Die See-Nonnen von Tiefenau
Die tiefe Au, so weit ihr schaut,
War sonst ein See, draus kläglich laut
Oft Nonnensang erklungen;
Hier stand voll Lust und Ueppigkeit
Längst hat es die Erde verschlungen.
Hell glitzerte die Winternacht,
Es blies der eisige Wind mit Macht,
Da pochts an der Klosterpforte:
Ein alter Pilgersmann allhier
Mit fromm bescheidenem Worte.
Vergebens; weh! die Pförtnerin
Von dannen wies mit hartem Sinn
Die Frauen drinn bei leckerm Mahl,
Die dicke Priorin zumal,
Sie fühlten ja kein Erbarmen.
Ach, händeringend bat der Greis
Fast brechen ihm die Glieder; –
Umsonst: Erbarmen war hier karg,
Nur Eine, die Novizin, barg
Ein fühlendes Herz im Mieder.
Ihm dar die Maid, doch überrascht
Verhöhnen sie die Nonnen.
In der Angel knarrt die Pfortenthür,
Gelächter schallt wie Spott herfür –
Des Fremden Auge blitzend rollt,
Sein Fluch wie dumpfer Donner grollt;
Und rasch mit seinem Stabe
Hat er berührt den Boden kaum,
Versunken im Erdengrabe.
Wehklage stöhnt aus tiefem Grund,
Rings zischen Flammen aus dem Schlund,
Drinn Wasser draußen und gischen.
Wie durch ein Wunder grünend ruht
Ein kleines Eiland dazwischen.
Hier, sichtbarlich in Gottes Hand,
Inmitten der Zerstörung stand
Sie führt zum Uferstrand der Greis,
Indeß ertönt vom Wasser leis
Des Nonnenchors Vigilie.
„Kehr’ zu den Deinen,“ – sprach er sanft, –
Daß ich Dein Herz belohne,
Um Mittnacht mit dem Liebsten hier
Zum Brautgeschenk verehr’ ich Dir
Den Schmuck der Myrtenkrone!“
Gerissen von des Theuren Seit’,
So nahm sie jüngst den Schleier; –
Wie schlägt ihr Herz in Wonne jetzt,
Wie hat die Hoffnung sie geletzt
Und als’ die Geisterstunde kam,
Wohl harrt sie mit dem Bräutigam
Erwartungsvoll der Kunde.
Vom nahen Dorfe zwölfmal scholl
Die Fluch empor vom Grunde.
Auf tauchen stumm der Nonnen drei,
Den Brautschatz schleppen sie herbei,
Säcke voll Gold und Juwelen;
Des Paars Gebet zum Himmel klingt
Zur Ruh’ für ihre Seelen.