Eduard Paulus über die Restaurierung der Johanniskirche in Gmünd, 9. Januar 1874
[88] Gmünd, 9. Januar 1874. Die schon seit mehreren Jahren in Angriff genommene Restauration der zur Hohenstaufenzeit erbauten (spätromanischen) St. Johanniskirche in Gmünd geht immer mehr ihrer Vollendung entgegen. Das Aeußere ist jetzt mit Ausnahme der Thüren vollkommen fertig und verfehlt nicht, auf jeden Beschauer eine ebenso wohlthuende als erhebende Wirkung auszuüben. Indem man bei der Restauration genau dem gegebenen Stile und dem an vielen Stellen noch erkennbaren ursprünglichen Plane folgte, wurde die Kirche ganz in dem edeln und reichentwickelten Geschmack der alten zu Ende des 12. Jahrhunderts errichteten Basilika wieder hergestellt, so daß es selbst für einen Kunstkenner nicht leicht sein dürfte, nunmehr das Alte vom Neuen zu unterscheiden, und doppelt muß derjenige erfreut sein, der den Zustand der Kirche vor ihrer Restauration kannte. Damals lagen das Hochschiff und die Seitenschiffe unter einem schwerfälligen Dache, die reichgeschmückten Wände der Kirche wurden durch spätgothische Fenster gewaltsam und unharmonisch durchbrochen, die Fenster des Oberschiffes waren ganz verdeckt, die meisten Seitenschiffe vermauert. Jetzt sieht man die Fensterreihe des Oberschiffs wieder ganz in der alten Schönheit, die reizenden Fenstergruppen der Seitenschiffe sind alle wider geöffnet, und die früher so sehr verunstaltete Schauseite (im Westen) prangt wieder in ihren eleganten Verhältnissen und hat ihren reichen Skulpturen-Schmuck aufs Beste ergänzt erhalten. Beim Niederlegen des ziemlich baufällig gewesenen gothischen Chores zeigten sich die Grundmauern der ursprünglichen halbrunden Abside; genau auf ihnen wurde die jetzige Abside aufgeführt, so daß das herrliche Gebäude nun völlig aus einem Geist und Gusse vor uns steht. – In gleicher Weise hat das Innere der sehr geräumigen Kirche durch die Restauration außerordentlich gewonnen; früher [89] war es mit Rokoko-Stuckaturen und Scheingewölben seltsam aufgeputzt, so daß man nur mit Mühe die schlanken Pfeilerarkaden des Mittelschiffs als die alten echten zu erkennen vermochte. Bei der Erneuerung fanden sich aber unter den Bretterverschlägen der Zopfzeit an sämtlichen Pfeilern die schönen mit Blätterranken umlegten romanischen Kämpfergesimse zum Glücke noch unversehrt vor. Auch sonst ist der nun wieder in der ursprünglichen feierlichen Beleuchtung wirkende Basilikenraum aller störenden Zuthaten entledigt. In die Schiffe werden im Laufe dieses Jahres schön bemalte flache Holzdecken, in den Chor Gewölbe mit Fresken auf Goldgrund eingezogen werden, so daß die St. Johanniskirche, wenn sie vollendet ist, nicht bloß ein prächtiger Schmuck der mit ehrwürdigen mittelalterlichen Kunstdenkmalen so reich gesegneten früheren Reichsstadt Gmünd, sondern des ganzen Schwabenlandes sein wird; und möchte doch die bis jetzt der Restauration, die ganz aus Gemeinde- und Privatmitteln ausgeführt wird, so lebhaft bewiesene Theilnahme, bis zur gänzlichen Wiederherstellung des bereits weit über die Grenzen unseres engeren Vaterlandes hinaus berühmt gewordenen Gebäudes vorhalten! Von Wichtigkeit ist, daß man bei Tieferlegung des Fußbodens der Johanniskirche auf die Grundmauern einer noch viel älteren Kirche stieß, jedenfalls das Aelteste, was bis jetzt in Gmünd zum Vorschein gekommen ist. Man fand nämlich zwischen den vierten und fünften Freipfeilern der jetzigen Kirche die 6 Fuß dicke westliche Grundmauer der urältesten Kirche und 100 Fuß davon östlich, im Chor der jetzigen Kirche, die Grundmauer ihrer halbrunden Abside. Dr. Paulus. |
Anmerkungen (Wikisource)
In seinem Buch Aus Schwaben (gemeinsam mit dem Illustrator Robert Stieler) würdigt Paulus 1887 den Turm der Johanniskirche: „Weiter, weiter, vorüber nun im Geisterflug, in der Vollmondnacht, an den Ruinen Rauber und Teck und der nach der Sage von einem Riesen gebauten des Reißensteins, so waghalsig ist die Burg auf die Felsen gestellt; vorüber an Hohen-Staufens urkahlem Gipfel, an der ausgebrannten Burgruine Hohenrechberg, an der alten Kaiser- und Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, deren Mauertürme und Kirchenschiffe hoch und breitlastend hinaufsteigen, Herolde mittelalterlicher Herrlichkeit. Der Turm der Johanniskirche zu Gmünd, freistehend, nach oben achteckig, und ganz von Stein, stammt aus der Zeit der späteren Hohenstaufen, erscheint mit seinen vielen klotzigen und trotzigen Bildhauereien wie eine Verkörperung des sich auflehnenden deutsch-germanischen Geistes gegen Verwelschung und Pfaffenhochdruck, so abenteuerlich, unordentlich wild, halbheidnisch sind alle diese Steinbilder an ihm.“ (Seite 178 auf Commons).