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Eine Savannah in Mosquitia

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DCLXXXIX. Die Kapelle bei Morgarten in der Schweiz Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band (1852) von Joseph Meyer
DCLXXXX. Eine Savannah in Mosquitia
DCLXXXXI. Ein Landschaftsbild bei Colombo auf der Insel Ceylon
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SAVANNAH (MOSQUITO)

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DCLXXXX. Eine Savannah in Mosquitia.




Vom Fuße der Kordilleren bis zum Mexikanischen Meerbusen breiten sich jene Grasebenen aus, die unzähligen Rinderheerden zu Weideplätzen dienen, welche den Hauptreichthum dieser Landstriche ausmachen. Kein Hügel, keine Klippe erhebt sich aus diesen kulturlosen Flächen. Unabsehlich streckt sich die Steppe fort bis zu den Grenzen des Gebirgs, welches sie in blauer Ferne umfaßt. Freundlicher sind sie nur in der Nähe der Küste, wo der klare Meeresspiegel mit den leicht beweglichen, aufschäumenden und kräuselnden Wogen die Eintönigkeit des Bildes mildert.

Die Savannen in Mosquitia nehmen einen Raum von mehr als 800 englischen Geviertmeilen ein. Sie sind, wie die Prairien im Westen des Mississippithals, nicht ganz baumlos: Gruppen von Fächerpalmen und Baumfarren mit einigen Indianerhütten staffiren das weite Grasmeer. Die europäische Kolonisation hat sie noch nicht betreten. Nicht einmal die Anfänge eines geordneten Gesellschaftslebens sind unter den wenigen Indianern zu bemerken, die auf den Ebenen jagen. Sie leben im Urzustande, wie die ersten unseres Geschlechts. Kein behauener Stein, kein aufgeworfener Hügel, kein veredelter Fruchtbaum erinnert an den Beginn einer Kultur, oder an den Fleiß untergegangener Geschlechter. Den Schicksalen der Menschheit fremd und für die Gegenwart [123] noch ohne Beziehung und Interesse, liegen die Steppen dieses Erdwinkels da, mehr ein Schauplatz des Thier- und Pflanzenlebens, als ein Wohnplatz des Menschen.

Allerdings sind diese grasreichen Ebenen, die jetzt noch so verlassen sind, zum Anbau geschickt und zur Viehzucht vorzüglich geeignet. Aber keine der amerikanischen Menschenraçen hat es weniger verstanden, zu benutzen, was die Natur geboten, als die Ureinwohner von Mosquitia. Sie stehen noch auf der untersten, rohesten Stufe des Jägervolks. Sie werden untergegangen seyn, ehe sie die zweite Stufe – das Hirtenleben – betreten.

Um so freier entwickelten sich in diesen Einöden die mannichfaltigen Raçen der Thiere. Mehre Arten wilder Ochsen und Pferde, schöngefleckte Hirsche, gepanzerte Armadille, einige Species des Katzengeschlechts, riesige Fledermäuse, eine große Anzahl von Pelzthieren, mehr als 20 Schlangenarten, prächtige Vögel und unzählige Schmetterlinge, Käfer und Insekten beleben die Savannen.

Acht Monate im Jahre ist die Ebene in Grün gekleidet und mit tausendgestaltigen, bunten Blumen gestickt. Unter dem senkrechten Strahl der Sonne, im Juni, zerfällt aber die Grasbecke in Staub oder verdorrt. Das Grün ist dann in Braungelb verwandelt. Der verhärtete Boden klafft in Sprüngen auf, und der scharfe, glühende Wind treibt den Staub dampfartig über die Ebene. Im trüben, strohfarbigen Halblicht glänzt matt die Sonne; die Himmelsdecke scheint herabzusinken, daß ferne Gebirge näher zu rücken, der ganze Gesichtskreis sich zu verengen. Statt Kühlung führt der Wind Gluth herbei, wenn er über den glühenden Boden hinstreift. In Staubwolken gehüllt, von Hunger und brennendem Durst geängstigt, schweifen die Thiere umher: die Rinder dumpf aufbrüllend, die Pferde mit langgestrecktem Halse gegen den Wind anschnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luftstroms eine Quelle oder Lache zu errathen. Endlich zieht sich das thierische Leben meist in die Gebirge zurück und kommt erst wieder, wenn die Regenzeit eintritt, welche die Pflanzenwelt neu belebt und die Savannah in frisches Grün kleidet.