Ein Landschaftsbild bei Colombo auf der Insel Ceylon
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Wir haben die Schlösser der Könige und die Mausoleen ihres Staubes gesehen und die prächtigen Paläste betrachtet, wo die Fürsten des Geldes ihre prunkenden Feste halten. Wir haben, von der glänzenden Außenseite unbeirrt, tiefe Blicke in das Leben der Mächtigen geworfen und Das, was aus der Ferne neidenswerth erschien, hat öfters unser Mitleid erregt; wir haben die Fürsten des Geldes an die Börse begleitet, und ergründet ihr Dichten und Trachten: und oft hat sich zum Mitleid die Verachtung gesellt! Wie oft sahen wir dieses Papiervolk zusammenfahren bei dem leichtesten Zucken eines gefesselten Volkes; wie oft es erbeben in seinem Glauben an die Kanonen der Gewaltigen, wenn ein Arm der Verzweiflung sich dagegen erhob; wie oft als Schleppträger jeglicher Tyrannei aus goldenen Pokalen der Unterdrückung Toaste bringen, und Freude äußern über eine niedergeworfene Freiheit, oder ein aufgehobenes Volksrecht! O diese Helden des Kurszettels sind meistens gar arme Leute bei ihren vollen Säcken und selten findet man unter ihnen glückliche Menschen! –
Glücklich ist nur der Zufriedene; und zufrieden ist nur Derjenige, welcher gut ist – und mit Kraft, Anstrengung und Selbstaufopferung um des Guten willen Menschenwohlfahrt befördert. Dazu gehört nicht Mächtigseyn und nicht Reichseyn. Nein! auch in der einfachen Wohnstube, im engen Kreise des häuslichen Lebens, in Euren Werkstätten werdet Ihr wahrhaft zufrieden und glücklich seyn, sobald Ihr wollt. Glücklich und zufrieden ist der Hausvater, der sein Haus zum Tempel der Liebe und Eintracht macht, der Tugend und Gottesfurcht übt und ein Beispiel gibt durch Arbeit, Handeln und Gesinnung, der Nachahmung werth. Glücklich und zufrieden ist das Weib, [125] das seines Gatten Last und Kreuz treulich mitträgt, in sein sorgengefurchtes Antlitz Frieden lächelt und seine Kinder der Wahrheit, der Tugend, der Ewigkeit erzieht: glücklich und zufrieden ist Der, welcher sich selbst erlaubten Genuß entzieht, um an die Stätten des Jammers, des Hungers und des Elends Labung, Erquickung und Hülfe zu bringen. Mehr glückliche Herzen schlagen unter dem Kittel, als unter dem Purpur; und viel zufriedener, viel besser ist oft der Laie, denn der Priester, der von seiner Rednerbühne mit kalten Worten Tugend, Entsagung und Weltverachtung predigt.
Aber auch jene friedlichen Völker in einer paradiesischen Natur, wo das, was der Mensch zum Leben braucht, ihm bei der wenigsten Mühe in den Schooß fällt, sind, obschon im andern Sinne, glücklich und zufrieden zu nennen. Das goldene Zeitalter, welches solche Zustände für die ganze Menschheit umfaßt, liegt zwar weit von uns weg in sagengrauer Ferne; doch gibt es noch manches Paradies auf Erden, dessen Pforten kein Engel mit dem Flammenschwerte hütet, und noch gibt es Menschen, die in solchem Eden ein Daseyn führen, kaum anders, als es das erste Buch der Genesis schildert.
Als ein Eden aber wird die Insel Ceylon von allen Reisenden geschildert. Auf dieser Insel vereinigt ein einziger Baum schon Alles, was der Eingeborne zu seinem Daseyn braucht. Wäre er mit seiner Kokospalme allein auf seiner schönen Erde, er würde mit den Seinigen zufrieden leben können. Dieser Baum gibt ihm nicht bloß Speise und Trank, er gibt ihm auch Kleidung und Obdach. Haben nämlich die Palmen ihre Tragfähigkeit verloren (was nach dem siebzigsten Jahre geschieht), so baut er sich vom Stamm seine Hütte und bedeckt sie mit ihren Blättern. Aus der Rinde schnitzt er sich Geräthe; mit den Blattstielen hegt er Feld und Garten ein; aus dem Baste dreht er Seile und Schnüre; die kleine Hängematte, in der er sein Kind schaukelt, ist aus den Fibern der äußern Fruchtschale geflochten. Die feste Hülse der Nuß gibt ihm zierliche Becher und Löffel, und sein Mahl aus geschabter, oder geriebener Kokosnuß bereitet er beim Feuer, zu den die Hülse den Brennstoff liefert. Er fischt mit Netzen aus der innern Faser der Rinde, und ein angezündeter Palmenstiel ist die Fackel, die ihm leuchtet. Sein Kahn ist ein ausgehöhlter Stamm; Thüren, Fensterrahmen, Simse, seine Bänke und Tische, die Rinne unter der Dachtraufe, die Röhre, die ihm Quellwasser zuführt, – sind aus demselben Material. Dürstet ihn, so trinkt er den frischen Saft der jungen Nuß; hat er Hunger, so verzehrt er den weichen Fruchtkern. Will er sich erheitern, so schlürft er ein Glas Palmenwein; und bei seinen Tänzen und seinen Festen kreis’t der Pokal, gefüllt mit Arrak, den er aus dem gegohrnen Saft der Palme bereitete. Mit Essig aus demselben Stoff würzt er seinen Kurry, [126] Kokoszucker und Kokosmilch geben dem Kaffee die nöthige Süße und Milde; Kokosöl füllt seine Lampe, gibt das Schmalz für seinen Kohl aus jungen Palmblättern, ist ihm, wenn er krank wird, Arznei; und stirbt er – so schließt ein Sarg aus Palmenholz seine Hülle ein, und über seinem Grabe im Palmenschatten hängen seine Lieben Kränze auf von Kokosblüthen, um die bösen Geister fern zu halten. –
Nichts Idyllischeres als die Wohnplätze der Eingebornen Ceylons. Sie erscheinen viel freundlicher und sauberer, als die der Hindu auf der indischen Halbinsel, vor denen sich der Ceylonese auch durch höhere geistige Anlagen und Liebenswürdigkeit des Benehmens vortheilhaft auszeichnet. An jede Hütte stößt ein Gärtchen mit einigen Kokospalmen und ein Stück eingehägtes Feld, daß mit Kaffee, Bataten, Reis, Areka, Tabak u. s. w. bepflanzt ist. „Es war Mittag“ – erzählte mein Gewährsmann, – „die Sonne glühte über der stillen Landschaft in unbewölktem Glanze. Neben der Hütte saß unter einem Brodfruchtbaum der Eigenthümer im weißen, leichten Kalikokleid. Betel kauend träumte er vielleicht von der Seligkeit des Buddhistischen Paradieses. Die Frau bereitete an einem offenen Heerde das einfache Mahl, und neben ihr kauerten zwei Mädchen, welche zierliche Matten aus Palmenbast flochten, während die Kleineren, zwei Knaben, sich auf dem Rasen tummelten. Tiefe Schatten der hohen Palmen umhüllten die ganze Scene; kein Lüftchen regte sich, kein Blatt zitterte. Die langen Halme des jungen Reises ragten über die Umzäunung und glänzten wie polirtes Silber. In den Gebüschen der duftenden Areka zwitscherten buntgefiederte Kolibri’s und ein Paar Paradiesvögel wiegten sich auf einem Kaffeebaume, dessen Zweige mit den rothen kirschenartigen Früchten beladen waren. Am Fuße der Anhöhe, auf der die Hütte lag, rieselte ein Bach durch einen mit Schilf und Binsen bewachsenen Grund; dort hatte sich die kleine Büffelheerde des Besitzers gelagert, die Kühle des Sumpfes genießend. Große goldige Käfer hingen müde an den Büschen; bunte Tagfalter flatterten um die nickenden Blumen; jenseits des Thals aber zog sich ein prächtiger Gürtel von Hochwald um eine Bergkuppe, wo auf grauer Felszinne die Trümmer eines Kastells sichtbar waren, letztes Zeichen einer Herrschaft, die mit der Eroberung der Insel durch die Britten verschwand. In geringer Entfernung umzog eine niedrige weiße Mauer eine Pflanzung im größern Maßstab, wohl 3 bis 400 Morgen groß, und zur Seite der stattlichen Wohnung breitete ein ganzer Hain von Palmen seine Fächerkronen aus. Ich ging hin, um sie zu besehen. Die Nähe erhöhte noch die wunderbare Schönheit. Die Palmen waren reihenweise in gleichen Abständen gepflanzt und bildeten Säulenhallen von unbeschreiblicher Pracht. Ich lustwandelte in dem Schatten ihrer langen Blätter und sah sie dicht behangen mit goldig-grünen Früchten in jedem Stadium des Wachsthums. Blüthen hingen in traubenähnlichen Büscheln rings um das obere Ende der Stammsäule, die reichsten und zierlichsten Kapitäler bildend; an andern sah ich einen Kranz von gelben, großen Nüssen, an noch andern unreife, grüne Früchte, [127] oft so dicht, daß sie den obern Theil des Stammes und einen Theil der Blätterkrone ganz umhüllten. Ich versuchte die Anzahl der Früchte an einigen Palmen zu zählen; ich zählte fünfzig, achtzig, hundert – ich wurde irre, und viele, viele blieben ungezählt. Den herrlichsten Anblick gewährten Blumenbüschel, die eben ihre Scheide geborsten hatten, und die frischen, silberweißen Blüthen herausdrängten. Man kann sich nichts Lieblicheres denken“. – Der Jahresertrag einer Palme ist durchschnittlich 80 Nüsse. Sie bringt im 11. Jahre die ersten Früchte und trägt dann 50 bis 60 Jahre ohne Unterbrechung. Ein einziger Feind schmälert zuweilen den Ertrag; Eichhörnchen sind nach den halbreifen Nüssen und nach den Blüthenknospen lüstern und werden darum von den Eingebornen so beharrlich verfolgt, wie die Sperlinge von unsern Landleuten. – Ceylon ist auch das Vaterland des Zimmts und das einzige Land der Erde, wo der Anbau dieses kostbarsten der Gewürze im Großen Statt findet. Er wird an sanften, nach Süden offenen, eine reichliche Bewässerung zulassenden Abhängen gezogen, am häufigsten in der Gegend von Kadwari; denn der Zimmtstrauch erfordert zu seinem Gedeihen die Hitze einer glühenden Sonne bei immerwährender Feuchtigkeit. Nur die jungen Schößlinge geben die Rinde, welche wir als Zimmt verbrauchen; man schneidet sie, wie bei uns die Weiden zum Korbflechter:, alle zwei Jahre ab, und wiederholt dies so lange, als die Wurzel Kraft behält, eine große Zahl neuer Schößlinge zu treiben. Läßt diese nach, so rottet man sie aus und bepflanzt die Zimmtgärten mit neuen Stecklingen.
In den früheren Zeiten waren Anbau und Zubereitung des Gewürzes in den Händen einer besonderen Kaste, der Tschalia’s. Dies ist nun theilweise anders, weil unter der britischen Herrschaft der Anbau frei gegeben wurde. Nur die Zubereitung der Rinde ist noch vorzugsweise in den Händen jener Kaste, da sie Handgriffe und die Gewandtheit beständiger Uebung erfordert. Sie durchziehen zur Zeit des Schnitts das Land in Gesellschaften von 12–20 Personen und werden von den Zimmtpflanzern tageweise gedungen. Sie schneiden in den Morgenstunden die Schößlinge und binden sie in Bündel, um sodann den Rest des Tages sich mit dem Schälen zu beschäftigen. Zum Abstreifen der Rinde dient ein kleines Messer mit hohlrund geschliffener Klinge. Zuerst spaltet man die Rinde der Länge nach von einem Ende zum andern auf; dann bringt man die hohlrunde Schneide zwischen Rinde und Holz, und streift erstere ab. Auf diese Weise wird die Schale in langen Streifen gewonnen. Ist die Schälung vollendet, so wird die Rinde von allen Bast- oder Holztheilchen durch Schaben gereinigt und nach Farbe und Stärke sortirt, immer drei Stück zu einer Röhre zusammengerollt und auf ausgespannten Tüchern im Schatten getrocknet. Später werden sie noch auf leichten Holzrahmen ein oder zwei Wochen unter Schuppen ausgelegt, sodann abgewogen und in Kisten als Waare verpackt.
Alle diese Arbeiten geschehen unter der Aufsicht der von den Arbeitern selbstgewählten Obern, und ihrer Autorität zollt Jeder unbedingte Unterwerfung. Unordnungen, Fahrlässigkeiten und Veruntreuungen sind fast unerhört. – [128] Das Zimmtöl wird nur aus den Abfällen und den Rindstücken bereitet, welche zu dick sind, um als Gewürz Verwendung zu finden. Je feiner und dünner die Rinde ist, je höher ist sie zu schätzen.
Es ist leicht sür die Bewohner Ceylons, durch Anbau dieses kostbaren Gewürzes und durch Kaffeepflanzungen, die geringer Pflege bedürfen, zu Wohlstand, selbst zu Reichthum zu gelangen; doch nur Wenige haben Verlangen darnach und noch Wenigere suchen ihn zu erstreben. Die bei weitem größere Zahl ist bei der mühelosen Befriedigung ihrer einfachen Bedürfnisse froh und zufrieden und verachtet die Schätze, die Diejenigen so selten glücklich machen, welche sie besitzen.