vom Einkauf abzustehen, so daß Zagheit und Niedergeschlagenheit in das Volk einzubrechen drohten. Da galt es noch einmal das Anspannen aller Kräfte, die glühendste Beredsamkeit, ja, die fürchterlichsten Drohungen bis zum Rufe nach den Waffen, um die Kaufleute und Agenten einzuschüchtern und zugleich alle Colonien zu bewegen, Massachusetts in seinem Kampfe gegen England nicht zu verlassen.

Als nach harten Kämpfen in den Volksversammlungen der Entschluß endlich allgemein angenommen war, auch jetzt keinen Thee von England an das Land zu lassen, war man zugleich Willens, die in zahlreichen Schiffen herübergebrachten Vorräthe nicht anzutasten, sondern unverletzt nur zurückzuweisen. Dies war zum Beispiel in New-York und Philadelphia geschehen, wo die Capitaine der Theeschiffe, von dem auflodernden Volkszorne erschreckt, vor den Häfen gleich wieder umwendeten. In Boston kam’s zur Gewalt.

Hier hatte am 28. November 1773 das erste Theeschiff, die „Dartmouth“, im Hafen Anker geworfen. Die Bevölkerung stemmte sich gegen die Landung derselben, und dem Statthalter kam es offenbar nur darauf an Zeit zu gewinnen. So ging das Hin- und Her-Senden und -Reden bis zum sechszehnten[1] December, dem zwanzigsten Tage nach Ankunft des Schiffes, an welchem nach gesetzlichen Vorschriften den Zollbeamten das Recht zustand, von dem Schiffe Besitz zu nehmen und den Thee nach dem Castell zu schaffen. Währenddeß hatten noch zwei Theeschiffe sich im Hafen eingestellt. Der Tag mußte die Entscheidung bringen: Das fühlte Jedermann, und Niemand hatte Ruhe im Hause. Es wogte in den Straßen und große Volksmassen, zu denen vom Lande über Zweitausend hereingekommen waren, sammelten sich wieder vor und in der „alten Kirche“ (gewöhnlich „Old-South-Meeting-House“ genannt) und wählten Samuel Savage zu ihrem Vorsteher, um zu berathen und sich für die Ereignisse der nächsten Stunden vorzubereiten. Der ganze Tag verging mit Verhandlungen. Hier schürten Adams und Josiah Quincy, ein gewaltiger Redner, das Feuer von Neuem, und als endlich abermals die Frage an die etwa siebentausend Anwesenden gestellt wurde, ob die Versammlung auf ihrem früheren Beschlusse verharre, erscholl ein einstimmiges „Ja!“

Sofort erhält der Besitzer der „Dartmouth“, Rotch, den Befehl, begleitet von acht Zeugen, vom Statthalter seine Pässe zu verlangen und den Hafen zu verlassen. Der Abend bricht herein, ohne daß die Antwort kommt. Schon länger als eine Stunde ist es ziemlich dunkel geworden; die menschenvolle Kirche ist düster beleuchtet, die Stimmung der Versammlung wird immer bedenklicher. – Endlich, ein Viertel vor sechs Uhr, erscheint Rotch sammt den Zeugen und meldet, daß der Statthalter ihm einen Paß verweigert habe, weil sein Schiff nicht gehörig clarirt sei. Als Rotch geendet hatte, erhob sich Samuel Adams und erklärte: „Diese Versammlung kann nichts mehr thun, um das Land zu retten!“ – In demselben Augenblick ertönt in der Vorhalle der Kirche der indianische Kriegsruf. Etwa fünfzig Männer, bekleidet und gemalt wie Mohawk-Indianer, ziehen, von Samuel Adams, Hancock und Anderen mit Jubel begrüßt, an der Thür vorüber und nach dem Hafen. Die Menschenmenge stürmte auf das Bollwerk nach. Die „Mohawks“ sprangen in die Boote, erstiegen die „Dartmouth“, deren Mannschaft beim Anblick der Volksmassen am Ufer jeder Widerstand verging, erbrachen binnen drei Stunden sämmtliche Theekisten, dreihundertzweiundvierzig an der Zahl, und schütteten den Inhalt in’s Wasser. Das war die nächtliche That der „Bostoner Theegesellschaft“, das war der „Theesturm“, welcher so still und friedlich, so ohne jedes Geschrei abging, daß man am Ufer jeden Axtschlag hörte, der eine Kiste erbrechen half. Ohne irgend das Geringste in und an dem geleerten Schiffe zu berühren, stiegen die Mohawks auf die Boote zurück und verschwanden, wie sie gekommen waren. In Boston, in Massachusetts, durch alle Colonien verbreitete die Nachricht von diesem Ereigniß den Jubel des Gefühls, daß Allen eine drückende Last vom Herzen sei. Die Unentschiedenheit war vorüber, die Colonien hatten „die Schiffe hinter sich verbrannt“. Dies- und jenseits sang man aber noch lange das Volkslied:

„O Mutter, lieb’ Mutter,“ die Tochter da rief,
„Ich thu’ nicht, was Du verlangst, Schatz!
Ich zahle Dir willig den Preis für den Thee,
Doch nimmer den Dreipfennigsatz.“

„Und Du mußt!“ schrie die Mutter ganz krebsroth vor Zorn.
„Bist Du meine Tochter nicht, he? –
Nur recht ist’s und billig, wenn’s Töchterlein zahlt
Für die Mutter den Zoll auf den Thee.“

Ueber die Folgen des Bostoner Theesturms wird die Gartenlaube berichten, wenn sie das hundertjährige Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung, am 4. Juli 1876, mitfeiert.




Das Bild ohne Gnade.
Erzählung von A. Godin.
(Fortsetzung.)

Thea saß wie versteinert. Kein Zeichen verrieth, ob sie von allen Worten, die an sie gerichtet worden, auch nur eine Silbe gehört. Mattern erhob sich und schritt schweigend auf und nieder. Endlich blieb er vor ihr stehen und sagte mit einiger Kälte:

„Ich lasse Dich allein. Hast Du keinen Auftrag für mich?“

Sie blickte nicht auf. „Sagen Sie Herrn von Sandor, mir sei nicht wohl, und ich bitte um Entschuldigung – für ein paar Tage.“

Der Graf legte die Hand auf ihre Schulter und sah sie gespannt an. „Bedenkzeit?“

„Zeit, meine elende Treulosigkeit wenigstens Dem zu erklären, der ein Recht darauf hat, sie zuerst zu erfahren,“ brach Thea aus, „Zeit, mir das Wort wenigstens zurückgeben zu lassen, das ich brechen will.“

„Es wäre besser, diese Erklärungen mir zu überlassen. Ich würde dafür die geeignete Form zu finden wissen. Doch will ich Dir hierin nicht entgegen sein; nur lasse es bald geschehen! Stephan soll erfahren, daß Dir in der That unwohl ist, und wird sich gedulden. Ich gebe Dir zu, daß Du einiger Zeit bedarfst, Deine überspannte Auffassung der Dinge zu mäßigen. Bleibe in Einsamkeit, so lange es Dir nöthig scheint.“

[816] Er ging und ließ Thea in einem Zustande zurück, der die Gefühle gleichsam zu thurmhohen Wogen aufwirbelte, gähnende Klüfte öffnete, wie ein Orcan. Eine Art von Ekel ergriff sie der ganzen Auffassung gegenüber, die ihr Pflegevater eben vor ihr entwickelt, und doch war etwas da, was ihm Recht gab. Es trieb sie vorwärts, gleich einem Wirbelwinde – nur hinaus aus der zerstörten Vergangenheit, nur fort aus Allem, was bisher ihr Leben ausgemacht. Nirgends mehr eine Stelle, wo sich rasten ließ. Wo war noch Heil? Eine Treue festhalten, die bereits gebrochen war? Wirklich in die Enge hinein, die ihr eben gezeichnet worden, in Armuth und Entbehrung hinein, und dabei das himmelsreine Gewölbe ewiger Liebe nicht mehr über sich, welches die Hütte zum Tempel umschafft? Oder, um sich selbst getreu zu bleiben, auf den Einen verzichten wie auf den Andern? Und was dann? Sollte sie so weiterleben im Hause des Grafen, kaum geduldet von seinem Weibe, für ihn selbst, nach solchem Erlebniß, sicher kein befriedigendes Spielzeug mehr, der Welt, in welcher sie lebte, eine bunte wurzellose Pflanze, die man beschaut um dann kalt weiter zu gehen? Oder sollte sie sich heim begeben zu den Ihrigen, die Sorgen der Mutter zu vermehren, nachdem sie ihre Hoffnungen getäuscht – oder hinaus unter Fremde, ihr Brod erwerben, heimathlos und rechtlos von Haus zu Hause wandern, sich beugen und fügen? – Nimmermehr! – Gleich einem Leuchtthurme über stürmischer Brandung erhob sich vor ihr die Gestalt des Mannes, der ihr allein noch geben konnte, was sie bedurfte, um weiterzuleben – neue Zukunft.

Sie schloß sich ein und begann, an Ernst zu schreiben. In fliegender Hast reihte sich Wort an Wort, das ihm absagte für alle Zeit. Während sie schrieb, stieg sein Bild vor ihr auf, wie sie es einst geschaut – während sie schrieb, lebte sie den ewig unvergeßlichen Moment auf der Adlerklippe noch einmal durch, wo sie sich ihm zu eigen gegeben. Mit furchtbarer Heftigkeit drang auf einmal die alte Liebe wieder in ihr Herz, und doch brachte sie den Brief zu Ende. Indem sie den ganzen Werth Dessen empfand, den sie aufgab, folterte sie das Bewußtsein eigenen Unwerthes bis zur Vernichtung – nichts mehr durfte er mit ihr gemein haben. Ihr Brief war keine Beichte; Stephan’s Name wurde nicht genannt. Sie erbat nur ihr Wort zurück, weil sie erkannt, daß sie nicht die Kraft besitze, demselben bis an’s Ende getreu zu bleiben. Das war Alles. Dann zog sie langsam den schlichten Reif mit dem kleinen Sapphir vom Finger, legte ihn zwischen das Blatt und siegelte den Brief. Ihr Klingeln berief den Jäger, dem sie befahl, die Posttasche zu bringen, wozu jedes Familienglied einen eigenen Schlüssel besaß. Thea versenke das Couvert in die Tasche und schloß sie wieder zu. Der leise Ton, mit dem die Feder einsprang, sollte sie verfolgen durch Tage und Nächte, lange, endlos lange Jahre hindurch.

Tage und Nächte schlichen dahin; dann kam Antwort. Ein Paket. Als Thea auf der Aufschrift die Hand erblickte, deren Züge sie Jahre hindurch mit seliger Freude begrüßt, ward ihr zu Muthe, als gälte es den Tod. Sie hatte während dieser Zeit ihr Zimmer nicht verlassen, Niemand empfangen, auch Mattern nicht, nur wenige Silben mit ihrer Dienerin gewechselt, und in stumpfem Brüten nur so hingewartet. Jetzt lag das Erwartete in ihren Händen. Ihr Herzschlag stockte, als sie das Siegel gelöst. Aus der geöffneten Hülle fielen zwei Päckchen. Das eine enthielt alle Briefe, jedes Zettelchen, welches sie je an Ernst geschrieben; ein paar kleine Stickereien lagen dazwischen. Das zweite umschloß einen Brief. Zitternd entfaltete sie den Bogen – es war ihr eigener Scheidebrief, aus welchem ihr eine Locke ihres Haares und ein goldener Ring entgegenfiel, in dessen innerer Fläche ihr Name gravirt war.

Keine Zeile seiner Hand lag bei.




10.

Gegen Abend desselben Tages verließ Thea ihr Zimmer, um verstohlen die Hintertreppe hinabzuschlüpfen, welche in den Hof und von dort durch ein Seitenpförtchen in den Park führte. Ein dunkler Drang trieb sie nach dem Teiche, von dem sie vor wenigen Tagen so fassungslos entflohen war. Sie wußte die Schloßgesellschaft noch bei Tafel und fand die Gänge sowohl wie den Platz, welchen sie aufsuchte, ganz so einsam, wie sie erwartet. Entschlossen, Stephan heute noch wiederzusehen, wollte sie zuvor sein Bild lebendig in ihre Erinnerung heraufbeschwören. Eine wilde Sehnsucht faßte sie, glücklich zu sein – sie verlangte nach Stephan’s sanftfeurigem Blicke, sie verlangte nach der Stimme, die ihr stets wie ein Echo des eigenen Denkens geklungen, um einen andern Blick, eine andere Stimme zu übertäuben, welche sie unablässig verfolgten. Ihr Auge irrte über das Wasser hin. Sie suchte den Stamm, an welchen sie sich an jenem verhängnißvollen Abende gelehnt und nach den Sternen geschaut, und schlang den Arm um die schwanke Birke, als müßte sie etwas fassen und halten.

Als hätten ihre Gedanken Macht besessen, Stephan zu rufen, stand er unerwartet neben ihr. Sein wachsamer Blick hatte einen Schimmer ihrer Gestalt erspäht, als sie im Bereiche der Fenster des Speisesaales vorübergegangen. Er sprach zu ihr, und sie trank jeden Laut ein wie berauschende Musik. Sein Arm umfing sie; sein Mund berührte ihre Augen, ihre Lippen; sie duldete Alles und schmiegte sich an seine Brust wie ein Vogel in’s bergende Nest, doch kam kein Ton über ihre Lippen. Bis dem Glücklichen die stumme Hingabe nicht mehr genügte, war mancher Augenblick vergangen – zuletzt kam doch das flehende Wort: „Sprich es aus, daß Du mein bist!“

Thea löste sich aus seinen Armen. Ihre Hand wurde kalt in der seinigen. „Erst muß ich Anderes aussprechen,“ sagte sie mit fliegendem Athem. „Ob ich die Ihrige sein kann, Stephan, haben Sie noch zu entscheiden. Ein Bekenntniß bleibt übrig, das Sie vielleicht auf jeden Wunsch verzichten läßt –“

„Thea!“

„Sie wissen nichts von mir. Sie kennen mich nicht, und wollen mich hinnehmen auf Treu und Glauben? Treu und Glaube ist aber gerade Das, was ich am wenigsten verdiene; denn einmal schon habe ich Treue gelobt und – gebrochen.“

Stephan erblaßte, doch trat in seine milden Augen kein veränderter Blick. Er ließ Thea mit leiser Bewegung auf die Moosbank niedergleiten, blieb vor ihr stehen und sah zu ihr nieder, wie zu einem büßenden Kinde. „Sie wollen mir Wahrheit geben, Das allein hebt jeden Vorwurf auf.“

„Wahrheit Ihnen geben, Wahrheit dann von Ihnen fordern, ob mir gleich ahnt, daß sie uns für immer trennt. So hören Sie denn, Stephan: ich war verlobt – seit Jahren – mit einem Manne, dessen Werth ich heute höher anerkenne als je zuvor, der mir nie den leisesten Zweifel an seiner Liebe gegeben. Und doch habe ich ihm Wort und Treue gebrochen.“

„Um meinetwillen, Thea?“

„Ja.“

„Um meinetwillen! Und sind Sie an ihn gebunden, noch jetzt gebunden?“

„Er gab mich frei, wie ich es von ihm gefordert. Frei von Wort und Gelöbniß, nicht frei von der inneren Schuld, deren Gewicht mich Ihnen gegenüber schwerer drückt, als selbst vor ihm. Können Sie mich noch lieben, mir noch vertrauen, nachdem Sie erfahren, wessen das Herz fähig ist, das Sie zu eigen verlangt? Ich weiß es nicht – ich glaube es nicht –“

Ihre Augen hoben sich düster zu ihm empor. Sie begegneten einem Ausdruck so tiefer Liebe, daß alle dunkeln Geister davor wichen. Er zog sie heftig an seine Brust, und sagte mit strömender Innigkeit: „Ich sollte von Dir lassen, weil Du menschlich geirrt und gelitten? Welches Leben wäre ganz frei von Schuld gegen ein anderes Leben – auch das meine nicht, Thea! Was Dir geschehen, ehe wir uns begegnet, geht mein Herz nichts an. Ich liebe, was Du bist, nicht was Du warst. Sei mein und blicke nicht zurück, denn ich will Dich vorwärts führen – in die Zukunft, zum Glücke.“

„Dann nimm mich hin mit Allem, was ich bin und habe!“ rief Thea glühend. „Nichts will ich mehr wissen und kennen als Dich auf der weiten Welt. Nimm heute noch meine volle Beichte hin! Dann soll die Vergangenheit, wie Du es forderst, versunken und vergessen sein.“

„Laß sie jetzt schon versunken bleiben, Geliebte!“ sagte er sanft, „ich erbitte von Dir nur Schweigen. Nicht den Namen Dessen, der vor mir Dein Wort besessen hat, kein Wann und Warum will ich kennen. Was Du mir gesagt, genügt. Konnte mir Dein Herz schlagen, so hat es ihm ja doch nie gehört. Ein verwehter Jugendtraum war keine Liebe.“

[817] Wo war jetzt die stürmische Glückseligkeit, welche Thea einen Moment vorher überfluthet? Noch ruhte sie an der Brust des Mannes, dessen Nähe all ihre Pulse schlagen ließ, und schon war der stille Blick wieder neben ihr und fragte. Nur ein verwehter Jugendtraum? –




11.

Die Verlobung Stephan Sandor’s mit Thea Rostan erregte in der Welt, welcher Beide angehörten, ungewöhnliches Aufsehen. Daß der vornehme, als reicher Grundbesitzer bekannte Ungar die Pflegetochter des ihm verwandten Hauses wirklich zur Gattin wählen würde, war selbst Denen, welche beobachtet hatten, wie sehr er sich ihr gewidmet, eine so große Ueberraschung, daß des Redens hierüber kein Ende gefunden ward. Was aber auch Neid und stille Bosheit bei diesem Anlaß aushecken mochten, prallte an dem Brautpaar ab, ohne auch nur bemerkt zu werden, und selbst die Gräfin, deren Widerspruch mit einer Heftigkeit laut geworden war, die Stephan’s formelle Haltung kaum in schickliche Grenzen zurückzuführen vermochte, fand sich in das Unvermeidliche und begann, Thea als künftige Verwandte mit Rücksichten ihres Standes zu behandeln. Graf Hugo ließ es sich nicht nehmen, die ihm höchst erwünschte Verlobung nach außen hin mit jedem Nimbus zu umgeben, und veranstaltete eine Reihe von Festlichkeiten, welche den Glücklichen nur selten stille Tage als ersehnte Oase vergönnten. Nach Sandor’s Wunsch hatten Matterns Frau Rostan zum Besuch eingeladen, und Sophie, deren geheimste Wünsche so unverhofft in Erfüllung gegangen, sonnte sich in dem Glanze, welcher Thea schon jetzt umgab. Was Stephan nur ersinnen konnte, seine Braut zu erfreuen, ward ihr in zartsinnigster und zugleich verschwenderischer Form zu Füßen gelegt. Seine Liebenswürdigkeit entzückte Frau Sophie ganz und gar, und die Thränen der glücklichen Mutter flossen nur, wenn sie des Gatten gedachte, der solche Sonnenhöhe für seinen Liebling nicht mehr hatte erleben dürfen. Alle Zukunftssorgen schienen gehoben. Der Graf, welcher nun darauf bestand, seiner Pflegetochter die ihr so lange zugedachte Summe sofort zu überantworten, konnte nichts einwenden, als Stephan selbst seine Braut veranlaßte, das ihr Zugehörige zu Gunsten ihrer Familie anzulegen.

Etwa sechs Wochen, nachdem Sandor Thea’s Wort empfangen, reiste er ab, um in der Heimath Zurüstungen für den Empfang der jungen Frau zu machen, und beabsichtigte, in kurzer Frist wiederzukehren, um sie heimzuführen. Der Graf betrachtete es als selbstverständlich, daß die Hochzeit in seinem Hause stattfinden sollte; mit Frau Rostan war verabredet, daß sie zu dieser Zeit nebst allen Geschwistern Thea’s wiederkehrte, um dem Ehrentage ihres Kindes anzuwohnen. Hieran dachte die Braut nur mit schwer bekommenem Herzen. Robert wiederzusehen, war ihr furchtbar, nur die Hoffnung, daß er ausbleiben würde, hielt sie dieser Vorstellung gegenüber aufrecht. Er hatte, nachdem die Mutter ihm ihre Verlobung brieflich mitgetheilt, keine Silbe geantwortet, und Thea verstand dieses Schweigen allzugut.

Die Zeit, zu welcher Sandor zurückerwartet wurde, rückte immer näher. Seine Briefe folgten einander fast Tag für Tag. Thea lebte wie in einem Rausch dahin; jedes Wort des Geliebten strömte glühenden Lebensodem über sie aus. Ihr eigenes Herz glich einer heißen Sprudelquelle, die unablässig wühlend und aufsiedend keine Rast noch Ruhe findet. Fieberische Exaltation verdrängte Alles, was sie je beschäftigt und interessirt; sie bewegte sich wie eine Traumwandlerin, müßig, theilnahmlos gegen ihre Umgebung, die fürstliche Ausstattung, welche für sie gerüstet wurde, kaum eines Blickes würdigend. Alle ihre Gedanken klammerten sich mit krankhafter Heftigkeit an Zukunftsbilder; sie flüchtete vor jedem leisesten Ton der Vergangenheit in dem Bewußtsein, daß sie erstarren müßte wie Lot’s Weib, stände sie auch nur einen Augenblick still, um sich umzuschauen. Und doch blieb ihr solcher Rückblick nicht erspart.

Eines Tages lag ein Brief von ihres Bruders Hand in der ihren. Sie fühlte sich versucht, ihn ungelesen den Flammen zu übergeben. Ein Rest der alten, trotzigen Energie warf ihr aber allzu bitter Feigheit vor; sie brach das Siegel und las:

„Daß ich Dir bis heute nicht geschrieben, Dora, wird Dich nicht überrascht haben. Oder hättest Du auch von mir einen Glückwunsch erwartet? Nein, dafür traue ich Dir doch zu viel Schamgefühl zu. Du hofftest vielleicht, ich würde ganz und gar schweigen, und das war auch zuerst mein Vorsatz; daß ich ihn breche, ist sicher nicht wohlgethan, denn Vergessen und Verachten wäre die rechte Vergeltung für ein Thun, wie das Deine. Seit mich aber die Mutter auf ihrer Heimreise besucht und mir eine so glänzende Beschreibung Deiner gegenwärtigen Verhältnisse gegeben, ist doch etwas in mir aufgestiegen, das mir befiehlt, Deinem Gewissen einen Spiegel vorzuhalten, ehe Du in die Fremde gehst und kühn unternimmst, glücklich sein zu wollen. Daß ein Mädchen ihr Wort bricht, mag schon öfters vorgekommen sein, und kannst Du mit dem Gefühl solcher Ehrlosigkeit fertig werden, um so besser für Dich. Wem Du aber dieses Wort gebrochen, was Du damit zu Grunde gerichtet hast, das will ich Dir jetzt in’s Gedächtniß zurückrufen. Ich weiß von Ernst, daß er Dich, indem er Dich frei ließ, keines Wortes gewürdigt hat: Auch gegen mich äußerte er sonst Nichts, als daß ich nicht um ihn in Sorge sein möchte. Er geht seinen gewohnten stillen Gang, aber für Einen, der ihn liebt und kennt wie ich, liegt es offen, daß er durch Das, was Du ihn hast erleben lassen, innerlich zerstört ist. Ob sich dies je wieder ausheilt, oder ob der herrlichste Mensch, der je auf Erden gelebt, um Anderen zum Vorbild zu dienen, daran zu Grunde geht, wer könnte das heute sagen! Ich fürchte das Äußerste.

Du bist geliebt worden, wie kein Weib vorher. Er sah in Dir sein Alles. Seit Jahren setzte er jede Kraft ein, um das Haus aufzubauen, das Eure Heimath werden sollte, und nun er das Ziel nahe vor sich sieht, wendest Du ihm plötzlichst den Rücken. Denke ich der Jahre, die an das Heute grenzen, so frage ich mich, ob Du ein Abgrund von Lüge und Falschheit bist, oder ein leichtfertiger Charakter, der um Prunk und äußeren Glanz sein Herzblut verkauft. Ich war von Beginn an Zeuge Eures Verhältnisses; ich allein kann und muß Dein Ankläger sein. Jahrelang hast Du betheuert, Ernst sei Dein Ideal von Manneskraft und Würde, jahrelang hast Du Alles angenommen, was der treueste Mensch Dir aus seiner Fülle gab, um ihn auf einmal, ohne den Schatten eines Vorwandes, zu verrathen und Dich einem Fremden in die Arme zu werfen. Pfui über Dich! und auf Dein falsches Herz alle Verantwortung für jede Folge Deines Thuns! Du und ich, wir sind gleichfalls geschieden. Ich habe Dich geliebt, wie Niemand außer ihm. Seit ich denken kann, habe ich zu[WS 1] Dir aufgeschaut, wie zu einem bevorzugten Geschöpfe Gottes, aber damals kannte ich Dich nicht. Was ich durch Dich empfangen, dankte ich Dir gern im Herzen, weil ich Dich liebte, und wußte nicht, war der Dank stärker oder die Liebe. Fortan wird mich keine Macht der Erde dazu bringen, Wohlthaten aus einer Hand anzunehmen, die ich nie berühren werde. Robert.“

Wie erstarrt saß Thea, als sie zu Ende gelesen; sie hatte das Feuer geschaut, das vom Himmel niederregnete. Was ihr der dumpfe Laut des eigenen Gewissens beständig zugeraunt, was, sich ewig neu aufbäumend, ewig neu erstickt worden: die Wahrheit, vom strengen, reinen Jünglingsherzen ihr unerbittlich zugeschleudert, umklammerte sie mit dämonischer Macht und drohte sie zu vernichten. In ihrem Hirn und Herzen wallte und wogte etwas, das herausbrechen oder sie ersticken mußte. Sie fühlte sich wie in einem brennenden Hause, Flammen rings, keine Rettung, nur ein Sprung der Verzweiflung noch einzig möglich.

Noch einmal las sie das Blatt von Anfang bis zu Ende durch – jedes Wort bohrte sich in ihre Seele. Dann schrieb sie an den Rand wenige Zeilen, faltete den Brief, schob ihn in ein Couvert und sandte ihn unter Sandor’s Adresse in’s Weite.




12.

Tag um Tag verging; schon trafen die ersten Hochzeitsgäste ein. Die Trauung war auf den 20. September anberaumt; heute schrieb man den fünfzehnten. Sandor wurde stündlich erwartet. Graf Hugo, ganz in seinem Elemente, war überall, um die mannigfachsten Anordnungen zu leiten, seine Gäste zu befriedigen, und Thea, welche leidend war und ihr Zimmer hütete, immer von Neuem zu ermahnen, ja Nichts an eigener Pflege zu versäumen, um bei Stephan’s Ankunft frisch zu sein. Mit jedem vorfahrenden Wagen erwartete man den Bräutigam, den, nach seiner letzten Mittheilung, der Gräfin jüngerer Bruder, mit welchem er sehr befreundet, als Trauzeuge begleiten würde.

[818] Gegen Abend des genannten Tages fuhr bei leichtem Regenschauer ein bedeckter Hôtelwagen durch das Schloßthor, und der Graf erblickte vom Fenster aus an dem ihm zugewandten Schlage das Gesicht seines Schwagers. Erfreut eilte er hinab, die Ersehnten zu empfangen, doch brach sein heiterer Willkommengruß plötzlich ab, als er den jungen Mann allein und mit unheilvoller Miene aussteigen sah. Böse Ahnung überfiel ihn, wie Sonnenfinsterniß den hellen Tag. Er faßte seinen Schwager beim Arme und führte ihn, ohne eine Silbe zu äußern, eiligst in sein Zimmer, um dort nach den ersten Worten, die er vernahm, sprachlos in einen Sessel zu sinken.

Stephan Sandor gehörte nicht mehr zu den Lebenden. Eine Pistole, deren Schloß er untersucht haben mochte und die er sicher nicht geladen wähnte, war in seiner Hand losgegangen, und der Schuß hatte die unseligste Richtung genommen. Das Verhängniß war am Abend vor dem zur Abreise bestimmten Morgen hereingebrochen, nachdem der Freund auf Stephan’s Wunsch schon seit einigen Tagen sein Gast gewesen. Beide hatten noch an demselben Tage einen Abstecher nach Pest gemacht, wo Sandor den bestellten Brautschmuck persönlich abgeholt und des Vetters Zeugenunterschrift bei seinem Notar in Anspruch genommen hatte, um die gerichtlich beglaubigte Schenkung eines seiner Güter an Thea vollziehen zu lassen, welches er der Braut als Morgengabe zugedacht. Er hatte sich nach der Rückkehr auf das Gut zeitig zurückgezogen, nachdem beide junge Männer die ersten Abendstunden heiter verplaudert, und dabei geäußert, daß er Thea noch zur letzten Meldung seiner nahen Ankunft schreiben und sein Reisegeräth ordnen wollte. Nachdem der unheilvolle Schuß gefallen, fand sich in der That ein bereits gesiegelter Brief an Fräulein Rostan auf dem offenen Schreibpulte, während die Schenkungsurkunde und das Etui mit den Brillanten daneben lagen. Auf einem Seitentische stand das geöffnete Pistolenkästchen, welches Sandor bei seinen Reisen stets mit sich zu führen pflegte. Ein Notizbuch, das sich in der Tasche seines Rockes fand, umschloß einige Briefe und die Photographie seiner Braut, nebst trockenen Blumen und einer zerknickten Schleife: sprechende Zeugen eines hoffnungsreichen Glücks, das durch die furchtbarste Katastrophe plötzlich zertrümmert worden. Der junge Mann breitete diese Reliquien seines Freundes mit strömenden Augen vor Mattern aus und übergab ihm Brief, Schmuck und Urkunde als Eigenthum der verwittweten Braut.

Thea!

Beide Männer bebten vor der Aufgabe zurück, der Unseligen mitzutheilen, was ihr nicht verborgen bleiben konnte, und entschlossen sich nach langem Ueberlegen, die schwere Stunde sogleich und gemeinsam zu bestehen. Mattern frug durch ein paar Zeilen an, ob seine Pflegetochter sich wohl genug befinde, um ihn und einen Boten Stephan’s, der Kunde über dessen Ausbleiben brächte, noch heute zu empfangen, und erhielt die mündliche Bestellung zurück, daß Thea die Herren in ihrem Zimmer erwarte.

Der erste Blick, welchen der Unglücksbote auf die Braut seines Freundes warf, frappirte ihn auf das Aeußerste. Gab es wirklich Ahnungen? Thea’s Wange hätte nicht farbloser, ihr Blick nicht erloschener sein können, wenn sie bereits Alles gewußt, und doch lag ein Ausdruck unsagbarer Spannung um den zuckenden Mund. Unendliches Erbarmen ergriff ihn, dem schönen jungen Wesen gegenüber, der die Götter das Höchste ihrer Gaben nur geschenkt, um es ihr wieder zu entreißen. Er versuchte zu sprechen, die furchtbare Kunde wollte aber nicht über seine Lippen.

Als der Fremde sie nur ansah und fortdauernd stumm blieb, als sie des Grafen zerstörte Miene schaute, kam ein Wandel über Thea; es war, als würde sie steinern. Das lebensvolle Antlitz erstarrte zum „Bilde ohne Gnade“. Sie war es, welche das Schweigen brach: „Keine Schonung – sagen Sie das Aeußerste – ich werde Stephan nicht wiedersehen –“

Des jungen Mannes Thränen brachen unaufhaltsam hervor. Er verstand die Worte, welche schwer und kalt niederfielen, wie etwas Todtes, nur in seinem Sinn. Das ahnende Herz der Braut hatte ihr das Ungeheure voraus verkündet, und mit dem heißen Schmerz des eigenen Verlustes strömte nun die jammervolle Geschichte, die er miterlebt, aus ihm hervor.

Thea regte sich nicht. Ihre Lippen wurden weiß, aber die Besinnung verließ sie keinen Augenblick. Als das letzte Wort gefallen, sagte sie tonlos: „Der Brief – wo ist der Brief?“

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Ein standhaftes Quarkbrod. In einer Kammer neben dem sogenannten Trompeterstübchen im herzoglichen Schlosse zu Eisenberg stand bis zum Jahre 1805, wo die verwittwete Herzogin Amalie von Gotha das Schloß als ihren Wittwensitz bezog, ein Spinnrad alter Form, künstlich mit Elfenbein ausgelegt und mit eben solchen Ringen und glockenähnlichen kleinen Zierrathen behangen, welches Herzog Christian, auch ein geschickter Drechsler, seiner zweiten Gemahlin, Sophie Marie, selbst gedrechselt hatte. Auf dem Gestelle lag ein Stück schwarzes Brod, mit Quark bestrichen, vom Zahn der Zeit, sowie von Würmern durchnagt, jedoch noch ganz. Die Chronik von Eisenberg erzählt darüber folgende anmuthige Sage:

Die Herzogin war eine sehr fleißige Hausfrau, die, wenn sie sonst Nichts zu thun wußte, Wolle spann, wie viele andere Frauen damaliger Zeit. Besonderes Vergnügen machte es ihr, wenn sie bald bei dem, bald bei jenem Zeugmachermeister sich selbst Wolle holen oder das Garn heimtragen konnte. Sie wählte zu diesen Gängen stets die Abendstunden und kleidete sich dann in das Gewand einer armen Bäuerin oder Bürgerfrau.

Eines Abends im Herbst, wo sie auch ihre Wolle aufgesponnen hatte, beschloß sie, eine ähnliche Wanderung zu unternehmen, warf sich in ihre Verkleidung und verhüllte das Gesicht noch mit einem Tuche. So nahm sie ihr Päckchen mit Garn unter den Arm und verließ das Schloß. Ihr Weg ging, wie man erzählt, in die Johannisgasse zu einem Zeugmacher, Langenbach mit Namen. Die von einem spärlichen Lämpchen erhellte Unterstube öffnend, traf sie die Familie beim bürgerlichen, damals kärglichen Abendbrode, dessen Hauptbestandtheil, die Suppe, bereits verzehrt war. Quark und Schwarzbrod, in jener Zeit schon eine respectable Kost, nebst einem Kruge selbstgebrauten Bieres schmückte den mit einem weiß- und blaugestreiften reinlichen Tuche bedeckten Tisch. Einen schüchterten „Guten Abend“ bietend und gesegnete Mahlzeit wünschend, eröffnete die Fürstin dem Meister, daß sie Garn bringe und wieder Wolle mitnehmen wolle, und wurde von diesem angewiesen, sich einstweilen auf die nahe der Thür stehende hölzerne Lehnbank niederzusetzen, bis er sein Quarkbrod gegessen und dann sein Tischgebet gesprochen habe. Geduldig setzte sich die Fürstin auf den ihr angewiesenen Platz und wartete, als die Meisterin ihrem Eheherrn in’s Ohr flüsterte, daß sie der armen Frau auch eine Quarkbemme streichen wolle. Der Meister genehmigte es, und nun erhielt die Spinnerin das Brod mit den Worten: „Da, nehmt es Euren Kindern mit, denen wird es etwas Seltenes sein.“

Freundlich dankend nahm die gute Fürstin das Brod, betete dann andächtig mit der gesättigten Familie das Tischgebet, erhielt nun ihren Lohn, nachdem der Meister sorgfältig die Zahlen gezählt und ihr Gespinst gelobt hatte. Ihr Bündchen frische Wolle unter dem Arme wanderte sie dem Schlosse wieder zu, erzählte dem Gemahl das gehabte Abenteuer, zeigte ihm das erhaltene Quarkbrod und freute sich mit ihm in herzlicher Eintracht.

Tags darauf wunderte sich Meister Langenbach nicht wenig, als er auf’s Schloß beschieden wurde, und noch mehr, als er, in der Herzogin Zimmer eingeführt, diese am Spinnrade eine Wolle spinnen und das Quarkbrod sahe, welches seine mildthätige Ehehälfte der armen Frau für ihre Kinder gegeben. Und Herzog Christian, der auch zugegen war, bewillkommnete den Meister freundlich, reichte ihm die Rechte und sprach: „Seid nicht ängstlich, lieber Meister, weder ich noch mein Gemahl zürnen Euch ob Eurer Milde, wir sind Euch vielmehr wohl gewogen und wollen auch ferner, so Ihr weiter ein so wackerer, frommer Meister bleibt, Euch nicht vergessen. Darum sagt, was können wir für Euch thun, daß Euer Wohlstand sich hebe?“

Was das gutmüthige Fürstenpaar dem Meister an Wohlthat zugewendet, davon schweigt die Sage, doch muß die Erweiterung seines Geschäfts, sein Fleiß und seine Rechtschaffenheit ihm wohlgelungen sein, denn von seinen Söhnen hieß der eine der goldene, der andere der silberne Langenbach.

Das Quarkbrod aber blieb zum immerwährenden Andenken auf dem Spinnrade liegen, das unter dem fürstlichen Hausgeräthe im Jahre 1805 mit versteigert ward und jetzt wahrscheinlich längst zerfallen und als unnütz auf die Seite geschafft worden ist.



Briefkasten.

Abonnentin in Wiborg. Dank für Mittheilung! Die Ungenirtheit, mit welcher finnländische Zeitungen die Gartenlaube plündern, war uns in diesem Umfange allerdings bisher unbekannt. Wir werden übrigens, angesichts der dortigen Preßzustände, keinen Finger rühren, um gegen dieses literarische Piratenthum einzuschreiten, und gönnen den Leutchen ihr bischen Vergnügen. Curios ist freilich, daß die schwedischen Lettern, welche heute zu Artikeln über die „großmäuligen Deutschen“ benutzt werden, morgen Uebersetzungen deutscher Novellen drucken.

A. W. in Wien. Wir würden die von Ihnen erwähnte Erinnerungsstätte an den großen deutschen Meister gern durch einen illustrirten Artikel in unserem Blatte vor der Vergessenheit bewahren und bitten Sie, uns zu Bild und Text zu verhelfen.

F. M. in M. Ungeeignet. Manuscript steht zur Verfügung.

R. in Schlesien. Tod!!

T. R. in Wien und H. H. in Eckernförde. Ungeeignet.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Seltsamer Weise sind die geschichtlichen Angaben über den Tag des Theesturms nicht einig. Viele bezeichnen den sechsundzwanzigsten December als diesen Tag. Die deutsche Bearbeitung des Bancroft sagt sogar: „Sonntag, der letzte December, dämmerte über Boston auf etc.“ Der letzte December 1773 war aber ein Freitag, während der letzte Sonntag des December allerdings auf den 26. fiel. Da jedoch bei dem strengen Puritanismus der Bostoner schwerlich eine Theelandung an einem Sonntag angeordnet werden konnte, so ziehen wir es vor, den Sechszehnten als Jubeltag zu bezeichnen, bis wir officiell eines Andern belehrt werden. – Das am Schlusse mitgetheilte englische Volksliedchen verdanken wir dem so eben erscheinenden Buche Ludwig Wittig’s: „Ein Jahrhundert der Revolution.“
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zur