Eine Reliquie von Theodor Körner

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Textdaten
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Autor: Dr. Wilhelm Schröder
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Titel: Eine Reliquie von Theodor Körner
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[288] Eine Reliquie von Theodor Körner. Eine solche befand sich auf dem alten Universitäts-Carcer in Leipzig, derjenigen alten Baulichkeit, welche bis 1834 die Stelle, wo jetzt das Augusteum (neue Universitätsgebäude) steht, bestens mit verunzieren half, andererseits jedoch für die ab und zu dort „eingesponnenen“ Musensöhne ein viel amüsanteres Receptaculum war als die jetzigen auf den innern Hofraum des Augusteums ausmündenden Carcer. Denn in den alten Nestern, deren Gitterfenster auf den freien Platz vor dem Grimmaischen Thore hinaus sahen, hatten die dort sitzenden Studios doch den Ausblick in’s Freie und die Erquickung des lieben Sonnenscheins, nicht zu gedenken der mannigfachen anderen tröstlichen Correspondenz in der Dämmerungsstunde, gepflogen mit theilnehmend nach dem Befinden und auch dem Bedürfniß (an Bier, Tabak, Wurst, Lectüre etc. etc.) dort oben sich erkundigenden Brüdern, Schwestern oder gar Freundinnen. Ueberhaupt waren die alten Carcer viel romantischer und gemüthlicher, schon durch ihr Alter und die sich daran knüpfenden Erinnerungen. Wer hatte hier nicht schon alles „gesessen“ in früherer Zeit, was theilweise noch die vielen, Jahrzehnte alten Inschriften und Gedenkverse an den Wänden und unter den in einsiedlerischer Muße mit Bleistift, Feder oder auch einfach durch in’s Tintenfaß eingestippte Zeigefinger ausgeführten Wandgemälde bezeugten. Traf es sich doch nicht selten, daß der „sitzende“ Sohn plötzlich ein solches Erinnerungszeichen von seinem einst hier ebenfalls seßhaft gewesenen Vater vorfand. Und nun erst jene Wandgemälde selbst, humoristischen, grotesken, tragikomischen Inhalts, zum Theil sogar kunstgerecht in Wasserfarben al fresco ausgeführt, wie das famose „Marius auf den Trümmern von Carthago“, in Schlafrock, Unterhosen, Cerevis, mit langer Quastenpfeife und leerem Bierglas in der Rechten, dies wehmüthig anschauend, darunter die Worte:

„Die Liebe ist der Güter höchstes nicht –
Der Uebel größtes aber ist – der Durst.“

Wie gesagt, wer hatte nicht in längstvergangenen Tagen auf diesen selben Holzstühlen schon gesessen, vielleicht gar Lessing, Goethe, als Leipziger Studenten, wo nicht Leibnitz selbst, hier zuerst über seiner Monadenlehre brütend! Einen nachweisbar historisch merkwürdigen Stuhl der Art aber gab es dort wirklich noch zu meiner Zeit, und dieser eben ist die Reliquie, welche ich meine. Es war ein Stuhl, auf welchen Theodor Körner seinen Namen eingeschnitten, da er hier einst wegen eines als Corpsbursch der Saxonia in Connewitz ausgefochtenen Duells hatte „brummen“ müssen. Dieser Stuhl nun war von seinen nachfolgenden Besitzern so mit deren Namen bedeckt worden, daß für den meinigen, als ich 1831 dort auch einmal in silentiis kneipen mußte, kaum noch Platz war. Dennoch bin ich, gleich allen meinen Vorgängern, stolz, auch auf diesem Stuhl einst gesessen zu haben, und lasse hier deshalb die öffentliche Frage ergehen: wo in dieser Körner’sche Stuhl hingekommen? Liegt er zwischen anderem Gerümpel vielleicht mit auf einem der Böden des Paulinums? – Es wäre wenn wir „alten Burschen“ uns zur Octoberfeier dieses Jahres in Leipzig zusammenfinden, doch sicher eine Freude mehr, diesen für uns vorzugsweise historisch merkwürdigen Schemel als eine cara memoria dann bei der Festtafel mit eingereiht zu finden. Und ein würdigster Inhaber, vielleicht gar noch ein ehemaliger Studiengenosse Körner’s und selbst ein Lützower, der auf ihm Platz nähme, fände sich auch wohl dafür heraus unter den Festgenossen. Der könnte dann, doppelt berechtigt, als unser „Vorsitzender“ fungiren.

Dr. Wilhelm Schröder,
Verfasser des patriotischen Schauspiels
Studenten und Lützower (aus 1813).