Ein St. Georg des preußischen Landtags

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Titel: Ein St. Georg des preußischen Landtags
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 136–137
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[132]

Eduard Lasker.

[136] Ein St. Georg des preußischen Landtag. (Mit Bildniß. S. 132) „Und da sitzt mein lieber Freund Lasker. Ich kann wirklich mit Falstaff sagen: ‚Der Junge hat mir einen Trank eingegeben, daß ich ihn so liebe; es kann nicht anders sein, er hat mir einen Trank eingegeben.‘ Mit wahrer Vaterfreude habe ich gesehen, daß er mich bald überragt, und jedesmal wenn er muthig sich hineinwagt und von allen Seiten angegriffen wird, fühle ich in mir den Aufruf ihm beizustehen, was ich aber seinen Fractionsgenossen überlassen muß. Brächte ich ihn heraus, würde ich mir vorkommen wie der alte Talbot, der seinen wackeren Jungen, den John, aus der Schlacht bringt und ihm zuruft:

Als Du vom Helm des Dauphin Feuer geschlagen,
Da ward mein Vaterherz emporgetragen
In stolzer Siegesbegier!

Meine Herren! Der Fink hat wieder Samen. Wir sind noch obenauf, wir sind im Siege, denn die Gegner haben einen großen Theil dessen ausführen müssen, was wir seit länger als einem Menschenalter erstrebt haben; es ist wesentlich unser Werk, und jene jungen Männer und ihres Gleichen werden die Zukunft weiter gestalten, und das deutsche Reich mit organischen Einrichtungen zur Sicherheit, Ehre, Cultur und Wohlfahrt ausfüllen, daß der Deutsche mit Stolz überall sagen wird: ‚ich bin ein deutscher Bürger‘, und daß dieser überall Respect finden wird. Dabei will ich den jungen Freunden einen Rath ertheilen: erfüllen Sie sich etwas mit dem wilden Muthe und Selbstvertrauen des Junkerthums! Glauben Sie mir, daß, wenn es Sr. Majestät beliebte, einem märkischen Junker, der nie eine Note gekannt, zu schreiben, er solle kommen und das Generaldirectorat der Musik übernehmen, der Gerufene käme, das Amt übernehme und durchführte. Ebenso die Intendanz der Schauspiele, der Museen etc. Warum soll man nicht Handelminister sein können [137] wenn man als Junker Pferd, Kuh, Getreide gekauft und verkauft? warum nicht landwirthschaftlicher Minister, wenn man Weizen und Hafer unterscheiden kann, oder Finanzminister, wenn man seine Hausrechnungen in Ordnung gehalten?

Ich scherze nicht, nur immer Selbstvertrauen, dem Muthigen gehört die Welt!“

So sprach der alte Ziegler am vierten Februar bei dem Festmahl, das seine Freunde und Kampfgenossen ihm zu seinem siebzigsten Geburtstag veranstaltet hatten. Und so tief hatte „John“ des „alten Talbot“ Rede sich zu Herzen genommen, daß er schon drei Tage darnach abermals mit seinem scharfen Schwerte Funken aus hochgetragenen Helmen schlug „in stolzer Siegesbegier“ und so siegreich, wie nie zuvor.

Unsere Leser wissen, daß wir damit Lasker’s dritthalbstündige Darlegung und vernichtende Kritik des Eisenbahn-Concessionswesens meinen, durch welche er mit tapferer Hand eine für die preußische Beamtenehrenhaftigkeit entsetzliche Modergrube aufgedeckt und Personen von allbekanntem Einfluß entlarvt hat. Das öffentliche Urtheil ist, nach dem Ausspruch aller freisinnigen Organe, schon lange indignirt durch die Stellung, welche man den Geheimrath Wagener einnehmen ließ. Hat man es doch dem König ganz besonders Dank gewußt, als derselbe sich Wagener als Berather und vortragenden Cabinetsrath verbat. Das ganze Land verlangt von der Regierung jetzt strenge persönliche Untersuchung.

So sind denn Wirkung und Tragweite dieser parlamentarischen That ganz außerordentlich. Das verbreitetste Blatt Preußens, die „Volks-Zeitung“, weist namentlich auf die in einem braven Manne concentrirte Würde der Volksvertretung hin, die in ihm ihren Beruf documentirte, das höchste Culturgut eines Volkes, die gesellschaftliche Sittenreinheit vor der ekeln Wurmgestalt der Corruption zu wahren. Um den Höhepunkt des hierin Geleisteten nur zu markiren, heben wir die Heldenworte Lasker’s hervor: „Ich habe von gegnerischer Seite Zuschriften mit der Drohung erhalten, man werde meine politischen Freunde compromittiren, so großen Scandal als möglich machen und dafür sorgen, daß möglichst viele mit hineinfallen. Ich habe dieser Drohungen gespottet. Wer ein gutes Gewissen hat, braucht sich um solche Dinge nicht zu kümmern, und sollten sich unter die anständigen Männer solche geschlichen haben, die nicht dahin gehören, dann heraus mit ihnen! Die gute Gesellschaft stößt sie aus, sie sind vergessen, und die Volksmoral bleibt unverletzt. So lange sie als heimliches Gift noch in der anständigen Gesellschaft sitzen, schaden sie, darum – ausscheiden!“

Wir wiederholen: ein parlamentarischer Sieg von größerer Wichtigkeit ist noch selten erfochten worden. Um so mehr beeilen wir uns, den Mann dieser That unseren Lesern einstweilen im Bilde vorzustellen. Eduard Lasker, das richtige Berliner Kind, steht jetzt im dreiundvierzigsten Jahre, also im kampfrüstigsten Mannesalter. Wir brauchen uns deshalb nicht mit ihm zu übereilen, sondern können eine ausführlichere Biographie und Charakteristik desselben uns für eine spätere Zeit und Gelegenheit vorbehalten.