Die Königin von Italien

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Titel: Die Königin von Italien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 271
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[271] Die Königin von Italien. In seinen soeben in französischer Sprache veröffentlichten Plaudereien über die „römische Gesellschaft“ entwirft Graf Paul Vasili ein glänzendes Bild der Königin Margherita. Graf Vasili ist bekannt als ein ziemlich rücksichtsloser Berichterstatter, welcher die europäischen Höfe mit besonderer Vorliebe für den gesellschaftlichen Klatsch schildert, der auch die höchsten Regionen unsicher macht. Es giebt kaum eine der hochgestellten Persönlichkeiten, der er nicht wenigstens einen leichten Makel anzuheften sucht, von der er nicht irgend ein Geschichtchen zu erzählen wüßte. Ueberhaupt sind seine Portraits fast niemals geschmeichelt. Um so mehr muß das in den hellsten, freudigsten Farben gemalte Bild überraschen, das uns die Königin Italiens vor Augen führt. In Italien angebetet, erfreut sie sich auch auswärts der Sympathien, die man überall für eine schöne und ausgezeichnete Frau empfindet. Ihr Name (Margherita bedeutet in italienischer Sprache auch „Maasliebchen“) giebt zu einem Kultus Anlaß, wie ihn das deutsche Volk durch den Kornblumenschmuck seinem Kaiser weiht: kein italienischer Dichter, der ihm nicht gehuldigt hätte. Sie selbst hat reizende Verse gemacht; auch ist sie eine wohlgeschulte Sängerin, obgleich sie keine große Stimme hat; sie zieht die deutsche Musik der italienischen, diese aber der französischen vor. Sie hat viel gelernt und viel behalten; sie denkt und urtheilt selbst und ihre Kenntnisse auf dem Gebiete der Künste sind denen überlegen, welche viele namhafte Kritiker in ihren Artikeln vertreten. In Venedig, der Stadt, in welcher sie am liebsten verweilt und zwar bei ihrer Hofdame, der Gräfin Marcello, besucht sie die Kirchen und Museen; ihre Lieblingsmaler sind Carpaccio und Cima de Conegliano; nächst ihnen schwärmt sie für den Mantuaner Mantegna. Die Möbel, die sich auf den Bildern dieser Künstler finden, läßt sie sich anfertigen und stellt sie in ihren Privatgemächern auf. Sie liebt die Lektüre und hält sich auf dem Laufenden mit allen Revüen, allen französischen, englischen und deutschen Erscheinungen. Wenn ihr eine ihrer Hofdamen die Neuigkeit bringt, daß ein bemerkenswerthes Buch erschienen ist, so begrüßt sie das mit wahrer Freude.

Wie die hübscheste, so ist sie auch die gebildetste Frau ihres Königreichs: aber sie hat darüber nichts von ihrer Anmuth eingebüßt. Außer den unvergleichlichen Augen der Kaiserin von Rußland giebt es keine schöneren als die der Königin Margherita; ihr Lächeln ist von seltenem Reiz, ihre Bewegungen sind von einschmeichelnder Harmonie. Stets hat sie den Werth der Männer nach ihrer Intelligenz gemessen, nicht nach ihrem Rang, ihrem Vermögen oder ihrer Bedeutung für die politischen Parteien. Sie versteht es, Jeden über das sprechen zu lassen, was er versteht. Alle Italiener, die irgendwie geistige Ueberlegenheit bewährt haben, sucht sie kennen zu lernen. Verrathen dieselben sonst eine schlechte Erziehung, so leidet sie mehr darunter als manche andere Dame, weil sie zartfühlender ist; aber sie beherrscht sich und erträgt die widerwärtigsten Manieren mit einem Muth, der des alten Roms würdig ist. Sie plaudert gern und oft im muntersten Ton in vertrauten Kreisen. Affektirtes Wesen ist ihr in hohem Maße verhaßt: bei den officiellen Feierlichkeiten aber hat sie durchaus die Haltung einer großen Dame. Was die Toilette betrifft, so neigt sie allerdings zu Glanz und Pracht. Wenige Fürstinnen haben schönere Edelsteine als sie. Die Kronjuwelen waren schon glänzend: König Viktor Emanuel hat ihr prächtige Geschenke gemacht und König Humbert hat wunderbare Diademe und unvergleichliche Perlen hinzu gefügt. „Eine gute Fee,“ ruft der sonst so tadelsüchtige Graf Vasili mit Begeisterung aus, „hat dieser Prinzessin schon an der Wiege alle Gaben gespendet, Schönheit, Grazie, Heiterkeit und jede Gunst des Schicksals; es schien, als würde sie nur goldene Tage erleben. Und doch hat sie viel gelitten am Anfang ihrer Ehe und durch das Attentat von Passavante, welches ihre Gesundheit schwer erschütterte, so daß sie sich lange nicht erholen konnte. Wenn eine Frau es verdient, glücklich zu sein durch ihren Adel, die Festigkeit ihres Charakters, die Güte ihres Herzens, durch Verdienste jeder Art, durch ihre Schönheit, so ist das die Königin von Italien.“

Das ist das Bild der liebenswürdigen und interessanten Frau, welche die Krone des Landes der Kunst und Schönheit trägt: ein Bild, das sich auf die Staffelei eines Malers verirrt hat, welcher als der Höllenbreughel der europäischen Höfe betrachtet werden kann. †