Die Gartenlaube (1887)/Heft 23

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1887
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[369]

No. 23.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Götzendienst.

Roman von Alexander Baron v. Roberts.
(Fortsetzung.)
17.0 „Monsieur le baron.“

Eff sprang von seiner Arbeit auf. Draußen im Korridor unterhandelte Baptist anscheinend mit einer Ordonnanz: das Tuscheln und Flüstern störte den Hauptmann.

„Baptist!“ rief er ärgerlich durch die Thür.

Der Lothringer stürzte in seinem Eifer herzu, das ganze Gesicht leuchtend wie immer, einen Brief und das Briefquittungsbuch in der Hand.

„’err ’Aup …!“

Er sparte eben so an dem Hauptmannstitel, wie er an dem Lieutenant gespart.

„Es ist ein Brief angekommen, der nicht richtig adressirt ist, ’err ’Aup …!“

„Gieb her!“

Der Brief war „An den königlichen Hauptmann im großen Generalstabe Herrn Freiherrn Trutz von Gamlingen zu Trachenberg“ adressirt. Eff riß ihn auf, seine Finger zitterten vor Erregung. Es war der Auszug aus der Gesuchsliste, ganz lakonisch, als handelte es sich um irgend ein Flitterding eines ausländischen Ordens: „Eff, Hauptmann etc., wird durch Allerhöchste Kabinettsordre die Erlaubniß ertheilt, den Namen seines Adoptivvaters, des Oberstlieutenants z. D. Freiherrn etc., zu führen.“

Kein Wunder, daß die Beiden da draußen im Zweifel gewesen, ob der Brief richtig adressirt war, obgleich der Expedient vorsichtig den alten Namen Eff in Blei auf der Ecke des Kouverts notirt hatte. Der Hauptmann öffnete das Quittungsbuch, um seinen Namen einzutragen Seinen Namen? Er stutzte vor der betreffenden Rubrik, dann reckte er sich in einem Trotz heraus, setzte die Feder an und warf mit seiner sonst so deutlichen Schrift etwas hin, das alles Mögliche, vielleicht auch „von Gamlingen“ bedeuten konnte. Er ward roth dabei; ein paar Augenblicke starrte er die Schrift an, und als er gleich darauf die runden, stets verwunderten Glotzaugen seines Burschen von rückwärts auf sich gerichtet fühlte, überfiel ihn eine ganz dumme, lächerliche Scham.

Baptist entfernte sich mit dem Buch. Nach einigen Schritten, die der neue Freiherr im Zimmer auf- und niederstürmte, rief er jenen nochmals. Und ohne ihn anzusehen, den Kopf in ein Papier versenkt, warf er in einem seltsam strengen Ton, den er sonst nicht ohne besonderen Grund hervorkehrte, die Anweisung hin:

„Ich werde von nun an von Gamlingen heißen – Trutz von Gamlingen.“

Der Bursche blieb regungslos.

„Nun?!“ fuhr der Hauptmann auf.

Baptist staunte mit seinen dümmsten und weitesten Augen, und ein ungläubiges Lächeln zog seinen Mund in die Länge, daß die gesunden und kräftigen Zahnreihen sichtbar wurden.

„Kauft Spän’!“0 Nach dem Oelgemälde von C. M. Seyppel.

[370] „Na, es kann Dir ja doch egal sein, ob so oder so!“ fuhr ihn sein Herr ärgerlich an. –

Es waren die ersten Hiebe der Spießruthen, die er mit dem neuen Namen zu durchlaufen haben würde. Später würden die Hiebe weniger hörbar sausen, aber um so empfindlicher brennen! Er würde still halten müssen – es geschah ihm recht!

Zuerst die Meldnug bei den Vorgesetzten, die er gleich zur Meldezeit abzumachen hatte. Eine wahre Examenangst befiel ihn, vor seine Vorgesetzten hinzutreten und das Ereigniß mit dürren Worten meldemäßig herzuschnarren. Ja, die Form der Meldung – mühsam drechselte er unterwegs an dem Wortlaut herum.

Im Treppenflur und auf den Korridoren des Dienstpalastes am Königsplatz begegneten ihm mehrere Kameraden. Einige Fremdere grüßten mit dem üblichen förmlichen Gruß. Ein paar seiner näheren Bekannten riefen oder nickten ihm einen „Guten Morgen!“ zu. Wie er meinte, kälter und flüchtiger als sonst; sie hatten Eile mit ihren Papieren und Akten, vielleicht wußten sie auch noch nichts davon.

Doch – sie mußten es schon wissen! Die Nachricht war dem officiellen Parolebuch längst vorausgeflattert. Einer, ein Württemberger, der zum preußischen Generalstab abkommandirt war, vertrat ihm den Weg und gratulirte ihm in seiner schwäbischen Biederkeit gerade heraus, ihm dabei die Hand fast zerdrückend.

„Man kann es diesen Preußen nie recht machen,“ dachte der Biedermann bei sich, als er sah, daß die Gratulation dem neuen Freiherrn offenbar unangenehm war; „bald thut man zu viel, bald zu wenig. Warum hat er den Namen denn changirt, wenn er ihm unangenehm ist?“

„Hat ihm schon – Herr Baron!“ kam ihm sein Bureaukamerad, ein urlustiges Haus mit einer ins Kupferne schillernden Nase, trällernd entgegen. „Na, wir werden den neuen Baron doch begießen müssen, he?“

„Ich melde ganz ergebenst, daß mir laut Allerhöchster Kabinettsordre die Erlaubniß ertheilt wurde, den Namen meines Adoptivvaters …“

Gott, welch ein Monstrum von einer Meldung! dachte Eff, während er an dem Satze weiterhaspelte.

Der Oberst, sein Abtheilungschef zog die Lippen mehrmals während der Meldung ein, streng schmeckend, als gefiele ihm das Gericht nicht.

„Ah!“ rief er laut, nur die eine hervorgestoßene Silbe als Quittung, daß die Meldung richtig abgeliefert war. Und kein Wort weiter. Gamlingen wußte sofort, daß er in dem Urtheile dieses Bärbeißers mit der Namenspielerei bedenklich gesunken war.

„Seine Excellenz den Feldmarschall werden Sie gerade jetzt treffen,“ rief er dem sich vorschriftsmäßig zum zweiten Male an der Thür verbeugenden Hauptmann nach.

Der Feldmarschall! Es ward ihm schwül zu Muthe, obgleich er wußte, daß dieser die Meldung mit vollkommenem Schweigen hinnehmen und wohl auf ihren Wortlaut kaum achten werde. Aber es kam ihm fast wie ein Verbrechen vor, in das von weltwichtiger Gedankenarbeit geweihte Arbeitszimmer des großen Strategen mit der ungeheuren Trivialität dieser Meldung hineinzuplatzen.

Moltke erhob sich langsam vom Schreibtische, nickte kaum merklich auf die Verbeugung des Hauptmanns und stand dann aufrecht, den rechten Arm mit den Knöcheln der Hand auf die Kante des Tisches gestützt, das rechte Bein vorgesetzt, den Kopf leicht nach vorn gebeugt, daß die Haartour sich von dem hageren Nacken in einer starken Biegung abhob.

„Ich melde ganz gehorsamst …“ begann die wankende Stimme des Hauptmanns. Der Feldmarschall horchte anscheinend sehr aufmerksam, die dünnen Lippen zusammengepreßt, mit dem Ausdruck unerschütterlichen Ernstes. Das edle Profil des feinen Kopfes zeichnete sich dunkel und scharf gegen die Helle des gegenüberliegenden Fensters. Er trug einen geöffneten Ueberrock und der Hals war mit einer locker sitzenden Binde bekleidet, auf der das etwas verschlafene Silberband des Ordens pour le mérite, doch ohne den Orden selbst, befestigt war.

Als wäre die Meldung von großer Wichtigkeit, so schien er zu horchen. Keine Regung in den unzähligen kleinen Fältchen des bartlosen Gesichtes. Jetzt, nachdem Gamlingen geendet, nach einer kurzen Pause, während welcher der Feldmarschall immer noch zu lauschen schien, wandte sich das Profil um ein Viertel nach ihm herüber.

„Wie geht’s Ihnen?“ kam es über die schmalen Lippen.

„Sehr wohl, Euer Excellenz!“

Es klang so frisch und freudig. War es Gamlingen’s Ueberraschung darüber, daß, nach dieser Anrede zu schließen, der hohe Herr von der Meldung nur den Klang der Worte, nicht den Sinn vernommen? Man kennt ja dessen Zerstreutheit den kleinen Dingen des Alltags gegenüber.

Als ein abermaliges kurzes Nicken des Adlerprofils ihn entlassen hatte und die Thür sich hinter ihm schloß, dehnte sich seine breite Brust wie in einer befreienden Erlösung.

Bah, man muß es leichter nehmen mit diesem Namen; man macht sich zu viel Skrupel um die Gesichter der Anderen! Noblesse oblige! Man hat den Namen nun einmal, man hat ihn sich durch die Umstände aufzwingen lassen! Es war ihm nicht zu entgehen – wohlan, so soll er auch herhalten!

Mit einer Art mitleidigen Lächelns gedachte er seines verstorbenen Adoptivvaters, wie dieser das Paradepferd nicht zu reiten verstanden hatte, wie ihm der ehrwürdige Name zuletzt zu einer Last, fast zu einem komischen Anhängsel geworden war, dort in dem vierten Stock des Hinterhauses.

Der Name ist in meiner Hand, ich werde ihn wieder hoch zu bringen suchen! Ich bin es diesem fünfhundertjährigen Geschlechte schuldig!

In gehobener, erzwungen übermüthiger Stimmung fand er sich bei Belzig’s ein.

„Sieh’ mich einmal recht an,“ rief er mit lachendem Gesicht, sich der ersten Begrüßung mit Melitta, die ihm entgegengeeilt war, entwindend. Er trat zwei Schritt zurück und stand hoch aufgerichtet, sie mit den Strahlen seiner Augen und den blinkenden Zähnen herausfordernd:

,Nun?!“

Er sah überaus prächtig aus in dem Glanz des Meldeanzuges. Aber das war ihr doch nichts Neues; sie stürzte auf ihn los und umschlang seinen Nacken mit ihren Armen. Sie brauchte nicht erst zu fragen: „Ist es da?“ Sie wußte es! – In seiner erregten Miene hatte sie es sofort gelesen. Eine so stürmische Freude überwältigte sie.

Allein der Freude wegen, die ihr das Spielzeug bereitete, hätte es sich verlohnt, den Namen nicht nur zu erdulden, sondern sich darum zu bemühen. Diese Freude erleichterte und erlöste ihn von dem unheimlichen Druck. All’ die Spießruthenschläge werden ja tausendfach aufgewogen durch dieses Glück!

Frau Belzig rauschte herzu. „Ist es?“ fragte sie kurz, Melitta’s Erregung gewahrend, mit einem eigenartig lüsternen Ausdruck ihrer Miene.

Auf Gamlingen’s Nicken fuhr sie mit einem sonoren „Gottlob!“ heraus. Eine geheime Angst hatte sich in den letzten Wochen, da die Adoption mühsam durch die Instanzen kroch und noch immer nicht vorwärts rücken wollte, ihrer bemächtigt. Es konnte irgend ein Hinderniß eintreten – vielleicht scheiterte das Gesuch an Allerhöchster Stelle. Und dann die leidige Spitzfindigkeit der Juristen! Der Oberstlieutenant war doch inzwischen gestorben und begraben – darf die Adoption auch noch über das Grab hinausgreifen?

Aber, Gottlob, nun war Alles gut! Die heiße, die ungeheuerliche Sehnsucht ihres Lebens war gestillt. Von nun an ist es genug des Götzendienstes!

Doch da kam Olga an. Die laute Freude mußte wohl an sich halten vor der Trauerkleidung, die der zarten Blondine übrigens reizvoll stand, und vor der still verhärmten Miene, die auf lange hin die alte Schmetterlingsfröhlichkeit nicht mehr aufkommen lassen würde.

Olga hatte in dem Belzig’schen Hause vorläufige Unterkunft gefunden. Sie plante allerlei Engagements, die sie in England, irgendwo in der weiten Welt, annehmen würde. Belzig’s wollten natürlich nichts davon wissen. „Sind wir, oder werden wir denn nicht verwandt, Olga?“ drängte Frau Belzig. „Du bleibst einfach, wir lassen Dich nicht fort!“

Der Hauptmann trat respektvoll auf die Nahende zu, nahm zu deren Ueberraschung ihre Hand und führte sie an seine Lippen.

„Meine Schwester, meine theure Schwester, darf ich Sie von heute ab so nennen?“

[371] Sie stutzte, ergriff dann aber ihres neuen Bruders Hand und drückte sie innig. Wieder wie damals umflorten Thränen ihre Augen. Und die beiden Damen waren sofort bereit, mit ihrem Thränentribut beizuspringen und die Rührung mitzumachen.

Aber die Spießruthengasse mußte noch weiter durchlaufen werden.

Drei Tage darauf langten zwei Briefe aus Erfurt bei Gamlingen an. Die zaghaften, oft der Bindungsstriche ermangelnden Buchstaben seiner Mutter und die resolute, steile Männerschrift der „Autorität“. Beide Adressen waren an den alten Namen Eff adressirt. Bei der guten Mama war es wohl nur die Zimperlichkeit, die sich nicht sofort in die Situation schickte, die „Autorität“ aber schien damit von vornherein Protest einzulegen; der Inhalt der Briefe bestätigte Beides.

Gamlingen sowohl wie die Belzig’s hatten übrigens für gut befunden, die Adoption bis zur Allerhöchsten Genehmigung geheim zu halten, damit ein etwaiges Scheitern des Gesuches nicht die Lächerlichkeit herausfordere, und die Erfurter waren völlig damit überrascht worden.

Die kleine alte Dame schien außer Fassung gerathen. „Ich bin so erschreckt,“ schrieb sie, „ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie ist das nur gekommen? Wie hast Du das nur thun können? Die beiden Mädchen (sie meinte Lolo und ihre Tochter damit) haben mich ausgelacht, ich habe so geweint. Mein lieber, guter Sohn!“

Die letztere Anrede stand isolirt da. Als wäre Mama hier und umfinge ihn mit ihren Armen, bittend und weinend, daß er ihr doch das nicht anthun sollte!

„Ich muß mich erst darein finden, lieber Walther! Es hat mich so erschreckt. Mir ist, als habe ich mein Kind verloren und als hättest Du Dich von mir abgewandt. Dein guter Vater – siehst Du, er hat seinem König vierzig Jahre lang treu und gewissenhaft gedient, kein Makel klebt an unserem Namen, wir sind stets allgemein beliebt und geachtet gewesen. Was soll ich nur denken?

Nun, ich will nicht klagen. Ich werde mich mit der Zeit daran gewöhnen. Bitte, theile uns Deine neue Adresse mit. Mir ist wirklich, als seist Du es nicht mehr. Ich weiß, daß das, was Du thust und thun wirst, das Rechte ist. Dieser neue Name – ich habe Angst davor, siehst Du, mir ist, als wenn er Dir keinen Segen bringen wird. Bitte, komme recht bald und bring’ Deine Braut mit, nach der ich solche Sehnsucht habe. Wenn sie so lieb ist wie Lolo, die unser Aller Herz längst erobert, so kann man Dir nicht Glück genug wünschen.“

Mit einem Lächeln, das mitleidig begonnen hatte, dann aber in einer wehmüthigen Verlegenheit endete, legte er den Brief hin.

Der andere Brief war die „Autorität“ in ihrer schönsten Polterlaune. Gamlingen sah während des Lesens das aufgeregte Zwinkern der grauen Wimpern und das unruhige Hin und Her der rundlichen quecksilbernen Figur.

„Lieber Walther, ich habe Deine Nachricht erhalten, wonach Du durch Kabinettsordre die Erlaubniß erhalten hast, Deinen Namen umzuändern. Ich kann nicht behaupten, daß Du uns grosse Freude mit dieser Ueberraschung bereitet hast. Ich hoffe, daß Du von der Erlaubniß keinen Gebrauch machen wirst. Der Name Eff ist Deinem Vater gut genug gewesen, und Deinem Großvater und dessen Vater, so wird er Dir auch gut genug sein. Wir sind eine anständige Familie, das muß ich mir sehr ausbitten! Du hast keine Veranlassung, Dich unseres Namens zu schämen.

Ich hätte Dir, offen gestanden, Solches nicht zugetraut; meine Gunst hast Du Dir gründlich verscherzt. Ich liebe so etwas nicht! Unser Name ist kein Mantel, den man mir nichts Dir nichts an die Wand hängt. Ist der andere etwa schöner? Ich habe ihn nicht einmal lesen können. Du denkst doch nicht, daß Dir solch ein adliger Name heut zu Tage irgend nützen wird? Die Zeiten sind vorüber. Es giebt keinen Respekt und keine Religion mehr. Ich hätte Dich nicht für so dumm gehalten, Du hast Dich gründlich blamirt.“

So ging es noch vier Seiten weiter. Er las den Brief gar nicht einmal zu Ende. Der helle Unmuth bewältigte ihn.

Es ist nicht wahr! Ich habe mich noch nie wegen meines alten Namens geschämt, so wenig hübsch er klang. Das sind eben die kleinlichen Erfurter Ansichten! Mama hatte Recht, ich weiß, was ich thue, und was ich thue, kann ich verantworten, trotzte er. Sie verstehen das nicht, dort hinten. Ich will sobald wie möglich mit Litta nach Erfurt fahren und ihnen Rede stehen.

Bei dem Gedanken an diesen Erfurter Besuch überlief es ihn mit einem neuen Anfall von Examenangst. Seine alten Lehrer, seine früheren Mitschüler, seine Jugendgespielen, die unentwirrbare Verhedderung von Bekanntschaft und Verwandtschaft, die den Namen Eff umwuchert, der allgewaltige, allvermögende Klatsch der guten, lieben ehrwürdigen Stadt Erfurt – wie werden sie den Namen begucken und betasten, wie werden sie ihn zerrupfen und zerfasern und um und um kehren!




18.0 Bluttaufe.

In den Bureaus des Generalstabs tauchte das Gerücht auf, Mühüller von den Boxern sei in einen Ehrenhandel verwickelt, eine scharfe Mensur sei unvermeidlich.

Und weßwegen? Natürlich ein Nichts, ein Stecknadelkopf, der Schatten eines Schmetterlings – irgend eine mißverstandene Miene, irgend ein schiefer Lachton, ein ausgeglittener Seitenblick, höchstens ein oder zwei wirklich ausgesprochene Worte! Nun, stellt man sich denn zumeist wegen Dinge von größerer Wichtigkeit vor die Pistole?

Gamlingen war bestürzt und aufgebracht: das kommt von seiner überflüssigen Schneid! Das kommt davon, wenn man die Dinge beim rechten Namen nennt! Er wollte Mühüller aufsuchen – vielleicht ließe sich durch eine Vermittlung noch Alles einrenken.

Mühüller kam ihm zuvor. Er holte Eff am Nachmittag aus dem Dienstgebäude ab.

„Aber was für Streiche, Mühüller! Was soll das heißen!“ rief ihm Gamlingen ärgerlich entgegen, als er in den Korridor trat, wo jener wartete.

„Keinen Vorwurf! Keine Moralpredigt! Das muß ich mir ausbitten! Ich bin gekommen, Sie um Entschuldigung zu bitten. Schenken Sie mir eine Cigarre.“

„Wieso – Entschuldigung?“ Gamlingen blieb verwundert auf der Treppenstufe stehen.

„Nun, daß ich Sie nicht zum Sekundanten genommen. Ich hätte Sie doch nehmen müssen, wie wir zueinander stehen. Sie sind aber verlobt, und die sechs Wochen Festung würden Ihnen jetzt sehr wenig schmecken. Kein Sport für einen Hochzeiter – für einen Generalstäbler erst recht nicht!“

Mühüller biß mit seinen scharfen Schneidezähnen die Spitze der Cigarre ab, daß es hörbar knisterte, und nachdem er die Tabakreste mit einem Pff! aus dem Munde geschleudert, sagte er: „Außerdem die Damen! Ich liebe, wie Sie wissen, den Spektakel nicht.“

Er, Mühüller, liebte den Spektakel nicht! Zu einer andern Zeit hätte Gamlingen laut aufgelacht. Er, der durch seinen amüsanten Spektakel die Ehre so manches Salons vor dem dräuenden Drachen Langeweile rettete! Möglich, daß er in ernsteren Dingen wirklich den Spektakel verschmähte.

„Aber ums Himmelswillen, was ist nur vorgefallen?“ rief Gamlingen. „Erzählen Sie doch! Ich werde mir’s nicht nehmen lassen und Alles versuchen, die Sache beizulegen. Sie hätten sich übrigens schon früher einfinden können!“

Mühüller schnitt mit der einen Seite des Gesichtes eine Grimasse, als thäte ihm etwas weh. „Lassen Sie mich damit in Ruh’, ich bitte schönstens! Es ist seit gestern schon so viel an der Sache herumgedoktert worden. Ich habe es satt! Ich liebe es: eins, zwei, drei! – Schlag auf Schlag! Ich brauchte ja bloß zu revociren, ich bin der Beleidiger.“

„Wer ist Ihr Mann?“

„Lächerlich –“ und Mühüller lachte stumm, die breiten Schultern mit den Epauletten schüttelnd, die er stets statt der bequemeren Achselstücke trug. „Wissen Sie, es ist urkomisch! Ich habe aber heut Morgen erst erfahren, daß er eigentlich Menkel heißt und gar nicht der von Dipperbach ist. Wir haben uns ein paar Mal während des Frühschoppens bei Töpfer gesehen, ich habe kaum zehn Worte mit ihm gewechselt, außer dem corpus delicti, wie der Auditeur sagt. Einer von der Versuchsbombe. Kommt da von seiner Tegeler Knallbude und will mitreden. Sagt was, ein Anderer sagt wieder was, und noch ein Dritter, ich aber sag’ auch was. Da sagt er wieder was – schwapp, geb’ ich ihm eins aufs Maul, daß er still ist. Ist übrigens ganz gleichgültig, was es war; zerbrechen Sie sich darüber, bitte, nicht den Kopf!“

[372] Mit einem dumpfen Paff stieß er eine ballende Qualmwolke in die Luft. „Sie wissen, ich hab’ das im Griff, ich bin wahrhaftig nicht auf den Mund gefallen. Hatte mich zu sehr geärgert! Ich soll revociren! Teufel – was ich gesagt, hab’ ich gesagt! Es hat mich zu infam erbost, zumal …“

Er stockte. „Was denn? Natürlich die winzigste Bagatelle von der Welt – und deßwegen wollt Ihr Euch todtschießen! Es ist doch wirklich empörend!“ fiel Gamlingen ein.

„Na, es ist ja immer so!“

Mühüller war stehen geblieben; er wippte ein paar Mal in den Beinen, nahm dann gegen einen Baum der Allee, die sie eben kreuzten, die Stellung eines Schießenden, senkte mit einem Ruck die Hand der ausgestreckten Rechten, als hielte er eine Pistole, und zielte mit blinzelnden Wimpern, die Cigarre stand dabei schief in dem einen Mundwinkel.

„Lächerlich!“ fuhr er plötzlich laut lachend auf, als müsse er den Eindruck verwischen, daß er etwa zuviel an Jenes da, an die Pistole und an das bevorstehende Duell dächte.

„Hätte also bis heut’ Morgen darauf geschworen, es wäre der Dipperbach, mit dem ich mich schießen soll. Mengte mich nicht weiter hinein. die Bedingungen so und so – bon! – Von Revociren kann nicht die Rede sein! Wäre mir selber aber doch fabelhaft lächerlich vorgekommen, wenn man mich todtgeschossen und ich hätte geglaubt, ich hätte die Ehre gehabt, von Dipperbach todtgeschossen zu werden, während es doch der Menkel gewesen. Werde übrigens Dipperbach um Entschuldigung bitten. Es wird ihn höllisch amüsiren!“

„Aber, Mühüller! So lassen Sie doch jetzt die Scherze! Ich dächte doch, wir überlegten …“

„Na, offen gestanden, ich möchte nicht, daß Sie dächten, ich spielte den Forschen! Ich bin ja auch gekommen, Sie um eine Gefälligkeit zu ersuchen. Es ist mir nicht ganz egal! Wissen Sie, um was es mir leid thäte? – Hier um meine famosen Knochen. Es wäre wirklich schade darum und, ohne mich zu schmeicheln, ein Verlust für die königlich preußische Boxerei.“

Gamlingen runzelte die Stirn – er ist unverbesserlich! Doch Mühüller trat näher an ihn heran und, den scharfschnarrenden Ton dämpfend, der durch den winterstillen Thiergarten hallte, sagte er, indem er an der Cigarre immer noch knipste, nachdem die Asche schon längst abgefallen: „Spaß bei Seite! Es ist meines guten Vaters wegen. Es thut mir leid, ihm in seinen alten Tagen den Kummer zu machen. Man muß es ihm schonend beibringen, wenn natürlich – und – und Sie thäten mir einen ungeheuren Gefallen, wenn Sie, nachdem es geschehen ist, ihn auf Alles vorbereiteten. Ich geb’ Ihnen die Adresse. Sie wissen, er wohnt in Stettin – ich weiß nicht, ob es nicht zuviel verlangt ist, wenn ich Sie bitte – falls es Ihr Dienst erlaubt und Sie einen Tag abkommen könnten –“

„Alles, Alles!“ preßte Gamlingen hervor, Mühüller’s Hand ergreifend. „Nun, wir wollen doch nicht gleich das Schlimmste annehmen.“

„Teufel auch!“ rief Mühüller, wieder in den gewohnten Ton fallend. „Ich bitte Sie, einer von der Versuchsbombe, die betreiben das Zielen mathematisch. Ich taxire, er wird mit seiner Schußtabelle auf dem Platz erscheinen und mir einfach logarithmisch ans Leben gehen.“

Da rollte eine königliche Equipage heran; die Adlerborte auf dem Hut des Kutschers deutete darauf, daß Jemand vom königlichen Hause darin saß. Die beiden Officiere stellten sich in strammer Haltung salutirend am Rand des Fahrdammes auf. An dem offenen Fenster des Wagens erschienen die frischen Rosagesichtchen zweier kleiner Prinzchen, mit köstlichem Ernst die winzigen Händchen an die weiße Pelzmütze hebend, dahinter die sonst so strengen Mustergesichter der Gouvernanten, lächelnd über die Grandezza, mit der die kleinen königlichen Hoheiten den Gruß der Officiere erwiederten.

A propos,“ begann Mühüller, als der Wagen vorübergerollt, „Sie werden sich natürlich nicht weiter um die Sache kümmern. Es ist nichts daran zu rücken und zu rühren. Ich danke Ihnen für die gnte Absicht. Sie thäten mir einen Gefallen, wenn Sie für Ihre werthe Person ganz aus dem Spiel blieben – versprechen Sie mir das! Wir sehen uns ja noch. Ich muß nach der Stadt. Sie wollen zu Ihrer Braut. Bitte ergebenst zu grüßen. Na, und nun machen Sie mir kein Gesicht, mein lieber Eff – ah Pardon!“

Er lachte, daß das massive Elfenbein seiner Zähne hervorblitzte, und drückte Gamlingen’s Hand mit der bekannten Kraftleistung seiner eisernen Finger.

Gamlingen wußte, daß die Sache nun ihren Lauf ginge und nichts mehr einzurenken sei; er kannte seinen Starrkopf von Mühüller. Hinter der verhängnißvollen Schwere des Zweikampfes verschwand natürlich der Stecknadelkopf, der ihn verursacht. Welche Dummheit! – Wegen eines Wirthshausstreits, wegen eines Wortwechsels!

Gamlingen forschte also nicht weiter nach den näheren Details, wie Mühüller es verlangt hatte. Einmal trat er dazu, als zwei Kameraden sich über den Fall unterhielten; da verstummten diese. Es fiel ihm damals nicht auf, später erst ward ihm der Umstand klar.

Es waren peinliche Tage bangen Harrens für Gamlingen, bis das Los des Zweikampfes entschieden hätte. Er hatte Mühe, seine Unbefangenheit bei den Belzigs zu bewahren und er glaubte eine dienstliche Mißhelligkeit als Grund seiner Verstimmung vorschieben zu müssen. Drei Mal noch traf er Mühüller. Das eine Mal übergab ihm dieser die Ordnung seiner Angelegenheiten für den Fall, daß er bliebe, sowie die Adresse seines Vaters.

„Das ist’s, was mir die Sache verleidet,“ sagte er, das Zettelchen mit der Adresse auf den Tisch legend, und seine sonst so scharfe Stimme vibrirte weich. „Na, überhaupt,“ rief er aufblickend, „ich will nicht behaupten, daß mir die Sache einen so gewaltigen Spaß macht. Ich will nicht forsch thun! Ich hatte es mir viel flotter gedacht. Diese Federfuchser vom wohlweisen Ehrenrath mit ihren Paragraphen und ihrem Wenn und Aber verpfuschen Alles. Ich habe einmal gelesen, wie man in früheren Zeiten einfach aufstand, Platz schaffte, die Degen zog und auf einander losstach. Na und diese Knipserei mit der Pistole – die gefällt mir gar nicht! Mit dem Rapier und dem Säbel hätte man doch zeigen können, was man kann und was man für Schneid im Leibe hat. Aber dastehen und ein dummes Gesicht machen und warten, bis die Kugel kommt … davonlaufen ist nicht! Was will man machen? Man hält still – es gehört wahrhaftig nicht für einen Sechser Kourage dazu. Jeder Kretin kann so ein Ding abknipsen. Na, wie gesagt, die Sache macht mir einen so riesigen Spaß nicht!“

Das andere Mal traf er Mühüller bei Belzigs. Dieser verbrachte eine Nachmittagsstunde dort und war fröhlich und lebhaft wie immer. Besonders schien er es darauf angelegt zu haben, das nun so stille Gesichtchen Olga’s wieder mit einem Lächeln zu beleben. Beim Abschied klang durch sein „Auf Wiedersehen!“ mit dem er sich Olga empfahl, ein so auffallend herzlicher Ton. Melitta glaubte das zu bemerken und als Mühüller fort war, drängte sie die Kleine, die sich mit komischem Schmerzausdruck das Händchen rieb, als wäre dieses eben noch einer Zerquetschung durch Mühüller’s Händedruck entgangen, in eine Fensternische; dann hob sie schelmisch drohend den Finger und sagte: „Du – Du – Du!“

Natürlich war sofort die Purpurröthe da.

Am Morgen darauf, kurz nach neun, kam der Sekundant Mühüller’s, der kleine dicke Herr von Nevitz, von dem berichtet wurde, daß er sein Kommando zur Centralturnanstalt lediglich als eine Entfettungskur betrachtete, und meldete nach dem Auftrag Mühüller’s, den ihm dieser vorher ertheilt, daß die Geschichte heute früh vor acht Uhr stattgefunden und daß Mühüller schwer verwundet sei.

„Doch nicht verloren?“

„Die Aerzte können noch nichts Bestimmtes sagen,“ berichtete der Officier, wie außer Athem von all dem aufregenden Hin und Her der letzten Tage. – „Ein Schuß in die Schulter, die Lunge verletzt, die Kugel steckt noch.“

Gamlingen stieß einen Fluch aus.

Jener gab nähere Details. Ein Nebel, daß man über fünfzehn Schritte hinaus nichts sehen konnte – so hatten die Gegner von vornherein an die Barrière heran avanciren müssen. Zwei Kugelwechsel ohne Resultat, als der Unparteiische sich ins Mittel legte. Mühüller meinte, er hätte es satt, als Scheibe dazustehen und auf sich losknallen zu lassen. Man möchte doch Säbel herbeischaffen! Natürlich war davon keine Rede. Und nochmals schossen sie los. Mühücker sank in den Schnee, der Andere ging heil aus. Er liegt im Garnisonlazareth.

(Fortsetzung folgt.)


[373]
Die Internationale Gartenbau-Ausstellung zu Dresden.
Von Franz Koppel-Ellfeld.

Wenn irgend eine Stadt im Reich, so hatte Dresden ein Recht darauf, die Koryphäen der Gartenbaukunst zu sich zu entbieten. Die schöne sächsische Residenz ist eine Gartenstadt allerersten Ranges; der Dresdener, der nicht gerade in der rußigen Altstadt wohnen muß, wohnt sicher zwischen Gärten, sieht auf grüne Rasenflächen mit Blumenbeeten, und von Blüthenbäumen lacht der Lenz ihm ins Zimmer. Dresden ist aber auch eine Stadt, die einen gärtnerischen Ruf hat. Wie seine Kunstschätze, so verdankt es diesen Vorzug Anregungen, die vom Thron ausgingen.

Wenn Leipzig durch seiner Bürger Fleiß ein klein Paris geworden ist, Dresden ward durch seine Fürsten groß. Aus eigener Initiative berief seiner Zeit König Friedrich August, selbst Botaniker von wissenschaftlicher Bedeutung, den berühmten Gelehrten Professor Reichenbach in seine Hauptstadt. Hier hat derselbe vor zahlreicher Zuhörerschaft befruchtende Vorlesungen über Pflanzenkunde gehalten, Studenten und Gärtner begleiteten ihn mit der Botanisirtrommel auf seinen Exkursionen. So wurde in aller Stille an der Hand der Wissenschaft einem neuen Erwerbszweig, der Handelsgärtnerei, praktisch Bahn gebrochen. Und die diesjährige internationale Ausstellung hat den Beweis erbracht, daß der von königlicher Hand ausgestreute Samen auf fruchtbaren Boden gefallen ist: die namhaften Gärtnereien in Elbflorenz werden heute zu den besten der Welt gezählt. König Albert hat ganz im Geist seines erlauchten Oheims gehandelt, indem er das Protektorat übernahm und der Ausstellung den herrlichen Platz anwies.

Wer Dresden besucht hat, kennt den mit Recht so genannten „Großen Garten“, die größte Gartenanlage Sachsens. Damit das unaufhaltsame Wachsthum der Großstadt nicht zum verderblichen Korsett für diese Lunge Dresdens werde, sind vor Jahren schon ansehnliche Ankäufe zu Erweiterungen vom Landtag bewilligt worden. Dem von Berlin nach Dresden berufenen königlichen Gartendirektor Bouché ist es vortrefflich geglückt, die neuen Anlagen mit alten Reizen moderner Landschaftsgärtnerei auszustatten, unter Anderem hat er die unmittelbar an die städtischen Bürgerwiesenanlagen sich anschließenden Felder zwischen Dammweg (Zoologischer Garten) und Lennéstraße in einen reizenden Wiesenpark umgewandelt, [374] und auf diesen Neuland hat die Gartenbau-Ausstellung einen Platz erhalten, wie sie ihn anderwärts so leicht nicht wieder finden dürfte.

Die Dresdener Ausstellung von den verschiedensten Ländern Europas beschickt, mit den hervorragendsten Sachverständigen des In- und Auslandes als Preisrichtern, bot wie alle Fachausstellungen natürlich zunächst nur den Fachmännern und gelehrten Dilettanten eigenste Förderung ihrer wissenschaftlichen und praktischen Zwecke. Von ihnen allein auch kann sie nach ihrem positiven Werth gewürdigt und verstanden werden. Dem Urtheil dieser Männer zufolge ist die Ausstellung als eine interessante und gelungene zu bezeichnen. Die Beschickung derselben hätte jedoch viel stärker ausfallen können; sie macht sicher immer noch bedeutende Schwierigkeiten. Die großen Erfurter Firmen, Berlin, Oesterreich und die Schweiz waren schwach vertreten, Frankreich und Rußland fehlten vollends: im Ganzen waren allerdings über 500 Firmen auf dem Platz, darunter aber nur etwa 50 Ausländer. England kommt bei Gartenbau-Ausstellungen gar nicht in Betracht, es hat sich von der Reblauskonvention ausgeschlossen, darum darf kein lebendes Pflänzchen von dort importirt werden, was aber bekanntlich die berühmte Firma Sander u. Komp. (St. Albans) nicht abhält, in Hamburg Auktionen zu veranstalten, und zum Glück auch nicht abgehalten hat, in Dresden Orchideen auszustellen, wie man sie überhaupt noch nie bei einander gesehen hat, unschätzbare Prachtexemplare. Diese englischen Orchideen haben unbedingt den Vogel abgeschossen, und der Preis Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta wurde ihnen zuerkannt. Man sagt, daß einzelne dieser kapriciösen Blüthenexemplare, die von Schmetterlingsflügeln kaum zu unterscheiden sind, mit mehreren tausend Mark bezahlt werden.

Im Mittelpunkt des Interesses standen ferner: der Rosenflor (in der Haupthalle) von Mietzsch-Dresden, welcher als beste größere Gesammtausstellung blühender Rosen den Ehrenpreis des Königs Albert davontrug, und die Obstkulturen von Gaucher-Stuttgart, welche Palmetten, Kordons und Spaliere aufwiesen, wie man sie sonst kaum sehen dürfte. Dem Herrn Aussteller wurde für die hervorragendste Gesammtleistung auf dem Gebiete der Obstbaumzucht der Ehrenpreis des deutschen Kaisers zu Theil. Zu dem Hervorragendsten und Lieblichsten zugleich gehörten die Azaleen- und Rhododendrengruppen von Liebig-Blasewitz, welchem für eine Sammlung Azalea indica der Ehrenpreis des Kaisers von Oesterreich verliehen wurde, ferner die von Seidel, Olberg, Richter, Schreiber und Knöfel, die, sämmtlich aus Dresden, respektive Striesen-Dresden mit Ehrenpreisen des Prinzen Wilhelm von Preußen, der Stadt Dresden und anderen prämiirt wurden. Dresden zeigte sich nicht nur als Rosenstadt (die hochstämmigen Rosen Rüschpler’s erregten Sensation), es glänzte auch durch Kamelien und trat auf dem Gebiet der Koniferen in Konkurrenz mit den Holländern und Belgiern. Von diesen hatten D’Haee, Veylstecke, van Houtte, de Kock und Delarye-Cardon (vertreten namentlich durch eine prächtige Riesenpalme) allerdings Einziges in ihrer Art ausgestellt.

Einen hervorragenden Schmuck der Ausstellung bildete der Lorbeer in allen Größen und Formen, hier konkurrirten Hanisch (Leipzig) und Mietzsch (Dresden) mit D’Haee aus Gent (Belgien). Der blühende Laurustinus, Eugenia und Myrthen von Hanisch-Leipzig dürfen neben dem Besten der Ausstellung genannt werden. Der Salon Hanisch, ein Wintergarten, der sich an ein reich ausgestattetes Boudoir anschloß, war ein Muster von eleganter und geschmackvoller Blüthendekoration. Ehrenpreise der Stadt Dresden erhielten unter Anderem auch Engelhardt-Striesen für bunte Pelargonien, Bouché-Poppelsdorf für Projektirung des botanischen Gartens bei Dresden und Hoffmann-Berlin für den Entwurf einer Gartenanlage des Kaiser-Wilhelm-Platzes zu Dresden. Die Bouquetts- und Blumengruppen von Rülcker-Strehlen (mit seinen entzückend frischen Hyacinthen) und Günther-Dresden erregten die Bewunderung von Hoch und Nieder; sie hatten im Verein mit Hanisch-Leipzig aber auch keine Kosten gescheut, ihre Pavillons mit dem Besten auszustatten, was unsere Blumenbinderei (nicht gerade unsere Stärke) zu leisten vermag. Reizvoll waren auch die Cycelamen von Haubold-Striesen, sowie Pelargonien von demselben, von Degenhardt (Stadtgärtnerei-Dresden, die auch prächtige Cinnerarien ausstellte), von Porscharsky und Meisel-Zittau. In der Freilandausstellung glänzten. Koniferen und Arancarien von Mietzsch-Dresden, Weise-Kamenz, Hanisch-Leipzig und Engelhardt-Striesen.

Wer den Ausstellungsplatz überblicken wollte, der that am besten daran, zu dem auf einer kleinen Anhöhe in maurischem Stil errichteten Litteraturpavillon (vergl. die mittlere Ansicht auf unserer Illustration) hinanzusteigen. Hier hatte man den besten Ausblick auf die von Thürmen flankirte stattliche Haupthalle, deren Vestibul im Haupteingang die oberste Zeichnung unserer Illustration andeutet, die von Leinwandbogendächern überwölbten Nebenhallen, die verschiedenen Blumenpavillons, den Königspavillon, die Blumenparterres und Teppichbeete mit ihren Vasen und Statuen und die ganze übrige vom Großen Garten im ersten Maiengrün umrahmte bunte Scenerie. Der Regen, welcher unaufhörlich niederströmte, hatte freilich den Eindruck stark beeinträchtigt. Nur wer das Glück hatte, einen Sonnenblick zu erhaschen, dem bot sich ein zauberhafter Anblick. Aber nur Wenige waren so glücklich, meistens glich der von Regenschirmen in allen Größen und Farben überspannte Ausstellungshauptplatz einer wandelnden Riesenpilzausstellung. Dresden wimmelt jahraus jahrein von Fremden aller Art; man hat gesagt, daß Europa sich auf Brühl’s Terrasse Rendez-vous gebe, Amerika nicht zu vergessen; die Fremden, die der Gartenbau-Ausstellung wegen an die Elbe kamen, konnten darum dem belebten Elbflorenz nicht gerade eine wesentlich andere Physiognomie verleihen. Allenfalls fielen die gerade von der Leipziger Ostermesse über Dresden-Gartenbau-Ausstellung heimreisenden zahlreichen Vertreter des deutschen Buchhandels ins Auge.

Ein charakteristisches Merkmal für Dresden sind die bunten, mit lautem Unterhaltungsgezwitscher spazierengehenden Mädchenpensionate, wandelnde Blumen, lachende Kinder des Lebensfrühlings, aus allen Zonen; sie fehlten natürlich in der Ausstellung nicht und bildeten einen reizenden Kontrast zu den bäuerischen Söhnen und Töchtern aus der Provinz und deren älteren Sippen, pfiffig unter der Schirmmütze hervorlugenden Vertretern der wendischen Türkei. Einen komischen Kontrast aber bildeten die Besucher und Besucherinnen der Ausstellung, die sich eben in der Dampfbindemaschine ein Bouquett hatten binden lassen und sich dann vor dem Wurstzelt um die populären Hanns-Würstchen förmlich schlugen ... in der einen Hand die blühende Blume, in der andern die dampfende Wurst: mein Liebchen, was willst du noch mehr? Doch warum sollte der Humor fehlen, wo die Grazien walten, wo Flora und Abundantia (die Göttin des Stilllebens) aus ihrer Fülle spenden?

Uebrigens so heiter eine Gartenbau-Ausstellung auch aussieht, selbst bei acht Tagen Regenwetter, eine so ernste Sache ist und bleibt sie doch. Hier birgt sich nicht hinter Blumen die Schlange, sondern das ernste Haupt der Arbeit. Die Dresdener Ausstellung hat zur Blüthezeit des Frühlings und in einer Zeit der Blüthe des Deutschen Reichs rühmlich Zeugniß gegeben von deutschem Fleiß und deutschem Wissen, besonders von der Höhe sächsischer Leistungsfähigkeit. König Albert hat ihr die Ehre erwiesen, sie zu eröffnen, und am letzten Tag der Woche erwies der deutsche Reichstag ihr die Ehre, sie vor dem Schlusse zu besuchen. Der Gesammtvorstand des Reichstags traf am Sonnabend zum Besuch der Gartenbau-Ausstellung in Dresden ein und besuchte unter Führung des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Stübel, sowie des früheren Reichstagspräsideuten Geh. Hofraths Ackermann und der Mitglieder der Ausstellungskommission die Gartenbau-Ausstellung, über deren gelungenes Gesammtarrangement wie außergewöhnliche Schönheit die Herren lauten Lobes voll waren. Die Kommission gab ihnen ein Frühstück in der Großen Gartenwirthschaft, die Stadt ein Diner auf dem Brühl’schen Belvedere. Dieser Besuch beschloß auf würdige Weise die aufs Würdigste eröffnete Dresdener Gartenbau-Ausstellung. Wie sie international war und zu den Geistesthaten gehört, die nur im Weltfrieden gedeihen, so hat sie doch auch das deutsche nationale Bewußtsein mit neuem Vertrauen zu sich selbst gestärkt und uns ermahnt, nicht zu erkalten in der Liebe zur Natur, zum Vaterland, zur treuen Pflege der höchsten Güter, die uns durch Fleiß und Arbeit erschlossen werden und durch die wir unsere große Heimath, das Deutsche Reich, immer mehr seiner wahren Aufgabe entgegenführen, allen andern Reichen der Welt voranzustreben und zu leuchten.

Vivat, crescat, floreat!




[375]
Das erste Jahr im neuen Haushalt.
Eine Geschichte in Briefen. 0 Von R. Artaria.
VI.
24. Januar. 

Hugo!“ sagte ich neulich zu meinem Gebieter, „sind wir eigentlich in Deutschland zu arm für unsere Bildung oder zu gebildet für unsere Armuth?“

„Wie meinst Du das?“ fragte er, „das klingt ja ganz philosophisch.“

„O, ich meine nur, daß wir doch eigentlich immer Dinge anfassen müssen, die für eine gebildete Frau unschicklich sind, und dann hinterher wieder dergleichen thun, als wüßten wir gar nichts davon.“

„Die Nothwendigkeit des Letzteren sehe ich nicht ein,“ meinte er. „Was glaubst Du denn, was ein Anatom oder Chirurg Alles ‚anfassen‘ muß, oder auch Dein Freund im melancholischen Künstlersammtrock draußen in seiner Fabrik? Mir kommt es vor, als ob die wahre Bildung eben darin bestehe, jeder Lage gerecht zu werden, ohne sich dadurch in seinem Innern bedrückt zu fühlen.“

Er hat gut reden, denn seine „Lage“ ist unter allen Umständen eine recht erträgliche; wie aber die meine vorgestern war, das sollst Du jetzt hören, liebste Marie, Du einzige Vertraute meiner Kalamitäten! Wir haben hier seit acht Tagen eine Bärenkälte, über Nacht gefror in der Speisekammer Alles: Milch, Eier, Aepfel, Orangen: das war aber noch nicht das Schlimmste. Rike ging schon ein paar Tage lang mit eingebundenem Kopf und fürchterlichem Humor herum; das ganze Haus roch nach dem Brustthee, den sie für „ihren Kartarr“ kochte; dabei putzte sie aber mit Fanatismus, jeder Einrede zum Trotz. Und nun, als ich vorgestern früh ins Speisezimmer kam – kalt, dunkel, unaufgeräumt, draußen Alles still, und endlich in ihrer Kammer Rike mit dick geschwollenem Hals im Bette. Das war ein Schrecken! Denn hier giebt es nicht, wie in S., augenblicklich zu holende Aushilfen; da heißt es, selbst anfassen. Ich machte nur schnell das Frühstück für Hugo, damit er fort kam, und dann – ja dann! Kannst Du Dir Emmy vorstellen, Kohlen schleppend, Asche ausleerend, kehrend, Geschirr aufspülend und zwischendurch den Grobheiten lauschend, welche Rike für jeden wohlgemeinten Zuspruch aus dem letzten Viertel ihrer Luftröhre hervorpfiff?

Glücklicherweise kam gegen zehn Uhr Klara, das gute Kind, mit dem ich mich schon recht befreundet habe; sie zerschmolz in Entsetzen und Mitleid; „ihr Ideal“, wie sie mich schwärmerisch nennt, in einer so höchst schauderhaften Situation zu erblicken, blieb gleich da, half, wo sie konnte, lief zum Arzt; dann kochten wir zusammen, und es ging gut! Aber im Speisezimmer, wo es zu Mittag warm sein sollte, blieb es kalt; der bisher überheizte Ofen zog nicht, hatte schon gestern stark geraucht, und nun brannte es gar nicht mehr! Dazu die fürchterliche Kälte, die durch die Scheiben hereinschnitt!

„Klara,“ sagte ich, „weißt Du was? Statt wieder zum Ofenkehrer zu laufen, putzen wir das Rohr selbst aus; das ist kein Hexenwerk.“

„O nein, freilich,“ sagte sie, „das hab’ ich schon oft mit angesehen.“

Ein Borstwisch mit langem Stiel stand in der Holzkammer; wir holen ihn, steigen hinauf, öffnen das Thürchen und: rutsch, rutsch! das Rohr durch!

„Da steckt Etwas,“ meint Klara; „wenn ich mir wüßte, was das ist?“

„Gieb her!“ sage ich, stoße mit aller Kraft zu – puff! fährt am andern Ende die Kapsel hinaus und ein Berg von Ruß fällt ins Zimmer, auf den Teppich und steigt als schwarze Wolke in die Höhe!

„Klara,“ sage ich nach einer langen Schreckenspause, „nun wissen wir, was drinnen war.“

„Ja, Frau Assessor, aber wie kriegen wir den Ruß wieder heraus?“

Rathlos sah ich sie an und dann zum Fenster hinaus in den schönen, beneidenswerth reinen Schnee, der sich so glänzend weiß über die Gärten dehnte. Und darüber kam mir die Erleuchtung!

„Schnell, Klara, so geht’s! Wir fassen den ganzen Gräuel in eine Schüssel zusammen; dann holen wir einen Kübel voll Schnee im Hofe, werfen ihn auf den Teppich und kehren so lange herum, bis der Ruß daran hängen bleibt.“

Das thaten wir, es ging auch; aber den Schmerz in den Fingern beim Schneeholen, die Wäsche hinterher, bis wir glücklich wieder rein waren! Hugo hatte doch keine Ahnung, als er sich im warmen Zimmer zu Tische setzte, was da Alles vorausgegangen war!

Nein, das soll mir Niemand bestreiten: die Aufgaben einer „gebildeten Hausfrau“ sind doch etwas gar zu mannigfaltig! Erst soll man Musik treiben und wissen, wo Bulgarien liegt, dann seine Kleider und Hüte selbst machen, hierauf nicht nur sich freuen, wenn kluge Männer reden, sondern auch verstehen, was sie meinen, wenn sie Einen mit aufgewärmten Schopenhauer’schen Redensarten anschwindeln; man soll kochen können wie ein Hotelchef und dann wieder bei Gelegenheit gelernter Kaminkehrer sein! Findest Du nicht, daß ich einige Berechtigung zu der oben gemeldeten Frage an meinen Gatten besaß?

Sie war mir durch den Kontrast eingegeben; denn Tags zuvor hatten wir vornehm gethan auf dem Kasinoball zur Einweihung der neuen Gasbeleuchtung. Wie mir das komisch vorkam, die altbekannten Lüster, zu denen man bei uns höchstens einmal hinaufguckt, wenn Einen ein Herr zu bodenlos langweilt, als Gegenstände der allgemeinen Bewunderung zu sehen! Was sie beschienen – na, ich will nicht raisonniren, aber mäßig war’s! Aufgebügelte Sommerkleider, dazwischen wieder Einiges, was den Namen Toiletten verdiente. Ich hatte mein hellblau Seidenes mit dem Spitzenüberkleid und den Akazien: ich glaube, es hat Effekt gemacht; wenigstens schien mir ein gewisser Ausdruck in Fräulein Frida’s Gesicht dafür zu sprechen. Klara war mit uns; ich hatte sie mit Gewalt noch etwas menschlich hergerichtet, einen ordentlichen Ausschnitt an ihrem philisterhaften Rosakleid durchgesetzt, daß ihre hübschen Schultern zur Geltung kamen, und mit einer Handvoll von meinen Rosen und Schleifen nachgeholfen. So sah sie doch mit ihren prächtigen dunkeln Augen und den krausen braunen Haaren allerliebst aus. Nur ist sie noch schrecklich schüchtern.

Brandt war auch da und mit ihm, denke Dir, jene Frau von Kolotschine, die letzten Winter in S. die Geschichte mit dem Grafen L. hatte, über die so viel geredet wurde. Natürlich mußte damals Brandt auch für die „interessante Frau“ schwärmen, die eine so souveräne Verachtung für deutsche Philisterhaftigkeit hat. Damals beachtete sie ihn nicht sonderlich; aber jetzt, wo sie ein paar Wochen zum Besuch ihrer Schwester, einer ihr ganz unähnlichen, sehr zurückgezogen lebenden strengen Majorsfrau, hier ist, scheint er ihr einziger Trost zu sein.

Sie hatte eine schwarze, schmelzglitzernde Toilette an, sah übrigens noch außerordentlich hübsch und pikant aus („was für wunderschöne rosa Wangen diese Dame hat!“ meinte das gute Unschuldsschaf Klara) und sagte, uns lorgnettirend, ehe noch Brandt zur Vorstellung kommen konnte: „Das ist ja ein wahrer Antinouskopf, Ihr Assessor!“ Natürlich laut genug, daß er es hören konnte, und – darin sind alle Männer gleich schwach – es schmeichelte ihm doch! Er verbeugte sich viel verbindlicher, als gerade nöthig gewesen wäre. Wir setzten uns in eine Ecke, weil der beginnende Ansturm für die Füße gefährlich wurde; er vergaß auch über der lebhaften Konversation, daß wir diesen ersten Walzer hatten mit einander tanzen wollen, und so tanzt’ ich ihn mit Brandt, welcher gekommen war, mich darum zu bitten.

Es tanzte sich schlecht in dem langen, schmalen Saal der „Krone“; zum Ueberfluß rannten Einen noch jeden Augenblick die alten, wackelbeinigen Honoratioren an, die hier mit ihren Ehelichsten einen vorsichtigen Walzer riskirten; dazwischen fuhr dann wieder einmal ein vereinzelter Lieutenant als schneidiger Komet mitten durch das Gedränge. Ich hatte bald genug an diesem Vergnügen, steuerte also meinen Tänzer zu Klara hinüber, die eben frei war, und stellte ihr den im Städtchen bereits vielbesprochenen „interessanten Doktor“ vor. Sie erwiederte seine kühle Verbeugung mit ihrem lebhaftesten Erröthen; das Weitere überließ ich ihnen und begab mich zu meinem Gatten zurück. Eben hörte ich noch Frau von Kolotschine zu ihm mit ihrem schmachtenden Accent sagen: „Ich liebe alles Einfache, Große, Kraftvolle. Die Lügen der Civilisation sind mir verhaßt. Kennen Sie Tolstoi?“

„Nur sehr oberflächlich,“ sagte der abscheuliche Mensch. Nicht eine Zeile von ihm hat er je gelesen!

„O, den müssen Sie näher kennen lernen. Er ist so groß. Ich kann Ihnen seine Hauptwerke geben; ich glaube sicher, daß sie Ihnen gefallen werden!“ Dazu ein langer Blick und ein langsames Fächerzuklappen. Und was für animirte Augen dieser Hugo machte!

Aber, was war das?! Die neuen Gasflammen fingen an zu flackern, daß Einem ganz schwindelig wurde; plötzlich setzten sie aus. Alles starrte nach den Lüstern, wo längliche Flammen schwebten. Auf einmal totale Finsterniß und allgemeines Gelächter. Der älteste Kronensohn, der bisher als eleganter Tänzer sich geschwungen, bat voll Verzweiflung die verehrten Herrschaften, doch nur einige Minuten Geduld zu haben, und tastete sich hinaus. Ein neues schallendes Gelächter begrüßte gleich darauf den Hausknecht, der mit einem trübseligen Talglicht im Messingleuchter hereintrat, das er vor die Musikanten hinstellte. Bald nach ihm erschien ein Kellnerzug mit den alten ehrlichen Petroleumlampen, die nur jetzt etwas schwer anzubringen waren! Indessen, die Stimmung litt nicht darunter; in einem gemüthlichen Halbdunkel wurde weitergetanzt; auch Hugo erinnerte sich jetzt doch, daß er mir den ersten Walzer im Ehestand noch schuldig war. Frau von Kolotschine entfernte sich bald; die Geschichte war ihr doch wohl zu „einfach“ und nicht „groß“ genug!

„Doch eine merkwürdige Frau,“ sagte Hugo zu Brandt, der sie begleitet hatte und zurückkam.

„Jawohl,“ erwiederte dieser und sah bekümmert auf den Boden. „Sie hat Vieles erlebt.“

Ja, das glaube ich auch! –

„Ach, Frau Assessor, wie himmlisch schön war es heute!“ flüsterte mir Klara ein paar Stunden später beim Fortgehen zu. „Sehen Sie nur das reizende Bouquett, das mir Herr Doktor Brandt im Kotillon brachte!“

„Klara,“ erwiederte ich ihr strenge, „in einer gewissen Beziehung taugen die Männer alle nicht viel. Nimm Dich nur in Acht!“

Und habe ich nicht Recht, meine Marie?

Das war mir doch eine ganz merkwürdige Erfahrung. Wenn sogar Hugo – aber nein, ich will alle weiteren Nutzanwendungen sparen.

Wenn Dir einmal der Tag kommt, wo Du Dich auch über Deinen Richard verwunderst, dann mache es nur wie ich: klug und nicht dergleichen gethan! Und mit dieser Weisheitsregel schließt für heute
Deine Emmy. 




[376]

Robert von Hornstein.

„Der eignen Nase nachzugehn
Möcht’ Jedermann erlaben,
Nur darin wird die Kunst bestehn:
Eine eigne Nase zu haben.“
 Paul Heyse.

Darin besteht freilich die Kunst oder vielmehr die Gottesgabe, welche der wahren Kunst bester Theil ist. Denn eine starke, ergreifende Wirkung übt nur die innerste Seele des Künstlers aus seinem Werke heraus, und mehr noch als für die Malerei gilt dies für die Musik, welche so unmittelbar zum Menschenherzen redet. Wober käme die zauberhafte Wirkung eines schönen Liedes, wenn nicht zu seiner Erzeugung außer musikalischem Wissen und Können noch ein Etwas nöthig wäre, welches nicht erlernt werden kann, das der Natur entspringt wie Waldesrauschen und Vogelsang und welches nur wenige Glückliche als tiefsten Drang der Seele in sich vorfinden!

Einer von diesen ist der Tondichter, dessen Bildniß wir heute unseren Lesern vorlegen.

Robert von Hornstein, geboren 6. December 1833, hat nicht nur jenes beste Erbtheil des Künstlers mit auf die Welt gebracht, sondern auch in glücklichen äußeren Verhältnissen die Möglichkeit gefunden, alle besonderen Eigenschaften zu entwickeln, die seine Kompositionen vor so manchem Erzeugniß moderner Schulmäßigkeit auszeichnen: die frisch fließende reizvolle Melodie, neben einer Naturempfindung von ungewöhnlicher Stärke, die aus vielen seiner Lieder unverkennbar deutlich herausklingt.

Freilich hatten sowohl Natur wie Kunst schon dem erwachenden Sinn des Knaben zugelächelt. Der Vater, Freiherr Ferdinand von Hornstein, einem alten reichsfreiherrlichen Geschlechte in Schwaben entstammend, lebte eine Reihe von Jahren in dem kleinen Städtchen Donaueschingen, welchem damals der sehr musikalische Fürst von Fürstenberg ein merkwürdig gutes Orchester unter Kaliwoda’s Leitung verschafft hatte. Freiherr von Hornstein stand als ausgezeichneter Sänger im Mittelpunkt dieses künstlerischen Lebens, und der junge Robert entwickelte ebenfalls so schnell seine musikalische Anlage, daß er schon mit sechs Jahren als gehätscheltes Wunderkind sang und spielte. Dann siedelte der Vater nach Konstanz über, um den Knaben das Gymnasium besuchen zu lassen, und hier, am Ufer des schönen Bodensees, wo die großen Schiffe kommen und gehen, wo man selbst im Schulzimmer beim Lesen der Odyssee den Seespiegel in ganzer Länge vor den Fenstern des Saales hatte sammt der blauen Bergkette dahinter: hier erschloß sich in des jungen Schülers Seele die leidenschaftliche Liebe zur Natur, die Wandersehnsucht, die ihn zeitlebens beherrschen sollte. Alle die gelegentlichen Ausflüge nach dem Schwarzwald oder der Schweiz riefen tiefe, unverlöschliche Eindrücke bei dem erregbaren Knaben hervor.

Robert von Hornstein.

Nachdem er die Schule hinter sich hatte, bestürmte der Siebzehnjährige seinen Vater um die Erlaubniß, auf dem Leipziger Konservatorium endlich musikalisch etwas Rechtes lernen zu dürfen, und überglücklich ging er 1850 dahin ab. Seine Lehrer waren Rietz, Moscheles, Hauptmann u. A.; er machte rasche Fortschritte in der Technik und schrieb nach kurzer Zeit schon so frisch quellende Klavier- und Gesangsstücke, daß unter den Mitschülern sich bald ein gewisser Respekt vor dem jungen Schwaben mit der Zuneigung paarte, die sie Alle für sein liebenswürdiges und dabei grundoriginelles Wesen hatten. Der junge Komponist benahm sich im täglichen Leben mit einer Unbefangenheit, die ihn oft genug in starken Gegensatz zu Herkommen und Gepflogenheit der Menge brachte. Er ließ sich’s nicht anfechten – fand er doch lebenslang immer die Besten bereit, seinen Eigenthümlichkeiten Theilnahme und Verständniß entgegenzubringen, und außerdem gestattete ihm die glückliche Unabhängigkeit der äußeren Lage, sein Leben ganz nach seinen Neigungen einzurichten. Diese waren und sind sehr einfach; als stärkste von Allen machte sich der Drang zum Reisen geltend, dem er nach absolvirten Studien vom Jahre 1852 an immer und immer wieder folgte. Gelegentliche längere Aufenthalte in Stuttgart, Dresden, Frankfurt bezeichnen dazwischen die Perioden künstlerischen Schaffens, denen eine Reihe seiner schönsten Lieder entstammen.

Wer heute den Band „Gesammelte Lieder“ zur Hand nimmt, der findet in „Unter der Linden“, „Die Nachtigallen“, „Am Brunnen“, „Waldeinsamkeit“, „Zigeunerin“, „Rosette“ und vielen anderen die Zeugen jener schönen Jugendtage, wo dem Komponisten eben so wahre und tiefe Poesie die Seele füllte, wie dem Dichter, welcher die Worte schrieb. Hornstein’s beste Kompositionen umkleiden immer solche Texte, die er selbst gedichtet haben könnte; er ist kein sehr vielseitiger Autor, aber um so tieferen Eindruck macht er mit dem, was so vollständig seiner innersten Eigenthümlichkeit entsprang.

Längst hat jener Band, eine Sammlung außerordentlich schöner und volksthümlicher Lieder, in verschiedenen Auflagen seinen Weg in zahlreiche gesangliebende deutsche Häuser gefunden und ist Vielen schon bei der grossen Noth um gute sangbare Lieder zur freudigsten Ueberraschung geworden.

Mit dem Beginn der sechziger Jahre gründete Hornstein den eigenen Hausstand und siedelte sich dauernd in München an, wo sein gastliches Haus bald zum Mittelpunkt eines einzig schönen Kreises wurde. Für die heute Ueberlebenden ist es eine wehmüthige Erinnerung, der Abende zu gedenken, wo sich hier Geibel, Heyse, Lingg, W. Hertz, Wilbrandt, M. Meyr, Siebold, Piloty, Karl Stieler und viele Andere zur reizendsten Geselligkeit zusammenfanden, wo Hornstein bis tief in die Nacht hinein spielte und sang, seine schöne und liebenswürdige Frau mit rheinischer Heiterkeit die Bowle ins Endlose verlängerte und es allen Gästen viel zu wohl war, um sobald an den Aufbruch zu denken. In die Dichtergesellschaft „Krokodil“ hatte man ihn, entgegen ihrem Statut, einstimmig als Ehrenmitglied aufgenommen, und eben so feierte ihn die Künstlergesellschaft „Grüne Insel“ in Wien, als er im Jahre 1864 hinkam und mit seinen Liedern das Terrain im Sturm eroberte. Eine Operette, „Die Pagen von Versailles“, welche er zur gleichen Zeit dort aufführte, fiel freilich durch, aber er konnte sich bald mit einem Erfolge in München trösten, der seitber zum dauernden geworden ist. 1866 schrieb er für das Hoftheater eine Musik zu [[Shakespeare’s „Wie es Euch gefällt“, die so glücklich zu dem phantastisch-reizenden Stück hinzugedichtet ist, daß sie bei jeder neuen Aufführung heute noch warm begrüßt wird. Die ganze unwahrscheinliche Schäferromantik der Verbannten im Walde hat hier einen köstlichen Ausdruck gefunden, sehnsüchtige Leidenschaft und melancholische Träumerei zittern durch die Hörnerklänge des Vorspiels, begleiten leise Rosalindens schalkhafte Liebesreden und klingen aus in dem zierlichen Pagenduett „Ein Liebster und sein Mädel schön …“ Es wäre zu wünschen, daß das Lustspiel nirgends mehr obne die glückliche Ergänzung dieser Musik gegeben würde.

Es fehlt der Raum, um im Einzelnen aufzuzählen, was Hornstein in den letzten 20 Jahren schrieb. Außer verschiedenen Liederheften („Cancionero“, „Lieder für eine hohe Stimme“, „20 Duetten“, „Neue Lieder“) ist vor Allem eine reizende kleine Spieloper „Adam und Eva“ zu nennen, wozu Heyse den Text verfaßt (und welche äußerst beifällig aufgenommen wurde. Eine Schöpfung ganz eigener Art ist auch die Musik zu dem Ballet „Der Blumen Rache“, die von München aus ihren Zug über viele deutsche Theater machte und überall mit ihren charakteristischen, bald feurigen, bald träumerischen Weisen einen durchschlagenden Erfolg errang.

Es ist eine reiche künstlerische Thätigkeit, auf die der nunmehr Vierundfünfzigjährige aus der Mitte einer glücklichen, zahlreichen Familie zurücksehen kann. Aber auch das flüchtigste Bild seiner Persönlichkeit muß noch einer andern Seite seines Wesens gedenken, die für den Menschen wie für den Künstler gleich bedeutsam ist: der lebenslangen Hingabe an die große Frage nach dem Warum? der Dinge, die den Jüngling einst nach Frankfurt zu Schopenhauer führte und seither dem Manne in dreißigjähriger innerer Arbeit den Standpunkt philosophischer Gelassenheit erworben hat, der sein ganzes Wesen kennzeichnet und Jedem auffällt, welchem es gelungen ist, den für gewöhnlich Schweigsamen in ein Gespräch zu ziehen, das ihm Interesse einflößt.

So wie Hornstein heute noch mit dem Ränzel auf dem Rücken jeden Sommer unermüdlich die herrliche bayerische und tiroler Gebirgswelt durchzieht, so wandert er auch durch das irdische Leben: ein stiller Beobachter, der die Schönheit der Welt nicht minder als ihre Unzulänglichkeiten im Tiefsten empfindet und dort in Gedanken versunken betrachtend steht, wo die Andern schwatzend und lachend im Wagen vorüberrasseln.

Mögen ihm noch viele Wanderjahre und uns noch manche schöne Frucht derselben beschieden sein!

München. Karl Robert.     




[377]
Die Einsame.
Erzählung von S. Kyn.
(Schluß.)


Die Erzählung der Greisin hatte Kordula tief ergriffen, aber ihre Seele war noch zu voll von eigenen Empfindungen, um lange an dem Eindruck zu haften. Die Tante war doch einmal glücklich, dachte Kordula; sie hat doch einmal von den goldenen Früchten gekostet, zu denen ich bisher nur hungernd und dürstend aufschauen durfte!

Schon der nächste Tag brachte den Besuch Melly’s, die mit heimlichem Blinzeln der Freundin allerlei Schmeichelhaftes zuraunte, ohne der alten Dame irgend etwas zu verrathen. Als sie dann, beim Abschied von Kordula geleitet, schon an der Treppe stand, sprach sie noch einmal warme Worte zu Kordula’s Lob und konnte nicht oft genug wiederholen, wie diese im Fluge Aller Herzen gewonnen habe. „Und nun,“ fuhr sie fort, „wird doch Deine Raupenhaut, das ewige schwarzseidne Fähnchen, in die tiefste Rumpelkammer verbannt und Du erscheinst niemals wieder so dürftig und jämmerlich wie bisher. Wer so pompöse Brillanten vererbte, speiste Dich nicht mit ein paar Thalern ab. O, wie mich das freut!“ sprudelte sie weiter, „daß nun endlich das Glück bei Euch Einzug hält! Du hast wirklich riesige Eroberungen gemacht! Die allergrößte jedoch bei Doktor Kersten,“ flüsterte sie geheimnißvoll mit vielsagendem Lächeln, „ich ertappte ihn mehr als einmal dabei, wie er aus irgend einem verborgenen Winkel Dich nicht aus den Augen ließ, und ich habe ihm das auf den Kopf zu gesagt. Weißt Du, was er mir antwortete? ‚Allerdings, ein zu seltsamer plötzlicher Wechsel im Wesen der jungen Dame, um mich nicht zu interessiren!‘ – Die Männer kleiden ihre Bewunderung doch recht oft in ein eigenthümliches Mäntelchen, nicht wahr?“ Dann sprang sie windschnell die Treppe hinab, um unten angelangt noch ein paar Kußhände hinauf zu werfen.

Kordula lehnte schweigend und betroffen am Geländer. Noch hatte sie nicht an die Folgen ihres gestrigen Auftretens gedacht; erst Melly mußte sie daran erinnern, und tief bestürzt kehrte sie zur Arbeit zurück. Dennoch fand sie die Kraft, der Tante gegenüber ihr Inneres völlig zu verhüllen, sie konnte auch auf deren Unterhaltung eingehen, heute sogar besonders freundlich und liebevoll. Doch als sie zur Ruhe gingen, begann ihre Gedankenarbeit. Was thun? Alles Grübeln, alles Zurechtlegen der Verhältnisse kam immer wieder auf den einen Punkt zurück: sie mußte sich die Mittel verschaffen, ihren Vorspiegelungen gemäß auftreten zu können. Aber woher? Sie besaß wohl ein paar hundert Thaler, war auch mündig – aber die Tante gab diesen Nothpfennig nimmer freiwillig her. Und dennoch mußte sie eines der Werthpapiere zu erlangen suchen. Die Papiere lagen im Sekretär der Tante, nur wenn die Koupons abgeschnitten wurden, kamen sie in ihre Hand, und dieser Termin mußte benutzt werden!

Der Gedanke wurde in den kommenden Tagen weiter ausgesponnen und seine Verwirklichung fest beschlossen. Ohne nach rechts oder links zu blicken, strebte sie nur dem einen Ziele nach, und als die günstige Stunde kam, legte sie mit kühler Besonnenheit ein leeres Blatt von gleichem Format und derselben Stärke zwischen die Scheine. Vor der Hand reichte die so gewonnene Summe, und keine Spur von Reue oder Vorwürfen stellte sich ein. Aber ihr Wesen veränderte sich seltsam, ein gewissermaßen lauerndes, gespanntes Spähen blitzte aus ihren Augen, ein Mißtrauen, das sie zwang, überall zu sein, Worte jeder halbwegs leise geführten Unterhaltung aufzusaugen, eine tiefe Unruhe, die ihrer ganzen Person ihren Stempel aufdrückte.

Das Geld floß ihr jedoch unerwartet schnell zwischen den Fingern davon. Gerade weil sie einen wirklich guten Geschmack entwickelte, fühlte sie, daß ihre Toilette von Grund auf erneuert werden mußte, sie fürchtete es fast, eine Lücke sehen zu lassen, und so kam es, daß die Summe ausgegeben war, ehe sie es gedacht. Doch der Rausch ihres Innern hatte sie derart überwältigt, daß sie nicht einen Augenblick zögerte, neue Papiere einzuwechseln – wen ging es am Ende an, wenn sie dereinst betteln gehen mußte?

Einmal allerdings erhielt das ganze Gebäude von Lug und Trug einen empfindlichen Stoß. Es war in einer kleinen Gesellschaft in dem stets offenen Hause Wolferdorff’s. Kordula konnte des Abends nicht froh werden, sie fühlte sich unablässig verfolgt von zwei Augen, die schon seit längerer Zeit immer auf ihr ruhten, wie Melly meinte in grenzenloser Verliebtheit, aber, wie Kordula heute nicht zum ersten Male fühlte in gespannter, unablässiger Beobachtung. Was hatte denn nur dieser Doktor Kersten, um sie mit solchem Inquisitorblick zu verfolgen? Was konnte er von ihr denken oder argwöhnen? Sie fing an, ihm eben so beflissen aus dem Wege zu gehen, wie sie früher seine lebhafte und angenehme Unterhaltung gesucht hatte.

Eben hatte sie sich in den nur durch eine rosige Ampel erhellten Erker zurückgezogen, umduftet von einer Fülle blühender Frühlingsblumen, als plötzlich der Doktor in der schmalen Thüröffnung sichtbar wurde. Kordula fuhr unwillkürlich auf, um den einsamen Platz zu verlassen, als ein in ganz besonderem Ton gesprochenes: „Sie fürchten sich vor mir, mein Fräulein, warum?“ sie an die Stelle bannte.

Es kostete Mühe, seinen Blick auszuhalten. „Was für einen Grund sollte ich haben, Sie zu fürchten, Herr Doktor?“ erwiederte sie so kühl wie möglich, aber ihr Herz schlug gewaltig. Und nun rollte er auch noch einen Fauteuil heran und ließ sich in ihrer nächsten Nähe nieder!

„Darum eben, weil ich keinen Grund weiß, mein Fräulein, beängstigt mich als Arzt, als Seelenarzt Ihr scheues Ausweichen. Ich habe Sie eigens hier aufgesucht, um ernsthaft und ungestört mit Ihnen darüber zu sprechen.“

Kordula lachte laut und schneidend auf „Suchen Sie vielleicht in mir die interessanten Anfänge irgend einer Wahnsinnsart? Am Ende haben Sie schon einen ausgebildeten Verfolgungswahn in mir entdeckt?“

Ein flüchtiges Lächeln, das sie im Innersten empörte, umspielte seinen Mund, aber der forschende Blick wich nicht einen Augenblick von ihr. „Sie ereifern sich, mein Fräulein, und abermals frage ich: warum?“

Kordula öffnete und schloß den Fächer in nervöser Bewegung, und ihre Blicke suchten umher, ob denn Niemand komme, dieses peinvolle tête à tête zu unterbrechen. Doch Alles blieb todtenstill; sie schien dem gefürchteten Inquisitor rettungslos verfallen.

Als sie ihm noch immer die Antwort schuldig blieb, beugte er sich noch näher zu ihr und blickte ihr mit fast beleidigender Schärfe ins Gesicht. „Spotten Sie nicht! Die Menschen wissen es nur zu oft nicht, wenn sie körperlich oder seelisch erkrankt sind. Wer hielte sich zum Beispiel für leidend, der Wünsche zu erfüllen strebt, die nur außerhalb seiner Verhältnisse Befriedigung finden könnten? Da schlagen Sie nun wieder die Augen nieder,“ unterbrach er sich in einem gezwungen scherzenden Ton, „rücken unruhig hin und her, alles Zeichen, daß Sie meiner Gegenwart gern entfliehen möchten. Fürchten Sie am Ende gar in mir einen Dieb oder Mörder – eine im Leben reicher Leute oft erscheinende Sorge?“

Kordula lachte gequält auf. „Ich wünschte, ich hätte mehr Grund, Räuber zu fürchten!“

Sie barg sich in den Lehnstuhl zurück und wandte den Kopf zur Seite, so daß ihr Profil sich von dem dunkeln Pflanzenhintergrund fein und scharf abhob. Doktor Kersten betrachtete die schlanke Gestalt und vergaß darüber für einige Sekunden fast den Zweck, der ihn hergeführt. Sie sah reizend aus in diesem Augenblick, das mattweiße Kleid bildete einen so eigenartigen Gegensatz zu dem dunkeln krausen Haar und den tief umschatteten Augen. Die Züge, welche in heller Beleuchtnug leicht etwas Scharfes bekamen, waren hier im Halbschatten so lieblich gedämpft; nur die rothen Lippen schimmerten aus dem blassen Gesicht heraus.

Der junge Arzt entriß sich aber sofort wieder diesem stummen Schauen, er wollte die angefangene Operation nicht aufgeben.

„Sie scheinen schnell den Werth des Goldes begriffen zu haben, Fräulein Adrian,“ sagte er hart. „In der That, eine gewaltige Macht. Wie sagt Shakespeare? ‚Durch zerlumpte Kleider sieht man das kleinste Laster; lange Pelzmäntel und Röcke verbergen Alles!‘ und weiter: ‚Beschlage die Sünde mit Gold und [378] die starke Lanze der Gerechtigkeit wird an ihr zersplittern, ohne sie zu verwunden!‘“

Kordula erhob sich; ihre Glieder bebten; doch suchte sie mit ungeheurer Ueberwindung ruhig zu scheinen.

„Auch die interessanteste Unterhaltung läßt mich meine Pflicht als Gast nicht vergessen, Herr Doktor; ich denke, wir kehren zur Gesellschaft zurück!“

„Warum schon jetzt?“ Und der Doktor blieb ruhig auf seinem Platze, welcher den Eingang ins Zimmer fast vollständig versperrte. „Ich glaubte bisher immer, Sie zögen sich aus Liebe zur Einsamkeit manchmal in dieses duftende Kämmerchen zurück!“

„Sagen wir lieber, ich bin zu sehr an die Einsamkeit gewöhnt, um sie ganz vermissen zu können. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie niemals aufzugeben. Freilich – hätte sie mich nicht gar so knapp gehalten, so unbarmherzig fasten lassen, wer weiß, ob ich heute mit solchem Genuß schlürfte, was die Welt mir bietet, ob ich nicht vielleicht übersättigt diese nichtigen Freuden belächeln würde, wie gewisse blasirte Herren,“ schloß sie mit leisem schelmischen Anflug.

„Jedenfalls ließ Ihnen die Einsamkeit ein eigenartiges Gepräge – ein nicht zu unterschätzender Vorzug in unserer alles abschleifenden Zeit,“ sagte Kersten langsam und nachdenklich. Mit diesen Worten hatte auch er sich erhoben und stand jetzt vor ihr, mit flammenden Augen auf sie niederblickend.

In Kordula’s Schläfen pochte es fieberhaft. „Der Blumemduft wird hier unerträglich!“ sagte sie; dann drängte sie sich fast ungestüm an ihm vorüber, dem Klange fröhlicher Menschenstimmen nach.

Seit jener Unterredung mit Kersten wollte ein geheimes Angstgefühl nicht mehr von ihr weichen; sie sah sich und ihr ganzes gewagtes Spiel von diesem Mann durchschaut – aber ihr Trotz war stärker als die Furcht, entlarvt zu werden, und mehr als je ergriff sie jede Gelegenheit, die Lust in vollen Zügen zu trinken.

Tante Renate war leicht zu täuschen; den Wechsel in der Straßentoilette wußte ihr Kordula durch neue Aufträge und bessere Preise des Kaufmannes, für den sie arbeitete, zu erklären. Die alte Dame schüttelte indessen so manches Mal sorgenvoll den Kopf über die leichtsinnige Nichte. Sie dachte dabei nicht an sich selbst, wie oft sie allein bleiben mußte, ach nein! Aber das bereitete ihr tiefe Sorge, daß das Mädchen Gefallen finden konnte an dem oberflächlichen Treiben, in dem sie auch noch fraglos die Letzte war. Denn sie konnte und wollte nicht den Worten Frau von Wolfersdorff’s glauben, die ihr immer wieder versicherte, daß ihre Nichte gefalle, unter den jungen Mädchen eine hervorragende Rolle spiele, von den Herren ausgezeichnet werde, von Einem sogar derartig, daß sie, Melly, bereits an eine Toilette für Kora’s Hochzeit denken dürfe. Es wäre das für die alte Frau eine Freude gewesen, die kaum noch in ihr umdüstertes Leben gepaßt hätte.

Stangen hatte übrigens wirklich sein Herz an Kora verloren. Das eigenartige Mädchen bezauberte ihn derart, daß er fest entschlossen war, um sie anzuhalten. Wolfersdorff, an den er sich mit dem „wie“ und „wo“ gewandt, entschloß sich wohl oder übel, mit Kordula vorher zu sprechen, und war nach dieser Unterredung wahrhaft beschämt, seiner Phantasie so freien Lauf gelassen zu haben, da das Mädchen, vor diese Entscheidung gestellt, ihre Erzählung von der Erbschaft wohl aufrecht erhalten, sie aber als eine ganz geringfügige hinstellen mußte. Er nahm vor den Kameraden freimüthig alle Schuld auf sich, und seine Klarlegung von Kordula’s Vermögensverhältnissen hatte zur Folge, daß Stangen, so verliebt er auch war, den Verhältnissen Rechnung trug und sich, wenn auch mit blutendem Herzen, zu einer anderen Schwadron seines Regimentes versetzen ließ.

Als der goldene Nimbus der Erbin zerfloß, mußte Kordula zu ihrem Schrecken bemerken, wie viel sie von ihren Triumphen diesem zuzuschreiben hatte. Zuerst nahm sie tief erbittert den Kampf mit der Nichtachtung der früheren Freunde auf. Noch war sie ja dieselbe, noch trug sie sich eben so elegant wie früher, doch vergeblich – man schien ihre so vielgepriesenen inneren wie äußeren Vorzüge nicht mehr zu sehen. Die frühere Bewunderung verwandelte sich in gleichgültige Höflichkeit, und bald schon war Kordula so weit, sich tief verletzt zurückzuziehen. Aber nun, sobald sie aus dem magnetischen Kreis herausgetreten war, kam der Rückschlag, so bitter und vernichtend, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Ihr starker Verstand begann die Genüsse der letzten Monate zu untersuchen und zu zergliedern, bei jeder einzelnen Erinnerung fragte sie sich, ob das, um was sie gelogen und getrogen, denn in der That einen Werth gehabt, und immer unerbittlicher lautete das Nein, das die innere Stimme zur Antwort gab. Es waren qualvolle Erkenntnisse, die ihr jetzt aufgingen: sie sah plötzlich ihre ganze jüngste Vergangenheit in neuem, unerträglichem Lichte. Aber dennoch – ihre Reue galt nicht so sehr dem, was sie gethan, sondern dem hohen Preis, den sie dafür hingegeben. Fast ihr ganzes kleines Kapital, den Nothpfennig für böse Tage, für Nichts verschleudert: das war’s, was ihr bittere Angst- und Reuethränen erpreßte, sie verwünschte tausendmal den frevelhaften Leichtsinn, der nicht allein sie, die Schuldige, sondern auch die hilflose Blinde jedem schlimmen Zufall preisgeben konnte!

Aber ihre kraftvolle Natur war nicht zur thatlosen Verzweiflung gemacht, sie suchte sofort nach möglicher Abhilfe. Arbeiten wollte sie, arbeiten bis zur letzten Anspannung, um das Vergeudete zurückzuschaffen. Vom frühesten Morgen bis tief in die Nacht saß sie über ihren Stickrahmen gebückt, nur die nöthigsten Besorgungen konnten sie veranlassen, die Arbeit aus der Hand zu legen oder gar auf die Straße zu gehen. Traf sie dann Einen oder den Andern aus der Gesellschaft, so sah er ihr wohl einen Moment mitleidig nach, indem er dachte, die unglückliche Liebe für Stangen wirke nicht gerade vortheilhaft auf ihr Aeußeres ein. Auch Melly theilte diese Ansicht, und da sie sich und ihren Gatten als schuldig in dieser Angelegenheit betrachtete, mied sie die alte Freundin. Das Gefühl war so unbequem, und sie wußte in der That nicht, wie sie sich Kora nach dieser Affaire gegenüber stellen sollte; denn eigentlich war diese doch alt genug, um zu wissen, daß sie in ihren Verhältnissen keinen armen Lieutenant heirathen könne.

Das unermüdliche Arbeiten wurde Kordula herzlich schwer, besonders da der Lohn nach wie vor so sehr dürftig ausfiel. Ihr heißblütiges Temperament wollte sie oft genug verleiten, die ganze Stickerei über den Haufen zu werfen, doch immer wieder strebte sie mit doppeltem Eifer vorwärts, um dann am Ende des Monats einzusehen, daß Jahrzehnte äußerster Entbehrung und angespanntesten Fleißes kaum genügen würden, das Verlorene zu ersetzen. Dennoch arbeitete sie fort, gönnte sich nicht die kleinste Erholung, und ihr Gesicht verlor wieder seine sanfte Rundung, das leise Wangenroth – sie fühlte, daß in dem Augenblick, in welchem sie ihr Ziel aus den Augen ließ, sie halt- und muthlos in sich zusammenstürzen würde, eine Beute härtester Anklagen und Vorwürfe!

So kam der Sommer ins Land. Schon begann sich Kordula an den neuen Zustand der Dinge zu gewöhnen, als plötzlich ein Schlag auf ihr Haupt niederschmetterte, der sie völlig zu Boden warf.

Eines Tages kehrte sie von einem kaum eine Viertelstunde währenden Ausgang zurück und fand Tante Renate leblos am Zimmerboden liegen. In größter Bestürzung rief sie Frau Bünger herbei, um mit deren Hilfe die alte Dame auf ihr Lager zu tragen, und während Kordula sich bemühte, diese ins Leben zurückzurufen, eilte die Aufwärterin, einen Arzt zu suchen.

Angstvoll lauschte sie auf sein Kommen. Endlich erschien er – es war Kersten. Sie zuckte bei seinem Anblick zusammen, aber die Sorge um die Tante drängte jetzt alle anderen Empfindungen zurück und mit schwer athmender Brust theilte sie ihm die Sachlage mit.

Ein blitzschneller prüfender Blick des jungen Mannes streifte sie und ihre dürftige Umgebung, dann trat er eiligst an das Lager, sich eingehend mit Frau von Velsen zu beschäftigen, die bald unter seinen Bemühungen zum Bewußtsein zurückkehrte, aber nur, um sogleich in heftige Klagen über ihr rechtes Bein auszubrechen. Nach Untersuchung desselben erkannte der Arzt, daß es einen Bruch erlitten habe bei einem Fall, den Frau von Velsen auf der blanken Diele gethan.

Kordula lehnte, nachdem sie dieses Resultat erfahren, fassungslos am Kopfende des Bettes. Angst und Entsetzen lähmten ihr völlig die Sinne. Dann aber raffte sie sich auf, um schweigend und ohne Zagen die nöthigen Handreichungen auszuführen. Sie schaffte Verbandzeug her, half dem Doktor beim Verbinden und streifte manchmal zärtlich die Wange der an Schmerz gewöhnten Frau, die, als Kersten endlich gehen konnte, wieder mit ruhiger Miene in ihren Kissen lag.

„Flicken Sie mich nur wieder zusammen, Herr Doktor,“ meinte sie zwischen Scherz und bitterem Ernst schwankend – „ich bin noch nicht abkömmlich!“

[379] Kora geleitete den Arzt auf Wunsch der Tante hinaus, und auf dem Flur suchte ihr Blick tief besorgt den seinen.

„Sie werden die Tante wiederherstellen nicht wahr?“ fragte sie mit bebender Stimme.

Er nickte.

„Ich denke, es ist kein schlimmer Bruch. Sorgsame Pflege, späterhin eben so kräftige wie leichte Kost, von Zeit zu Zeit ein Tropfen Wein sollen sie uns bald genug wieder in die Höhe bringen. Allerdings wird eine Nachkur in Wiesbaden unvermeidlich sein, gewöhnen Sie die alte Dame bei Zeiten an diesen Gedanken, Fräulein Adrian!“

Kordula starrte mit schmerzlichem Lächeln vor sich hin. Woher würde sie die Mittel nehmen, um das Alles schaffen zu können? fragte sie sich im Fluge. In diesem Augenblicke rief die Kranke nach ihr, und nach kurzem „Adieu“ flog sie in das Zimmer zurück.

Täglich kam der Doktor wieder, das Allgemeinbefinden Frau von Velsen’s hatte, ein paar Tage leichten Fiebers abgerechnet, nicht gelitten. Immer fand Kersten die kleine Behausung in tadelloser Ordnung, seine Anordnungen aufs Sorgsamste ausgeführt, Kordula selbst in der Nähe der Kranken, eifrig mit Handarbeit beschäftigt.

Nach und nach hielt er sich wohl ein paar Minuten länger als nöthig am Bett seiner Patientin auf, die ihm durch ihre bizarren Ansichten reges Interesse abgewann. Dagegen konnte er des Mißtrauens, welches er gegen die Jüngere gefaßt, durchaus nicht Herr werden. Korrekt in jedem Thun und Handeln, von einem gewissen selbstgefälligen geistigen Hochmuth beseelt, fühlte er immer eine gewisse innere Abneigung gegen die „abenteuerliche Person“, wie er gewohnt war, sie im Stillen zu nennen, und so kam es, daß sich die jungen Leute noch nach Wochen scheinbar auf derselben Stufe des Verkehrs befanden.

Als in dieser Zeit der Gipsverband abgenommen werden konnte, fand es sich, daß der gutartige Bruch des Gliedes zur Zufriedenheit verheilt und nur eine natürliche Schwäche zurückgeblieben war, die mit der Zeit schwinden mußte.

Frau von Velsen hatte bitter geklagt, als sie erfahren, daß Kordula, durch ungewöhnliche Ausgaben gezwungen, ein Werthpapier habe wechseln müssen, sich aber endlich doch hinein gefunden. Jetzt aber, als der Doktor von einem Aufenthalt in Wiesbaden sprach, weigerte sie sich energisch, seinem Wunsche nachzukommen.

„Ihr Aerzte seid alle unvernünftige Leute,“ polterte sie hervor. ,Ob es die offenkundigen Verhältnisse des Kranken erlauben oder nicht, Ihr fordert einfach das Blaue vom Himmel. Es geht nicht, sage ich Ihnen ein- für allemal; es wird mir schon schwer genug, für das Allernothwendigste jetzt die Hilfe Kordula’s annehmen zu müssen – aber auf ihre Kosten schlemmen, nimmermehr!“

„Aber, gnädige Frau,“ erwiederte Kersten, „hier fallen Sie selbst in eine starke Uebertreibung. Ausgaben, die im täglichen Leben Luxus scheinen, werden im Ausnahmsfall zur Nothwendigkeit, und bei den Vermögensverhältnissen Fräulein Adrian’s –“ Er hielt inne, durch ihr bitteres Lachen überrascht.

„Schöne Vermögensverhältnisse, hörst Du, Kordula? Er hält Dich für eine Erbin!“

„Ich wußte nicht anders, als daß Ihre Nichte wohlhabend sei.“

Nochmals stockte er, aber diesmal veranlaßt durch einen Blick auf Kordula’s leichenblaß gewordenes Gesicht und den angstvollen Ausdruck ihrer groß geöffneten Augen. Sie war der Verzweiflung nahe. Mußte nun dennoch die Entdeckung folgen? War ihre Reue und alles ehrliche Ringen doch umsonst gewesen? Alles um sich vergessend, drückte sie mit flehender Bitte den Finger auf ihre Lippen, und Kersten fragte nicht weiter. Während dessen hatte die alte Frau spöttisch erwiedert:

„Wenn Sie ein paar hundert Thaler ein Vermögen nennen, dann ist Kordula allerdings sehr wohlhabend.“

Die Blicke der beiden jungen Leute begegneten sich, dann beugte sich Kordula wieder tief über ihre Arbeit; doch eine dunkle Blutwelle zog langsam die Schläfe hinauf bis unter den dunklen Scheitel.

„Wie lieblich und mädchenhaft sie aussehen kann!“ dachte betroffen der Doktor. Dann begann er von Neuem. „Dennoch muß ich Sie bitten, sich mit dem Gedanken dieser Reise vertraut zu machen, die Kur ist durchaus nöthig für Sie, gnädige Frau!“

„Die Tante wird fahren, verlassen Sie sich darauf!“ antwortete statt ihrer Kordula. „Sie wird mir mit einer Weigerung nicht weh thun; sie weiß, wie glücklich es mich macht, einen winzigen Theil meiner großen Schuld an sie abtragen zu dürfen!“ Doch ihre Züge, gespannt und voller Sorge, widersprachen ihren Worten – sie wußte ja heute noch nicht, woher sie das Geld für die kostspielige Reise nehmen würde. Der Rest ihres kleinen Kapitals würde kaum für dieselbe reichen.

Als sie dann den Doktor durch das Nebenzimmer zur Thür geleitete, ließ er ein Weilchen schweigend seine Hand auf der Klinke ruhen, ohne sie niederzudrücken.

„Was bezweckten Sie vorhin mit dem Zeichen des Schweigens?“ fragte er plötzlich.

Kordula’s Kinn sank auf die Brust, dann warf sie kraftvoll den Kopf zurück.

„Ich wußte, daß Sie nie an die thörichte Millionenerbschaft geglaubt haben, dennoch zitterte ich, daß Sie Tante Renate davon sprechen könnten.“

„So war das Alles damals ein Märchen?“

„Das ich nicht ausgesprengt hatte, Herr Doktor!“

„Aber geduldet, daß man es sich in die Ohren flüsterte, so laut, daß Sie es hören mußten, Fräulein Adrian, und – dementiren!“

Der verächtliche Ton ließ ihre Augen zornig aufsprühen.

„Sie haben kein Recht sich zum Richter aufzuwerfen,“ sagte sie mit zuckenden Lippen. „Gehören Sie doch in die Klasse der Unversuchten, die nicht ahnen können oder – wollen, in welche Lagen das Leben Andere bringen kann! Wer nicht selbst eine Situation durchgemacht, hat kein Urtheil, was Andere darin thun oder nicht thun, hören Sie? gar kein Urtheil!“

Halb Aerger, halb Bewunderung sprach aus seinen Augen, mit denen er sie langsam vom Scheitel bis zur Sohle musterte. „Würden Sie mir noch eine Frage beantworten, mein Fräulein, nicht zum Zweck, ein Urtheil zu fällen,“ setzte er ironisch hinzu. „nur um mir zu beweisen, daß ich damals meine Diagnose richtig gestellt habe?“

„Sie können fragen, was Ihnen beliebt.“

„Sie haben überhaupt keine Erbschaft gemacht, sondern sich die Mittel zur Befriedigung Ihrer Eitelkeit aus – verzeihen Sie den vielleicht krassen Ausdruck – auf unrechtmäßige Weise verschafft?“

Sie starrte den Sprecher wie sinnlos an.

„Wer – wer sagt das?“

„Der Seelenarzt! Ich versuchte schon vor Monaten, Sie zu warnen – in der Form des Scherzes, doch Sie wollten nicht verstehen – schon damals sah ich deutlich hinter Ihrer krampfhaften Heiterkeit das geängstigte schuldbeladene Gewissen.“

Kordula wankte, doch keine Muskel ihres Gesichtes regte sich mehr.

„Ein bewundernswürdiger Scharfblick!“ spottete sie mit eisiger Kälte in der Stimme.

„Und – ist das Alles, was Sie mir antworten?“ fragte er, als sie verstummte.

Sie rang in unbeschreiblicher Aufregung nach äußerer Ruhe, aber es gelang nicht, der Sturm war zu heftig. Mit der Hand ihr Gesicht halb verhüllend, glitt sie abgewandt in einen Sessel und flüsterte. „Ja, ich trage eine Schuld, eine große Schuld sogar, aber sie ist völlig anders, als Sie wohl denken.“

Unwillkürlich kam ihm der Gedanke an ihr Spiel mit Stangen. „Und Sie mußten schwer büßen?“ fragte er leise und mitleidig.

„Ja – furchtbar schwer!“ kam es eben so leise von ihren Lippen, und ein verhaltenes Schluchzen erschütterte ihre ganze Gestalt.

In seltsamer Unruhe stand er vor ihr. Er wollte sprechen, trösten, doch es fehlten ihm die Worte; er hatte das Gefühl, daß hier kein Fremder eingreifen könne. Seinen Hut nehmend, empfahl er sich stumm mit einer fast linkischen Verneigung.




Die Forderungen des Arztes waren von nun an allein maßgebend für Kordula’s ferneres Handeln. Sie mußte das Geld für die Badereise schaffen um jeden Preis. Sie nahm jetzt auch noch die Nacht zu Hilfe, um ihren Erwerb zu vergrößern. Mit fieberhaft brennendem Kopf und schmerzenden Augen nähte sie Stich für Stich, nur wenige Stunden für den allernöthigsten Schlaf sich gönnend. Der junge Körper war zähe, er ertrug auch diese Lebensweise, nicht aber der Geist, der immer denken und grübeln konnte, den nichts abzog von seinen peinigenden Vorwürfen. Mit jedem Tage blickte sie apathischer drein, um

[380]

Adelheid von Weislingen am Hofe des Bischofs von Bamberg.
Nach dem Oelgemälde von Hermann Koch.

[381] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [382] doch wieder bei einer unerwarteten Frage des Doktors zitternd aufzuschrecken, trotzdem dieser nie auch nur mit einer Silbe oder Andeutung an jene Unterredung erinnerte.

Kersten, trotz scheinbarer Gleichgültigkeit, hatte ein wachsames Auge auf das Mädchen und konnte sich einer wachsenden Besorgniß auf die Dauer nicht erwehren.

Frau von Velsen ahnte augenscheinlich nichts von dem Seelenzustand ihrer Nichte, die sich immer noch so weit beherrschen konnte, um ihre Fragen zu beantworten. An diese konnte er sich also nicht wenden, und so sann er lange hin und her, bis er endlich den Entschluß faßte, Kordula zu einer Aussprache unter vier Augen zu gewinnen. Er wußte, daß Frau von Velsen täglich ihr Mittagsschläfchen hielt, und so stieg er denn entschlossen eines Tages um diese Zeit die Treppe zu deren Wohnung empor. Als auf sein Klopfen kein „Herein“ erfolgte, klinkte er unbesorgt auf in der festen Zuversicht, Kordula in irgend ein Buch vertieft vorzufinden. Diese jedoch saß mit der Arbeit am Fenster, und in dem helleren Raum konnte er mit Schrecken bemerken, wie hier schleunige Hilfe Noth that.

Lautlos schritt er zu der überrascht empor Blickenden hin, sie sanft auf ihren Platz niederdrückend.

„Ich weiß, daß Ihre Frau Tante schläft,“ begann er hastig, „gerade darum komme ich her. Ich muß mit Ihnen sprechen, wie Ihnen zu helfen ist, denn so wie bisher darf es nicht mehr fortgehen.“

Einen Augenblick schlossen sich ihre Augen; dann athmete sie tief auf. „Mir ist nicht zu helfen!“ sagte sie einfach.

„Haben Sie ihn denn so sehr geliebt? Verdient er denn eine so tiefe Neigung?“ fragte er kurz entschlossen mit vor Aufregung leicht verschleierter Stimme.

Sie ließ die Hände einen Augenblick ruhen und sah ihn erstaunt an.

„Sie sind im Irrthum, Herr Doktor – ich habe noch nie einen Mann geliebt, weder glücklich noch unglücklich. Einen derartigen Luxus dürfen sich die Mädchen in meinen Verhältnissen nicht gestatten!“

Er überhörte fast den schneidenden Ton tiefer Bitterkeit über dem unerwarteten Aufschluß, den er erhalten, und der ihm ein seltsam angenehmes Gefühl erregte. Aber wie sollte er nun weiter fortfahren, ihren Kummer zu ergründen? Rathlos fragend blickte er ihr in die leidenden Züge.

„Fräulein Kora!“ begann er plötzlich in entschiedenem Ton, „wollen Sie mir nicht einmal ehrlich Ihr Inneres öffnen? Sie gehen bei dieser Verschlossenheit zu Grunde, und das kann – das will ich nicht mehr länger mit ansehen!“

Das Mädchen schüttelte finster den Kopf. „Ich könnte Ihnen nur Dinge enthüllen, welche Sie, einen ‚Gerechten‘, empören müßten, auch will und kann ich keinen Tadel darüber anhören. Ich habe mich selbst als schuldig erkannt, es ist nicht nothwendig, daß noch Andere mich verurtheilen. Zudem kann mich Keiner schlimmer richten, als ich das selbst schon thue!“

Er preßte die Lippen fest auf einander. „Dieser ‚Gerechte‘,“ sagte er endlich, „paßt vollkommen zu dem ‚Unversuchten‘ von neulich. Ich habe über das Wort nachgedacht, Fräulein Kora, und gestehe Ihnen ein, daß Sie berechtigt waren, es auszusprechen.“

Ihre düstere Miene veränderte sich nicht.

„Wohl Ihnen,“ sagte sie nur, „daß Sie jener Klasse angehören! Wünschen Sie auch nicht, mich milder beurtheilen zu können, denn dann müßten Sie ja die Macht eines verhängnißvollen Schicksalstages an sich erfahren haben.“

„Und doch lasse ich nicht ab, zu bitten, sich mir anzuvertrauen; ich will kein Richter, nur ein Helfer sein!“

„‚Wer keine Himmelsthür zu öffnen hat, lasse das Höllenthor lieber zu,‘ sagt irgend ein weiser Mann,“ murmelte das Mädchen mit unveränderter Festigkeit.

„Fräulein Kora!“ und in tiefer Bewegung nahm er ihre Hand in die seine. „Fräulein Kora, und dennoch sollen Sie mir Ihr schwerbelastetes Herz darlegen, denn Sie finden volles Verständniß bei mir. Wer so im Schatten wachsen und erblühen mußte, wie Sie, kann nicht süße Früchte bringen, diese Erkenntniß ist in mir gewachsen, seit den Wochen, in welchen ich Sie beobachte. Ich habe viel über Sie nachgedacht und gestehe Ihnen, daß es mich fast wie Scham überkam, wenn ich des sicheren Weges dachte, den ich, ein Mann, gehen durfte, im Vergleich mit Ihrem Los! Sorge, Entbehrung, nirgend ein Wesen, welches das junge heißschlagende Herz verstand, was Wunder, wenn es auf Abwege gerieth!“

Was nicht Härte und Ironie, nicht Gewalt gekonnt, that setzt die weiche, eindringliche Stimme neben ihr – heftig aufschluchzend barg sie plötzlich den Kopf in den Händen. Er ließ sie gewähren, nur, wie beruhigend, strich er leise über den dunkeln Scheitel, bis endlich das krampfhafte Weinen nachließ.

Nachdem sie die Augen getrocknet hatte, drückte sie ihm traurig die Hand. „Ich danke Ihnen. Das waren Worte echten Mitgefühles, welches ich in meinem Leben nicht oft erfuhr.“ Dann begann sie, nachdem sie vorsichtig an der geschlossenen Thür zum Schlafzimmer gelauscht, ihre Schilderung. Sie holte weit aus, von jenem ersten Ballabend an, und je länger sie sprach mit der resignirten müden Stimme, um so ernster wurde seine Miene. Endlich legte er die Hand über die Augen, nicht, daß er sich ihres feuchten Schimmers schämte, aber er wollte die Erzählerin nicht stören oder verwirren, und erst als diese mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung endete, ließ er sie langsam sinken.

„Wissen Sie auch, daß ich mit meiner Aeußerung damals schuld war an Ihrer Verirrung?“ fragte er. „Darum muß ich auch von nun an die Last auf mich nehmen und Sie können es getrost leiden, denn meine Schultern sind breiter als die Ihren,“ versuchte er zu scherzen. „Vor Allem werden Sie die noch fehlende Summe zum Reisegeld von mir annehmen!“

In Kordula’s Antlitz flammte es blutroth auf. „Nur das nicht,“ bat sie tief erschrocken, „demüthigen Sie mich nicht gar so tief, Herr Doktor!“

„Nicht doch, Sie bleiben meine Schuldnerin,“ wehrte er herzlich, „aber davon, daß Sie Ihre Gesundheit noch ferner zu Grunde richten, kann von dieser Stunde an nicht mehr die Rede sein. Habe ich doch als Ihr vertrauter Freund von nun an die Pflicht, über Sie zu wachen.“

Verwirrt schaute sie zu ihm auf. Wie ihr Herz in mächtigen Schlägen klopfte, in dem wonnigen Gefühle, Gegenstand so freundlicher Sorge zu sein! Widerspruchslos ließ sie es geschehen, daß er ihr die Stickerei aus der Hand nahm.

„Bevor Sie nicht wieder ganz frisch sind, dürfen Sie nicht in dieser Weise fortarbeiten; wollen Sie mir das versprechen, Kordula?“ Und als sie scheu nickend die kühlen Finger in seine ausgestreckte Rechte legte, fügte er im tiefsten Ernst hinzu. „Ich glaube Ihnen!“




Eine tiefinnerliche Ruhe war für Kordula die Folge jener Nachmittagsunterredung. Wie eine mildglänzende und wärmende Sonne ging es über ihrem freundlichen Dasein auf, sie fühlte, daß die furchtbar harte Bußezeit zu Ende gehe, und ihr glückentwöhntes Herz fing an, sich den milden Strahlen zu öffnen. Das wortkarge verschlossene Mädchen klagte dem Doktor jedes kleine Bekümmerniß, berichtete auch über das scheinbar unwichtigste Ereigniß, wenn er mit wichtiger Miene zu fragen begann. Ein leiser Frohsinn überkam sie jetzt manchesmal, und die Blässe ihrer Wangen machte wieder einer wärmeren Färbung Platz – wohlbemerkt vom Doktor, der seine Krankenbesuche nicht einstellte, ungeachtet seine Patientin durchaus nicht mehr seiner bedurfte.

Die saß schon wieder mit ihrer Strickerei im Lehnsessel und horchte unbeobachtet mit einem hin und wieder aufhuschenden sonnigen Lächeln auf das Geplauder der jungen Leute, und manchmal falteten sich die dürren Hände zum heißen wortlosen Gebet. Vielleicht schenkte ihr der Allmächtige doch noch ein leuchtendes Abendroth, ehe die lange Nacht anbrach.

Endlich hatten sich ihre Kräfte derartig gehoben, daß sie die Reise antreten konnte.

Kora beendete die geringen Reisevorbereitungen und zwar mit leichterem Herzen, als sie zu hoffen gewagt; denn noch brauchte sie nicht die Güte des Doktors in Anspruch zu nehmen, noch schien das kleine Kapital ausreichen zu wollen. Freilich, wenn sie zurückkehrte, stand sie völlig mittellos da. Doch das Gottvertrauen, über das sie früher gelächelt hatte, ließ sie jetzt muthvoll die schwere Last auf sich nehmen, das knospende Glückgefühl in ihr hatte sie vertrauensvoll gemacht.

Als die Stunde der Abreise schlug, kam Kersten selbst, um die Damen zur Bahn zu bringen. Sorgsam zog er den Arm der Blinden unter den seinen, vorsichtig hob er sie aus [383] dem Wagen, nachdem er für Billette und Gepäck gesorgt, und geleitete sie weiter über den Perron bis zum Koupé, wo er sie bequem in die Kissen lehnte. Dann wandte er sich an Kordula, um erschrocken ein blasses Gesicht mit ängstlich großen Augen zu bemerken.

„Was ist Ihnen?“ fragte er rasch und besorgt, „Sie fühlen sich krank, Fräulein Kordula, gestehen Sie es nur ein!“

„Nicht doch, Doktor, aber Sie haben Billette zweiter Klasse genommen!“ klagte diese kleinlaut; „das ist eine große Vertheuerung unserer Reise.“

Er verfärbte sich leicht. Wirklich, an den Preis hatte er nicht gedacht, nur an die Bequemlichkeit der Damen. Wie schwer es sein mußte, immer nur nach dem leidigen Kostenpunkt zu fragen! Und in komischer Verlegenheit blickte er ihr abbittend in die Augen.

Beide standen sich schweigend gegenüber, und wie ein zauberhafter Bann legte es sich plötzlich über ihre Gedanken. Ein unfaßbares Etwas hob ihre Brust, bis plötzlich eine tiefe Blässe, ein Zittern über Kordula kam, die sich, schwer athmend, rasch zur Seite wandte und, da der grelle Ton der Glocke zum Einsteigen mahnte, eilig in den Wagen schlüpfte. Sie warf dort hastig ihre Gepäckstücke durch einander, welche Kersten so sorgsam aufgestapelt hatte. Sie wollte es um jeden Preis vermeiden, noch einmal den Blicken des Doktors zu begegnen, so viel Mühe er sich auch darum gab. Erst als sich der Zug in Bewegung setzte, drückte sich ihr Antlitz gegen die Scheiben, und er konnte bemerken, daß die großen grauen Augen voll Thränen standen.

So lange noch eine Spur der Wagenreihe zu sehen war, blickte der Doktor ihr nach; dann starrte er noch ein Weilchen in die Weite, bis ihm ein Bekannter auf die Schulter klopfte und er mit diesem den Heimweg antrat. In so schlechter Laune wie die nächstfolgenden Tage hatten ihn bisher weder Bekannte noch Patienten gesehen. Nichts war ihm recht – zu Hause langweilte er sich in seinen Freistunden; im Restaurant störte ihn der vermeintliche Skandal; er vermißte überall irgend etwas; es fehlte ihm an allen Ecken und Enden – bis er sich endlich nach acht Tagen klar über seinen Zustand wurde, was zur Folge hatte, daß er sich noch an demselben Abend einen Stellvertreter suchte und – nach Wiesbaden fuhr.

Kaum daß er sich am Morgen nach der Ankunft Zeit ließ, den Reisestaub abzuschütteln, dann eilte er schon die Straßen entlang bis zu einem halbversteckten Häuschen in einer bescheidenen Nebengasse, welches die Nummer trug, die er in der Kurliste aufgefunden neben: „Frau von Velsen und Fräulein Kordula Adrian aus M.“

Aus dem Flur, in welchen er getreten, konnte er gerade in einen kleinen Garten hinausblicken, in dem die Gesuchten bei einander saßen. Ein helles Roth stieg in sein ehrliches Antlitz; befangen wie noch nie drehte er am kleinen blonden Schnurrbart; dann endlich trat er entschlossen näher.

Der kräftige Schritt ließ Tante wie Nichte den Kopf emporrichten, und die letztere erhob sich mit halb ersticktem Aufschrei vom Sessel.

„Wer ist da, Kind?“ fragte die Blinde mit gespannten Zügen. Doch sie erhielt keine Antwort; denn noch starrte Kordula fassungslos, ohne Worte dem Doktor entgegen.

„Haben Sie denn gar kein ‚Willkommen‘ für mich, Kordula?“ schalt dieser, während ihm doch die helle Freude über die tiefe Ergriffenheit des Mädchens aus den Augen blitzte.

„Welche Ueberraschung!“ stammelte sie befangen, indem sie ihm mit gesenkten Augen und zitternden Knieen entgegenging.

In Kersten’s Antlitz leuchtete es immer siegesgewisser, und ohne sich viel zu bedenken, schlang er den Arm um ihre Schultern. „Wenn ich Dir nur halb so gefehlt habe, wie Du mir, Kordula, so bin ich zufrieden!“ raunte er leise, ihren Kopf zurückbiegend, um in die hartnäckig niedergeschlagenen Augen blicken zu können.

„Mit wem sprichst Du, Kora?“ forschte indessen wieder Frau von Velsen, die ihr Antlitz horchend dem Paare zuwandte.

„Mit einem, der gern Ihr Neffe werden möchte, gnädige Frau!“ antwortete im hellen Uebermuthe des Glückes statt des Mädchens Kersten. „Das heißt, wenn Kora damit einverstanden ist!“ setzte er leiser in tiefzärtlichem Ton hinzu, die Willenlose fest an seine Brust pressend. Und – sie mußte es wohl sein; denn schon nach wenigen Augenblicken fanden seine Lippen die ihren und ihre Arme schlossen sich fest um seinen Nacken.

„Ja, sie will, Tante Renate,“ klang es nach kurzem seligen Schweigen jubelnd zur Blinden hinüber, auf deren lächelndem Antlitz ein goldener Sonnenstrahl zitterte, während die Hände sich in wortlosem Gebet gefaltet hatten.




Blätter und Blüthen.


Frauentrachten im Kaukasus. Ein buntes Völkergewühl bewohnt die zwischen den beiden großen Binnenseen gelegene Hochburg des Kaukasus. Die Kaukasierinnen sind berühmt wegen ihrer Schönheit, aber dieselbe kommt nicht allen Volksstämmen in gleichem Maße zu, und wie überall in der Welt, fehlt auch hier nicht der Kontrast, und es giebt auch häßliche alte und junge Weiber genug.

Originell und glänzend sind die Frauentrachten und dabei mannigfach, denn jeder der verschiedenen Stämme wahrt seine Eigenart. Eine erfinderische Pariser Modeschneiderin, welche mit „Feenhänden“ arbeitet, wie die Herzogin in dem Scribe’schen Stück, könnte kaum einen so reichhaltigen Wechsel der Zusammenstellung und Ausschmückung schaffen, wie die Volkssitte hier im Kaukasus, welche darin die Mode überflügelt.

Die eigentlichen Tscherkessinnen, die Kabardinerinnen, tragen ein Nationalkostüm, das ganz an das ungarische Husarenkostüm erinnert. Der am meisten eigenthümliche und in die Augen fallende Kopfputz besteht aus einem fünfzehn Zentimeter hohen Cylinder, dessen Weite gerade auf den Kopf paßt und der horizontal mit einer silbernen und drei goldenen Tressen umnäht ist, von den Weibern aus feinstem Draht gewebt. Dieser Cylinder verengt sich nach oben in eine Pyramide, die aus sechs flachen Seiten aus gediegenem Metall besteht und fast zwanzig Centimeter hoch ist; die Seiten sind sehr geschmackvoll garnirt und mit Gold und schwarz eingelegt; ihre Hauptverzierung besteht in kurzen, nach unten gekehrten Dreiecken: alle Dreiecke sind mit schmaler Goldtresse eingefaßt, in der Mitte ist ein silbernes Rad mit acht Speichen als Verzierung eingravirt. Von der Spitze der Kopfbedeckung hängen feine silberne Kettchen mit silbernen Knöpfen herab; an derselben sind zwei ganz feine, lange goldene Schnüre befestigt, die in zwei silbernen und zwei goldenen kleinen Quasten endigen und vorher zusammenlaufen; der Zopf ist mit dickem weißen gedrehten Zeuge durchflochten. Ein dünner weißer, mit Blumen durchwirkter Schleier umgiebt die Kopfbedeckung und den Anzug im Ganzen. Dieser besteht aus einem langen dünnen Mannshemd mit unten sehr breit werdenden Aermeln, aus einem vorn offenen, auf der Brust zugehakten langen seidenen Kleid darüber (Beschmit); und über dieses wird ein hohes Leibchen ohne Aermel mit ganz kurzen Schößen ringsherum angezogen, das vorn auf der Brust wie ein Husarendolman verziert ist. Drei parallele Reihen ganz kleiner kugelförmiger, silberner Knöpfe gehen von oben nach unten und sind horizontal durch längliche silberne Prismas verbunden, statt der Schnüre der Husaren. Die Ecken der kurzen Schöße dieses Kleidungsstückes sind vorn mit einer Art Blumen- oder verschlungener Verzierung ausgenäht, ähnlich wie bei den Husaren-Attilas: dieselbe besteht aus Goldstickerei und Schnur.

Gewiß, malerisch und glänzend ist diese Tracht, minder glänzend bei anderen Volksstämmen. Eine kalmükische Frau trägt eine hohe Mütze mit zehn Centimeter breitem Fell von ungebornen Füllen besetzt, darüber eine viereckige Tuchmütze, mit bunter Wolle ausgenäht. Die dichtgescheitelten Haare reichen auf den Schläfen bis zu den Augen hinab; hinten sind die Haare ebenfalls gescheitelt und hängen in Zwei Zöpfen in schwarzsammetnen Futteralen herab. Ueber dem weißbaumwollenen Hemd das blaue Unterkleid, das Bruststück aus rothem Zeuge mit fünf parallelen Querstreifen aus silberner Plattschnur, darüber der Terlik aus geblümtem hellkarmoisinrothen Seidenstoff, und über diesem ein vorn offener Rock mit Aermeln, überall die beliebten Husarenschnüre.

Die Bewohnerinnen des Daghestan dagegen gehen sehr ärmlich, sogar zerlumpt gekleidet, sie legen nie das große weiße Tuch ab, das sie nach orientalischer Weise verhüllt und das sie auf der Straße und im Felde, sich abwendend bei der Begegnung mit Männern, dann auch ganz über dem Gesicht zusammenziehen.

Ueber diese Trachten und die Volkssitten der Bergbewohner, die in merkwürdiger Buntheit in dem Gebirgsstocke zwischen den beiden großen Seen heimisch sind, giebt nähere Auskunft R. von Erckert in seiner soeben erschienenen Schrift: „Der Kaukasus und seine Völker“ (Leipzig, Paul Frohberg), in welcher eine große Zahl von Textabdrücken und Lichtdrucken die Schilderung erläutert und das Bild von Land und Leuten lebendig macht. †     

Ein italienisches Künstlerheim. Der Komponist des „Troubadour“ und der „Traviata“, dessen neueste Oper „Othello“ so viel von sich sprechen macht, Giuseppe Verdi, gehört nicht zu den Musenjüngern, welche in einer Dachstube den ewigen Rhythmen lauschen, die sich durch ihre Seele bewegen: er ist einer der reichsten italienischen Künstler. Arthur Pougin giebt uns in seiner soeben erschienenen Biographie Verdi’s[1] eine anziehende Beschreibung der Villa Sant-Agata, einer prächtigen, in der Nähe von Busseto gelegenen Domaine, in welcher Verdi jeden Sommer ohne Ausnahme verweilt. Landschaftliche Reize fehlen der Gegend, wo Sant-Agata liegt; es ist eine eintönige, aber fruchtbare Ebene. Seitwärts von einer langen Pappelallee stehen zwei Trauerweiden, riesige [384] Bäume, die zu beiden Seiten einer Thür stehen. Zu dieser gelangt man über eine Brücke, die einzige Verbindung zwischen der Wohnung des Künstlers und der übrigen Welt.

Das dichte Laub der Bäume schützt das Haus nach der Landstraße zu gegen neugierige Blicke, während auf der andern Seite ein heller und freundlicher Garten sich bis zu den Ufern eines kleinen Sees ausdehnt. Wer sich von der Pappelallee aus zur Zeit der Abenddämmerung dem einsamen Hause nähert, dem ist es, als ob ihm aus den schwermüthig herabhängenden Zweigen der Bäume der Todessang des Troubadour’s oder die letzte Klage einer sterbenden Violetta entgegenklänge.

Jenseit des Sees breiten sich, von einer endlos langen Allee durchschnitten, hier und da mit kleinen freundlichen Bauernhäusern geschmückt, die weiten Besitzungen des Meisters aus. Verdi ist nicht bloß ein Künstler mit überschäumender Phantasie und lebhaftem, reizbarem Temperament; er ist auch ein tüchtiger Landwirth mit praktischem Ordnungssinn, der sich den Fortschritt der englischen und französischen Landwirthschaft angeeignet hat. Auch in der Architektur des Hauses, der Wahl der Möbel, der ganzen komfortabeln Einrichtung giebt sich der gesunde Geschmack des Komponisten kund. Er komponirt gewöhnlich in seinem Schlafzimmer, welches, im Erdgeschoß gelegen, geräumig, luft- und lichtreich und mit künstlerischem Luxus ausgestattet ist. Das Zimmer enthält ein prächtiges Piano, eine Bibliothek und ein riesiges, seltsam geformtes Möbel, welches den Raum in zwei Hälften theilt und den Blicken eine prachtvolle Sammlung von Statuetten, Vasen und künstlerischen Phantasiegegenständen darbietet.

In der Stille der Nacht erheben sich aus diesem Zimmer die ergreifenden Harmonien, welche dem schöpferischen Geist des Künstlers entspringen. Hier wurde auch „Don Carlos“ geschrieben und zwar in einem Zeitraum von sechs Monaten. Wie das Künstlerheim, wird uns auch der hervorragende Komponist selbst geschildert, allerdings aus der Zeit, wo er fünfundfünfzig Jahre alt war, während er jetzt die Siebzig überschritten hat. Hochgewachsen, lebhaft, kräftig ist er mit eiserner Gesundheit, großer Energie begabt; sein ganzes Aussehen zeugt von Kraft und Festigkeit; er ist nicht nur gesunder als früher, sondern auch eindrucksfähiger, herzlicher und mittheilsamer. Die Villa Sant-Agata ist sein liebster Aufenthalt. Um fünf Uhr Morgens durchwandelt er die Alleen des Parkes, besucht die Felder und Pachthöfe und zerstreut sich durch eine Spazierfahrt auf dem See, wobei er seinen kleinen Nachen als gewandter Steuermann selbst lenkt. Nicht einen Augenblick ist er müßig. Um sich von der Musik auszuruhen, nimmt er seine Zuflucht zur Poesie, und um ihre starken Eindrücke zu mäßigen, flüchtet er zur Geschichte und Philosophie. Es giebt kein Gebiet menschlichen Wissens, in welches sein unruhiger, wissensdurstiger Geist sich nicht mit Eifer vertieft hätte.

So tritt das Bild des bedeutenden Musikers vor uns hin, der durch seine Melodienfülle auch bei uns einen Boden gefunden und zum Theil deutscher Dichtung seine Stoffe entlehnt hat, wie er sich auch neuerdings den durch Richard Wagner eingeschlagenen Bahnen der dramatisch-musikalischen Kunst etwas genähert hat.

„Kauft Spän’!“ (Mit Illustration S. 369.) In Düsseldorf, wie in den meisten rheinischen Städten, kann man schwerbeladene blasse Jungen mit Säcken von Haus zu Haus schwanken sehen; sobald sie ihren Vorrath von Spänen verkauft haben, erneuern sie die Ladung. Und diese Lastträger verlieren darüber nicht den Humor. Einer dieser kleinen Humoristen, den eine Köchin geärgert, rächte sich, indem er einmal seinen kleinen Bruder in den einen und seinen Spielgefährten in den andern Sack steckte, obendrauf ein paar Späne streute und so die Last in den Keller trug. Dort krochen die Jungen aus den Säcken: die Köchin aber konnte nicht begreifen, wo die Späne geblieben waren. Diese Eulenspiegelei erzählte der kleine Handelsmann dem Künstler, zu dessen Bild er Modell gestanden.

Eine neue Messerputzmaschine. Heut zu Tage hat die Maschine selbst in die Küche ihren Einzug gehalten. Das gilt auch von der Messerputzmaschine, welche jetzt das den Haushalt verunzierende Putzbrett zu verdrängen scheint. Zu empfehlen ist die zuletzt patentirte – die von Guhl und Harbeck in Hamburg. Die Maschine, von der wir eine der Gebrauchsanweisung entnommene Abbildung beifügen, besitzt schon den großen Vorzug, daß das Messerputzen, sonst ein anstrengendes Geschäft, keine andere Mühe verursacht, als das Drehen an der Kurbel links, also nicht so ungern vorgenommen wird. Sodann aber bietet sie den Vortheil, daß sie die Messer viel gleichmäßiger und blanker putzt und obenein gleich etwas schärft.

Man steckt einfach das Messer zwischen die beiden Gestelle, und zwar etwa in ein Drittel Höhe, an einer Stelle, wo zwei um vier Rollen sich drehende Riemen durch Federn zusammengepreßt sind. Die Riemen nehmen aus dem Raum unten bei jeder Umdrehung etwas von einem Putzpulver, Naxos-Perle, also wohl einer Art Schmirgel, auf und schleifen das Messer blank. Die Umdrehung der Rollen aber bewirkt man, wie oben bemerkt, mittels der links gezeichneten Kurbel. Die Maschine ist einfach und sieht recht zierlich aus.

Adelheid am Hofe des Bischofs von Bamberg. (Mit Illustration S. 380 und 381.) Goethe hat uns in seinem „Götz von Berlichingen“ den üppigen Hof von Bamberg geschildert. Aus den Motiven des Stückes hat der Maler sein Bild gestaltet, und zwar theils auf Grundlage der Schachscene, die bei der Bühnenbearbeitung fortgelassen ist, theils auf Grund des Berichts, welchen der Bube Franz seinem Herrn Weislingen über seine Sendung an den Bamberger Hof erstattet. Adelheid, welche „Gott so schön gemacht, ohne sie gut machen zu können“, sitzt neben einer Hofdame dem Bischof gegenüber bei dem königlichen Spiel, in welchem sie die Schachfiguren so siegreich lenkt, wie sie im Leben die Menschen zu lenken und zu beherrschen weiß. Sie ist des Sieges schon gewiß – hat sie doch eben dem Bischof gesagt, daß er’s nicht lange mehr treiben werde. So hat sie Muße, während der geistliche Herr über den nächsten Zug nachsinnt, sich anderen Eindrücken hinzugeben. Singt doch der eine Hofmann, Liebetraut, ein üppiges Lied, vom Cupido, der mit Pfeilen und Bogen und brennender Fackel herangestürmt kommt, um „männiglich zu siegen mit stürmender Hand“.

Und zum Liede fehlt das Bild nicht: da steht der schmucke Page Weislingen’s, Franz – und die Blicke, welche Adelheid ihm zuwirft, beweisen zur Genüge, daß Cupido mit seinen Pfeilen und seinem Bogen bereits Einzug in ihr Herz gehalten hat. Das sind die berauschenden, verstrickenden Blicke einer Sirene. Wie es aber im Herzen des jungen Abgesandten aussah, das berichtet er selbst seinem Herrn:

„Abends, als ich mich vom Bischof beurlaubte, saß sie gegen ihm: sie spielten Schach. Er war sehr gnädig, reichte mir seine Hand zu küssen und sagte mir viel Gutes, davon ich nichts vernahm: denn ich sah nur seine Nachbarin; sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem großen Streich nachsinne. Ein feiner lauernder Zug um Mund und Wange! Ich hätte der elfenbeinerne König sein mögen! Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens, wie es von den finstern Haaren erhoben ward! … Wie der Bischof endigte und ich mich bückte, sah sie mich an und sagte: ‚Auch von mir einen Gruß unbekannter Weise! Sag’ ihm, auch neue Freunde hoffen auf seine Zurückkunft; er soll sie nicht verachten, wenn er schon an alten so reich ist.‘ Ich wollte was antworten, aber der Paß vom Herzen nach der Zunge war mir versperrt; ich neigte mich. Alles hätte ich hingegeben, die Spitze ihres kleinen Fingers küssen zu dürfen.“

Skat-Aufgabe Nr. 7.
Von K. Buhle.

Die Mittelhand, welche Grün (p.) tournirt und nach den ersten drei Stichen:

1)
(+14)
(tr. D.) (tr. As.) (tr. 7.)
2)
(+2)
(p. B.) (p. 7.) (p. 8.)
3)
(+17)
(tr. B.) (p. K.) (p. As)

noch folgende Karten hat:

(p. Z.) (p. D.) (p. 9.) (c. As) (c. 8) (tr. 9.) (tr. 8.)

gewinnt mit 71 Augen, weil Hinterhand im dritten Stiche einen Fehler gemacht hat, ohne welchen die Gegner 60 Augen erhalten hätten.

Worin bestand der Fehler? Wie saßen die übrigen Karten und wie war der weitere Verlauf des Spieles?

Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 6 auf S. 352.

Die Karten sind so vertheilt: Skat g9, r9.

Mittelhand: sW, eD, eO, gO, g8, g7, sZ, sO, s7, rZ,
Hinterhand: eZ, eK, e9, rO, r8, r7, sD, sK, s8, gZ

und es ergiebt sich folgendes Spiel:

1. eW, eO, e9,
2. gW, sW, eK,
3. rW, eD, eZ,
4. gD, gZ, g7,
5. gK, s8, g8,
6. rD, r7, rZ,
7. rK, r8, s8
8. e8, sO, sK,
9. e7, sZ, sD,
10. s9, rO, gO.

Die beiden Gegner haben das Fallen der blanken Zehnen im 4. und 6. Stich beachtet und halten nun, indem sie g9 bez. r9 in der Hand des Spielers vermuthen, rO bez. gO, um Schwarz zu vermeiden.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Z. in Gratz. Sie sind der Ansicht, daß der in Wien am 30. März d. J. verstorbene Archivdirektor Karl von Hofer der letzte Enkel des tapferen Freiheitskämpfers Andreas Hofer war? Dies ist jedoch nicht der Fall: er war allerdings der letzte Enkel, der dessen Familiennamen führte, doch leben noch Enkel, welche Töchtersöhne sind: ein Sohn Rosa’s von Hofer, aus ihrer Ehe mit Joseph Holzknecht, Andreas, und ein Sohn Gertrud’s von Hofer aus ihrer Ehe mit Johann Haller, Georg.


Inhalt: Götzendienst. Roman von Alexander Baron v. Roberts (Fortsetzung). S. 369. – Von der internationalen Gartenbau-Ausstellung zu Dresden. Von Franz Koppel-Ellfeld. Mit Illustration S. 373. – Das erste Jahr im neuen Haushalt. Eine Geschichte in Briefen. Von R. Artaria. VI. S. 375. – Robert von Hornstein. Von Karl Robert. Mit Portrait. S. 376. – Die Einsame. Erzählung von S. Kyn (Schluß). S. 377. – Blätter und Blüthen: Frauentrachten im Kaukasus. S. 383. – Ein italienisches Künstlerheim. S. 383. – „Kauft Spän’!“ S. 384. Mit Illustration S. 369. – Eine neue Messerputzmaschine. Mit Abbildung. S. 384. – Adelheid am Hofe des Bischofs von Bamberg. S. 384. Mit Illustration S. 380 und 381. – Skat-Aufgabe Nr. 7. Von K. Buhle. S. 384. – Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 6 auf S. 352. S. 384. – Kleiner Briefkasten. S. 384.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Uebersetzt von Adolf Schulze (Leipzig, Karl Reißner).