Fabrik von Orleans, wollenen und halbwollenen Mannfacturwaaren v. J. F. Gräfe & Söhne

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Titel: Fabrik von Orleans, wollenen und halbwollenen Mannfacturwaaren v. J. F. Gräfe & Söhne
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 9–11
Herausgeber: Louis Oeser
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Orleansfabrik von J. F. Gräfe & Söhne in Meerana .

[9] In einer angenehmen und fruchtbaren Gegend der Schönburgschen Receßherrschaft Glauchau liegt zwischen der Pleiße und der Mulde, auf einem langgestreckten Hügel und zum Theil in zwei Thälern, dem Rosenthal mit dem Dietrichsbach und dem Seiferitzthal mit dem Seiferitzbach, die uralte Stadt Meerana, an der Leipzig-Zwickauer Straße und der Verbindungsbahn von Glauchau nach Gößnitz. Von der altenburgischen Grenze ist es kaum eine halbe Stunde entfernt, und von Gößnitz, der nächsten Station der sächsisch-baierschen Eisenbahn eine Stunde; die Entfernung von Glauchau beträgt 1½ Stunde, von Crimmitzschau 2 Stunden, von Waldenburg 3 Stunden, von Altenburg und Zwickau 4 und von Leipzig 16 Stunden, welche Entfernungen jetzt allerdings durch die Eisenbahnverbindungen bedeutend abgekürzt sind.

Meerana, urkundlich einst Meer, Mer oder Mor geschrieben, gehört zu den allerältesten Orten dieser Gegend und verdankt seine Gründung den Wenden. In früheren Zeiten war es der Hauptort einer eigenen kleinen Herrschaft und hatte einen bedeutend größeren Umfang als heute; es war mit Mauern und Wällen umgeben, hatte fünf bedeutende Vorstädte und eine ansehnliche Burg, welche 1174 als Residenz des geflüchteten böhmischen Königs Wladislaw diente, und deren letzten Reste 1572 abgetragen wurden. Von dem Aufenthalt Wladislaws datirt sich auch die böhmische Lehnsherrlichkeit über Meerana, die erst 1779 endete. – Seinen großen Umfang hat Meerana nicht sehr lange behauptet; Feuersbrünste sollen den endlichen Verfall der Stadt herbeigeführt haben, welche endlich ein sehr unbedeutender Ort wurde.

Die Erwerbszweige der Stadt waren früher hauptsächlich der bei der Fruchtbarkeit der Gegend sehr lohnende Ackerbau, die Viehzucht, der ergiebige Obstbau und die gewöhnlichen städtischen Handwerke, zu denen auch die Tuchmacherei und Zeugweberei gehörte. Doch kann diese Weberei in früheren Tagen nie sehr bedeutend gewesen sein und erst der neueren Zeit war es vorbehalten, die Stadt in industrieller Hinsicht so zu heben, daß sie jetzt als eine der wichtigsten Fabrikstädte Sachsens – man bezeichnet sie als im Range die dritte – gelten kann.

Im vorigen Jahrhundert begann man erst zu erkennen, daß Meerana für den allgemeinen Handelsverkehr eine sehr vortheilhafte Lage habe, der industrielle Unternehmungsgeist regte sich, es entstanden nach und nach einige Fabrikgeschäfte in wollenen Waaren und zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts wurden selbst seidene und halbseidene Stoffe hier gefertigt, welche sich eines guten Rufs erfreuten. Die Kriegsjahre von 1806 bis 1814 riefen Stockungen im Geschäftsverkehr der Stadt hervor, doch 1816 zählte Meerane schon wieder zweihundert Zeugmachermeister mit hundert Gesellen, und 1830 hatte sich diese Zahl über das Doppelte vermehrt; diese Zahl blieb fortwährend im Steigen, so daß gegenwärtig über elfhundert Meister mit neunhundert Gesellen und über vierhundert Lehrlingen sich hier befinden. Außerdem arbeiten noch viele tausend Weber in Glauchau, Waldenburg, in dem volkreichen Mülsengrunde, im Voigtlande u.s.w. hierher, so daß Meeranas Fabrikanten auswärts gegen zehntausend Stühle beschäftigen.

Bei dem Fransenziehen finden ebenfalls viele hiesige Frauen und Kinder, sowie fremde Mädchen dauernde Beschäftigung.

Außer den vielen höchst bedeutenden Fabrikgeschäften befinden sich ferner hier sehr ansehnliche Färbereien, die eine bedeutende Anzahl Hände beschäftigen; diese Färbereien sind aber noch nicht hinreichend für Meeranas Bedarf, zudem die Stadt eben keinen Ueberfluß an Wasser besitzt, und deshalb wird für diesen Platz viel in dem benachbarten Glauchau gefärbt.

[10] Spinnereien fehlen hier gänzlich, weshalb der Ort genöthigt ist, seinen Bedarf an Garnen aus dem Voigtlande, aus der Chemnitzer Gegend und zum Theil auch aus England zu beziehen.

Was nun die Erzeugnisse Meeranas betrifft, so hat die Seidenwaarenfabrikation längst aufgehört und den Merinos Platz gemacht, welche dann wieder von dem Thibet, den Orleans und Mousseline de laine verdrängt wurden, die nebst Sommerstoffen für Herren, halbwollenen gemusterten Tüchern (die sich durch Billigkeit auszeichnen und dabei an Schönheit und Güte den Wiener und französischen Fabrikaten nicht nachstehen), gemusterten und buntgewebten ganz- und halbwollenen Kleider- und Mantelstoffen für Frauen, Berkan zu Priesterröcken u. s. w., jetzt vorzüglich häufig hier fabricirt werden.

Bei dem immer lebhafteren Aufschwung der Industrie Meeranas nahm auch dessen Bevölkerung im Verhältniß zu andern Orten überraschend schnell zu. 1776 hatte die Stadt nur 293 Häuser mit kaum 1200 Bewohnern, 1801 gab es bereits 2121, 1815 2438, 1819 2798, 1830 3521 und 1834 in 459 Wohngebäuden 4339 Einwohner, 1843 war die Zahl der Wohngebäude auf 594 und die der Einwohner auf 5740 gestiegen, während jetzt in 845 Wohngebäuden 9530 Einwohner leben.

Von den Etablissements Meeranas wählen wir für jetzt zur näheren Betrachtung eines der ältesten und berühmtesten, die


Fabrik von Orleans, wollenen und halbwollenen Manufacturwaaren v. J. F. Gräfe & Söhne,


welches vor einer langen Reihe von Jahren durch Herrn J. F. Gräfe gegründet und später in Gemeinschaft mit seinen Söhnen unter der heute noch bestehenden Firma fortgeführt wurde. Gegenwärtig sind Besitzer des Geschäfts die Herren F. W. Gräfe und C. F. Starke.

Das Etablissement besitzt

ein Hauptgebäude, enthaltend das Comptoir, die Warenannahme für außer dem Hause gearbeitete Waaren, die Lagerräume u. s. w.;
ein Färbereigebäude für Schwarz- und Schönfärberei und auch die Wäscherei enthaltend;
einen Maschinenwebesaal, wo glatte Stoffe auf mechanischen Webestühlen gewebt werden und in dem sich auch zwei Scheercylinder, Spuhl- und Treibmaschinen befinden;
drei andere Gebäude zu verschiedenen Zwecken und
eine Scheune, so wie Stallung und Schuppen u. s. w.

An die Gebäude schließt sich ein großer Trocken- und Rahmenplatz.

Die hier vertretenen Branchen sind

die Weberei wollener und halbwollener Waaren, von denen als die berühmtesten, die Pure lains, Poil de chevere, Cassinetts, Neapolitains, Lamas u. s. w. aufgeführt zu werden verdienen,
die Färberei und
die Appretur.

Die genannten Fabrikate finden ihren Absatz in den Zollvereinsstaaten, in der Schweiz, Italien, Schweden, Holland und nach Nord- und Südamerika. Von Messen werden nur die Leipziger bezogen.

Bei der Ausstellung in London erhielt die Firma die Prämie auf Buntweberei.

[11] An Maschinen besitzt das Etablissement eine Dampfmaschine mit zwei Kesseln von zwölf Pferdekraft, zweiundzwanzig mechanische Webestühle, zwei Scheercylinder, zwei Kreppmaschinen, eine Schleutermaschine, eine Waschmaschine, eine Spuhlmaschine, eine Treibemaschine und drei Pressen.

Das hier fortwährend beschäftigte Arbeitspersonal besteht aus drei Comptoiristen, zwei Maschinisten, zwei Reisenden, dreißig Mädchen, fünf Färbergehilfen und vier Leuten zum Aufmachen und Verpacken der Waaren; außer dem Hause werden fortwährend drei- bis vierhundert Weber beschäftigt.