Ein Ausbruch des Aetna

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Titel: Ein Ausbruch des Aetna
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 215–216
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[215] Ein Ausbruch des Aetna. Unser Mitarbeiter August Schneegans, deutscher Konsul in Messina, unsern Lesern durch die jüngst veröffentlichte Erzählung „Speranza“ wohlbekannt, hat unter dem Titel: „Bilder aus Siciliens Natur, Geschichte und Leben“ eine überaus lebendige, nach allen Seiten hin möglichst erschöpfende Schilderung der Insel gegeben: selbst die Beziehungen deutscher Dichter zu derselben fehlen nicht, wie die Abschnitte: „Goethe in Messina“ und „Schiller’s sicilianische Dichtungen“ beweisen.

Die Darstellung des letzten Ausbruches, durch den der sicilianische Feuerberg die Anwohner in Schrecken setzte, gehört zu den Glanzstellen des Werkes. Am 18. Mai 1886 hatten die Mitglieder der deutschen und schweizer Kolonie in Messina einen Ausflug auf die von Nordwesten die Stadt umkränzenden Pelorischen Berge unternommen. Es lag nämlich ein deutsches Kriegsschiff im Hafen, und den Officieren der kaiserlichen Marine galt dieses Bergfest. „Als wir den höchsten Gipfel, auf dem sich eine unvergleichliche Rundsicht über die Meerstraße von Messina, das Tyrrhenische Meer und die Liparischen Inseln eröffnet, erreicht hatten, und ich unsern Gästen weit im Süden die über die wildzerrissenen Felskrater der sicilischen Berge herabblickende schneebedeckte Pyramide des Aetna zeigte, siehe da, welch wunderbar unerklärliches Schauspiel bot sich unsern Blicken dar! Aus seinem Gipfel stieg plötzlich eine immer höher und höher zum Himmel emporstrebende Rauchsäule; nicht die weißen wolkenähnlichen Aetnadämpfe waren es, die so leicht und ruhig dem [216] Krater entquellen und wie lichte Schaumwellen um seinen Rand sich hinlegen; schwarz, dickqualmend schoß es empor, gerade in die Höhe, immer weiter, immer weiter, daß das Auge staunend und fragend auf dem seltenen Naturschauspiel haften blieb. Hoch oben endlich vertheilte sich die Rauchsäule nach allen Seiten in die Runde, pinienförmig, wie ein ungeheurer Wolkenschirm. Das war der Ausbruch! Der Hauptkrater des Aetna spaltete sich plötzlich mit ungeheurem Getöse und schleuderte Rauch, Asche, glühende Steine in die Luft. Bei Beginn der Nacht hörte die Thätigkeit plötzlich wieder auf; kein Rauchwölkchen zeigte sich; eine schwüle Stille lagerte über dem Berg. Die Bevölkerung eilte in die Kirchen; die Kranken wurden auf die Straße getragen; winselnd und heulend liefen die Hunde umher; zitternd mit zur Erde gesenktem Kopf blieben Pferde, Maulthiere, Esel wie gebannt auf dem Flecke stehen, wo ihr Führer sie verlassen hatte. Da plötzlich, spät in der Nacht, kam das angstvoll Erwartete; begleitet von gewaltig dröhnendem, unterirdischem Donner erfolgte ein Erdstoß; alle Mauern wankten; zugleich blitzte ein jäher Feuerschein auf – das war Lava.“

Ein neuer Krater hatte sich aufgethan, oder vielmehr eine Kraterkette; sieben Oeffnungen hatte die Gewalt der ausbrechenden, die Erdkruste zerberstenden Dämpfe in die Flanke des Berges gerissen, sieben lavaspeiende, kettenförmig von Nordnordost nach Südsüdwest an einander gereihte Auswurfstrichter, die mit Donnergetöse sich Luft machten durch die alte Lava und durch das derselben als Basis dienende quarzige Urgestein hindurch. Später flossen meist diese Krater in einander, und als Schneegans am fünften Tage nach dem Ausbruche den Aetna besuchte, da ragte der neugebildete Kegel wie eine Pyramide von flüssigem Golde in den schwarzen Nachthimmel hinein, fast durchsichtig, möchte man glauben, mit gluthrothen Adern durchwebt.

„Auf dem Krater steigt eine Feuersäule auf, die ungeheure Felsmassen emporschleudert, bald gerade in die Höhe, bald sie in Garben rings umher streuend. Von Minute zu Minute hört man im Innern des Kegels ein ungeheures Getöse, ein Heulen, Dröhnen, Zischen, als sollte der ganze Berg aus einander bersten, und aus dem Krater schießt es golden blitzend hervor, von riesigen glühenden Felsblöcken … Nun quillt es über den Rand des Kegels, die rothe Lava überschäumt den Krater und schießt wie ein Strom aus lauter Diamanten und Rubinen an den steilen Wänden herab.“

Eben so lebendig sind die Schilderungen des Lavafeldes, der langsam heranrückenden Lava. Doch Schneegans vergißt nicht über der farbenreichen Darstellung der Vorgänge des Naturlebens auch über die eigenthümlichen Volkssitten zu berichten. An allen Straßen der Dorfschaften, die sich den Berg heraufziehen, stehen die Kirchen offen; brennende Kerzen umflimmern den Altar, auf den Stufen liegen und knieen betende Männer und Frauen. Dann nahen die Heiligen; geleitet von einigen im großen Kirchenornat voranschreitenden und von Chorknaben in weißer Tunika bedienten Priestern, tragen Männer von Nicolosi die Bilder der Heiligen um ihren Stadtbann herum; auf hohem Gerüst, von den Kirchenfahnen umfluthet, stehen die Bilder; hinter ihnen folgt die betende Menge, die Mützen in der Hand. Dann aber erscheint der mit zwei weißen Rossen bespannte erzbischöfliche Wagen; drei Priester sitzen darin; in ihren Händen ruht der Schleier der heiligen Agathe. Und Alles fällt auf die Kniee und lautlose Stille lagert sich über der Menge, und im Donnern des tobenden Berges und im Wiederschein des flammenden Feuers geht die wunderthätige Reliquie weiter.

Diesmal that dieselbe ihre Schuldigkeit: die allmählich nur noch stoßweise arbeitende Gewalt des Ausbruchs erlahmte; die Lava floß langsamer und erstarrte gänzlich nach einigen Tagen.

So ist in den anziehenden Reisebildern von Schneegans die Naturschilderung mit dem Sittenbild aus dem Volksleben aufs glücklichste verwebt.