Einsegnungsstunden 1916/4. Stunde
« 3. Stunde | Wilhelm Eichhorn Einsegnungsstunden 1916 |
5. Stunde » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Diese erziehende Liebe Gottes betätigt sich:
- 1. in der die Menschheit tragenden, göttlichen Geduld,
- 2. in der Zurüstung des menschlichen Geschlechtes für das Heil,
- 3. in der Zurichtung des Heils für das menschliche Geschlecht und
- 4. besonders noch in der erziehlichen Bedeutung des göttlichen Gesetzes.
II. ↑ Gottes erziehende Liebe sich beweist in der Bewahrung und Zurüstung der Menschheit für das Heil.
Wir haben zunächst ins Auge zu fassen die Erhaltung wie der Welt, so des Menschen. Der Mensch stand unter dem Urteil des Todes; er konnte demselben anheimfallen ganz und völlig. Und nachdem die Welt des Menschen wegen geschaffen war, konnte Gott überhaupt feinen Odem wieder zurückziehen, wie es im Psalm einmal heißt; dann hätte alles in Staub zerfallen müssen. Aber Gott hat auch die sündig gewordene Welt erhalten und erhält sie. Obwohl man von außen her gesehen denken könnte, die Welt erhalte sich selbst durch die ihr innewohnende Naturkraft, so erkennt doch jeder Christ, daß Gott es ist, der sie tatsächlich erhält; denn er hat diese Kräfte in sie gelegt und er erhält sie fortwährend durch seine göttliche Macht, in der alles besteht und von der alle Kraft herkommt. Und er erhält auch uns, die Menschen. Auch wir erhalten uns nicht selbst, obwohl wir die uns zur Erhaltung des Lebens geschenkten Kräfte fleißig gebrauchen sollen in der Arbeit; Gott ist es, der auch uns erhält. Er hat diese Kräfte der Erhaltung in uns gelegt und erhält sie aufrecht. Er erhält uns die Gesundheit, durch die wir in der Lage sind, die uns zur Erhaltung des Lebens geschenkten Kräfte zu gebrauchen und anzuwenden. Und er muß zu aller menschlichen Arbeit seinen Segen geben. Wir wiesen gestern schon hin auf den anbetenden Blick auf die göttliche Erbarmung, die in Luthers Auslegung des 1. Artikels in dem kleinen Wörtlein „und noch erhält“ sich uns eröffnet.
Aber Gott erhält nun nicht nur die Welt und die Menschheit, sondern er regiert sie auch und führt sie dem von ihm gewollten Ziel entgegen, trotz allen sündigen Fehlens und Irrens. Wunderbar sind die Wege Gottes mit der Menschheit. Er hat die Menschheit erhalten wollen für das ihr verheißene und in Aussicht gestellte Heil; er wollte sie auch so weit halten, daß sie nicht ganz und gar versinke in die Gottlosigkeit. In der Urzeit hat er sich einen heiligen Samen erhalten in dem Geschlecht der Sethiten, die den andern, unter denen sie lebten, stete Warnung, stete Mahnung sein sollten.| Als sich aber die Mehrzahl nicht wollte mahnen und warnen lassen, als das Verderben, wie es scheint, auch in die Reihen der Sethiten eingriff und als noch besondere Versündigungen dabei geschehen sein müssen, da beschloß Gott ein Gericht über die Menschheit, das aber zugleich ein Vorbild der Gnade wurde. In der Sintflut hat dasselbe Wasser, das die alte Menschheit vertilgte, die neue ermöglicht. Das Wasser trug die Arche, in der die 8 Seelen erhalten wurden als der Same und Anfang eines neuen Menschengeschlechts. Wohl sind die Menschen auch nach der Sintflut wieder in Sünde und Auflehnung gegen Gott verfallen; aber nun schlug Gott in seiner erziehenden Weisheit einen andern Weg ein. Er teilte die Menschheit in Völker, damit die einzelnen Völker sich untereinander im Zaume halten, eins das andere aneifern, eins dem andern wohl auch als Zuchtrute dienen sollte. So entstand die Völkerwelt nach der Völkertrennung, die Gott selber bewirkte durch die Verwirrung der Sprachen und die Völkerwelt bleibt auch unter Gottes Leitung. Im Lied Moses ist ausdrücklich davon die Rede, daß der Allmächtige die Völker zerteilt und ihnen ihre Grenzen festgesetzt hat. Und so sagt auch der Heidenapostel (Ap. 17, 26): „Er hat ihnen ein Ziel gesetzt zuvor versehen, wie lang und weit sie wohnen sollen“ und er hat auch sich ihnen nicht unbezeugt gelassen. Wohl sagt der Apostel ein anderes Mal, daß Gott die Heiden ihre eigenen Wege gehen ließ. Aber er will damit nur ausdrücken, daß er sich ihnen nicht unmittelbar geoffenbart hat, sondern sie der eigenen Entwicklung ihres Denkens, auch ihres religiösen Denkens überließ; aber so daß er sie allezeit auch in Acht behielt und auf sie schaute. Das tritt uns in wunderbarer Weise entgegen in dem Segen Nohas über seine drei Söhne, wo das Bild der Entwicklungsgeschichte der Menschheit kraft prophetischen Geistes durch den neuen Stammvater der Menschheit gegeben, wo gesagt wird, daß Gott in Sems Geschlecht sich offenbaren will, daß Japhet sich ausbreiten soll über die Erde, aber dann in den Hütten Sems wohnen, nämlich Anteil haben darf an dem in Sems Geschlecht erscheinenden Heil und wo über die Nachkommen Hams der Fluch der Knechtschaft ergeht. Und wie merkwürdig ist die Völkertafel, die im Anschluß daran 1. Mose 10 gegeben wird! Man sieht, Gott hat auch nicht ein einziges Volk außer Acht gelassen. Die Völker werden zunächst genannt, die Nachkommen Japhets sind, mit denen das Volk Israel am wenigsten in Beziehung kam, die Gott, wie es scheinen möchte am meisten ihre eigenen Wege gehen ließ, unter welchen nach jüdischer Ueberlieferung Askenas, als Stammvater der deutschen, der germanischen Völker genannt wird. Dann werden genannt die Nachkommen Hams, mit denen Israel viel mehr in Beziehung stand und auch keiner unter ihnen ist vergessen, so daß dort Völker genannt werden, die in der Weltgeschichte lange Zeit vergessen waren und erst neuerlich| durch die Ausgrabungen wieder bekannt geworden sind, wie Akkad, der Stammvater der ältesten Bewohner Babylons. Dann erst kommen die Nachkommen Sems, die Gott am meisten unter seine Leitung nahm. So hat Gott erziehend auch auf die Heidenwelt gewirkt und sie erhalten für das kommende Heil, ja mehr noch, er hat sie auf dasselbe vorbereitet auf mancherlei Weise.Aber auch äußerlich ist die Welt für das kommende Heil vorbereitet worden. Der gewaltige Weltherrscher Alexander der Große hatte den Gedanken, Morgen- und Abendland in einem großen Reiche zu vereinen, damit die äußern und innern Güter und Gaben der beiden Teile der damaligen Kulturwelt sich ausgleichen sollten. Er wußte nicht, daß er dabei ein Werkzeug in Gottes Hand war. Durch ihn und sein Weltreich ist die griechische Sprache Weltsprache geworden, im Morgen- und Abendland verstanden worden und so konnten die heiligen Apostel von einem Volk zum andern ziehen, überall in der von ihnen gekannten Sprache predigen und so konnte die älteste Kirche auch nach Seite der Sprache und sonstiger Erkenntnis viel mehr einheitlich sein als in späteren Zeiten. Und als die Römer allmählich auf den Trümmern des Reiches Alexanders des Großen ihr gewaltiges Weltreich errichteten und es zusammenhielten durch ihr System von Heerstraßen, die sie erbauten, da wußten sie auch nicht, daß sie damit dem Reich Christi den Weg bereiteten. Darum wollte der Heidenapostel unbedingt nach Rom kommen, weil er wußte, daß, wenn dort das Evangelium begründet wäre, es von selbst hinausginge bis in die entferntesten Teile des römischen Reiches. Das ist die eine Seite der erziehenden Liebe Gottes zur Vorbereitung der Erlösung, aber nun noch die andere:
III. ↑ die Zurüstung des Heils für die Menschheit. Das führt uns zum Volk Israel.
Wo Moses in seinem Lied (5. Mos. 32, 8) davon spricht, daß der Allmächtige die Völker zerstreute und ihnen Grenzen setzte, da fügt er das gewaltige Wort hinzu: „da setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel.“ Da tritt noch einmal im Laufe des Lebens dieses Führers Israels die volle Erkenntnis von der Bedeutung seines Volkes hervor. Nach der Zahl der Kinder Israels hat Gott den Völkern ihre Grenzen angewiesen. Merkwürdig, Israel wohnte inmitten der alten Welt; wenn man eine Linie zieht vom Nordwesten der Länder der alten Welt bis zum Südosten und wieder umgekehrt vom Nordosten bis zum Südwesten, – so schneiden sich diese Linien im Lande Kanaan. Das Land Kanaan lag im Mittelpunkt der alten Welt. Drei Weltteile waren von da aus leicht zugänglich, die da zusammenstoßen. Und doch war dies Land wieder abgesondert durch Wüsten und hohe Gebirge und Meeresküsten mit wenig Häfen, also ganz wie von Gott dazu vorbereitet, daß hier das Volk des Heils seinen Wohnsitz nehmen sollte, damit von ihm das Heil ausginge auf die Menschheit. Wie ist auch sonst die wunderbare Führung Israels durch Gottes erziehende| Liebe zu bewundern! An die älteste Ueberlieferung der Offenbarung knüpft Gott an; denn Abraham war aus Sems Geschlecht und hat mit Sem noch etliche Jahre zusammen gelebt. Und doch etwas Neues, Wunderbares beginnt zugleich. Wider den Lauf der Natur wird Abraham der Vater eines Sohnes von seinem Weibe Sarai. Wunderbar war die weitere Leitung und Erziehung, oftmals gerade entgegen den menschlichen Gedanken. Nicht Esau, der kräftigere, der Erstgeborene, sondern Jakob sollte der Erbe der Verheißung werden. Nicht von Rahel, dessen geliebter Gattin, sondern von Lea, der verschmähten, mußte der Träger der Verheißung kommen. Nicht Ruben, nicht einer der Erstgeborenen, sondern Juda, der in der Mitte der Reihe stand, ist der Gelobte, den seine Brüder loben sollen. Und wie wunderbar hat Gott das Volk selbst geführt, da er es in früher Kindheit heraushob aus seinem natürlichen Boden und es nach Egypten verpflanzte, damit unvermischt mit heidnischen Elementen die Familie sich entwickeln konnte zum Volk und damit bezeugt wurde für alle Zeit, daß das Volk Gottes nicht in der Heimat, sondern in der Fremde sich entfaltet. Der lange Wüstenzug sollte zeigen, wie auch der Weg der Kinder Gottes geht durch die Wüste dieser Welt in die Heimat nach Kanaan. Eine gewaltige Persönlichkeit – menschlich angesehen und im Reiche Gottes – ist und bleibt Moses, der aus dem Wasser Gezogene, wie er im Egyptischen hieß, oder der Herausführer, wie sein Name in der hebräischen Umdeutung lautet. Für die Weltgeschichte ist er der Gesetzgeber, seines Volks, in der Religionsgeschichte der Hauptvertreter des Monotheismus. Für uns, die wir es geistlich ansehen, ist er der Mann des Gesetzes, der Mittler des alten Bundes zwischen Gott und den Menschen, der erste Prophet und zugleich der Anfänger der heiligen Schrift. Auf welche Höhe wurde Israel gehoben durch die Gesetzgebung auf Sinai! Dann kamen freilich wieder Zeiten des Stillstandes, die Richterzeit, wo Israel sich hätte einleben sollen wie im heiligen Lande so in den Ordnungen des Gesetzes, welche Aufgabe es aber schlecht erfüllte. Und doch erweckte ihnen Gott immer wieder Heilande, wenn er sie um ihres Götzendienstes willen dahingegeben hatte in die Hände ihrer Feinde. Und am Ende der Richterzeit steht wieder eine gewaltige Gestalt: Samuel, der ebenso Prophet war wie Richter, fast möchte man sagen, König seines Volkes und der zugleich opfern durfte, obwohl er nicht aus priesterlichem Geschlecht stammte, sondern nur aus levitischer Familie. Auch war er offenbar ein Förderer der heiligen Schriften, von denen manche sicherlich auf ihn zurückgehen. Dann die Könige – zuerst ein König, den sie mit Unrecht gefordert hatten und mit dem sie gestraft wurden, bis der König nach dem Herzen Gottes David hervortrat. Und dann durfte unter Salomo, diesem Herrscher des Friedens das Königreich seinen schönsten Glanz entfalten; freilich| ist dann am Ende seiner Regierungszeit die Unvollkommenheit auch dieses Vorbildes hervorgetreten, wie denn die fernere Königszeit zeigen sollte, daß das rechte Königstum aus Davids Haus nicht in der Gegenwart, sondern in der Zukunft liege. Und wie wichtig nun die Prophetie! Die früheren Offenbarungen waren Gotteserscheinungen gleichsam von außen her. Mit Mose tritt die Prophetie ein, mit welcher Gott sich menschlicher Werkzeuge bedient. Die Propheten haben dem Volke den Willen Gottes geoffenbart. Je länger die Zeit währte, je mehr sich die Blicke auf die Zukunft richten mußten, desto mehr haben sie ihre Worte auch für die Zukunft niedergeschrieben. Und zuletzt hatte Israel an dem geschriebenen Wort seinen Halt und seinen Trost. Und wie wunderbar ist der Gang der Weissagung: zunächst von der Menschheit her, von des Weibes Samen aus, nehmen die Verheißungen ihren Ausgang. Dann wird der aus Sems Geschlecht kommen soll als Abrahams Same bezeichnet, dem Jakob verheißen, dann dem Stamm Juda’s in Aussicht gestellt und zuletzt 2. Sam. 7 als der Sohn Davids verheißen. Die prophetischen, königlichen und hohepriesterlichen Aemter sollten auf ihn hinweisen, der in den späteren prophetischen Schriften als der große Knecht Gottes erscheint, der kommen wird Gottes Werk auf Erden auszurichten. – Daneben geht aber die andere Linie von oben nach unten, wenn von dem Kommen Gottes geweissagt wird, von dem großen Tag des Herrn. In Christo laufen die beiden Linien zusammen, wie der Herr selbst einmal im Anschluß an den 110. Psalm angedeutet hat: Davids Sohn und Davids Herr! Wie viel wäre noch zu sagen auch von den Vorbildern, die in der Geschichte selber liegen. Weil die ganze Geschichte Israels wunderbar von Gott gewirkt war, so mußte sich immer wieder vorbildlich darstellen, was einst kommen sollte, so oft ein neuer Abschnitt der das Heil vorbereitenden Geschichte eintrat oder endigte. Nur über eines müssen wir noch ein Wort sprechen, nämlichIV. ↑ wie die erziehende Liebe Gottes besonders in der Bedeutung des Gesetzes zu erkennen ist.
Das Gesetz ist durch Mose gegeben. Wir wissen, der Mensch ist sich selbst auch ein Gesetz, insofern des Gesetzes Werk geschrieben ist in seinem Herzen. Weil aber das Gewissen der Menschen getrübt wurde durch die Sünde, so hat Gott seinen Willen objektiv geoffenbart und einzeichnen lassen auf zwei steinere Tafeln. Wir haben zu reden von dem Verhältnis zwischen Verheißung und Gesetz. Die Verheißung ist älter als das Gesetz. Das Gesetz ist 350 Jahre darnach gekommen und ist nebenein gekommen, wie Paulus sagt, um das Volk vorzubereiten auf Christum. Es war die Aufgabe des Gesetzes für Israel, das Volk zu erhalten für das Heil. Wie ein Zaun hat das Gesetz Israel umgeben und von den andern| Völkern geschieden, aber zugleich auch das Heil für Israel immer mehr vorbereitet. Es richtete den Blick auf das, was kommen sollte. Der ganze Gottesdienst, die Stätte der Anbetung, der Gedanke des Opferns sollte ein steter Hinweis auf das Kommende sein.Aber die Hauptbedeutung des Gesetzes hat uns Paulus (Röm. 3, 20) angegeben: „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ Wir können im Gesetz das bürgerliche, das gottesdienstliche und das eigentliche Zucht- und Sittengesetz unterscheiden. Alles aber hat die Bedeutung dem Volk die göttliche Heiligkeit vor Augen zu stellen, das große Gebot (3. Mose 19, 2) ins Herz zu prägen: „Ihr sollt heilig sein; denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott.“ Und wenn Israel wollte, konnte es im Gesetz seine eigene Sündhaftigkeit erkennen. Demnach ist das Gesetz in der Hand Gottes ein wichtiges Erziehungsmittel Israels auf das kommende Heil hin, wenn es auch freilich die große Menge nicht erfaßte und auch uns ist es noch dazu gegeben. Möchte uns das Gesetz immer ein Zuchtmeister auf Christum hin sein und möchte auch an uns die Leitung unseres Lebens nicht vergeblich bleiben! Das sage ich besonders zu Ihnen, verehrte Schwestern, die Sie der Einsegnung entgegengehen. Sie blicken zurück auf die ganze Führung Ihres Lebens zum Beruf, den Sie erwählt haben; aber blicken Sie doch auch in diesen Tagen zurück auf die Lebensführung, die abzielt auf die Berufung zu Christo und zu seinem Heil. Wie freundlich hat Gott Sie alle geführt, damit Sie Christum erkennen und finden sollten als Ihren Heiland. Aber nicht zum wenigsten hat er Ihnen dazu auch das Gesetz gegeben als einen Spiegel. Luther ist zur Erkenntnis der Sünde dadurch geführt worden, daß er den ernstgemeinten Versuch machte, durch gute Werke – also im Grunde durch des Gesetzes Werke – zum Frieden zu kommen. Wir brauchen diesen Umweg nicht zu machen. Wir wissen, das Gesetz ist uns gegeben als ein Spiegel zur Erkenntnis der Sünde, wenn wir uns ernstlich darnach prüfen. Möchten wir das täglich und getreulich tun!
Doch auch der andere Weg ist für uns nicht ausgeschlossen. Je mehr wir ernstlich uns bestreben der Heiligung nachzujagen, ohne welche niemand den Herrn sehen kann und das Gesetz des Geistes, das Gesetz Christi, zu erfüllen, desto mehr erkennen wir die Macht der Sünde über uns. Daher kommt es auch: je älter wir werden, desto tiefer muß die Erkenntnis der Sünde werden, desto demütigender wird für uns die Erfahrung, wie wenig wir doch weiter kommen auf dem Weg der Heiligung. So werden wir wieder zu der Frage zurückgeführt, von der wir ausgegangen sind, zu der Frage: „Wie können wir dem zukünftigen Zorn entrinnen?“ Nur wenn wir in wahrer Buße unsere Sünden erkennen und uns zu dem halten, der als Sündentilger uns verordnet ist.
| Aber auch hinsichtlich der Erziehung anderer sollen wir uns gleichfalls durch das jetzt Dargelegte gemahnt sein lassen. Von der Geduld haben wir schon gesprochen, die wir üben sollen, aber auch die Bedeutung des Gesetzes ist dabei nicht zu Verkennen. Es ist unsere Aufgabe auch unsere Gemeinden zu bewahren für das Heil. Zu dieser Tätigkeit gehört es, gute Sitte und Ordnung aufrecht zu erhalten, damit dadurch die Gemeinden bewahrt werden können für das Heil, das ihnen gepredigt wird und damit der Gemeinde es ermöglicht werde, immer wieder das Heil finden zu können. Darum ist bei der Erziehung heilsame Gewöhnung so notwendig und wichtig, als etwas Bewahrendes auf die Zeit hin, wo dann die Berufung selbst durch den Geist in die Herzen dringen kann.Noch wichtiger freilich ist die Zurüstung der einzelnen Menschen für das Heil. Hier findet sonderlich das Gesetz in seiner erziehenden Macht Anwendung als Spiegel, der zur Sündenerkenntnis führt. Darum muß auch in der Erziehung Strenge geübt werden und es dürfen die Fehler nicht etwa übersehen werden. Man darf sie nicht durchgehen lassen ohne sie zu rügen, damit ein Verlangen nach Gnadenkraft von oben und nach Vergebung in den Seelen möchte erwachen.
Ach, daß wir möchten unsere eigene Seele retten und die auf den rechten Weg führen, die uns befohlen sind! Ja, möchte es uns einmal vergönnt sein sagen zu können: Hier bin ich und die, die du mir gegeben hast! Möchten wir unselig machen und die, die uns hören und denen wir dienen!
« 3. Stunde | Wilhelm Eichhorn Einsegnungsstunden 1916 |
5. Stunde » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|