Die Léperos

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Léperos
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 238-240
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[238] Die Léperos. Von all den verschiedenen Klassen des mexikanischen Volkes sind keine mehr geeignet, einen Fremden mit Abscheu und Ekel zu erfüllen, als jene Vagabundenzünfte beiderlei Geschlechts, die man mit dem Namen „Léperos“ bezeichnet. Im höchsten Grade schmuzig und abstoßend in ihrer äußern Erscheinung, sind sie Bettler, Spieler und Diebe zugleich. Man würde ungerecht sein, wollte man einen Lépero nur in einer dieser drei Eigenschaften schildern, denn er zeigt abwechselnd die eigenthümlichen Merkmale jeder einzelnen und die Schnelligkeit, mit welcher er von einem Charakter zum anderen übergeht, ist wahrhaft überraschend.

Seht jenen elenden Menschen mit gekrümmter Gestalt und boshaftem Gesichte, dessen verbundenes Bein unter dem Gewichte seines Körpers zu zittern scheint, indem er stöhnend und ächzend seinen alten Sombrero ausstreckt, um eine mildthätige Gabe von Euch zu fordern. „Um der Liebe der heiligen Jungfrau willen,“ fleht er Euch an, „habet Erbarmen mit mir! Bei den Seufzern und Wunden des sterbenden Erlösers beschwöre ich Euch, habet Mitleid mit meinen Qualen! Bei Eurer Hoffnung auf himmlische Seligkeit bemitleidet meinen Jammer! Habet Ihr eine Mutter? – Um ihretwillen, um der heiligen Mutter willen da oben im Himmel schauet mit Erbarmen auf mich! Habet Ihr ein Weib? Möchte das theure Andenken an sie Euch bewegen, mein Elend zu lindern! Habet Ihr Kinder? – Um ihretwillen, um jenes heiligen Kindes willen – hört mich an und schenkt mir Euer Mitleid! Ich will beten und flehen, das alle Segnungen der Erde und des Himmels auf ewig Euer Theil sein mögen!“

Ihr gehet vorüber, ohne dem Bettler das erwartete Almosen zu reichen; seine Stirne zieht sich in Falten, sein Gesicht verfinstert sich, indem er sich abwendet, und sein Flehen verwandelt sich in Verwünschungen „Mögen alle Furien der bodenlosen Hölle Dich verfolgen! Mögen Schlangenzungen und Natterngift Dich vernichten! Mögen alle Heiligen des Himmels auf ewig Dich verdammen! Möge jedes Labsal Dir versagt, der Himmel auf ewig Dir verschlossen sein! Dein Weib und Deine Kinder mögen Deinen Armen entrissen werden und vor Deinen Augen jämmerlich umkommen! Möge Dein Fleisch an Deinen Knochen langsam verfaulen, Dein Tod von Qualen und Grauen begleitet sein und Dein Körper ewig unbegraben bleiben!“ In dieser Weise ergießt sich der verhärtete Bösewicht in Bitten und Drohungen, in Gebete und Verwünschungen und es ist ein Glück für Euch, daß Ihr Euch nicht in seiner Gewalt befindet.

Aber so entsittlicht die Léperos im Ganzen auch sein mögen, so sind sie doch nicht alle in gleichem Grade verderbt, und man findet dann und wann einen unter ihnen, der etwas weniger schlecht ist als die große Menge. Jeder Aufklärung und sittlichen Veredlung entrückt, sind diese Menschen fast zur Stufe der Thiere herabgesunken, findet man aber dann und wann wirklich einige versöhnende Ausnahmen, so erscheinen sie des Contrastes wegen nur um so bemitleidenswerther.

Ein Freund von mir traf einen Lépero in Attakapas, der auf einer der dortigen Prairien, die man zur Viehzucht und zur Weide benutzt, als Hirt diente. Durch eigenthümliche Umstände in jene Gegend verschlagen, lebte er friedlicher und ehrbarer und folglich auch glücklicher als zuvor. „In seinem Aeußeren,“ sagte mein Freund, „erhob er sich über das durchschnittliche Maß der Mexikaner seiner Klasse; sein Körper war kräftiger, sein Gesicht weniger abstoßend und obgleich seine Geschichte furchtbar und schrecklich war, so verrieth doch die Art, mit welcher er sie erzählte, oft genug das Vorhandenstein eines keineswegs kalten und fühllosen Herzens.“

„Vielleicht wissen Sie,“ fuhr mein Freund fort, „daß die Prairien von Attakapas eigentlich nichts weiter sind, als Landstrecken, die sich aus Bäumen gebildet haben, welche entweder gefallen oder aus Seen, die später ihre Zuflüsse verloren haben, angeschwemmt worden sind. Dieser Niederschlag hat mit der Zeit eine feste Oberfläche angenommen, so daß hier Menschen wohnen, leichte Schuppen und Hütten erbauen und Viehzucht treiben können. Die Bodendecke ist jedoch an manchen Stellen so dünn, daß durch das Gewicht einiger Ochsen eine zitternde, bebende Bewegung entsteht, und dieser Eigenthümlichkeit wegen heißen sie die zitternden oder bebenden Prairien. An manchen Stellen, besonders in der Nähe der Grenzen, sinkt die Erde zuweilen ein, und es bilden sich Vertiefungen und Risse, in welche mit der Zelt das Salzwasser aus dem mexikanischen Meerbusen seinen Weg findet. Aber ich wollte Ihnen die Geschichte des Lépero mittheilen. Er erzählte sie mir mit folgenden Worten:

„Es sind fast zwei Jahre, Sennor, als ich zum ersten Male meinem ärgsten Feinde begegnete. Es war in einem sehr gefüllten Spielhause in der Stadt Mexiko, das von unserer Klasse fleißig besucht wird, und der Zufall machte uns in den ersten Nächten zu Spielgenossen. Es war ein kleiner, aber kräftiger Mann mit Augen, die wie brennende Kohlen zu glühen schienen und fast aus ihren Höhlen traten, wenn das Glück sich von ihm abwendete.

„Der Mann, von welchem ich rede, war einer der glücklichsten Spieler in Mexiko – schlau und geschickt, aber er bediente sich zuweilen unredlicher Kunstgriffe, die ihm sehr geläufig waren – so daß ich mich nicht enthalten konnte, sein Verfahren bloßzustellen, als ich einige Tage später im Spiele sein Gegner wurde. Er wies meine Behauptung mit lautem Geschrei zurück, und als ich sie [239] wiederholte, gerieth er in heftige Wuth. Es folgten leidenschaftliche Worte und gegenseitige Herausforderungen; wir wurden von einem Haufen von Zuschauern umringt und er zog sein Messer hervor und führte einen wüthenden Stoß gegen meine Brust; aber ich entging dem Angriffe durch eine schnelle Bewegung, und da die Zuschauer bemerkten, daß ich unbewaffnet war, trennten sie uns und wir schieden in bitterer Feindschaft, nachdem wir verabredet hatten, früh am nächsten Morgen uns zu treffen und die Sache auszufechten.

„Ich suchte damals, gegen die herrschende Sitte der Léperos, mir meinen Unterhalt als Lastträger zu verdienen, denn ich hatte ein Weib und zwei Kinder, die ich zärtlicher liebte, als ich glaubte, wie ich später, nachdem ich sie verloren hatte, nur zu deutlich erkannte. Ich sah besonders aus diesem Grunde dem verabredeten Zusammentreffen nicht gerade mit angenehmen Gefühlen entgegen.

„Obgleich solche Kämpfer unter uns sehr gewöhnlich sind, so hatten doch viele von unseren Gefährten an dem Streite im Spielhause so großes Wohlgefallen gefunden, daß sie schon vor uns auf dem Platze waren. Sie schlossen eine Art Kreis für unseren Zweikampf und erwarteten offenbar mit großer Freude dessen Anfang. Unsere zerlumpten Serapés um den linken Arm werfend, machten wir anfänglich nur vorsichtige entfernte Ausfälle mit unseren Messern; dann aber wurden wir wärmer und ich bemerkte bald, daß mein Gegner, wenn auch in anderen Dingen sehr gewandt und erfahren, mir an Kraft und Geschicklichkeit in der Handhabung der Waffe keineswegs gewachsen war, während mir seine Wuth und Rachsucht nur einen noch größeren Vortheil gaben. Er verlor endlich alle Geduld, als er sich fast überwunden und leicht verwundet fühlte, und sich zu einem wüthenden Angriffe ermannend stieß er mit all’ seiner Kraft nach meinem Herzen. Glücklicherweise fing ich den Stoß in den Falten meines Serapés auf und versetzte meinem Feinde dagegen einen tiefen Stich in den Rücken, ehe er Zeit hatte, das Gleichgewicht wieder zu gewinnen. Er fiel zu Boden und verlor die Besinnung, ehe seine Freunde die Wunden verbinden oder das daraus hervorströmende Blut stillen konnten. In dem Augenblicke jedoch, als sie ihn hinwegtragen wollten, sprang er mit der geringen Kraft, die ihm noch übrig gebliehen war, aus ihren Armen und drang, schäumend vor Wuth und Schmerz und mit blutigem Körper noch einmal auf mich ein. Es wurde mir diesmal nicht schwer, ihn abzuwehren und sein Blutverlust machte ihn auf’s neue ohnmächtig. Als man ihn hinwegtrug, kam er wieder zu sich und ich sah, daß sein Auge fest und mit dem Ausdrucke glühender unversöhnlicher Feindschaft auf mich gerichtet war. Ich wußte, daß er sich rächen würde – ich erwartete es – aber ich war nicht auf eine so gräßliche Rache vorbereitet.

„Nachdem er sich von den Folgen seiner Wunde erholt hatte, verschwand er plötzlich – Niemand wußte wohin, und ich hatte ihn fast schon vergessen, als ich plötzlich auf’s neue in der entsetzlichsten Weise an seine Feindschaft erinnert wurde. Ich kehrte eines Abends später als gewöhnlich nach der Hütte zurück, in welcher ich wohnte, und war höchlich erfreut über das Glück, das mir an diesem Tage geblüht hatte; ich hatte glücklich gespielt, das ist allerdings wahr; aber ich freute mich darüber bei Weitem nicht so sehr, wie über die dauernde und regelmäßige Beschäftigung, die mir an diesem Tage endlich zugesichert worden war, und mit deren Ertrage ich meine Familie in Zukunft erhalten konnte, ohne zu den seitherigen Mitteln meine Zuflucht zu nehmen oder mit der Gesellschaft zu verkehren, an welche ich bis jetzt gewöhnt gewesen war. „Wie glücklich werde ich sein,“ dachte ich, „wenn ich redlich leben und mir sagen kann, daß auch meine Kinder redliche Leute werden sollen. Schmach und Elend sind nun überstanden, denke ich, und wir können nicht wissen, welches Glück uns noch erwartet.

„In dieser heitern, freudigen Stimmung näherte ich mich meiner Hütte, aber mich überraschte die Dunkelheit und Ruhe, von welcher ich bei meinem Eintritte empfangen wurde. Ich vermuthete im ersten Augenblicke, daß meine Familie, während sie mich erwartet hatte, vom Schlafe überrascht worden sei – aber wie kam es, daß man die Thüre halb offen gelassen hatte? Ich zündete ein Licht an und erkannte schnell die entsetzliche Ursache. Mein Weib und meine zwei Kinder lagen in einer Blutlache auf dem Boden – ganz todt und mit durchschnittenen Kehlen.

„Wer vermöchte die Gefühle zu schildern, von welchen ich mich in dieser Nacht ergriffen fühlte; mein Kopf schien in Feuer zu stehen und der Schlag, der mich getroffen hatte, lähmte jede Kraft. Ich lag mehre Stunden neben den Gemordeten auf dem Boden und beneidete sie um ihr Schicksal, so entsetzlich der Anblick auch war. Als der Morgen tagte, erwachte ich jedoch aus dieser Erstarrung und erhob mich mit zitternden Gliedern und blutigen Kleidern von dem Boden. Aber ich erwachte zum glühendsten Rachedurst und als die ersten Strahlen der Sonne in das Gemach fielen, gelobte ich bei allem, das mir theuer gewesen war, den Mörder meiner Familie mit unermüdlichem Eifer zu verfolgen, wo nur immer ich seine Spur finden könnte.

„Aber noch an demselben Tage wurde ich von einer unwilligen Menge hinweggeführt und vor dem „Administrador“ beschuldigt, mein Weib und meine Kinder ermordet zu haben. Mein wildes, verstörtes Ansehen, meine verworrenen Worte und vor Allem das Blut an meinen Kleidern und an meinem Körper schienen die abscheuliche That zu beweisen; meine Versicherungen, daß ich unschuldig sei, blieben unbeachtet, meine Angaben und Aussagen fanden kein Gehör, und ich wurde in Folge der entsetzlichen Anklage mehre Monate in der „Accordada“ gefangen gehalten. Endlich wurden einige von dem Mörder zurückgelassene Spuren entdeckt und obgleich er glücklich entronnen war, so kam doch allmälig die Wahrheit an den Tag und ich wurde wieder in Freiheit gesetzt. Ich traf schnell alle nöthigen Vorkehrungen zu meiner Reise, hing einen Sack mit Lebensmitteln über meine Schulter, besuchte noch einmal das Grab meines Weibes und meiner Kinder und begann meine Verfolgung.

„Mein Feind war klug und schlau und hatte vollauf Zeit gehabt, sich nach einer entfernten Gegend zu flüchten, so daß meine Nachforschungen, obschon ich unermüdlich und von dem Geiste der Rache angespornt wurde, erfolglos bleiben mußten. Ich wanderte lange Zeit vergebens von einem Theile des Landes nach dem anderen; aber ich war [240] entschlossen, meine Verfolgung nie aufzugeben und die Schwierigkeiten, die mir entgegentraten, dienten nur dazu, mich in meinem Vorsatze zu bestärken.

„Endlich erlangte ich einige Auskunft hinsichtlich meines Feindes, die mich nordwärts führte, und als ich ungefähr fünfzig Ligas von diesem Orte eines Abends durch eine wüste Gegend wanderte, erreichte ich einen Reiter, der vorsichtig vor mir her ritt und sich so argwöhnisch und ängstlich umsah, daß augenblicklich der Verdacht in mir erwachte, er müßte das Thier, auf welchem er ritt, gestohlen haben. Er wendete sich um, als ich näher kam – unsere Blicke begegneten sich – es war mein alter Feind. Meine Erscheinung schien wie ein Blitzstrahl auf ihn zu wirken; er erbebte und fiel fast zu Boden; dann aber spornte er sein Pferd zu verzweifelter Eile und war meinen Blicken bald verschwunden, so sehr ich mich auch anstrengte, ihn einzuholen.

„O welch’ ein Grimm bemächtigte sich meiner, als ich mich auf diese Weise getäuscht fand. Ich zerraufte mein Haar, es stand Schaum auf meinen Lippen und ich befürchtete, daß mich das Bißchen Verstand, das mir noch übrig war, vollends auf ewig verlassen würde. Nur die Ueberzeugung, daß ich endlich auf seiner Spur sei, erhielt mich aufrecht; sie bewahrte mich vor Verzweiflung und gab mir endlich meine Beharrlichkeit und Thatkraft für die Ausführung meines Vorsatzes zurück.

„Ich verfolgte viele erschöpfende Meilen weit dieselbe Richtung – ich will damit nicht sagen, daß ich die Reise beschwerlich fand, denn an Beschwerden und Ermüdung dachte ich nicht, aber meine Ungeduld mißgönnte jeden Schritt und verlängerte jeden Tag. In geringer Entfernung von dieser Gegend erfuhr ich endlich, daß ein Mann, welcher meiner Beschreibung zu entsprechen schien, als Vaquero oder Hirt auf diesen Prairien gesehen worden sei. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, daß er in dieser fernen abgelegenen Gegend vor meiner Verfolgung sicher sein würde, und dies würde auch der Fall gewesen sein, hätte mich nicht die mir ertheilte Auskunft hierher geführt. Hier erreichte also meine Verfolgung ihr Ende. Ich ruhte nicht eher, als bis ich ihn, ohne von ihm bemerkt zu werden, gesehen hatte, als er eben mit einem Manne sprach, den ich für den Capitaz – seinen Brodherrn – hielt. Mit großer Anstrengung bändigte ich für diese Nacht meine heftige Leidenschaft und nachdem ich mein Messer geschärft hatte, legte ich mich auf ein Bett von Strauchwerk und Binsen und bemühte mich, jene Ruhe zu gewinnen, deren ich so sehr bedurfte; aber leider vergebens. Es war mir unmöglich zu schlafen oder zu ruhen; ich konnte kaum einige Augenblicke in derselben Stellung bleiben; die Aufregung, in welcher ich mich befand, schien mein Blut zu entflammen und ich sehnte mich nach dem Tageslichte, das meine Rachethat vollbracht sehen sollte.

„Nicht ganz eine Stunde nach Sonnenaufgang trat mein Feind ruhig aus der Thüre seiner Hütte, um an einem entgegengesetzten Theile der Prairie sein Tagewerk zu beginnen. Ich war dicht hinter ihm; er hörte meine Schritte nicht, und leicht seine Schulter berührend, zog ich in demselben Augenblicke mein Messer. Er drehte sich schnell um, entriß sich, wie ein Wahnsinniger aufschreiend, meiner Hand und lief davon. Ich verfolgte ihn, und er blieb augenblicklich wieder stehen, denn er mochte erkennen, daß er mir jetzt nicht mehr entrinnen könnte, und ermannte sich zu einem letzten verzweifelten Kampfe.

„Er war diesmal kaltblütiger als ich – er vertheidigte sein Leben – ich aber dürstete nach seinem Blute. Anfänglich war der Vortheil auf seiner Seite und er verwundete mich am linken Arme, der durch keine Verhüllung geschützt war. Aber meine Kraft und meine Wuth waren unwiderstehlich; ich warf ihn mit aller Gewalt zu Boden und schloß, an mein Weib und meine Kinder denkend, meine Waffe fester in meine Hand, um sie ihm in’s Herz zu stoßen. In diesem Augenblicke wurde plötzlich von einem Dritten mein Arm ergriffen und das Messer meiner Hand entwunden. Es war der Capitaz, der uns aus der Ferne bemerkt hatte und jetzt herbeigeeilt war, um dem Kampfe ein Ende zu machen.

„Aber mit einem einzigen Schlage hatte ich den Capitaz zu Boden gestreckt und in demselben Augenblicke auch mein Messer wieder erlangt. Mittlerweile hatte sich aber auch mein Gegner wieder erhoben und ehe ich Zeit hatte, seinem Stoße auszuweichen, gab er mir ein Andenken, das ich mit in’s Grab nehmen werde. Sein Triumph war jedoch nur von kurzer Dauer, denn im nächsten Augenblicke lag er unter mir und ich stieß ihm mit aller Kraft, die ich aufbieten konnte, mein Cuchillo in die Brust. Der Stoß war so gewaltig, daß die Klinge sich mit dem Hefte in seinen Körper bohrte und trotz aller Bemühungen nicht wieder herauszuziehen war.

„Als der Capitaz sich wieder erhoben hatte, erzählte ich ihm meine Geschichte und sein Unwille war fast so groß, wie der meinige. Er verband meine verwundete Schulter, die heftig blutete, und dann schickten wir uns an, den Todten zu begraben. Nachdem wir die dünne Erdkruste bis zu einer geringen Tiefe durchgraben hatten, sahen wir unter uns das Wasser glänzen. Wir befestigten hierauf an den Kopf und an die Beine meines alten Feindes einige Steine und ließen ihn durch die Oeffnung in die Tiefe fallen, wo er, wie ich nicht zweifle, bald eine Beute der Fische geworden ist.

„Meine Geschichte ist nun mit wenigen Worten beendigt, Senor,“ fügte der Lépero hinzu. „Ich konnte nicht nach dem Schauplatze meines vergangenen Lebens zurückkehren, ich konnte mich nicht entschließen, mich wieder zu meinen früheren Gefährten, den Léperos, zu gesellen oder in der Stadt meine Wohnung wieder aufzuschlagen, wo mein Weib und meine unschuldigen Kinder ermordet worden waren. Ich nahm daher das Anerbieten des Capitaz an, statt des Bösewichts, der endlich seinen gerechten Lohn gefunden hatte, in seine Dienste zu treten, und glaube, daß ich hier, obgleich ich für mein tägliches Brod mit größerer Anstrengung und länger arbeiten muß, als ich es früher zu thun gewohnt war, den Rest meiner Tage noch als redlicher Mann und in Ruhe werde verleben können.“