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Die Rolle des Staubes in der Natur

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Textdaten
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Autor: P. Lenard
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Titel: Die Rolle des Staubes in der Natur
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 192–195
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Rolle des Staubes in der Natur.

Von Dr. P. Lenard.

Wenn ein Strahl Sonnenlicht durch eine Spalte im Fensterladen in ein verdunkeltes Zimmer fällt, so kann er in seiner ganzen Länge gesehen werden. Was sein Licht nach allen Seiten zerstreut und so auch ins Auge gelangen läßt, ist der Staub der Zimmerluft. Es ist nicht der Sonnenstrahl, den wir sehen, es ist der von ihm beleuchtete Staub. Bei näherer Betrachtung können deutlich einzelne Körperchen beobachtet werden, wie sie den Strahl durchziehen.

Bei ruhiger Zimmerluft macht sich der Staub noch viel besser bemerkbar, indem er sich dann auf alle Gegenstände absetzt. Er fällt außerordentlich langsam zu Boden, obgleich er aus Stoffen besteht, die in größeren Klumpen rasch herabfallen, wie man sehen kann, wenn man abgesetzten Staub zusammenfegt und festballt. Beim Zusammenballen lassen wir eine sehr große Menge freier Oberfläche, welche die Teilchen früher der Luft darboten, verschwinden. Diese große Oberfläche war es, die der Luft genügende Angriffspunkte gab, den Staub im Fallen so sehr aufzuhalten. Je feiner der Staub, um so größer ist seine Oberfläche im Verhältnis zur Masse, um so mehr wird sein Fallen durch die Luft verlangsamt.

Es könnte den Anschein haben, als ob es eine undankbare Aufgabe wäre, von der Rolle dieses Staubes in der Natur zu sprechen. Denn welche wesentliche Wirkungen könnten diesem geringgeschätzten Stoffe zukommen? Indessen es wird sich zeigen, daß wir kein Recht haben, ihn gering zu schätzen.

Der Staub hat den größten Anteil an fast allen Erscheinungen in der Erdatmosphäre. Zunächst ist er es, der den heiteren Himmel blau erscheinen läßt. Wenn wir nach dem blauen Himmelsgewölbe blicken, so sehen wir den von der Sonne erleuchteten Staub in der Atmosphäre. Es ist nichts anderes vor uns, was Licht ins Auge gelangen lassen könnte. Durch alle Gase, welches auch ihre chemische Zusammensetzung sei, geht das Licht unsichtbar, in geraden Linien hindurch. Der Staub fängt es auf, reflektiert es nach allen Seiten und läßt so die ganze Atmosphäre hell erscheinen, in derselben Weise, wie er den Sonnenstrahl im verdunkelten Zimmer sichtbar macht.

Ohne Staub gäbe es kein blaues Firmament. Der Himmel würde so schwarz oder noch schwärzer sein, als wir ihn in den schönsten mondlosen Nächten erschauen. Unvermittelt würde auf diesem schwarzen Hintergrunde die glühende Sonnenscheibe stehen, und derselbe schroffe Gegensatz würde auch auf der beleuchteten Erdoberfläche herrschen: blendendes Licht, wo die Sonnenstrahlen hintreffen, und tiefschwarze Schatten, wo sie fehlen. Nur das Licht des Mondes und der Sterne, die auch bei Tage sichtbar blieben, würde diese Gegensätze etwas mildern können. Die Beleuchtung der Erdoberfläche wäre der ähnlich, die wir durchs Fernrohr an den Mondlandschaften erblicken; denn der Mond besitzt keine Lufthülle, welche Staub schwebend erhalten könnte. Es ist der Staub, dem wir auf der Erde die gleichmäßige, gemilderte Tagesbeleuchtung verdanken, für die unsere Augen nun einmal eingerichtet sind, es ist der Staub, der so viel zur Verschönerung unserer landschaftlichen Scenerien beiträgt.

Aus dem Gesagten geht indessen zunächst nur hervor, daß der Staub das Himmelsgewölbe hell erscheinen läßt; warum aber erscheint es gerade blau? Warum reflektiert der Staub von den verschiedenfarbigen Bestandteilen des weißen Sonnenlichtes am meisten die blauen, weniger die grünen, gelben und roten?

Dies hängt zusammen mit der Größe der Staubpartikelchen. Nur die feinsten Stäubchen sinken so langsam herab, daß sie sich, durch die Luftströmungen überallhin verbreitet, in allen Schichten der Atmosphäre beständig vorfinden, und nur diesen allgemein verbreiteten, feinsten Staubteilchen dürfen wir besondere Bedeutung zuschreiben. Die gröberen sinken ja bald zu Boden. Und nun erinnere man sich an den feinen Mechanismus des Lichtes, an die äußerst kurzen Aetherwellen, die dessen Wesen ausmachen. Diese Wellen, obgleich alle von fast mehr als mikroskopischer Kleinheit, sind doch nicht alle gleich lang. Die kürzesten sind die, welche das blaue Licht geben, alle anderen Farben entsprechen längeren Aetherwellen. Der feine atmosphärische Staub nun enthält viele Partikelchen, die noch groß genug sind, die kurzen blauen Aetherwellen zu reflektieren, weniger Teilchen werden sich finden, die auch Grün und Gelb reflektieren, und noch weniger werden groß genug sein, um die langen roten Aetherwellen zu beeinflussen. Das rote Licht wird daher ziemlich ungehindert hindurchziehen, das blaue wird vorzugsweise zerstreut werden und so ins Auge gelangen. Deshalb erscheint feinster Staub – und damit das Himmelsgewölbe – blau.

Einen ähnlichen Vorgang in größerem Maßstabe kann man an einer Wasseroberfläche beobachten, welche von Wellen verschiedener Länge durchzogen wird und auf welcher Holzstücke schwimmen. Die Holzstücke verhalten sich gegen die Wasserwellen wie die Staubteilchen gegen die Aetherwellen. Die großen, langen Wellen ziehen an den Holzstücken ungestört vorbei, schaukeln sie nur auf und ab; die feinen Kräuselungen der Wasserfläche dagegen werden zurückgeworfen, als wären die Holzstücke feste Wände.

Der feinste Staub sieht also blau aus. Man kann das an dem Rauche sehen, der vom glimmenden Ende einer Cigarre aufsteigt. Er erscheint an einem klaren Tage, wenn also überhaupt viel blaues Licht vorhanden ist, im schönsten Himmelblau. Derjenige Teil des Rauches aber, welcher die Cigarre durchzieht und am anderen Ende zum Vorschein kommt, ist zu gröberen Teilchen zusammengeballt, die groß genug sind, um auch die längsten Aetherwellen, um alle Bestandteile des weißen Lichtes zu reflektieren, er erscheint darum weißlich. Denselben Unterschied finden wir zwischen dem Staub auf dem Lande und in der Stadt. In großen Städten giebt es viel groben Staub, daher ist der Himmel dort oft so weißlich, während aufs Land hinaus nur der feinste, blaue Staub getragen wird. Auch in verschiedenen Höhen über dem Erdboden muß der Staub verschieden verteilt sein. Der gröbste Staub wird sich unten finden, wo er erzeugt wird, hoch oben auf Bergen haben wir den meisten Staub unter uns, die dünne Luft kann nur die allerfeinsten Partikelchen schwebend erhalten. Daher ist der Himmel auf hohen Bergen so rein und tief blau, ja fast schwarz, wie er es ohne Staub sein würde. Nur wenn wir nach den tieferen Schichten, nach dem Horizont hin blicken, geht die Färbung in ein weißliches Blau über.

Warum ist nun aber der Himmel in Italien und in den Tropen so viel tiefer blau als bei uns? Ist dort der Staub etwa feiner? In der That, er ist es wirklich. Nicht daß dort feinerer Staub erzeugt würde, sondern die Sache hat einen anderen Grund. In unseren Breiten können Staubteilchen nicht lange in der Luft schweben, ohne mit Wasser beladen und dadurch gröber gemacht zu werden. In den warmen Gegenden aber behält das Wasser in der Luft Dampfgestalt und verflüssigt sich nicht an dem Staube. Erst wenn es mit den Luftströmungen in höhere Schichten hinaufgeführt und so abgekühlt wird, verdichtet es sich zu Wolken.

Damit sind wir bei der wichtigsten Rolle des Staubes in unserer Atmosphäre angelangt, bei dem Anteil, welchen er an [194] der Bildung der Niederschläge dadurch hat, daß sich an ihm der Wasserdampf verflüssigt.

Man kann geradezu behaupten, daß alles Wasser, welches die Sonnenstrahlen an der Oberfläche des Meeres und des Festlandes verdampfen, sich am Staube wieder verdichtet; daß kein Regentropfen herabfällt, dessen erster Keim nicht ein Staubteilchen gewesen wäre.

Wenn nun von „Wasserdampf“ die Rede ist, so muß bemerkt werden, daß damit stets Wasser in Gasgestalt gemeint ist, so durchsichtig und unsichtbar wie alle anderen Gase, nicht der wolkige Dampf, wie man ihn aus dem Kessel einer Lokomotive ausströmen sieht. Dieser ist, wie die Wolken und Nebel, flüssiges Wasser, in unzählige feine Tröpfchen verteilt. Beständen die Wände eines Dampfkessels aus Glas, so würden wir durch den Dampfraum drinnen klar hindurchsehen können, hier haben wir Wasser in Gasform. Strömt der Dampf aber irgendwo aus, in die viel kältere Luft, so verdichtet er sich zu flüssigen Tröpfchen. Genau derselbe Vorgang ist es, wenn der Wasserdampf, den die Sonnenwärme in den unteren warmen Schichten der Atmosphäre angesammelt hat, hinaufsteigt, sich abkühlt und dabei die Wolken bildet.

Man sagt gewöhnlich, die oberen Luftschichten seien kälter als die unteren, weil sie die Sonnenstrahlen vollständig hindurchlassen, also von ihnen nicht erwärmt werden können, daß dagegen die Strahlen die Erdoberfläche erwärmen und diese erst die Luft. Dies ist gewiß so, aber es erklärt nicht, warum nicht auch die oberen Luftschichten im Laufe der langen Zeiten endlich ebenfalls erwärmt worden sind. Daß diese Schichten sich etwa gegen den Weltraum hin stark abkühlen sollten, dafür ist keine Ursache vorhanden, denn ein Körper, der, wie die Luft, wenig Wärmestrahlen verschluckt, sendet nach einem festen Gesetze auch wenig aus. Wäre die Atmosphäre in vollkommener Ruhe, so müßte sie sich in der That vom Erdboden aus vollkommen durchwärmen. Sie ist aber in fortwährender Bewegung und darin liegt die Ursache der ungleichmäßigen Wärmeverteilung. Wenn eine Luftmenge von der Erdoberfläche in die Höhe steigt, so muß sie sich dabei bedeutend ausdehnen, denn der Druck, unter dem sie steht, ist oben viel geringer als unten. So oft aber ein Gas sich ausdehnt, wird es kälter, es entzieht sich ihm die Wärmemenge, welche der Arbeit entspricht, die es während der Ausdehnung im Zurückschieben der Umgebung leistet. Aufsteigende Luft kühlt sich daher ab, herabsinkende wird umgekehrt wärmer. So erklärt es sich, daß bei den fortwährenden Bewegungen in der Atmosphäre das Temperaturgleichgewicht, welches in der gleichmäßigen Durchwärmung aller Schichten bestünde, nie zustande kommen kann.

Wenn nun absteigende Luftmassen eine genügende Menge von Wasserdampf enthalten, so wird dieser sich in gewisser Höhe zu Tröpfchen, zu Wolken verflüssigen. Wir sagen, die Abkühlung ist die Ursache der Verflüssigung. Es kann nun aber die Behauptung aufgestellt und durch Versuche bewiesen werden, daß Abkühlung allein nicht dazu genügt, daß vielmehr Verflüssigung nur stattfindet an der Oberfläche irgend eines festen oder flüssigen Körpers, nicht an der freien, reinen Luft, wohl aber an der Oberfläche der in ihr verteilten Staubpartikelchen. Jedes Tröpfchen eines Dampfstrahles, einer Wolke, ist ein mit Wasser überzogenes Staubteilchen.

Der beweisende Versuch ist leicht anzustellen. Wir füllen eine große Flasche mit staubfreier Luft, was so geschehen kann, daß wir gewöhnliche Luft durch Watte pressen und dann in die Flasche leiten, so lange, bis alle ursprünglich in ihr enthaltene Luft durch filtrierte ersetzt ist. Die Watte hat alle Staubteilchen zuruckgehalten. Lassen wir nun in die staubfreie Luft der Flasche einen Dampfstrahl aus einem Kessel eintreten. Er bleibt vollkommen unsichtbar. Keine Spur von dem gewohnten wolkigen Aussehen ist wahrnehmbar. Das einzige, was wir bemerken, ist, daß die Innenwände der Flasche zu triefen beginnen: der Dampf verdichtet sich an diesen allein, da er keine andere feste Oberfläche vorfindet. Blasen wir aber nunmehr etwas gewöhnliche, staubhaltige Luft in die Flasche, dann erscheint diese sofort mit dickem wirbelnden Nebel erfüllt. Soviel Staubpartikelchen wir eingelassen haben, aus soviel Tröpfchen besteht dieser Nebel. Lassen wir nur wenig Stäubchen ein, so stürzt aller Dampf auf diese wenigen und beladet sie in kürzester Zeit so sehr mit Wasser, daß sie als schwere Tröpfchen zu Boden sinken. Es regnet dann in unserer Flasche. Sie wird bald wieder klar und der Dampfstrahl unsichtbar wie zuvor.

Ohne Staub also keine Verflüssigung des Dampfes in der Luft. Ohne Staub kein Nebel, keine Wolken, kein Regen, kein Schnee, keine Gewitter. Die einzige Verdichtungsfläche wäre die Oberfläche der Erde selbst. Diese, die Bäume und Sträucher, die Wände der Häuser würden zu triefen beginnen, wenn Abkühlung in der Luft eintritt. Im Winter würde sich alles mit einer dicken Eiskruste überziehen. In dieser Weise müßte all das Wasser zum Vorschein kommen, das wir gewohnt sind, in Regengüssen oder als Schnee herabfallen zu sehen. Beim Hinaustreten ins Freie würden wir sofort fühlen, daß sich unsere Kleider durchnässen; Regenschirme wären nutzlos. Die mit Wasserdampf übersättigte Luft würde auch eindringen ins Innere der Häuser und ihr Wasser an den Oberflächen aller Gegenstände absetzen. Kurz, es ist kaum zu übersehen, wie ganz anders alles sein würde, wenn nicht der Staub seine unermeßlich große Oberfläche allenthalben der Luft darböte. Ihm verdanken wir es, daß die Verdichtung des Wassers von der Erdoberfläche abgewendet wird nach den höheren, kälteren Luftschichten.

Seit man aufmerksam geworden ist auf den großen Anteil des Staubes an den meteorologischen Erscheinungen, hat manbegonnen, die Staubpartikelchen in der Luft zu zählen.

Schon Pasteur hat dahingehende Versuche angestellt. Er filtrierte eine abgemessene Luftmenge statt durch gewöhnliche Watte durch Schießbaumwolle. Alle Staubpartikelchen, die in der durchgepreßten Luft enthalten waren, saßen jetzt in der Schießbaumwolle. Die letztere läßt sich in einem Gemisch von Aether und Alkohol klar auflösen und die Lösung zu einer Schicht von klarem und durchsichtigem Kollodium eintrocknen, worin die Partikelchen unter dem Mikroskope beobachtet und auch gezählt werden können. Diese Versuche wurden indessen hauptsächlich in der Absicht angestellt, nach Hefekeimen in der Luft zu fahnden.

Ein besseres Verfahren zur Zählung des Staubes gründet sich auf unseren Versuch mit der staubfreien Flasche; es ist, wie dieser Versuch, von Aitken in Edinburg ersonnen. Lassen wir in die staubfrei gemachte Flasche eine abgemessene Menge der zu prüfenden Luft eintreten, etwa den hundertsten Teil des Inhaltes der Flasche selbst. Es wird durch diese Verdünnung die Zählung erleichtert werden. Die Luft in der Flasche ist durch einige Tropfen Wasser vorher mit Feuchtigkeit gesättigt worden, zugleich hat man sie durch Hineinpressen von etwas staubfreier Luft komprimiert. Wird nun plötzlich ein Hahn geöffnet, so dehnt sich die Luft aus, kühlt sich dabei ab, und der Wasserdampf schlägt sich an all den eingelassenen Staubteilchen nieder, beschwert sie und läßt sie bald zu Boden sinken. Der Boden der Flasche aber ist aus einer blanken Silber- oder Glasplatte gebildet, auf welcher ein Netz von Quadratmillimetern eingeritzt ist. Auf dieses Netz senken sich soviele Wassertröpfchen nieder, als Staubteilchen in der Flasche waren, und können hier mit der Lupe gezählt werden.

Die Anzahl der Staubpartikelchen in einem Kubikcentimeter Luft betrug beispielsweise in London, selbst am Rande der Stadt und wenn der Wind von außen her blies, fast eine Viertelmillion. Ungefähr ebensoviel fanden sich in der Pariser Luft; auf der Spitze des Eiffelturmes waren etwa halb soviel zu finden. Bedeutend reiner ist die Luft in den Alpen. Auf dem Gipfel des Rigi ergaben sich etwa 200 Stäubchen im Kubikcentimeter, nach Regenfällen etwas weniger. In der verhältnismäßig reinen Luft der Berggipfel verdichtet sich der Hauch aus dem Munde, auch bei kaltem Wetter, nicht zu sichtbaren Wolken. Steigen wir aber herab und nähern uns einem Dorfe, wo Schornsteine rauchen, so erscheinen die gewohnten Hauchwolken wieder. Ein Dampfstrahl bleibt indessen überall sichtbar; vollkommen staubfreie Luft ist nirgends gefunden worden.

Man bezeichnet oft den Staub als etwas der Erde Eigentümliches. Er findet sich aber auch im Weltenraume. Unser Sonnensystem hat seine Staubatmosphäre, wenn sie auch außerordentlich dünn gesäet ist. Außer den großen Klumpen von Materie, den Meteorsteinen, fällt unaufhörlich meteorischer Staub aus dem Weltraume auf die Erde herab. Man ist darauf zuerst aufmerksam geworden, als im Jahre 1869 bei Upsala ein Meteorit niederfiel und zugleich ein schwarzer Staubregen. Der Staub wurde gesammelt und zeigte ganz dieselbe Zusammensetzung wie der Meteorit: Kohle und Eisen. Seitdem hat man noch mehreremal solche besonders dichte kosmische Staubfälle von ganz gleicher Zusammensetzung beobachtet, auch ohne daß Meteoriten erschienen [195] wären. Die neueren Fortschritte der Photographie des Sternenhimmels haben Bilder äußerst lichtschwacher, im Weltraum schwebender Wolken geliefert. Diese Wolken nehmen nicht, wie alles Irdische, teil an der Drehung um eine Achse, sondern sie bleiben während einer Nacht fast stille zwischen den Sternen stehen. Befinden sie sich in größerer Nähe der Erde, so können sie mit freiem Auge gesehen werden als leuchtende Nachtwolken, lange nach Sonnenuntergang, bis sie der Erdschatten trifft und ihnen die Sonnenbeleuchtung entzieht.

Das Vorhandensein von Staub im planetarischen Raume kann auch nicht verwundern. Steht doch inmitten desselben die Sonne, deren Oberfläche einem ungeheueren Vulkane vergleichbar ist. Es kann nur gefragt werden, wieso sich die Staubwolken der Sonneneruptionen hinausverbreiten können in den Weltraum, entgegen der Anziehung der Sonne. Hierauf erhalten wir eine Antwort von der elektromagnetischen Theorie des Lichtes, eine Antwort, auf die wir Vertrauen haben dürfen, denn diese Theorie hat sich bei allen Prüfungen durch die Erfahrung bewährt. Sie lehrt, daß die Aetherschwingungen des Lichtes elektrischer Natur sind, und als eine Folge davon, daß das Licht auf jeden Körper, den es trifft, einen Druck ausübt. Der beleuchtete Körper wird von der Lichtquelle abgestoßen. Wir erfahren auch die Größe dieses Druckes. Er ist so klein, daß er die Schale der empfindlichsten Wage nicht zum Sinken bringt, wenn voller Sonnenschein von oben auf sie fällt. Aber er wird um so größer, je größer die vom Licht getroffene Oberfläche ist. Denken wir uns nun einen Körper irgendwo im planetarischen Raume sich selbst überlassen. Er ist der allgemeinen Massenanziehung unterworfen und wird nach der Sonne hingezogen. Die Kraft, mit welcher ihn das Licht der Sonne hinwegtreibt, ist klein gegen die Anziehung. Teilen wir nun aber diesen Körper in Gedanken in kleinere und kleinere Stücke. Er bietet dann den Sonnenstrahlen eine größere und größere Oberfläche dar, und im selben Maße wächst die Kraft, mit welcher alle Teile zusammengenommen von der Sonne fortgetrieben werden. Die Anziehung dagegen ist unverändert geblieben, denn sie hängt von der Masse des Körpers ab, an der nichts geändert wurde. Man sieht, daß die Zerkleinerung nur weit genug getrieben zu werden braucht, um schließlich die Abstoßung zum Ueberwiegen zu bringen über die Anziehung. Die Rechnung zeigt, daß dies schon der Fall ist, wenn der Körper in eine Staubwolke von gar nicht allzu großer Feinheit verwandelt ist. Diese Staubwolke wird nicht mehr gegen die Sonne hin fallen, sie wird vom Lichte der Sonne hinweggetrieben werden. Es erinnert dies an die Kometenschweife, die ja hauptsächlich aus Staub bestehen, der aus dem Kerne ausströmt, und die stets von der Sonne wegweisen.

So hat also auch der unbedeutende und alltägliche Staub seinen wesentlichen Anteil an den Vorgängen in der Natur, und es liegt in ihm ebensoviel Wunderbares und Geheimnisvolles verborgen wie in allen anderen Dingen.