Ein deutscher Theaterintendant

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Titel: Ein deutscher Theaterintendant
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 367–368
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[367] Ein deutscher Theaterintendant. In den „Venetianischen Epigrammen“ singt Goethe von seinem Weimar:

„Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine;
Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag.
Aber so wende nach innen, so wende nach außen die Kräfte
Jeder; da wär’s ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu sein.

Und was Goethe von dem weimar’schen Lande singt, das gilt noch heute von dem weimar’schen Theater, dessen Leiter August Friedrich Freiherr von Loën am 28. April dahingeschieden ist. Wir haben ein Bild und eine gedrängte Charakteristik des tüchtigen Mannes bereits früher gegeben (Jahrg. 1884, S. 381); heute müssen wir des obigen Spruches gedenken, denn mit den mäßigen Mitteln der weimar’schen Bühne hat er der Kunst Ersprießlicheres geleistet, als manche größere Hofbühne, der zu wünschen wäre, daß sie so „nach innen und außen“ die Kräfte wenden möchte.

Daß aber ein Theaterleiter litterarische Bildung besitzen muß, auch ein Hoftheaterintendant, wenn er mehr leisten will, als einen Sport für das Amüsement der Hofkreise zu bieten, wenn er aus der Hofbühne zugleich eine edlere Volksbühne herausgestalten will: das bewies Loën durch seine Theaterleitung, bei welcher er den engen Zusammenhang mit schöpferischen Kräften der neuen Dichtkunst und Musik stets zu wahren wußte, in denen er mit Recht das Trieb- und Schwungrad des ganzen Theaterwesens erblickte. Daß er aber die weimar’sche Bühne zu einem solchen Mittelpunkte zu machen verstand, dazu trug wesentlich seine Vertrautheit mit der neuen deutschen Dichtung und jene Bildung bei, die ihn selbst befähigte, gewandt und geistvoll die Feder zu führen.

Er ist zwar nicht, wie Laube und Dingelstedt, von dem Schreibpult zur Theaterleitung berufen worden: er war Officier und hatte schon seine Jugend in Hofkreisen verlebt, da sein Vater in Dessau, wo der Sohn am 27. Januar 1828 geboren wurde, Oberhofmarschall war. Als Officier machte der junge Loën den Feldzug in Schleswig mit und wurde nachher Adjutant des Erbprinzen von Dessau. Doch schon in dieser militärischen Stellung veröffentlichte Loën seinen ersten Roman „Bühne und Leben“, der warm für die idealen Bestrebungen des mit intimer Kenntniß gezeichneten Theaters eintrat und sich gegen den Schwindel auf jedem Gebiete des Lebens und der Kunst erklärte. Dabei war der Roman, wie auch Loën’s spätere Domäne, z. B. „Verloren und nie besessen“, in feinem Goethisirenden Stil geschrieben und enthielt viele schöne Gedanken in klarer Form. Als daher Loën an Stelle des nach Wien an das Burgtheater berufenen Dingelstedt 1867 die Intendanz des weimarschen Hoftheaters erhielt, da fielen bei einem litterarisch gebildeten Hofe seine schriftstellerischen Leistungen ebenso ins Gewicht wie seine Stellung als Kavalier und Officier, und man kann von ihm nicht sagen, wie von Hülsen, daß er direkt von der Kaserne aus an das Steuerruder eines Kunstinstituts berufen worden sei.

Seiner Direktion hat man in erster Linie die Aufführung der beiden Theile des Goethe’schen „Faust“ in der Devrient’schen Bearbeitung und die Veranstaltung eines Cyklus von Wagner-Opern nachgerühmt. Durch diese künstlerischen Thaten wurde allerdings ein großer Zustrom von Fremden nach Weimar gelenkt; aber in solchen äußerlichen Glanzpunkten, die man gleichsam als Knalleffekte bezeichnen könnte, sehen wir nicht das Hauptverdienst der Loën’schen Direktion, sondern in der steten Pflege des künstlerischen Geistes, welche die an der klassischen Stätte in Weimar doppelt weihevollen Aufführungen der klassischen Dichtungen bewiesen, unter denen auch manche Goethe-Reliquie zum ersten Male in theatralischer [368] Fassung erschien, sowie in der muthigen Initiative, mit welcher die Werke jüngerer talentvoller Poeten von ihm an das Licht der Prosceniumslampen gefördert wurden. Loën hatte als Kritiker und jahrelanger Mitarbeiter der „Blätter für litterarische Unterhaltung“, noch mehr in einer Reihe von Aufsätzen in der „Leipziger Zeitung“, in denen er besonders Portraits der hervorragenden Schriftsteller der Gegenwart entwarf, kritischen Scharfsinn und Feingefühl in der Auffassung dichterischer Eigenart bewiesen, so daß er nicht wie viele andere Intendanten und Direktoren auf die Empfehlungen der Theateragenten und die Reklame, die sich an erfolgreiche Aufführung von Stücken an anderen Bühnen anknüpft, angewiesen war, sondern die neuen Dichtungen selbständig prüfen und Werthvolles seiner Bühne aneignen konnte. So ging er oft den andern Theatern voran mit der Vorführung von Dramen, die zum Theil die Runde über die andern Bühnen machten, zum Theil in Weimar einen Achtungserfolg davon trugen, der die Wahl seitens des Intendanten rechtfertigte.

In allen jenen Gesellschaften, die in Weimar ihren Sitz haben, der Shakespeare-Gesellschaft, der Schiller-Stiftung, der neubegründeten Goethe-Gesellschaft, hatte Loën eine einflußreiche Stellung im Vorstand; er war gleichsam der Großsiegelbewahrer der klassischen Heiligthümer, die in der Musenstadt Weimar für die Jünger und Forscher in den nachstrebenden Geschlechtern aufbewahrt werden.

Loën war nicht bloß ein Intendant, welcher eine den Hoftheatern feindselige Stimmung mit diesen zu versöhnen vermochte: er war auch ein edler, liebenswürdiger Mensch, im Sinne des Goethe’schen Ausspruchs: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ War er doch auch durch einen seiner Vorfahren, der ganz wie der Enkel sich schriftstellerisch thätig gezeigt, mit dem Altmeister von Weimar, dem Hohenpriester einer menschenfreundlichen Gesinnung, verwandt. †