Zum Inhalt springen

Erinnerungen an Goethe und Preller

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Robert Keil
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Erinnerungen an Goethe und Preller
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 166–168
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[166]

Erinnerungen an Goethe und Preller.

Von Robert Keil.

Der geistvolle Director der königlichen Nationalgallerie in Berlin, Max Jordan, sprach einmal gelegentlich eines Vortrages den Gedanken aus, Goethe’s „Iphigenia“ und Preller’s „Odyssee“-Landschaften seien Kinder des nämlichen Geistes, und in der That, die Schöpfungen des großen Weimarischen Malers, der durch seine genialen „Odyssee“-Gemälde die Gesetze für den historischen Stil in der Landschaftsmalerei gegeben hat, beruhen ebenso auf der Antike, wie jene vollendet schöne dramatische Dichtung Goethe’s. Beide Werke sind geistig mit einander verwandt, wie Preller und Goethe selbst in ihrer Welt- und Kunstanschauung. Unverkennbar ist aber auch der gewaltige Einfluß, welchen Goethe und dessen Poesie auf die Richtung und Ausbildung Prellers geübt haben. Einige Belege hierzu aus eigener Erinnerung, theils aus ungedrucktem Quellenmaterial zu bieten, ist der Zweck dieser Zeilen. Enthalten sie charakteristische Momente für den Entwickelungsgang des Malers, so sind sie nicht minder bezeichnend für die klare Erkenntniß, das lebhafte Interesse und die rege Forderung, welche Goethe gegenüber den aufstrebenden Talenten der bildenden Kunst bis in sein höchstes Greisesalter bethätigt hat.

Friedrich Preller, am 25. April 1804 in Eisenach geboren, kam schon im Herbst desselben Jahres nach Weimar, und besuchte als vierzehnjähriger Knabe die unter Meyer’s Leitung und Goethe’s Fürsorge blühende Zeichenschule, dieselbe Schule, an welcher er selbst später als Lehrer segensreich wirkte. Goethe, dem die talentvollen Zeichnungen des Knaben aufgefallen, beauftragte ihn schon im folgenden Jahre zum Zweck von meteorologischen Untersuchungen mit der Zeichnung von Wolkenbildungen. Eifrig entsprach der junge Preller diesem Auftrage und trat dadurch zu dem Altmeister deutscher Dichtung in Beziehungen, welche bis zum Tode Goethe’s fortdauerten. Von Dresden, wo er im Museum nach Ruysdael und P. Potter fleißig copirt hatte, nach Weimar zurückgekehrt, wagte er sich im Jahre 1825 an das erste selbstständige Gemälde. Es war das Bild, welches sich noch jetzt in Weimar in Privatbesitz, befindet: „Die Eisfahrt auf dem Schwansee bei Weimar“. Eine Menge von Portraits belebt das Gemälde, und auch sich selbst hat der Künstler in langem braunem Rocke, in die Hände hauchend, darauf dargestellt. Von Goethe wurde der junge Maler dem Herzog Karl August empfohlen, und dieser bestellte ihn eines Tages zu sich in das römische Haus im Parke, „hier aber,“ so erzählt das „deutsche Kunstblatt“ von Friedrich Eggers in drastischer Weise, „begab sich einer jener Auftritte, wie der alte Herr in seiner lakonischen Art sie liebte, und dessen Resultat war, daß Preller sich am nächsten Morgen mit seinem Päckchen auf dem Schloßhofe einzufinden hatte; dies geschah; ein Reisewagen stand angespannt; Karl August stieg ein; der junge Mann mußte ihm folgen, und ‚Wir reisen nach den Niederlanden,‘ hieß es; so begleitete Preller seinen Fürsten bis nach Antwerpen, wo ihn derselbe bei van Bree, dem Direktor der Antwerpener Akademie, zurückließ“. Dort, in der Heimath eines Rubens, eines van Dyk, bildete sich der Jüngling zum Künstler.

Wie klar Goethe die große Begabung Preller’s erkannte, wie er der Entwickelung desselben sich freute, erhellt aus den Aeußerungen, die er am 5. Juni 1826 gegen Eckermann über ihn that. Er nannte ihn „ein geborenes Talent“ und bemerkte:

„Ich habe ihm gerathen, sich nicht verwirren zu lassen, sich besonders an Poussin und Claude Lorrain zu halten und vor Allem die Werke dieser beiden Großen zu studiren, damit ihm deutlich werde, wie sie die Natur angesehen und zum Ausdruck ihrer künstlerischen Anschauungen und Empfindungen gebraucht haben. Preller ist ein bedeutendes Talent, und mir ist für ihn nicht bange. Er erscheint mir übrigens von sehr ernstem Charakter, und ich bin fast gewiß, daß er sich eher zu Poussin als zu Claude Lorrain neigen wird. Doch habe ich ihm den letztem zu besonderem Studium empfohlen und zwar nicht ohne Grund. Ich bin gewiß, daß Preller einst das Ernste, Großartige, vielleicht auch das Wilde, ganz vortrefflich gelingen wird. Ob er aber im Heitern, Anmuthigen und Lieblichen gleich glücklich sein werde, ist eine andere Frage, und deshalb habe ich ihm den Claude Lorrain ganz besonders an’s Herz gelegt, damit er sich durch Studium dasjenige aneigne, was vielleicht nicht in der eigentlichen Richtung seines Naturells liegt.“

In gleicher Weise sprach sich Goethe auch gegen Preller selbst aus, als dieser, von seinen fleißigen Antwerpener Studien nach Weimar zurückgekehrt, sich zur ersten Reise nach Italien rüstete und den Altmeister, seinen freundlichen Gönner, besuchte.

In Mailand und mehr noch während seines dreijährigen Aufenthaltes in Rom ging dem jungen Maler das volle Verständniß der Kunst auf, der er sein Leben gewidmet. Wohl zog es ihn vor Allem zu Poussin, dem Vater der historischen Landschaftsmalerei, und die von der Preller’schen Familie bewahrte heroische Landschaft, Copie nach Poussin’s Gemälde in der Gallerie Corsini zu Rom, ist ein sprechendes Zeugniß hierfür, aber wie Preller’s Schöpfungen aus jener Zeit bekunden, war sein Sinn auch dem anmuthig Schönen zugewandt.

Und mitten unter den großen Anregungen, welche die ewige Stadt mit ihren Kunstschätzen, ihren historischen Erinnerungen, ihrem regen Kunstleben und dem ganzen Reiz der südlichen Natur ihm bot, mitten unter seinen Studien und Arbeiten war es ihm vergönnt, dem greisen Altmeister in Weimar einen wenn auch schmerzlichen Dienst zu erweisen. Der Sohn des Dichters, August von Goethe, kam von Neapel im October 1830 nach Rom und wurde von den deutschen Künstlern, Preller voran, freundlichst, aufgenommen, aber der lange schon Leidende verfiel in Fieber, und unter Preller’s Pflege verschied er in dessen Armen. Wo sein Vater einst zu ruhen gewünscht hatte, bei der Pyramide des Cestius, wurde er am Morgen des 29. October 1830 bestattet.

[167] Sieben Monate später kehrte Preller nach langer Abwesenheit nach Weimar zurück. Er besuchte auch den allverehrten Dichter, und hochinteressant sind die Bemerkungen, welche Goethe, wie über zwei andere weimarische Maler, so kurz darauf auch über Preller in sein Tagebuch schrieb. Ich bin in der Lage, diese Stellen wörtlich mittheilen zu können. Am 1. April 1831:

„Maler Kaiser, die Unterstützung Serenissimi notificirend. Ich sagte ihm gute Wahrheiten. Das junge Volk hört aber nicht mehr. Zum Hören gehört freilich auch eine besondere Bildung. Nachher der junge Martersteig, ein frohes entschiedenes Talent. Würde der in einer rechten Werkstatt zum Nothwendigen und Rechten gedrungen, so könnte irgend was daraus werden.“

Unter dem 17. Mai 1831 aber schrieb er über Preller:

„Der junge Maler Preller zeigte sich, kranken Ansehens, durch den widerwärtigen Schnurrbart noch unglücklicher aussehend. Leider deutet mir so fratzenhaftes Aeußere auf eine innere Verworrenheit. Wer sich in einer solchen unnützen Maskerade gefällt und sich zu den hergebrachten Formen nicht bequemen mag, der hat sonst was Schiefes im Kopfe; den Baiern mag’s verziehen sein, dort ist’s eine Art von Hofuniform.“

Wie lachte Preller, als ich ihm einst diese Tagesnotiz mittheilte! „Goethe ahnte nicht,“ bemerkte er, „daß es die Pockennarben waren, die ich mit dem Barte zu verdecken suchte.“ Hatte das damalige Aeußere des Künstlers den altem Herrn unangenehm berührt, so war doch sein Interesse für ihn, seine Anerkennung von Preller’s Talent und Streben gleich warm geblieben wie ehedem, und am 29. Juli desselben Jahres schrieb er über ihn an Kestner nach Rom: „Der gute Preller scheint sich hier ganz thätig einzurichten, ist schon durch einige Bestellungen in Beschäftigung gesetzt, und ich werde nicht verfehlen, ihm, nach Gelegenheit der Umstände, treulich beizustehen. Das einzige Bedenkliche find’ ich, daß auch er seiner eigenen Neigung zu sehr nachgegeben, die ihn in’s Einsame, Wüste hintreibt, was er auch ganz wacker und tüchtig darstellt, was aber den gebildeten Menschen der neueren Zeit nicht gerade zusagt; und am Ende will denn doch der Künstler Abnehmer haben, auf deren Wünsche, die nicht immer ganz unvernünftig sind, er doch einige Rücksicht zu nehmen hätte.“

Goethe war und blieb der Freund und Beistand Preller’s. Als der Dichter schon im nächsten Jahre starb, war Preller der einzige, der die Erlaubniß erhielt, den Entschlafenen auf dem Paradebett zu zeichnen. So entstand die unvergleichlich schöne, künstlerisch vollendete und zugleich treue und charaktervolle Umrißzeichnung von dem mit dem Lorbeerkranz geschmückten Haupte des Dichters. Verehrung und Liebe haben dabei den Bleistift geführt. War der große Mann, der auf Preller’s Leben so anregend und leitend eingewirkt hatte, dahingeschieden, die empfangenen Anregungen, die unter seiner Leitung gewonnenen Natur- und Kunstanschauungen blieben ihm, und in diesem Geiste erklomm er immer höhere Stufen künstlerischer Bildung. In diesem Geiste vertiefte er sich in die Antike und schuf in den Jahren 1832 bis 1834 die sieben Odyssee-Fresken im Römischen Hause zu Leipzig – in diesem Geiste schmückte er im Jahre 1836 das Wieland-Zimmer im Schlosse zu Weimar mit jenen reizenden Darstellungen aus dem Oberon aus, die zu dem Schönsten gehören, was die sogenannten Dichterzimmer bieten. Hier wie dort war mit tiefem Sinn, mit Großartigkeit der Anschauung und Ausführung die Heiterkeit, Anmuth und Lieblichkeit, welche Goethe einst in den Werken des jugendlichen Maler vermißt und so dringend empfohlen hatte, auf das Glücklichste vereint. Das Jahr 1837 führte Preller nach Rügen, das Jahr 1840 mit seinen Freunden, den talentvollen Weimarischen Malern Hummel und Thon, noch Holland und Norwegen, und beide Reisen boten ihm, der mit echt künstlerischem Auge die charakteristischen Seiten der Natur zu erfassen wußte, reiche Motive zu neuen künstlerischen Schöpfungen, zu jenen Bildern, auf denen die markige und gewaltige Natur des Nordens kraftvoll und doch poetisch hervortritt.

Von demselben edlen, harmonischen Geiste ist auch Preller’s Meisterwerk, der Cyklus von Wandgemälden zur Odyssee durchdrungen, welcher die nördliche Gallerie des Weimarischen Museums als dessen höchste Zierde einnimmt – jene gewaltige Schöpfung, die, um mich eines treffenden Ausdrucks Jordan’s zu bedienen, als eine der genialsten Thaten des deutschen Geistes den Namen Preller’s denen der erlauchtesten Meister beigesellt.

Die Dankbarkeit und Verehrung, welche Preller für den Altmeister deutscher Dichtung allezeit hegte, hat er bei jeder Gelegenheit durch künstlerische Nachbildung Goethe’scher Ideen bekundet; eine Zeichnung vom Erlkönig, eine andere zum Gedicht „Der Fischer“ und die schöne Bleistiftzeichnung des Innern von Goethe’s Garten am Park, die er „als Wehrmann der zweiten Compagnie 1848“ dem damaligen wackern Commandanten der Weimarischen Bürgerwehr, seinem Freunde Major Kämpfer, widmete, sind Zeugnisse hiervon.

Er bekundete jene Dankbarkeit und Verehrung für Goethe noch im Alter auch durch das warme und lebhafte Interesse, welches er meiner kleinen Sammlung von Erinnerungen an Goethe, Schiller und Karl August schenkte. Bald besuchte er mich allein, um alles Einzelne mit mir durchzugehen und zu besprechen, bald führte er mir seine Familie oder Freunde zu, und immer liebenswerther, immer verehrungswürdiger erschien er mir als Mensch wie als Künstler. Jedes seiner Worte war geistreich und bedeutend, jede seiner Aeußerungen von der innigsten Hingebung an Goethe und dessen Poesie erfüllt.

Bekanntlich hat Goethe von Jugend auf auch Zeichnen und Malen mit Eifer und Liebe geübt. Eine größere Anzahl von Handzeichnungen, die er in Italien geschaffen, hat er meinem Oheim, Rath Kräuter, seinem ehemaligen Secretär, am 28. August 1825 als Andenken geschenkt; sie bilden einen wesentlichen Theil meiner Sammlungen. Sie waren es, welche das Interesse Preller’s zunächst auf sich zogen. Es fesselte ihn der poetische Gedanke, der jedem dieser Bilder zu Grunde liegt, und an mehreren derselben, wie namentlich an dem reizenden Portrait der schönen Mailänderin (von welchem die „Gartenlaube“ im Jahrg. 1869, Nr. 51 eine Copie von Thumann’s Meisierhand gebracht hat), an der Federzeichnung eines Dörfchens und derjenigen eines prächtigen Säulencapitäls rühmte Preller auch die sorgfältige, echt künstlerische Ausführung. Sein Interesse war hiernächst der Sammlung von Goethe-Portraits, sowie der Portraitbüste Goethe’s, zu deren Herstellung der Dichter dem Bildhauer Weißer die Abformung des Gesichts gestattet hatte, vor Allem aber den Manuskripten Goethe’scher Dichtungen und den treuherzigen Briefen der guten Frau Rath in Frankfurt zugewandt. Als werthes Freundschaftsgeschenk Preller’s bewahre ich die von ihm mit den prächtigen Compositionen versehene Odyssee, welche er mir heimlich unter den Christbaum hatte legen lassen; er verrieth mir bei dieser Gelegenheit, daß sein Lieblingsbild die Scene der Nausikaa wäre, die auf Motiven von dem bei wiederholtem Aufenthalte in Italien stets gern von ihm besuchten Bajä beruht. Aber auch meine Goethe-Sammlung wollte er vermehren, er versprach mir eine Copie seines vorerwähnten Goethe-Bildes, indem er mir über das letztere in seiner eigenthümlichen kernigen Art Folgendes mittheilte: Die Zeichnung des lorbeergeschmückten Hauptes des todten Dichters hätte er in einem Skizzenbuche verwahrt und als ein Heiligthum gehütet. Eine mit Empfehlungen von Bettina von Arnim ihn besuchende Berliner Dame hatte aber, wie er mir erzählte, bei Durchgehung seiner Skizzenbücher mittelst rascher, heimlicher Durchzeichnung dem Buche eine sehr schlechte Copie jenes Bildes unberechtigter Weise entnommen und darauf Bettina einen Stich nach dieser Copie dem von ihr anonym herausgegebenen „Tagebuch“ beigegeben. Der erzürnte Maler hatte sodann Bettina, als sie ihn einige Zeit nachher besuchen wollte und auf seinen Vorhalt den Mißbrauch seines Bildes zugestehen mußte, in seiner originellen und derben Weise fortgewiesen.

Für meine Sammlung fertigte er jetzt mit eigener Hand nach dem Originale (dessen photographische Vervielfältigung zu mildem Zwecke er darauf der Frau Arnemann überließ) eine treue Copie des Goethe-Bildes. Sie hat unter anderen Goethe-Andenken den Ehrenplatz von mir eingeräumt erhalten – ist sie mir doch eine dreifach theuere Erinnerung: an den zehn Jahre später heimgegangenen großen Künstler, an den dargestellten Dichterfürsten und an eine unvergeßliche Stunde meiner eigenen frühesten Kindheit.

Es war im Frühjahr 1832 (wie ich später erfuhr: am. Montag, 26. März 1832), als mein Vater mich, den fast sechsjährigen Knaben, eines Morgens nach dem „Frauenplane“ in Weimar führte. Mein Onkel Kräuter empfing uns und geleitete uns in ein großes Haus. Dort, wo viele Leute zusammengedrängt standen, nahm mich mein Vater auf den Arm, damit ich freien Blick haben möchte, und athemlos sah ich ein mir völlig neues, [168] feierliches Bild. In schwarz ausgeschlagener Halle lag auf einem Paradebett ein Greis in weißem, glänzendem Anzuge, den unteren Theil des Körpers mit schwarzem Sammet bedeckt, das Haupt mit einem Lorbeerkranz umwunden. Dahinter glänzte von einem Postament ein Lorbeerkranz aus Gold und Smaragden, und von einem hoben Altar, umgeben von Cypressen, eine mit Blumen umwundene goldene Lyra. Rechts und links vom Bett stand eine Reihe schwarzgekleideter Männer als Ehrenhüter, und die Lichter auf Armleuchtern neben dem Paradebette verbreiteten über die ganze Scene ein wunderbares Licht. Alles war so still, so stumm – auch der Mann auf dem Bette regte sich nicht. Man flüsterte, er sei todt; ich verstand es nicht – mir schien es, als ob er sanft schlummere. Tiefergriffen verließ ich mit dem Vater wieder das Haus. Die Scene hat sich unauslöschlich meiner Seele eingeprägt; noch jetzt sehe ich sie vor mir wie damals; war es doch der erste Todte, den ich in meinem Leben gesehen, und dieser erste Todte war – Goethe.

Ich besitze noch ein Blatt von jenem Lorbeerkranz, den der große Dichter damals trug, noch eine Locke, die ihm im Tode abgeschnitten worden, doch das volle, ganze Bild des Entschlafenen in all seiner Würde, die ganze Scene der Ausstellung in der schwarz ausgeschlagenen Hausflur des Goethe-Hauses wird von Preller’s Zeichnung hervorgezaubert. Er übersandte mir dieselbe am 14. Mai 1868 mit den Zeilen:

„Sie haben mir erlaubt, Ihre unvergleichliche Goethe-Sammlung durch einen kleinen Beitrag zu vergrößern, und so möge denn das lange Zeit gewanderte Portraitchen bei Ihnen einziehen und das Plätzchen einnehmen, welches ihm eigentlich gehörig ist. Ich wünschte wohl einen Theil von dem beifügen zu können, was mir die kleine Zeichnung seit einer Reihe von Jahren in stillen Stunden erzählt hat. Einiges davon habe ich in meinen künstlerischen Arbeiten festzuhalten versucht, und damit will ich auch fortfahren, so lange ich noch den Pinsel halten kann.“

Wie hat er bis zu seinem am 23. April 1878 eingetretenen Tode treulich Wort gehalten, der wackere Meister! Auf der Antike wie auf Goethe’schem Geist beruhend, prangt dort, wo Goethe’s „Iphigenie“ entstand, die großartige Wiedergabe von Homer’s Epos als das größte Meisterwerk des genialen Malers.