Die Stammburg der Hohenzollern

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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Die Stammburg der Hohenzollern
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 709–711
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Stammburg der Hohenzollern.

Die Burg Hohenzollern.

Es waren lange Wagenzüge, welche aus dem Aachen der Preußenkrone die Masse der Theilnehmer und Zuschauer eines mittelalterlichen Festspiels wieder heimwärts beförderten. Die Krönung ist geschehen. Die Königsberger Hofchronik hat den Act ausführlich beschrieben; in der Geschichte wird er einst eine Zeile einnehmen.

Nicht kampfgewohnte Ritterschaaren mit der getreuen Vasallen Fähnlein und Wappentrompetern trabten aus den Thoren ihren Burgen zu, nein, der grelle Pfiff der Locomotive gebot der größten Menge, zu den Wagenreihen zu eilen, die alle Arten von Ständen mit demselben Dampfe davon trugen. Das hohe Eisenroß mit dem glühenden Athem ist das Wappenbild der Gegenwart. Was im öffentlichen Leben der Völker an Großartigkeit des Gedankens und der That diesem Bilde nicht entspricht, muß es sich gefallen lassen, auf seinen wirklichen Werth herabgesetzt zu werden.

Das Völkerleben der Gegenwart ist so hart durch die endlose Unsicherheit der Zukunft, und dazu ist der geistige Fortschritt in den Ländern der Bildung ein so entschiedener, daß sein strenger Ernst auch zu den Herrschergeschlechtern seine Ansprüche erhebt.

Die Zeit der Spiele ist vorüber,
Erstanden ist im Volk der Mann –

und wohin ein ganzes Volk sein Auge richten soll, da muß auch Etwas geschehen, das des Hinschauens werth ist. Die Tage liegen hinter uns, wo eine Dynastie glauben durfte, durch äußern Pomp ihren Glanz zu erhöhen. Es kann nicht mehr besondere öffentliche Feste der Fürsten und besondere öffentliche Feste des Volks geben. Beide gehören unzertrennlich zusammen, und die herrlichsten Feste werden die sein, mit welchen ein Volk aus freiem Herzen eine fürstliche That feiert. Eine solche Feier verkündet nicht nur den wahren Glanz der Dynastie, sie mehrt auch deren Macht, denn sie kommt auf der politischen Wagschale wiederum der Schwere einer That gleich. – Und wie leicht entbehrt ein solches Fürsten- und Volksfest alles kleinlichen Aufputzes, der nur zur Befriedigung ständischer Eitelkeiten dienen kann, wie tief stehen unter der geschichtlichen Würde einer solchen Feier selbst die schmuckreichsten Uniformen von Oberstküchenmeistern und die rothesten Staatsjacken des Domchors!

Aber noch etwas schon so oft Bekämpftes würde ein Verhältniß zwischen Fürst und Volk, wie das angedeutete, entbehrlich machen: nämlich die starke Selbstvergötterung, welche in der Behauptung eines ganz besondern dynastischen Vongottesgnadenthums liegt und die – wenn solch ein göttliches Privilegium für alle „Kronen“ in Anspruch genommen werden sollte, also auch für die neapolitanische, russische, französische, hessische, modenesische, dänische, römische, spanische etc. – als eine schwere Versündigung an Gott beklagt werden müßte. Deutschland kennt einen Fürsten, der „die Formel“ „von Gottes [710] Gnaden“ von seinem Namen streichen ließ, weil sie dem fortgeschrittenen Geiste der Zeit widerstreitet; die höchst absichtliche Betonung dieser „Formel“ bei feierlichster Gelegenheit konnte nur geeignet sein, den aufrichtigsten Dank der Nation gegen jenen Fürsten hinzulenken.

Wir überlassen die Königsberger Festlichkeiten den Spalten und dem Schicksale der Tagesblätter und führen unsere Leser, statt vor die goldenen Thronstufen an der Ostsee, zur Felsenwiege der Hohenzollern im schönen Schwabenlande.

Das Schwabenland ist eine der reichsten Schatzkammern deutscher Geschichte. Auf seinen Bergen ragen die Denkmäler vieler Herrschergeschlechter, untergegangener und noch heute blühender, und in den Thälern steht manches einfache Haus, aus welchem Geister hervorgegangen sind, deren Ruhmeskränze zu Deutschlands Ehre ewig blühen.

Von den Denkmälern der Berge haben zwei weltgeschichtliche Bedeutung erlangt: das der Hohenstaufen und das der Hohenzollern; von jenem zeugt nur noch der Berg und die Geschichte, die Trümmer des Kaiserschlosses sind verschwunden; dieses prangt, zur Königsburg erhoben, in erneuerter Pracht, aber den bessern Theil seiner Geschichte hat das Geschlecht sich erst zu verdienen. – Abseits von Beiden, auf Schweizergrund, verwittert die Habsburg, deren Geschlecht das Schicksal zwischen Beide gestellt hat. –

Die Stammburg der Hohenzollern zieht uns jedoch nicht blos als historischer Markstein an, auch die Natur hat den Berg mit ihren Reizen geschmückt, und der Kunst ist zur Verherrlichung der Dynastie dort Manches gelungen. So erfreut sie uns von ferne durch ihr eigenes Bild und eröffnet uns auf ihren Zinnen ein entzückendes Rundgemälde.

Südlich von dem ehemaligen souverainen Fürstensitze Hechingen erhebt sich der waldige Berg der Burg zu einer Höhe von 2347 Fuß über dem Meere. Der Weg zu dem Felsenschlosse empor ist steil, aber schattig, und kann auch zu Wagen zurückgelegt werden. Je weiter wir uns vom Thale entfernen, desto prächtiger dehnt es sich zu unseren Füßen aus und desto reicher wird sein Rahmen von Hügelrücken und Bergeshäuptern; bald aber geben wir die Aussicht auf vor dem Anblick, welchen, je näher wir ihm kommen, um so imponirender der Mauerkranz mit den Zacken seiner Krone von Thürmen uns bietet.

Der Weg zum Eingang in die Burg windet sich im Halbkreise um die Umfangsmauer. Das erste Thor, Adlerthor genannt, empfängt uns mit Steinbildwerk und Inschriften und öffnet uns einen stattlichen Thorweg, welcher uns weiter zur Burg hinauf und unter anderen Baulichkeiten an einer freien gothischen Wendeltreppe vorüber führt, die von üppigem Epheu malerisch umrankt ist. Wir gelangen vor ein zweites Thor. Die Kunst hat zu seinem Schmuck zwei Knappen angebracht, welche trotzige Blicke nach dem Zellerhorn hinüberwerfen, einem Nachbarberge, von welchem der Burg, wenn ihr der Charakter einer Bergfestung geblieben wäre, vorzugsweise hätte Gefahr drohen können. Haben wir endlich das letzte Thor, über welchem sich der ebenfalls reich mit Bildhauerei verzierte Thorthurm erhebt, durchschritten, so breitet das Innere der Burg sich vor uns aus. Der Anblick ist überraschend durch die Großartigkeit und Mannigfaltigkeit der Bauwerke, die hier vor uns aufragen. Die Reihe wird eröffnet durch die im altdeutschen Style erbaute evangelische Kirche; an diese schließt sich die Kaserne an, ein stattlicher Bau von gleichem Style und mit der Inschrift: „Adlerhorst auf Bergeskron’ – Zollerns Stamm auf Preußens Thron.“ Eine prachtvolle Treppe führt vom Hofe aus zu den Schloßgebäuden, die im Halbkreise den ganzen westlichen Theil der Burg einnehmen und die durch ihre vier Thürme und die alte Warte einen wahrhaft imposanten Anblick gewähren. Mit dem auf Marmorsäulen ruhenden Gewölbe des Grafensaals neben dem Markgrafenthurm beginnt eine ansehnliche Zimmerreihe, darunter die Räume der Bibliothek, die königlichen Gemächer und Säle. An diese Bauten grenzt die alte Warte und der sogenannte Bischofsthurm, der höchste der ganzen Burg. Von da zieht sich der Schloßtheil der Königin, überragt von dem Kaiserthurme und dem durch die Kolossalstatue des Erzengels Michael und die Pracht des Baues ausgezeichneten Michaelsthurme, bis zur katholischen Burgkapelle. Neben dieser hat das Pulvermagazin seinen Platz, und der Burggarten schließt den Hof ab. In der Mitte desselben breitet eine uralte Linde ihre riesigen Aeste aus; sie ist erst in der Gegenwart zu einem geschichtlichen Baume geworden, als König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen unter ihrer Blätterkrone die Erbhuldigung des Volkes seiner neuen „Hohenzollernschen Lande“ entgegennahm.

Auch der Anfang dieser Burg liegt im Dunkel der Sagenzeit, und gefällige Geschichtsforscher wühlten im Diensteifer für die „königliche“ Dynastie weit in die Jahrhunderte hinein, um die Wiege des Geschlechts in möglichst glänzender Umgebung zu finden. Es gelang ihnen wirklich, bis zu Antenor, einem Helden von Troja, vorzudringen. Wir lassen ihnen ihre Freuden und sind mit der Notiz zufrieden, daß man nicht weiß, wer den Grundstein dieses Bergschlosses gelegt hat. Die Gelehrten des Landes sehen hier sogar Spuren eines Römercastells. Erwiesen ist dagegen, daß zu Carl’s des Großen Zeit ein Graf Thassilo von Zollern lebte und um das Jahr 800 starb; er gilt als der erste mit Sicherheit bekannte Stammvater der Familie, und das Schloß seines Namens hat also damals schon gestanden. Es ritten tapfere Männer droben ein und aus. Thassilo’s Sohn oder Enkel Rudolf (I.) folgte dem Heerrufe des Königs Heinrich (des Städtebauers) gegen Hunnen und Wenden und erwarb sich hohe Ehren. Ein Urenkel desselben, Friedrich (Fridolin), soll um das Jahr 980 das Schloß erneuert und um mehrere Gebäude vergrößert haben. Wieder begegnen wir zwei Hohenzollernhelden im Jahre 1061: Burkard und Wetzel, die in einem Kriege zwischen den Herzögen von Schwaben und Zähringen bei Rheinfelden den Tod fanden. Burkard’s Sohn, Friedrich III., genannt Maute, war der unzertrennliche Gefährte des Kaisers Heinrich V. und machte sich um die Stadt Speyer so verdient, daß diese sein Bild und Wappen mit einem Platz im Dome beehrte. Ebenso tüchtig erwies sich sein Sohn Rudolf (II.). Er errang nicht nur im Turnier zu Zürich 1165 den Ehrenpreis, sondern trat im Kampfe der Welfen gegen den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen auf des Letztern Seite, und sein Schwert gab den Ausschlag in der Entscheidungsschlacht im Neckarthal bei Tübingen, wo am 6. September 1164 der Welfen Macht erlag. Ein bedeutender Zuwachs von Gütern war der Lohn für seine Thaten. Dieses Helden Sohn war jener Konrad, welcher durch seine Vermählung mit einer Erbgräfin von Vohburg, deren Hause das Nürnberger Burggrafenthum übertragen war, selbst Burggraf von Nürnberg und dadurch der Stifter der konradinischen oder fränkischen Linie des Hauses Hohenzollern geworden ist.

Dieser regelrechte Verlauf einer so wichtigen Erwerbung scheint jedoch dem Schicksal nicht gefallen zu haben; es ersann einen bedeutungsvolleren Gang, der von Sage und Dichtung vorgezogen wird. Darnach starb Burggraf Konrad frühzeitig und kinderlos, als die schreckliche Zeit des deutschen Interregnums (1256 bis 1273) sich ihrem Ende nahete. Dies herbeizuführen, war aber gerade des Grafen Eitelfritz von Hohenzollern eifrigstes Bestreben, und zwar führte er bei den deutschen Fürsten das laute Wort für den Grafen von Habsburg. Und als sein Wirken gelungen und Rudolf zu des Reiches Kaiser gewählt war, da eilte der Hohenzoller zu dem Habsburger, der eben vor Basel lag, um, der Erste, ihm die Kunde seines Glücks zu bringen. Aus Dankbarkeit belehnte der Habsburger den Hohenzoller sofort mit dem Burggrafenthum von Nürnberg –

„Und auf diesen Grund erbauet
Wuchs auch Zollerns Macht und Ehre,
Daß des Hauses Adler schauet
Nun vom Felsen bis zum Meere.“

Auf Burg Hohenzollern behielt die schwäbische Linie des Hauses ihren Sitz. Die ritterlichste Erscheinung aus demselben ist Graf Friedrich, genannt der Oettinger (weil er am Hofe des Grafen von Oettingen erzogen worden war), dessen unbändige Streitlust den Untergang der Bergveste herbeiführte. Nachdem derselbe mit allen seinen Nachbarn, fürstlichen und städtischen, in Fehden gelegen, versah er es, selbst die Gräfin Henriette von Würtemberg persönlich zu verletzen, ein Weib, das ihm einst in Liebe zugethan gewesen. Sie schwur ihm Rache und hielt Wort. Im Bunde mit Ulm, Rottweil und noch fünfzehn anderen Reichsstädten begann sie 1422 den Krieg, besetzte Hechingen und schloß die Burg Hohenzollern ein. Da wagten Haß und Liebe manchen kühnen Gang, denn während die erzürnte Gräfin viele Mannen vor den festen Mauern in den Tod führte, erstand den bedrängten Vertheidigern eine Beschützerin in dem „Mädchen aus der Steinlach“, Amasia von Mößingen. Die Liebe zu dem schönen Oettinger ließ ihr keine Ruhe, sie erfüllte sie mit dem Muthe, trotz aller Gefahren die Noth in der Burg zu lindern. Jede Mitternacht durchschritt [711] sie in langem, wallendem Gewande das Feindeslager, und Niemand vertrat der engelhaften Erscheinung den Weg. So versorgte sie lange Zeit die darbenden Kämpfer, bis endlich das irdische Wesen in ihr erkannt wurde. Der Engel der Burg lag in Ketten, und die hohe Veste fiel. Graf Friedrich suchte sich mit den Tapfersten seiner Schaar durchzuschlagen, gerieth in Gefangenschaft und begab sich, als er auf die Fürbitte der Markgräfin von Brandenburg die Freiheit wieder erlangt, auf eine Wallfahrt zum heiligen Grabe, von der er nicht zurückkehrte. Die stattliche Zollernburg aber ward von den Fäusten der Rache in einen Trümmerhaufen verwandelt, über welchen Würtemberg das Scepter ausstreckte.

Erst nachdem des Oettingers Sohn, Jost Nicolaus, wieder Herr des öden Berges und des Landes geworden war, beschloß er den Wiederaufbau der Burg. Derselbe begann im Jahre 1453, und zwar mit einer absonderlichen fürstlichen Feierlichkeit. Weil nämlich die Reichsstädte sich dem Bau alles Ernstes zu widersetzen drohten, so erschienen auf des Burgherrn Bitte zur Grundsteinlegung seine fürstlichen Freunde und Verwandten, der Erzherzog Albrecht von Oesterreich, die Markgrafen von Brandenburg und Baden und der Graf von Fürstenberg, mauerten mit silbernen Kellen und Hämmern den Grundstein und stellten dadurch die neue Burg unter ihren Schutz. Und weil die Fürsten einiger waren als die Städte, so mußten diese schweigen. Die meisten Bauwerke der heutigen Burg stammen aus jener Zeit.

Wie anderwärts begab es sich auch hier, daß um die Mitte des 16. Jahrhunderts das Wohnen in der Höhe nicht mehr nach dem Geschmack der fürstlichen Herrschaften war; dies widerfuhr auch jenem Eitel Friedrich (VI.), welcher, als das schwäbische Hohenzollern abermals in zwei Linien zerfiel, der Stifter der Linie Hechingen wurde. Er baute sich ein Schloß in der Hauptstadt seines Ländchens, während die Burg als starke Bergveste ihre weiteren Schicksale erwartete. Diese kamen mit dem dreißigjährigen Kriege. Die Schweden eroberten Land und Veste und übergaben Beides an Württemberg; letzterem entrissen es, und zwar durch eine damals sehr übliche List, die Kaiserlichen wieder, indem sie dem Commandanten einen, jedoch gefälschten Befehl seines Herzogs zur Uebergabe zustellten. Für die damalige Kriegskunst galt Hohenzollern für einen Punkt von so großer strategischer Bedeutung, daß Oesterreich mit einer jährlichen Summe von 5000 Gulden von dem Fürstenhause das Recht erwarb, jeder Zeit eine Besatzung daselbst halten zu dürfen. Bis zum Jahre 1740 hatte diese Besatzung über eine halbe Million gekostet, trotzdem übergab sie sich in diesem Jahre, beim Beginn des österreichischen Erbfolgekriegs, ohne Gewissensbisse an ein französisches Corps. Dennoch zog Oesterreich erst im Jahre 1798 seine Soldaten und seine Gulden von Hohenzollern zurück. Nachdem somit die Burg auch ihren kriegerischen Werth verloren hatte, stand sie nur noch als ein Alterthum droben, das der Fremde der schönen Aussicht wegen besuchte. Sie war ihrem gänzlichen Verfall bedenklich nahe, als endlich Preußens Könige die Blicke nach der Stätte ihres Ursprungs hinlenkten. Schon im Jahre 1826 begann man mit den nothwendigsten Arbeiten zur Erhaltung des noch Vorhandenen; die völlige Neugestaltung ist ein Werk der preußischen Krone, mit welcher die Hohenzollernkönige im Jahre 1850 ihre altersgraue Wiege schmückten.

So stehen wir wieder in der Gegenwart und wollen uns hier oben ihrer freuen. Wir begeben uns aus dem Hofe auf den Wall der Burg. Da man bei der Wiederherstellung derselben auch ihr altes strategisches Ansehen vor Augen gehabt zu haben scheint, so ist sie nach der neuesten Befestigungskunst mit Allem ausgestattet worden, was ihr Haltbarkeit versprechen konnte, mit Schanzen und Bastionen, Kugelpyramiden und Geschützen aller Art. Erst König Wilhelm gab der Burg den friedlichen Charakter eines Schlosses zurück. – Wir beginnen unsere Rundschau auf der östlichen Seite des Walls. Zu unseren Füßen liegt der sogenannte „Königsgarten“, die Schießstätte von Hohenzollern, weiterhin wölben sich die Kuppen der waldreichen Höhen und Berge der rauhen Alp hintereinander auf. Mitten aus dem Waldesgrün erhebt sich ein Felsenvorsprung, auf welchem das Kirchlein „Maria-Zell“ heraufleuchtet. Die Legende thut’s nicht anders, sie kann das Kirchlein nicht ohne ein Wunder auf den Fels gebaut sehen. Die Bequemlichkeitsliebe der Menschen hat dieses Haus der Maria unten im Thale aufrichten wollen, die Steine lagen fertig umher und die Stätte war für die Werkleute bereitet, – aber was geschieht? Nächtlicherweile fliegt leise eine Schaar Engel vom Himmel herab, trägt emsig die Quadern auf den Fels und mauert die Kirche fix und fertig auf –

„Und als in Rosenschöne
Erwacht des Tages Strahl,
Da hallten Glockentöne
Hernieder in das Thal.“

Ein frommer Hirte hat’s mit angesehen, sonst wären die lieben Engel wahrscheinlich um die Anerkennung dieser architektonischen Leistung gekommen. Was hat unser deutsches Volk Alles erleben müssen, um Blindheit und Seligkeit verwechseln zu lernen! Noch heute schwört die Gewohnheit auf die zwei Sprüche: „Die Liebe macht blind“ und „der Glaube macht selig.“ Wie manches Licht wird noch im Lande vergeblich verbrennen, bis man zu der Ueberzeugung kommt, daß der Glaube blind und nur die Liebe selig macht!

Entzückend ist der Blick nach Norden. Er umfaßt die mit allem Wechsel der Fruchtbarkeit geschmückte Ebene, die sich bis nach Hechingen hinzieht. Ueber diesem freundlichen Städchen, das sich hinter seinen Obstwald halb versteckt, erhebt sich ein Hügel, an dessen Abhange das Franciscanerkloster St. Lucien liegt, und über denselben reicht das Auge weit in das lachende Schwabenland hinein und erkennt in blauer Ferne den Rechberg und den Hohenstaufen. Es ist wirklich so, wie wenig auch diese beiden Namen neben einander passen.

Wenden wir uns gen Westen, so erfreut uns im Thale der Anblick vieler schmucker Dörfer, in denen der Friede den Wohlstand genährt hat, mitten aus seinem heitern Kranze von Baumgruppen blickt das Lustschloß Lindich hervor, und weit muß der Blick über das blühende Land eilen, bis er den Hintergrund findet, den der Schwarzwald mit blauen Streifen zieht und wo er den Kniebis zum äußersten Wächter gesetzt hat. Noch weiter erstreckt sich die Hochebene nach Südwesten hin; sie reicht über viele Ortschaften und den herrlichsten Scenenwechsel über Rottweil hinaus bis zu den steilen Höhen von St. Georgen; Wälder und Bergzüge mit stolz erhobenen Häuptern winden sich am Horizont hin, und über zwanzig badische Wegstunden scheut der Feldberg nicht, um mit seiner 4650 Fuß hohen Schneekrone seine Grüße herüber zu winken. Fast ganz Oberschwaben liegt vor dem königlichen Hohenzollern ausgebreitet; es war kein Wunder, wenn kühnen Heldengeistern auf dieser Höhe selbst eine Thronstufe nicht zu hoch erschien, um sie zu erschwingen.

Diese Thronstufe ist erschwungen; seit 160 Jahren haben sieben Hohenzollern sich die Königskrone von Preußen auf das Haupt gesetzt; das markgräfliche Gebiet von 500 ist zu einem Königreich von 5000 Quadratmeilen angewachsen, das in Europa zu den Großmächten zählt. Daß die Dynastie diese hohe Stellung nach ihrem tiefsten Fall von 1806 jetzt einnimmt, verdankt sie dem unermeßlichen Opfermuthe des Volks, des preußischen und des gesammten deutschen. Trotzdem haben Beide sich lange Zeit dafür wenig Dankes zu erfreuen gehabt; die Umtriebe der Diplomatie triumphirten über die treuen Völker, bis das in Europa aufgethürmte Unrecht zusammenstürzte und viele der erschütterten Throne auf die neue Gefahr hinwies, die aus den nationalen Wolken hervordrohten, aus denen ein neuer Jupiter seine gefährlichsten Blitze zog. Seitdem wandte die Politik der Hohenzollern sich wieder dem eigenen Volke zu, aber unbekümmert um die Sympathien der übrigen deutschen Stämme, die draußen vor seinen Grenzen stehen – mit dem Programm einer deutschen Nationalpolitik in den hochgehobenen winkenden Händen. –

Es war ein treuer deutscher Mann, der von der Hohenzollernburg, als sie noch im Verfalle lag, einst mit folgenden Worten schied: „Hinter jeder Wiege liegt ein Grab. Auf Aufgang folgt Niedergang. Auch der Stern der Hohenzollern vollendet einen Kreislauf nach ewigen Gesetzen. Verfallen ist das Haus der Ahnen, verfallen wird das Haus der Enkel, bedünke es auch den Erben, es sei für die Ewigkeit gebaut. Aber was länger dauert, als das Geschlecht und sein Haus, sind zwei Blätter in der Weltgeschichte mit der Ueberschrift: Deutschland, Preußen. Ich möchte nimmer ein König sein; aber wäre ich einer, so müßte in meiner Geschichtszeile jedes Wort von Thaten reden, von Großthaten, welche nach Jahrtausenden noch die Völker mit Festen feiern und gute Fürsten zur Nachahmung begeistern.“ – So sprach der Mann, aber wie selten werden solche Wahrheiten gehört.

Fr. Hfm.