Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau/Beilage III. Lieder und Lectionen zur Eröffnungsfeierlichkeit des Diaconissenhauses zu Neuendettelsau

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« §. 2. Diaconissenanstalt Neuendettelsau Wilhelm Löhe
Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau
§. 3. Betsaalbau »
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|      Beilage III.
Lieder und Lectionen zur Eröffnungsfeierlichkeit des Diaconissenhauses zu Neuendettelsau.
I.
Eingang.


1.

Nun lob, mein Seel, den Herren,
Was in mir ist, den Namen sein.
Sein Wohlthat thut er mehren:
Vergiß es nicht, o Herze mein!

|

Hat dir dein Sünd vergeben
Und heilt dein Schwachheit groß,
Errett dein armes Leben,
Nimmt dich in seinen Schooß,
Mit rechtem Trost beschüttet,
Verjüngt dem Adler gleich.
Der König schafft Recht,
Behütet die Leidenden im Reich.

Er hat uns wißen laßen
Sein heilig Recht und sein Gericht,
Dazu sein’ Güt ohn Maßen;
Es mangelt an Erbarmung nicht,
Sein Zorn läßt er wohl fahren,
Straft nicht nach unsrer Schuld;
Die Gnad thut er nicht sparen,
Den Blöden ist er hold.
Sein Güt ist hoch erhaben
Ob den, die fürchten ihn;
So fern der Ost vom Abend,
Ist unsre Sünd dahin.

Wie sich ein Mann erbarmet
Ueber sein junge Kinderlein:
So thut der Herr uns Armen,
So wir ihn kindlich fürchten rein.
Er kennt das arm Gemächte,
Und weiß, wir sind nur Staub,
Gleichwie das Gras, von Rechte[1],
Ein Blum und fallend Laub:
Der Wind nur drüber wehet,
So ist es nimmer da,
Also der Mensch vergehet,
Sein End das ist ihm nah.

Die Gottes Gnad alleine
Bleibt stät und fest in Ewigkeit
Bei seiner liebn Gemeine,
Die steht in seine Furcht bereit,

|

Die seinen Bund behalten.
Er herrscht im Himmelreich:
Ihr starken Engel waltet
Seins Lobs, und dient zugleich
Dem großen Herrn zu Ehren
Und treibt sein heiligs Wort:
Mein Seel soll auch vermehren
Sein Lob an allem Ort.

 Joh. Gramann (Poliander)
 geb. 1487, † 1541.




2.
Eröffnungsrede des Herrn Decan Bachmann.




II.
Lectionen.


3.

 Mel.: Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich etc.
Wohlauf, mein Herze, sing und spring
Und habe guten Muth!
Dein Gott, der Ursprung aller Ding,
Ist selbst und bleibt dein Gut.

Er ist dein Schatz, dein Erb und Theil,
Dein Glanz und Freudenlicht,
Dein Schirm und Schild, dein Hilf und Heil,
Schafft Rath und läßt dich nicht.


4.
1. Lection.
Matth. 20, 20–28.
So schreibt der heilige Apostel Matthäus im 20. Kapitel:

     Da trat zu ihm die Mutter der Kinder Zebedäi mit ihren Söhnen, fiel vor ihm nieder und bat etwas von ihm.

     Und er sprach zu ihr: Was willst du? Sie sprach zu ihm: Laß diese meine zween Söhne sitzen in deinem Reiche, einen zu deiner Rechten, und den andern zu deiner Linken.

|      Aber JEsus antwortete und sprach: Ihr wisset nicht, was ihr bittet. Könnet ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde, und euch laufen lassen mit der Taufe, da ich mit getauft werde? Sie sprachen zu ihm: Ja wohl.

     Und er sprach zu ihnen: Meinen Kelch sollt ihr zwar trinken, und mit der Taufe, da ich mit getauft werde, sollt ihr getauft werden; aber das Sitzen zu meiner Rechten und Linken zu geben, stehet mir nicht zu, sondern denen es bereitet ist von meinem Vater.

     Da das die Zehn höreten, wurden sie unwillig über die zween Brüder.

     Aber JEsus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisset, daß die weltlichen Fürsten herrschen, und die Oberherren haben Gewalt.

     So soll es nicht sein unter euch; sondern, so jemand will unter euch gewaltig sein, der sei euer Diener.

     Und wer da will der vornehmste sein, der sei euer Knecht.

     Gleichwie des Menschen Sohn ist nicht kommen, daß er ihm dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.


5.

     Mel.: An Waßerflüßen Babylon etc.
Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld
Der Welt und ihrer Kinder;
Es geht und träget mit Geduld,
Die Sünden aller Sünder:
Es geht dahin, wird matt und krank,
Ergibt sich auf die Würgebank,
Verzeiht sich aller Freuden;
Es nimmet an Schmach, Hohn und Spott,
Angst, Wunden, Striemen, Kreuz und Tod,
Und spricht: Ich will’s gern leiden.


6.
2. Lection.
Joh. 13, 1–17.
So schreibt der heilige Apostel Johannes im 13. Kapitel:
     Vor dem Fest aber der Ostern, da Jesue erkennete, daß seine Zeit kommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum Vater; wie er| hatte geliebet die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie an’s Ende.

     Und nach dem Abendessen, da schon der Teufel hatte dem Juda Simonis Ischarioth in’s Herz gegeben, daß er ihn verriethe.

     Wußte JEsus, daß ihm der Vater hatte alles in seine Hände gegeben, und daß er von Gott kommen war, und zu Gott ging:

     Stund er vom Abendmahl auf, legte seine Kleider ab, und nahm einen Schutz, und umgürtete sich.

     Darnach goß er Waßer in ein Becken, hub an den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, damit er umgürtet war.

     Da kam er zu Simon Petro, und derselbige sprach zu ihm: HErr, solltest du mir meine Füße waschen?

     JEsus antwortete und sprach zu ihm: Was ich thue, das weißest du jetzt nicht; du wirst’s aber hernach erfahren.

     Da sprach Petrus zu ihm: nimmermehr sollst du mir die Füße waschen. JEsus antwortete ihm: Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Theil mit mir.

     Spricht zu ihm Simon Petrus: HErr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt.

     Spricht JEsus zu ihm: Wer gewaschen ist, der darf nicht, denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.

     Denn er wußte seinen Verräther wohl; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.

     Da er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider, und setzte sich wieder nieder, und sprach abermal zu ihnen: Wisset ihr, was ich euch gethan habe?

     Ihr heißet mich Meister und HErr, und saget recht daran; denn ich bin’s auch.

     So nun ich, euer HErr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr auch euch unter einander die Füße waschen.

     Ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr thut, wie ich euch gethan habe.

     Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, der Knecht ist nicht größer, denn sein Herr, noch der Apostel größer, denn der ihn gesandt hat.

     So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr’s thut.


|
7.

Herzlich lieb hab ich dich, o Herr!
Ich bitt, wollst sein von mir nicht fern
Mit deiner Güt und Gnaden!
Die ganze Welt nicht freuet mich,
Nach Himm’l und Erden nicht frag ich,
Wenn ich dich nur kann haben.
Und wenn mir gleich mein Herz zerbricht,
So bist doch du mein Zuversicht,
Mein Theil und meines Herzens Trost,
Der mich durch sein Blut hat erlöst.
Herr Jesu Christ, mein Gott und Herr,
Mein Gott und Herr,
In Schanden laß mich nimmermehr.


8.
3. Lection.
Matth. 25, 31–46.
So schreibt der heilige Apostel Matthäus im 25. Kapitel:

     Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heilige Engel mit ihm, dann wird er sitzen, auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit,

     Und werden vor ihm alle Völker versammelt werden. Und er wird sie von einander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet,

     Und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, und die Böcke zur Linken.

     Da wird denn der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt.

     Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeiset. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränket. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherberget.

     Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besuchet. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir kommen.

|      Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: HErr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dich gespeiset? oder durstig und haben dich getränket?

     Wann haben wir dich einen Gast gesehen und beherberget? oder nackend und haben dich bekleidet?

     Wann haben wir dich krank oder gefangen gesehen, und sind zu dir kommen?

     Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr gethan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mit gethan.

     Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.

     Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeiset. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränket.

     Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beherberget. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besuchet.

     Da werden sie ihm auch antworten und sagen: HErr, wann haben wir dich gesehen hungrig, oder durstig, oder einen Gast, oder nackend, oder krank, oder gefangen, und haben dir nicht gedienet?

     Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht gethan habt einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht gethan.

     Und sie werden in die ewige Pein gehen: aber die Gerechten in das ewige Leben.


9.

Es ist ja, Herr, dein G’schenk und Gab
Mein Leib und Seel und was ich hab
In diesem armen Leben;
Damit ich’s brauch zum Lobe dein,
Zu Nutz und Dienst des Nächsten mein,
Wollst mir dein Gnade geben!
Behüt mich, Herr, vor falscher Lehr,
Des Satans Mord und Lügen wehr,
In allem Kreuz erhalte mich,

|

Auf daß ich’s trag geduldiglich!
Herr Jesu Christ, mein Herr und Gott,
Mein Herr und Gott,
Tröst mir mein Seel in Todesnoth.


10.
4. Lection.
So predigt der treue Prediger Christian Scriver in Seelenschatz:
     Die Erfahrung lehrt, wenn man zwei Lauten neben einander auf den Tisch legt und auf der einen eine Saite berührt, daß sie erschallet, daß auf der anderen die Saite, welche mit der berührten gleichstimmig ist oder in einem Tone steht, sich auch bewegt, als wenn sie auch berührt wäre. Gelahrte Leute berichten, man könne das sehen, wenn man die zweite Saite mit einem Papierblättchen belege, welches alsdann bei Berührung der ersten herabfalle. Die gelahrten Naturkündiger haben über dieses Geheimnis viele Gedanken und bemühen sich, die Ursache zu erforschen, ich weiß aber nicht, ob sie einem sinnreichen Kopf mit aller ihrer Bemühung Vergnügen schaffen werden. Wir haben dieses Naturwunder darum zuvörderst auf die Bahn gebracht, daß es uns eine gute Erinnerung in unserem Christenthum geben soll, maßen es uns gar schön vorstellen kann die Gemeinschaft Christi und seiner Heiligen, wie auch dieser unter einander. Der HErr Jesus, der ewige Sohn Gottes, nachdem er aus großer Liebe zu den Menschen ein Mensch geworden, hat eine so genaue Verwandtschaft mit seinen Heiligen, daß unser Herz nichts berühren kann, das nicht zugleich sein Herz treffen sollte: wann den Seinigen hienieden auf Erden etwas widerfährt, es sei Gutes oder Böses, so empfindet er’s alsbald, ob er wohl zur Rechten der Majestät im Himmel sitzt. Wer den Seinigen eine Wohlthat erweist, der hat’s ihm selbst gethan; wer aber sie verfolgt, betrübt und beleidigt, der hat ihn verfolgt und betrübt, wie er selbst bezeugt, wenn er lehrt, daß er am großen Gerichtstage zu den milden Wohlthätern seiner Gläubigen werde sagen: „Was ihr gethan habt einem dieser meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir gethan.“ – Und wie nun zwischen dem HErrn Jesus und seinen Gläubigen eine so genaue Verwandtschaft ist, also findet sie sich auch unter den Gläubigen, denn weil sie Glieder eines geistlichen Leibes sind und Eine Seele, Christum Jesum nämlich, und seinen Geist, Ein Herz und Einen Sinn haben, so kann eines ohne das andere wie die| Saiten auf der Laute nicht berührt werden. Sie empfinden eines des andern Noth an ihrem Herzen: sie haben ein herzliches Mitleiden mit einander, wenn’s übel geht; sie freuen sich aber mit einander, wenn’s wohl geht; sie sind barmherzig und gut, thätig und dienen einander willig mit der Gabe, die sie empfangen haben. Die Erfahrung bezeugt es, daß manchmal den Eltern das Herz weh thut, wenn es ihren Kindern, die in der Fremde oder sonst von ihnen entfernt sind, nicht wohl geht. Dergleichen widerfährt mancher christlichen Seele: Es ist oft ihr Herz so beklommen und ängstigt sich in ihnen, daß sie nicht wißen, wo sie sich laßen sollen, ob sie wohl manchmal nicht errathen können, was die Ursache sei. Ich halte aber dafür, wenn die Kirche zuweilen an einem Ort bedrängt wird, oder sonst die Trübsal vieler Orten überhand nimmt, daß die Gläubigen damit überschwemmt und hoch beschwert werden; so empfinden es die andern an ihrem Herzen, damit sie zum Seufzen und zum Beten angemahnt werden; darum auch in solcher Bangigkeit nichts Beßeres ist, als daß man seine eigenen, seiner Angehörigen, seiner Glaubensgenoßen und aller seiner Mitchristen Noth, sie seien nahe oder ferne, dem lieben Gott mit eifrigem Seufzen vortrage und um Hilf und Rettung schreie. – Dies gibt nun eine Warnung an die Gottlosen, einen Trost aber und Unterricht an die Frommen. Die Gottlosen müßen wißen, daß die heiligen Kinder Gottes auf Erden alle für Einen Mann stehen: sie glauben mit einander, sie beten, sie seufzen, sie weinen, sie freuen sich mit einander, sie helfen einander nicht mit Geschoßen und Schwertern, sondern mit ihren Thränen und Flehen: wer einen betrübt, der betrübt sie alle; wer des einen Thränen und Seufzen auf sich lädt, der muß ein gleiches von allen erwarten. Dies achtet zwar und versteht die Welt nicht, sie wird es aber oftmals inne, daß die Thränen der Gläubigen zur Fluth und zum gewaltigen Strom, die Seufzer aber zum starken Sturmwind werden, dadurch alle ihre Pracht und Herrlichkeit, aller Trotz und Frevel unverhofft über den Haufen geworfen werden. Tröstlich aber ist es den Frommen, zu wißen, daß sie so viele Fürbitter haben, als rechtschaffene Christen auf Erden leben, und wenn ihnen dünkt, ihr armes Gebet sei gar zu schwach, es könne nicht viel ausrichten; so bedenken sie billig, daß viel tausend gläubige Seelen neben ihnen vor Gott mit mit ihrem Gebete liegen. Aus vielen kleinen nun wird ein großes, und wenn eines Gerechten Gebet, wenn’s ernstlich ist, so viel vermag,| was sollte nicht die Menge der Gläubigen mit ihrem gesammten Seufzen ausrichten? Bist du dann arm, verlaßen, betrübt, angefochten, krank, verfolgt, gefangen? Gedenke, wenn etwa deine Noth so groß wäre, daß du nicht recht beten könntest, wie in Schrecken, Krankheiten und schweren Anfechtungen wohl geschieht, daß die ganze Menge der Gläubigen täglich bittet für die armen, elenden und verlaßenen, für die angefochtenen Herzen und beängstigten Gewißen, für die Kranken, für die unschuldig Gefangenen, für die Verfolgten und Bedrängten etc., welches allgemeine Gebet seinen großen Nutzen hat, dessen alle, die in der Gemeinschaft Christi sind, vornehmlich, und dann auch öfters, die noch nicht drinnen sind, genießen. – Der Unterricht aber oder die Lehre ist diese, daß alle gläubigen Seelen nothwendig müßen mitleidig, barmherzig und gutthätig sein. Sie müßen ihres Nächsten Noth mit einem liebreichen Herzen ansehen und sich straks geneigt befinden, demselben mit Rath, Hilf und Trost beizuspringen. Die aber hartes Herzens sind und ihres Nächsten Noth nicht empfinden oder achten, die haben nicht Ursach, von ihrem Christenthum sich allzugroße Hoffnung zu machen.


Erster Knabe:

     Das ist gewislich wahr. Christen sind Glieder am Leibe Christi. Ein Glied fühlet des andern Schmerzen. Weinen die Augen, so kommen alsbald die Hände und trocknen sie. Christen kennen sich unter einander, denn sie haben alle Christum angezogen. Kommt ein dürftiger Bruder zu ihnen, so sprechen sie: den kenn ich wohl an seinem Kleide, der ist mein HErr Jesus; sie eilen ihm entgegen und dienen ihm. Auch wohnt Ein Geist in allen Gläubigen, der verbindet ihre Herzen und zündet ein heimliches Flämmlein an, daß der eine dem andern in Gott hold und günstig wird.


Zweiter Knabe:

     Amen, das ist gewislich war. Du darfst also nicht fragen, was du thun sollst äußerlich: siehe auf deinen Nächsten, da wirst du zu thun finden, und wenn dein tausend wären. Verführe dich nur selbst nicht; denke nur nicht, daß du mit Beten und Kirchengehen oder Stiften oder Gedächtnissen wirst gen Himmel kommen, so du vor deinem Nächsten übergehest. Gehst du vor ihm über, so wird er dort im Wege liegen, daß du mußt wieder vor des Himmels Pforte übergehen wie der reiche Mann.


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11.

     Mel.: Nun komm der Heiden Heiland etc.
Bind zusammen Herz und Herz;
Laß uns trennen keinen Schmerz;
Knüpfe selbst durch deine Hand
Das geweihte Brüderband.

Kraft, Lob, Ehr und Herrlichkeit
Sei dem Höchsten allezeit,
Der, wie er ist Drei in Ein,
Uns in ihm läßt Eines sein!


12.
5. Lection.
So predigt der treue Prediger Christian Scriver:
     Wir wollen nun hören und kürzlich betrachten die Beschaffenheit der Barmherzigkeit und was sie für eine Tugend sei. Die Barmherzigkeit ist eine mitleidende Liebe und eine Bereitwilligkeit, dem Nächsten mit Rath, Hilfe und Trost beizuspringen, wenn er in Noth gerathen ist. Die Liebe insgemein betrachtet den Menschen in allem Zustand und sehnt sich, ihm Gutes zu erweisen; die Barmherzigkeit aber ist vornehmlich geschäftig und erzeigt sich, wenn sie ihn in Trübsal und Elend findet. Eine Mutter liebt ihr Kind allezeit und begleitet es mit ihrem Herzen und Augen allenthalben; wird es aber krank, so wird die Liebe gleichsam heftiger und erzeigt sich auf eine ausnehmende Weise: sie hebt und trägt das Kind; sie pflegt und wartet sein; sie spricht ihm freundlich zu; sie netzt es manchmal mit ihren Thränen, wann es matt und kraftlos in ihrem Schooße liegt, sie erquickt es und hilft ihm, wie sie kann und mag und wünscht, daß es bald aus der Gefahr gerißen und zu voriger Gesundheit gelangen möge. Dies alles thut sie aus innerlichem Antrieb ihres mütterlichen Herzens, welches die Noth des Kindes empfindet und seine Schmerzen gleichsam fühlt. So ist es auch mit der christlichen Liebe. Sie ist zwar allezeit auf den Nächsten gerichtet und hält ihn theuer und werth in ihrem Herzen; wenn er aber in Krankheit, in Armuth, in Verfolgung, in hartem Gefängnis und andrer Bedrängnis steckt; so wird sie desto brünstiger und trachtet, ihm auf allerlei Art, nach äußerstem Vermögen zu helfen,| entweder mit gutem Rath, oder mit wirklicher Hilfe, oder mit trostreichem Zusprechen, oder doch mit herzlichem Gebet und Seufzen.

     Wie nun die Noth des Nächsten mancherlei ist, also findet die Barmherzigkeit auch immer zu thun, sonderlich in diesen letzten schweren und betrübten Zeiten, da ich nicht weiß, ob irgend ein recht christliches Herz jemals stille sein kann, es muß immer wallen, jammern, helfen, rathen und trösten, weil alles mit Armuth und Elend, Trübsal, Angst und Noth erfüllet ist. Bald kommt ihm vor ein armer Mensch, der mit seiner täglichen schweren Arbeit es nirgends hinbringen kann, welchen die Kriegsdrangsale, Krankheiten oder andere Unfälle ganz ausgemergelt haben, dessen Kinder nackend gehen und nach Brod schreien: da muß es helfen speisen, tränken, kleiden und das verzagte Herz stärken. Bald findet sich eine arme Wittwe mit einem Häuflein verlaßener Waisen: diese muß es in ihrer Trübsal besuchen und sich ihrer nach Vermögen treulich annehmen. Bald hört es von einem Bedrängten, und durch Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit hochbeleidigten Menschen: da muß es ein Fürsprecher werden und ihn nach Möglichkeiten schützen, vertheidigen und erretten, oder doch wenigstens nebst ihm über die Bosheit der Welt seufzen und ihm tröstlich sein. Bald sagt man ihm von einem Kranken, der in einem schweren und langwierigen Lager fast kleinmüthig und trostlos geworden ist: den muß es besuchen und sein Arzt und Pfleger werden und nach Vermögen dahin sehen, daß er entweder von der Krankheit befreit oder doch mit nothwendiger Pflege versehen und nicht hilflos gelaßen werde. Zuweilen wird ihm kund gethan, daß ein angefochtenes und beängstetes Gewißen in der Nähe sei: hat es nun Erfahrung und weiß, wie einem solchen Herzen zu Muthe und wie ihm beizukommen und zu helfen ist, so hilft es mit liebreicher Seele; wo nicht, so setzt es seine Seufzer und Thränen bei ihm auf und ruft ängstiglich zu Gott um Trost und Hilfe. Hört es dann von einigen, die unschuldigerweise verstrickt oder in barbarische Dienstbarkeit verfallen sind, so gedenkt es der Gebundenen als Mitgebundener; es trägt gerne bei, was es kann, zu ihrer Erlösung mit Fürbitt und wirklicher Hilfe und ruft Gott an, daß er sie im Glauben erhalten und ihnen beständige Geduld bis an ihr Ende geben wolle. Hört es dann von einem Sterbenden, so wohnt es ihm gern mit seinem Gebete, Pflege und Trost bei bis an’s Ende; und wenn das erfolgt ist, hilft es nach allem Vermögen den Leib christlich und ehrlich zu bestatten.


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13.

     Mel.: Jesu, meine Freude etc.
Goldner Himmelsregen,
Schütte deinen Segen
Auf das Kirchenfeld;
Laße Ströme fließen,
Die das Land begießen,
Wo dein Wort hinfällt,
Und verleih,
Daß es gedeih;
Hundertfältig Frucht zu bringen,
Laß ihm stets gelingen.


14.
6. Lection.
So schreibt der treffliche Lehrer Heinrich Müller:

     Es muß aber die Uebung der Barmherzigkeit geschehen mit Lust und Willen. Übet Jemand Barmherzigkeit, spricht Paulus Röm. 12, 8., so thue er’s mit Lust. Der Wille ist das Fett in diesem Opfer. Ein barmherziger Mensch sucht und nöthigt die Dürftigen zu seiner Tafel. Am berührten Ort ermahnt Paulus, daß wir die Gastfreundschaft verfolgen sollen v. 13. Wenn die Armen vor uns fliehen, sollen wir sie verfolgen; wenn die Elenden wollen vorübergehen, sollen wir sie nöthigen, wie Lot die Engel und wie die Jünger, die nach Emmaus gingen, den HErrn Jesus: wir sollen sie um Gotteswillen bitten und so in’s Haus ziehen, denn wir bringen einen solchen Segen in’s Haus, der beßer ist als die ganze Welt. Darum sollen wir ihm nachlaufen und sprechen: Ach, lieber Bruder, warum willst du vorübergehen und mein Haus ungesegnet laßen. Ich laße Dich nicht, Du segnest mich denn. Wir sollen williger sein zu geben, als die Armen zu bitten, sollen ihnen zuvorkommen, ehe sie noch bitten, auf daß wir Gottes Natur an uns haben. Darf man doch auch vor einen guten Brunnen nicht treten und ihm sein Waßer abbitten oder abweinen, er steht allen offen und gibt sein Waßer von sich selbst, denn die innere Quelle leitet immer mehr zu. So lange inwendig die Liebesquelle nicht versiegt, ist ein Christ von außen wie ein Brunnen, der allen sein Waßer bietet: er gleichet darin dem Urbrunnen aller Güte, seinem Gott.

|
Erster Knabe:

     Ja wahrlich, schreibt Heinrich Müller an einem andern Ort, keine Tugend gefällt Gott beßer, keine Tugend wird am jüngsten Tage vor aller Welt mehr gerühmt werden als die Barmherzigkeit; denn Gott ist ein Vater der Natur: wer sich der elenden Natur annimmt, der nimmt sich Gottes an. Darum hat Gott im Gesetz geboten, daß man von den Äckern und Weinbergen die Frucht soll nicht zu genau ablesen, sondern den Armen und Fremdlingen auch ein Träublein hangen laßen, daß man alle 3 Jahre den Zehenten absondern und den armen Wittwen und Waisen geben sollte. Mit welch süßen Worten lockt uns die Schrift zur Barmherzigkeit! Salomo spricht: Wer sich des Armen erbarmet, der leihet’s dem Herrn. Sprüchw. 19, v. 17. Es ist ja alles sein, was wir sind und haben; dennoch will Gott die Almosen annehmen als ein geliehenes Gut und mit reichen Zinsen bezahlen. Was geliehen wird, das behält man nicht. Gott wird’s zu seiner Zeit wiedergeben. Wie könnten wir unsre Schätze beßer verwahren? Vielleicht hätte sie mittlerzeit ein Dieb gestohlen oder ein Unglück genommen. Sirach spricht Kap. 17, v. 18: Er behält die Wohlthaten wie einen Siegelring und die guten Werke wie einen Augapfel. Seines Siegelrings vergißt Niemand, denn er trägt ihn am Finger, und was hat man lieber, was verwahrt man sorgfältiger als seinen Augapfel? Das geringste Seufzerlein, das ich den Armen gebe, gilt vor Gott mehr, als ein ganzes großes Kaiserthum. Wer wollte seinen Augapfel um ein Kaiserthum geben? Christus selber ermahnt Matth. 6, v. 19–20: Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie Motten und der Rost freßen, und da die Diebe nachgraben und stehlen. Sammlet euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost freßen, und da die Diebe nicht nachgraben und stehlen.


Zweiter Knabe:
     Lob sei dem Herrn Jesus. O wie eine kräftige Anreizung zur Barmherzigkeit und zum Almosen liegt in seinen Worten! Wer will nicht gerne weinen, seufzen und beten, wenn er weiß, daß alle Thränen in Gottes Register, und wer will nicht gern den Armen geben, wenn er versichert ist, daß alles bei Heller und Pfennig in Gottes Buch gezeichnet wird und daß nicht ein Waßertrunk, den Seinigen im Glauben und in der Liebe gereicht, wird vergeßen und unbelohnt bleiben!
(Scriver.)     
|
Der Lector und die 2 Knaben zusammen:
Lob sei Dir ewig, o Jesu.


15.

Lied: Mel. O Durchbrecher aller Bande etc.
Halleluja, Ja und Amen!
Herr, du wollest auf mich sehn,
Daß ich mög in deinem Namen
Fest bei deinem Worte stehn!
Laß mich eifrig sein beflißen,
Dir zu dienen früh und spat,
Und zugleich zu deinen Füßen
Sitzen wie Maria that.


16.
7. Lection.
     Nachdem wir also Gottes Wort und die Ermahnung heiliger Lehrer von der Barmherzigkeit vernommen haben, so laßet uns aufschauen auf diejenigen, die uns zum Wort heiliges Beispiel gegeben haben. Vor allen laßt uns aufsehen auf den Herzog der Barmherzigkeit, unsern HErrn Jesus, der obwohl arm, dennoch reich gewesen ist an Barmherzigkeit. Er hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegen konnte, aber er hat uns ewige Wohnungen im Hause seines Vaters bereitet. Er lebte von der Wohlthat der Frauen, die ihm folgten, er hungerte in der Wüste und durstete am Kreuze, aber er speiste doch barmherzig 5000 Mann und 4000 mit der Speise der Nothdurft und tränkte die Hochzeitleute von Kana mit Freudenwein. Er machte die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Sprachlosen redend, den Lahmen gab er gesunde Glieder, die mit Krankheit und Seuchen behaftet waren, heilte er; die Todten weckte er auf; und unter allen seinen Wundern ist nur eines, das man versucht sein könnte, mehr ein Wunder der Gerechtigkeit als der Barmherzigkeit zu nennen. Er war ein Tröster der Wittwen, der Wittwe von Nain und der Wittwe unter dem Kreuze, ein Tröster der Gefangenen, des gefangenen Täufers Johannes, ein Seelsorger der Sterbenden, sogar im eigenen Sterben, denn er führte den sterbenden Schächer zum Paradies. St. Petrus faßt seinen ganzen Lebenslauf zusammen in die Worte: „Er ist umhergegangen und hat wohlgethan,“ d. i. Barmherzigkeit erwiesen. Und ist sein Leben nichts anders als eitel Barmherzigkeit, welch einen| Ruhm und Preis der Barmherzigkeit soll man alsdann seinem Tode geben und seiner Auferstehung und seinem Leben in der Majestät, sintemal er sein Leben gegeben hat zu einer Erlösung für Viele, um unsrer Gerechtigkeit willen auferstanden ist und im ewigen Heiligthum immerdar lebt und für uns bittet? Darum wir auch ohne Ende zu ihm rufen und schreien: Kyrie eleison.

Alle Lectoren: Christe eleison.
Alle enLector: Kyrie eleison.
Alle Lectoren: Amen.


Erster Knabe:

     Seinen heiligen Aposteln verhieß der Herr, daß sie dieselbigen Wunder der Barmherzigkeit auch thun sollten: ja er verhieß ihnen größere dazu. Darum giengen sie auch hinaus, zwar in Armuth, wie er selber, aber auch in demselben Reichthum wie ihr Herr. Allenthalben und unter allen Völkern, zu denen sie kamen, sahen die Blinden, hörten die Tauben, redeten die Stummen, sprangen die Lahmen, genaßen die Kranken, standen die Todten auf, die Traurigen wurden getröstet, Barmherzigkeit speiste die Hungernden, tränkte die Durstigen, besuchte die Gefangenen, tröstete die Sterbenden. Ihr ganzer Lebenslauf war lauter Barmherzigkeit und über ihren Gräbern erblühte die Kirche, d. i. ein Paradies der Barmherzigkeit.

Alle Lectoren zusammen: Halleluja.


Zweiter Knabe:

     Und ein Amt der Barmherzigkeit stifteten sie im Namen unsers HErrn Jesus. Denn auch für Apostel war es zuviel, zugleich das Wort des Amts und der Barmherzigkeit zu führen. Schön ist sie und groß, reich und gesegnet, die Schaar der heiligen Diener Christi unter den Leidenden; gesegnet von den ersten Sieben zu Jerusalem an bis zu Laurentius, dem hellen Stern, und bis in die späteren Zeiten.

Alle Lectoren zusammen:
 Lob sei Dir ewig, o Jesu.


17.

Gesang: Mel. Schmücke dich, o liebe Seele.
O Monarch in dreien Reichen,
Dir ist Niemand zu vergleichen
An dem Ueberfluß der Schätze,
An der Ordnung der Gesetze,

|

An Vollkommenheit der Gaben,
Welche deine Bürger haben;
Du beschützest deine Freunde,
Du bezwingest deine Feinde.


18.
8. Lection.

     Seht um euch, lieben Brüder und Schwestern, hinaus in die 4 Enden des Landes, denkt an die Zeit, wo Niemand von dieser Höhe in die Ferne sehen konnte, wo Urwald und Sumpf den Boden bedeckte, wo der Nordgau und dies Land zu Franken eine wilde traurige Wüste gewesen ist und die Seelen der Bewohner dieser Gegenden dem Lande glichen. Wer hat das Land gelichtet, den Boden bebaut, heimatlich und behaglich und zu einem Garten Gottes gemacht? Wer hat die Einwohner in ihrer Wildnis besucht, in ihre Herzen das Licht und den Trost des h. Geistes gebracht, aus Wilden nicht blos Menschen, sondern Christen und Heilige Gottes gemacht? Es waren die Jünger des barmherzigen Jesus, getrieben vom Geiste Jesu, das ist vom Geist der Barmherzigkeit, die da kamen, nichts für sich begehrten, sondern arm und gering, krank, matt und schwach wurden und starben, nur daß wir sähen und hörten und sprächen und sängen und genäßen und lebten hie zeitlich und dort ewiglich. Es waren die Helden der Barmherzigkeit, Kilian und Totnan, Winfried und Willibald und Wunnibald, Sola und Deokar, Gumbert und Sebald und wie sie Alle hießen, deren Namen im Himmel angeschrieben sind, im Verzeichnis der Barmherzigen, die unsern Vätern Segen brachten, deren wir dankbar gedenken und ihre Namen vererben sollen auf Kindeskind, denn sie sind’s werth.

     Alle Lectoren: Amen.


19.

Gesang: Mel. Valet will ich dir geben etc.
Ermuntert euch, ihr Frommen,
Zeigt eurer Lampen Schein!
Der Abend ist gekommen,
Die finstre Nacht bricht ein.
Es hat sich aufgemachet
Der Bräutigam mit Pracht;
Auf! betet, kämpft und wachet,
Bald wird es Mitternacht.


|
20.
9. Lection.

     Ja sollen wir denn nun der edlen Frauen vergeßen, die den berühmten Helden in die Arbeit der Barmherzigkeit nachgiengen und zum starken Wein der männlichen Barmherzigkeit das milde Öl der weiblichen Barmherzigkeit brachten? Stehen wir nicht also, daß wir von diesem Hause, das der Barmherzigkeit geweiht ist, hinüberschauen in die Gegend, wo neben den heiligen Brüdern Willibald und Wunnibald die hehre Dienerin Jesu Walburgis lebte und wirkte und starb, die da „fleißig war in der Arbeit ihrer Hände, fleißiger noch im Lesen und Betrachten der h. Schrift, am allerfleißigsten im Gebete,“ von deren Andenken unzertrennlich ist Öl und Wein des guten Samariters und die Lampe der wachsamen Jungfrau, die wie eine Prophetin nach dem Tod, des Bruders auch unter den Männern waltete und heimgegangen ist unter Freuden der Engel und Klagen der Menschen am 25. Febr. 777?

     Alle Lectoren: Der Tod seiner Heiligen ist werth gehalten vor dem HErrn.


Erster Knabe:

     Es ist nicht mehr, wie es ist gewesen in der Zeit der Helden, und wie schwach und klein sind unsre Tage in den Werken und Thaten der Barmherzigkeit, wenn man sie mit der Vorzeit vergleicht! Aber dennoch, ragen auch keine Bäume der Barmherzigkeit, so sproßt es doch allenthalben wieder von Gras und Kraut der Barmherzigkeit, der HErr läßt aus seinen Odem der Barmherzigkeit und verneuert die Gestalt der Erde. Gesegnet seien, die dem Triebe Seines Odems und Geistes folgen, die ihre Kleider schürzen und ihre Hände rüsten zu Werken der Barmherzigkeit in unsern Tagen, auf daß Christus an ihnen und sie an Christo und von Ihm gepriesen werden am großen Tage.

     Alle Lectoren: Amen.


Zweiter Knabe:
     Über eine Weile, so sind wir nicht mehr da, sondern schauen Sein Angesicht in Gerechtigkeit und genießen seine Freuden in Ewigkeit. Aber so lang es währt auf dieser armen Erde, laßt uns dem barmherzigen Jesu in Barmherzigkeit dienen. Es ist uns hier ein Haus der Barmherzigkeit erbaut und eine Stätte der Andacht und| Liebesarbeit: Da laßt uns einziehen mit Freuden und die Barmherzigen sollen Besitz ergreifen mit Frohlocken. Der HErr aber zeige seinen Knechten seine Werke und seine Ehre ihren Kindern und der HErr unser Gott sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns, ja das Werk unserer Hände wolle er fördern.

     Erster Knabe: Amen.

     Alle Lectoren: Halleluja.




21.
Der ambrosianische Lobgesang.
     Erster Chor.

Herr Gott, dich loben wir,
Dich, Vater in Ewigkeit,
All Engel und Himmelsheer
auch Cherubim und Seraphim
Heilig ist unser Gott!

     Zweiter Chor.

Herr Gott, wir danken dir,
ehrt die Welt weit und breit.
und was dienet deiner Ehr,
singen immer mit hoher Stimm
Heilig ist unser Gott!

Beide Chöre.
Heilig ist unser Gott, der Herre Zebaoth!
     Erster Chor.

2. Dein göttlich Macht und Herrlichkeit
Der heiligen zwölf Boten Zahl
die theuren Märtrer allzumal
Die ganze werthe Christenheit
dich, Gott Vater, im höchsten Thron,
den heiligen Geist und Tröster werth
3. Du König der Ehren, Jesu Christ,
der Jungfrau Leib nicht hast verschmäht,
du hast dem Tod zerstört sein Macht

     Zweiter Chor.

geht über Himmel und Erden weit.
und die lieben Propheten all,
loben dich, Herr, mit großem Schall.
rühmt dich auf Erden allezeit:
deinen rechten und einigen Sohn,
mit rechtem Dienst sie lobt und ehrt.
Gott Vaters ewiger Sohn du bist;
zu’rlösen das menschlich Geschlecht;
und all Christen zum Himmel bracht;

     Erster Chor.

du sitzst zur Rechten Gottes gleich
ein Richter du zukünftig bist

     Zweiter Chor.

mit aller Ehr in’s Vaters Reich;
alles, das todt und lebend ist.

| 4. Nun hilf uns, Herr, den Dienern dein,

laß uns im Himmel haben Theil
hilf deinem Volk Herr Jesu Christ,
wart und pfleg ihr zu aller Zeit,
5. Täglich, Herr Gott, wir loben dich
Behüt uns heut, o treuer Gott,
Sei uns gnädig, o Herre Gott,
Zeig uns deine Barmherzigkeit,
Auf dich hoffen wir, lieber Herr,

mit deim theurn Blut erlöset sein;

mit den Heiligen in ewigem Heil;
und segen, was dein Erbtheil ist;
und heb sie hoch in Ewigkeit.
und ehrn dein Namen stetiglich.
vor aller Sünd und Missethat!
sei uns gnädig in aller Noth!
wie unser Hoffnung zu dir steht;
in Schanden laß uns nimmermehr.

Beide Chöre.
Amen!
Dr. Martin Luther.



  1. von Rechts wegen.


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Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau
§. 3. Betsaalbau »
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