Die Jubelfeier der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs

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Titel: Die Jubelfeier der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 96–97, 99–100
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[96]

Die Jubiläumsfeier der Wiedererrichtung des deutschen Reiches im Königsschloß zu Berlin.
Nach dem Leben gezeichnet von W. Pape.

[99] Die Jubelfeier der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs. (Zu dem Bilde S. 96 und 97.) Ueberall im weiten Vaterlande, im Norden wie im Süden, in den Städten wie den entlegensten Weilern, ist der Erinnerungstag an die Wiedererrichtung des Deutschen Reiches hochgestimmt und dankerfüllten Herzens begangen worden. Vertreter aller politischen Parteien, in denen die Liebe zum Vaterland waltet, vereinigten sich an diesem 18. Januar allenthalben zu großartigen Kundgebungen der Einmütigkeit ihrer nationalen Gesinnung. Die Hauptfeier aber fand naturgemäß in Berlin statt, das durch jenes Ereignis zur Würde der Hauptstadt des Deutschen Reiches gelangte, in der Residenz des Königshauses, dem vor 25 Jahren unter dem Beifall der übrigen deutschen Fürsten und des gesamten Volkes die im Schlachtenfeuer geschmiedete neue Kaiserkrone zufiel. Der Enkel Wilhelms des Ersten, der heute mit gerechtem Stolze ihr Träger ist, hatte es sich angelegen sein lassen, einen glanzvollen Staatsakt vorzubereiten, der ihm selbst Gelegenheit gab, das Gelöbnis seines Großvaters feierlich zu erneuern, mit welchem dieser in Versailles die Kaiserwürde übernahm. Und wie die dabei zur Verlesung gelangende Botschaft direkt an die Proklamation anknüpfte, welche 1871 Bismarck im Spiegelsaal des Versailler Schlosses verlas, so hatte die Jubiläumsfeier im Weißen Saale des Berliner Schlosses mancherlei Anklänge an den großen historischen Vorgang. Dieselben neunzehn Fahnen und Standarten, welche, als von besonderem Ruhm ausgezeichnet, damals den ersten Kaiser grüßen durften, fanden auch jetzt wieder auf und neben dem Throne Aufstellung. Und wenn auch von den hervorragendsten Teilnehmern an jener Handlung nur wenige bei der jetzigen Feier anwesend waren – hat doch die meisten uns der Tod entrissen, wenn auch von der persönlichen Beteiligung der übrigen Bundesfürsten abgesehen worden war und auch Fürst Bismarck und Generalfeldmarschall Graf Blumenthal verhindert waren, der an sie ergangenen Einladung zur Teilnahme zu folgen, so waren von Mitgliedern des Bundesrats und des Reichstags, unter den Staatswürdenträgern und Generalen doch zahlreiche Männer vertreten, die persönlich an der Gründung des Reichs beteiligt und von ihrer Verkündigung Zeugen gewesen waren. Der noch am Leben befindliche erste Präsident des Deutschen Reichstags, Dr. v. Simson, war freilich leider auch am Erscheinen verhindert.

Diese Feierlichkeit im neuhergerichteten Weißen Saale des Königlichen Schlosses begann vormittags um 11 Uhr. Vorher hatte in Anwesenheit des Kaisers und seiner Familie ein Gottesdienst in der Schloßkapelle stattgefunden. Ehe der Kaiser dann in dem festlich beleuchteten Saale mit den Personen des „großen Vortritts“ und des Gefolges erschien, hatten die Geladenen Aufstellung genommen: die Mitglieder des jetzigen und des ersten Reichstags gegenüber dem Thron, die Generalität an der Kapellenseite, die Minister, das diplomatische Corps und andere Gäste an der Fensterseite des Saales, die Mitglieder des Bundesrats links vom Throne, während die rechte Seite für die am Aufzug des Kaisers Beteiligten freiblieb. In prunkvoller Weise erfolgte nun dieser. Voraus schritt die Schloßgardecompagnie in ihrer historischen Uniform, welche die neunzehn auserwählten Feldzeichen geleitete. Es folgten Fouriere, Pagen, die Hofchargen und nach den obersten derselben die Ritter des Schwarzen Adlerordens in ihrer glänzenden Tracht. Von sechs Generalen getragen, erschienen nun die Reichsinsignien, eskortiert von Offizieren der Gardes du Corps. Das Reichsinsiegel auf einem silbernen Kissen trug Generallieutenant Graf v. Wedel, das entblößte Reichsschwert, aufrecht gehalten, der Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff, [100] den Reichsapfel auf silbernem Kissen General Graf Lehndorff, das Scepter auf goldenem Kissen General v. Werder, die Krone auf goldenem Kissen General Fürst Radziwill und das Reichspanier Generaloberst v. Loë. Den roten Mantel der Ritter des Schwarzen Adlerordens trug auch der Kaiser über der weißen Gardes du Corpsuniform; an der Spitze seines Gefolges schritten die Prinzen des königlichen Hauses und die in Berlin anwesenden Prinzen aus souveränen altfürstlichen Häusern. Während des Aufzugs erscholl aus den linken Tribünenlogen herab fanfarenartige Marschmusik, die sich steigerte, als der Kaiser auf dem Throne Platz nahm, die Fahnen und Standarten sich um ihn ordneten, die Träger von Reichsschwert und Reichspanier hinter ihm auf der mittleren Thronstufe Stellung nahmen und Reichsapfel, Krone, Scepter und Insiegel von ihren Trägern auf die rechts und links vom Kaiser bereitstehenden Taburette gelegt wurden. Die Kaiserin Friedrich, die Kaiserin Auguste Viktoria, sowie die Prinzessinnen mit ihrem Gefolge hatten inzwischen auf den Tribünen rechts vom Throne ihre Plätze genommen.

Unter lautloser Stille verlas dann der Kaiser die Botschaft, welche ihm vom Reichskanzler Fürst Hohenlohe überreicht worden war. Bald jedoch löste sich die Spannung in Aeußerungen begeisterten Beifalls: zuerst als Bismarcks Verdienste um das Reich hervorgehoben wurden, dann als der Wille Deutschlands, seine Einheit und Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten, Betonung fand, als von den idealen Zielen die Rede war, zu denen sich der Kaiser im Namen der heutigen Reichsregierung bekannte. Aber erst nach der Verlesung der Botschaft und nachdem der von ihr geweckte Beifall verhallt war, erreichte der Festakt seinen Höhepunkt. Der Kaiser hatte noch eine besondere Handlung von weihevoller Symbolik vorbereitet, welche dem Gelöbnis der Botschaft einen ganz persönlichen Ausdruck lieh. Er ergriff die hinter ihm bereitstehende Fahne des ersten Garderegiments, senkte sie und sprach mit innerster Bewegtheit die Worte: „Angesichts dieses ehrwürdigen Feldzeichens, welches eine ruhmvolle Geschichte aufzuweisen hat, erneuere ich das Gelübde, für des Volkes und des Landes Ehre und Wohlfahrt einzutreten, sowohl nach außen als nach innen. Ein Reich, ein Volk, ein Gott!“ Unser Bild vergegenwärtigt diesen feierlichen Vorgang. Unter den links im Vordergrund stehenden Rittern des Schwarzen Adlerordens sind die Prinzen Albrecht und Friedrich Leopold, Graf Waldersee, der frühere Minister Puttkamer zu erkennen. Auch sonst hat so mancher Charakterkopf unter den Ministern und Reichstagsabgeordneten Porträttreue. Hinter dem Fürsten Hohenlohe steht der Oberhofmarschall Graf Eulenburg.