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Die See-Nonnen von Tiefenau

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Textdaten
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Autor: Ignaz Hub
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Titel: Die See-Nonnen von Tiefenau
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 422–424
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[422]
Die See-Nonnen von Tiefenau.

Die tiefe Au, so weit ihr schaut,
War sonst ein See, draus kläglich laut
Oft Nonnensang erklungen;
Hier stand voll Lust und Ueppigkeit

5
Ein Frauenkloster in alter Zeit,

Längst hat es die Erde verschlungen.

Hell glitzerte die Winternacht,
Es blies der eisige Wind mit Macht,
Da pochts an der Klosterpforte:

10
Um Einlaß fleht und Nachtquartier

Ein alter Pilgersmann allhier
Mit fromm bescheidenem Worte.

Vergebens; weh! die Pförtnerin
Von dannen wies mit hartem Sinn

15
Den frosterstarrten Armen;

Die Frauen drinn bei leckerm Mahl,
Die dicke Priorin zumal,
Sie fühlten ja kein Erbarmen.

[423]

Ach, händeringend bat der Greis

20
Um einen Imbiß nur zur Reis’,

Fast brechen ihm die Glieder; –
Umsonst: Erbarmen war hier karg,
Nur Eine, die Novizin, barg
Ein fühlendes Herz im Mieder.

25
Verstohlen reicht, was sie erhascht,

Ihm dar die Maid, doch überrascht
Verhöhnen sie die Nonnen.
In der Angel knarrt die Pfortenthür,
Gelächter schallt wie Spott herfür –

30
Weh euch, was habt ihr begonnen!


Des Fremden Auge blitzend rollt,
Sein Fluch wie dumpfer Donner grollt;
Und rasch mit seinem Stabe
Hat er berührt den Boden kaum,

35
Da lag der weite Klosterraum

Versunken im Erdengrabe.

Wehklage stöhnt aus tiefem Grund,
Rings zischen Flammen aus dem Schlund,
Drinn Wasser draußen und gischen.

40
An schwillt zum dunkeln See die Fluth,

Wie durch ein Wunder grünend ruht
Ein kleines Eiland dazwischen.

Hier, sichtbarlich in Gottes Hand,
Inmitten der Zerstörung stand

45
Die reine Klosterlilie;

Sie führt zum Uferstrand der Greis,
Indeß ertönt vom Wasser leis
Des Nonnenchors Vigilie.

„Kehr’ zu den Deinen,“ – sprach er sanft, –

50
„Doch morgen an der Wogen Ranft,

Daß ich Dein Herz belohne,
Um Mittnacht mit dem Liebsten hier
Zum Brautgeschenk verehr’ ich Dir
Den Schmuck der Myrtenkrone!“

[424]
55
Ob ihrer Herkunft Niedrigkeit

Gerissen von des Theuren Seit’,
So nahm sie jüngst den Schleier; –
Wie schlägt ihr Herz in Wonne jetzt,
Wie hat die Hoffnung sie geletzt

60
Bei dieser Worte Feier!


Und als’ die Geisterstunde kam,
Wohl harrt sie mit dem Bräutigam
Erwartungsvoll der Kunde.
Vom nahen Dorfe zwölfmal scholl

65
Die Glocke – Horch! da rauscht’ und schwoll

Die Fluch empor vom Grunde.

Auf tauchen stumm der Nonnen drei,
Den Brautschatz schleppen sie herbei,
Säcke voll Gold und Juwelen;

70
Und wie sie ächzend der See verschlingt,

Des Paars Gebet zum Himmel klingt
Zur Ruh’ für ihre Seelen.

Ignaz Hub.
(Originalmittheilung.)