Feuer-, Licht-, Heiz- und Regenbrunnen

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Autor: unbekannt
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Titel: Feuer-, Licht-, Heiz- und Regenbrunnen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 362–363
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Feuer-, Licht-, Heiz- und Regenbrunnen.

So stolz auch manche Gelehrte, und ihre Wagner’s besonders, auf unsere Wissenschaft und Civilisation überhaupt sein mögen, gibt es doch erst recht für Jeden, der da wirklich wissen möchte, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ (und was aus ihr werden würde, wenn sie am 13. Juni dieses Jahres „untergegangen wäre“) noch manche aschgraue Räthsel und herzverbrennendes Nichtwissen. Wie demüthigend ist es z. B. für den Maschinen- und retortenstolzen Sohn dieses Jahrhunderts, der aus den Steinschichten der Erdrinde die Geschichte unseres Globus bis auf hundert Millionen Jahre zurückliest, daß wir so gar nicht durch die dünne Eierschale der Erde (sie ist mehrere geographische Meilen dick, aber in Bezug auf ihre Größe doch nicht so stark, wie eine Birn- oder Eierschale) hindurchkommen können, um uns die inwendig aufgehäuften Schätze zu Nutze zu machen. Es ist so viel Feuer darin, daß nie ein Mensch zu frieren brauchte, so viel Leuchtgas, daß wir beinahe die Sonne entbehren könnten, so viel Wasser und Fruchtbarkeit, daß kein Hälmchen und kein Bauer auf Regen zu warten nöthig hätte. Die Erde hat inwendig nota bene fast immer zu viel von diesen Schätzen und entladet sich dieses Ueberflusses, wenn’s ihr zu arg wird, nicht blos durch die Paar Dutzend Sicherheitsventile, die Vulcane, sondern verschafft sich auch auf dem revolutionärsten Wege durch Erdbeben und dergleichen Oeffnung. Die bisherigen Sicherheitsventile dieses ungeheuern Dampfkessels reichen bei starkem Feuer inwendig nicht hin. Deshalb platzt er, bald hier und da, und wogt mit der Erdrinde, wie ein offenes Meer im Sturme. Es kommt dann zu viel Feuer auf einmal heraus, und da Feuer Wasser bildet, regnet es dazu oft wahre Sündfluthen. Wenn man nun künstliche Sicherheitsventile anbrächte, könnte man die ganze Erde nach Belieben und Bedürfniß erleuchten und bewässern. Ein Franzose hat nun neuerdings allen wissenschaftlichen Ernstes solche Sicherheitsventile für „den großen Hochdruckgasometer,“ unsere Erde, vorgeschlagen, artesische Feuerquellbrunnen, um durch diese das Gas aus dem Innern für Leucht- und Heiz- und Bewässerungszwecke abzuzapfen, worauf Kohlen, Coaks, Holz und Torf und das Geld dafür und die Schmutzerei damit gespart werden würde.

Zu diesem Zweck wäre es blos nothwendig, tief genug in den Harnisch unserer großen Feuerkugel einzubohren, nicht bis in’s Feuer selbst, sondern bis zu den Gasen, die sich über demselben in einer gewissen Tiefe der Erdrinde entwickeln. Die Chinesen, welche Jeder, der sie aus eigener Anschauung schilderte, als das friedlichste, gebildetste Volk lobt, und Jeder, der sie nicht kennt, Palmerston’s und constitutioneller Taschenspielerei wegen, als Barbaren, die bombardirt, belogen und betrogen werden müssen, darzustellen sucht, die Chinesen haben’s auch hierin am Weitesten oder Tiefsten gebracht. Sie haben den tiefsten artesischen Brunnen, 1033 Metres tief, [363] gebohrt, bei Uting Kiao. Sie fanden Gas, als sie tiefer bohrten, um die ausgestorbene Salzquelle wieder zu beleben, welches sie sofort zur Verdampfung des Wassers in ihren Steinsalzgruben zu verwenden wußten.

Der Franzose hat mit seinen Feuerquellbrunnen zunächst nur Paris im Auge; doch würden sie, da man von jedem Orte der Erde nach deren Mitte zu bohren kann, bald von aller Welt in Angriff genommen werden, da sie eine unerschöpfliche Quelle von Licht, Heizung und Regen umsonst liefern würden. Mit einer Million Francs, freiwillig gesteuert, meint er, würde der Angriff gegen das revolutionäre Reich Vulcan’s und Neptun’s, der Gnomen und Salamander, ausgeführt werden können. Die Bürgerschaft von Paris könnte das Gas für einen Centime per Cubikfuß verkaufen. Das gäbe 300 Francs in der Minute oder jährlich 158,420,000 Francs. So viel Steuerkraft steckt in der Erdrinde blos für eine einzige Stadt. Das ist noch nicht Alles. Da das Heiz- und Leuchtmaterial umsonst aus der unerschöpflichen Erdrinde quillt, kann man auch die Stadt damit besprengen und es regnen lassen, so oft es nöthig erscheint. Man läßt für solche Fälle das Gas nur eben ein Weilchen in die Luft strömen, zündet es dann an mit einem elektrischen Drachen, um das Feuer als Regen niederströmen zu lassen. Jeder Verbrennungsproceß bildet Wasser. „Ein schöner Regen,“ sagte er, „vollkommen geregelt nach dem Gasometer, würde die Stadt erquicken, die Gärten waschen und erfrischen, die Promenaden reinigen und die benachbarten Felder tränken.“ Hier bricht er in eine Salve patriotischen Enthusiasmus aus über das Privilegium von Paris, nach Belieben und mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung Regen zu träufeln und Sonnenschein zu machen über Gerechte und Ungerechte und über den Strom von Fürsten und Fremden, um diese Feuer- und Wasserwerke in Augenschein zu nehmen.

Letzteres ist patriotisch und lächerlich, aber die Sache selbst und zwar für alle Menschheit ist nicht unmöglich und wird sehr wahrscheinlich über Kurz oder Lang so üblich sein, wie die früher als unmöglich verspotteten Eisenbahnen, Dampfschiffe und Gasbeleuchtungsanstalten. Als Stephenson die erste Eisenbahn in England bauen wollte, rotteten sich die Bauern unter Anführung ihres Pfarrers zusammen, um den „Unsinn“ zu verhindern; alle englischen Zeitungen spotteten über den Narren, dessen Locomotive sich doppelt so schnell, als eine Postkutsche fortbewegen wolle, selbst die Techniker des Parlaments bezeichneten den Mann als einen „Irren“ und ein Lord des Oberhauses vermaß sich sogar den ersten Eisenbahnzug mit Haut und Haaren zu fressen. Und jetzt, kaum einige 30 Jahre später? So wird es immer mit den großen Erfindungen der Völker gehen!

Manchester ist die regnerischste Stadt, weil sie immerwährend unten viele Tausend Pferdekräfte von Feuer und Dampf erzeugt und Tag und Nacht unterhält. Regenstürme sind Folgen jedes Erdbebens. Künstliche Vesuve und Aetna’s unter den Händen tüchtiger Ingenieurs würden demnach mehr Wärme und Leben spenden in den eisigsten Regionen, als die Geisers auf Island, welche den Bewohnern heißes Wasch- und Kaffeewasser liefern. Was Paris kann, wird man auch auf Grönland versuchen, um den Nordpol aufzuthauen, und überall, wo Menschen Licht, Wärme, Regen und Sonnenschein brauchen.

Die einzige Schwierigkeit ist das Bohren. Das könnten wir aber von den Chinesen lernen, falls wir uns nicht zu gebildet dazu halten. Wenigstens wär’s besser, als sie durch Lüge und Mord und Brand zu Hyänen zu machen und dann mit christlichem Ingrimm auszurufen: „Müssen wir sie nun nicht erst recht morden?“

Wir haben mit Franklin’s Erfindung dem alten Donner- und Blitzgotte Zeus seine Donnerkeile aus der Hand gewunden, so daß wir hoffen dürfen, der Erde auch noch ihre launischen Ausbrüche zu nehmen und Feuer-, Licht- und Regenquellen nach Belieben daraus zu machen. Daß Viele mit Recht noch daran zweifeln mögen, sollte uns aber in unserm Wissenschafts- und Civilisationsstolze bescheidener machen, als viele Helden unserer Zeit sind. Wir können noch lange nicht Alles, was, im Ganzen und Großen genommen, doch noch eben so leicht als klein erscheint, und wissen noch lange nicht Alles, was täglich vor unsern Augen passirt und in wissenschaftlichen Büchern unter dem Titel bekannter Thatsachen und abgemachter Hypothesen als Baugrund für wissenschaftliche Renommisterei benutzt wird.